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Siebentes Bild

Wieder im Park vor dem Jagdschloß des Königs. Der Morgen graut, bald kommt die Sonne. Der Lakai steht vor der Türe und späht in den Park hinaus, dann horcht er plötzlich auf, wendet sich um und verbeugt sich, denn in der Türe erscheint der Hofbeamte.

Hofbeamter  Haben Majestät meine Abwesenheit bemerkt?

Lakai  Keineswegs, Exzellenz!

Hofbeamter  sieht sich um: Wo steckt er denn?

Lakai  Im Park.

Hofbeamter  Noch immer?

Lakai  Schon seit Stunden. Mit der blonden Dame, Exzellenz –

Hofbeamter  Jaja, es ist eine warme Nacht.

Stille.

Lakai  Exzellenz, es ist etwas Entsetzliches passiert. Ein Exzeß, Exzellenz –

Hofbeamter  Was?!

Lakai  Vor zirka zehn Minuten taucht hier plötzlich der Herr Graf von Hermannstadt auf und begehrt mit einem direkt irren Blick nach Seiner Majestät. Wir sagen, wir hätten keine Ahnung, wo sich Seine Majestät befände – da begehrt er nach jener blonden Dame. Wir sagen wieder, daß wir nichts wüßten – da zieht er den Degen –

Hofbeamter  fällt ihm ins Wort: Den Degen?!

Lakai  Er wollt uns alle massakrieren!

Hofbeamter  War er betrunken?

Lakai  Nein, Exzellenz, ich glaub, er ist verrückt geworden –

Hofbeamter  Verrückt?

Lakai  Immer wieder hat er geschrien, er hätt sein Weib auf seiner Burg wie eine Gefangene gehalten, aber nur, um sie nicht zu verlieren –

Hofbeamter  unterbricht ihn: Was heißt das?

Lakai  Lauter ungereimtes Zeug! Sein Weib sei eine Hexe, aber er liebe sie trotzdem, er hätt sie ja immer geliebt und würde sie auch immer lieben, selbst noch in der Höll, trotzdem sie nur Unheil brächt, die Pest, den Krieg, den Tod etcetera – etcetera! Wir mußten Gewalt anwenden, die Wache hat ihn überwältigt – jetzt sitzt er im Keller.

Hofbeamter  denkt nach: »Sein Weib«, hat er gesagt? – Ah, nun geht mir allmählich ein Lichtlein auf –

Lakai  lauscht plötzlich in den Park: Pst! Majestät – Er zieht sich mit dem Hofbeamten zurück; ab durch die Türe.

Matthias  kommt mit der Blonden aus dem Park, hält mit ihr unterhalb der Terrasse und deutet nach dem Horizont, Jetzt kommt bald die Sonne.

Blonde  blickt auf den Horizont: Schön.

Stille.

Matthias  Wie heißt Ihr eigentlich mit dem Vornamen?

Blonde  Ist das so wichtig?

Matthias  Ja.

Blonde  Ich sag ihn aber nicht. Weil er mir nicht gefällt.

Matthias  Vielleicht gefällt er mir.

Blonde  Sicher nicht. Ich kenn ja Eueren Geschmack – Sie lächelt. Stille.

Matthias  Wollt Ihr nicht bei mir bleiben?

Blonde  Ich sagt Euch doch schon, daß ich verheiratet –

Matthias  fällt ihr ins Wort: Wir werden die Ehe für ungültig erklären lassen. Ich bin schon mit schwierigeren Dingen fertig geworden.

Blonde  Na!

Matthias  Wer ist denn Euer Mann?

Blonde  Er kümmert sich nicht um mich.

Matthias  Liebt Ihr ihn noch?

Blonde  Wenn er mich lieben würde – Sie lächelt.

Stille.

Matthias  Wer seid Ihr?

Blonde  als hätte sie seine Frage überhört: Ihr werdet ihm doch nicht den Kopf nehmen?

Matthias  verwirrt: Wem?

Blonde  Diesem Herrn Grafen von Hermannstadt.

Matthias  Ich begreif es nicht, was kümmerts Euch? Jetzt fragt Ihr mich schon das vierte Mal!

Blonde  Einen Kopf zu verlieren, ist doch keine Kleinigkeit –

Matthias  Er hat mich betrogen.

Blonde  Aber gleich dafür den Kopf zu nehmen, das wäre doch ein bisserl ungerecht. Der König ist doch ein christlicher Monarch und kein despotischer Sultan – Sie lächelt. Mein Gott, man betrügt doch so leicht, und oft weiß mans garnicht –

Matthias  betrachtet sie: Dieser Graf sagte vorhin, Ihr wäret eine Hexe –

Blonde  traurig: Ja, das sagt er immer. Immer gibt er mir alle Schuld.

Stille.

Matthias  Ich ahn es nicht, wer Ihr seid, ich fühl es nur, Ihr seid irgendwie gefährlich – verflucht gefährlich –

Blonde  entsetzt: Sagt das nicht! Nicht dieses Wort!

Matthias  perplex: Welches? »Gefährlich«? Das ist bei mir ein Kompliment!

Blonde  Nein, das andere! Bitte, nicht –

Matthias  Was hab ich denn noch gesagt? Weiß ich gar nicht mehr!

Blonde  Ihr habt gesagt: verflucht.

Matthias  Na und?

Blonde  Es gibt Kinder der Sonne und Kinder der Nacht.

Stille.

Matthias  Ihr glaubt, daß es verfluchte Menschen gibt?

Blonde  Ich weiß es.

Stille.

Matthias  fixiert sie: Jemand, der so schön singen kann –

Blonde  Vielleicht gerade deshalb.

Stille.

plötzlich. Ich muß jetzt weg.

Matthias  Warum?

Blonde  Laßt mich, bitte! Ich warn Euch vor mir – ich bring ja nur Unheil, immer nur Unheil, Unheil –

Matthias  Wer könnt denn Euch verflucht haben!

Blonde  Mich persönlich niemand. Aber meine Familie –

Matthias  Dann gehen wir doch gleich bis Adam und Eva –

Blonde  fällt ihm ins Wort: Macht keine Scherze! Ich hab schon soviel leiden müssen –

Matthias  fällt ihr ins Wort: Ich scherze nicht! Ich glaub so wenig an verfluchte Geschlechter, wie an Hexen!

Blonde  starrt ihn an: Ihr glaubt nicht, daß es Hexen gibt?

Matthias  Nein. Ich bin ja nicht blöd.

Stille.

Blonde  Glaubt Ihrs denn auch nicht, daß man mit Teufelsrezepten Gold machen kann?

Matthias  Ich glaub an keine Teufelsrezepte, der Satan braucht keine Rezepte, um eine Seele für sich zu kurieren – und leider glaub ich auch nicht daran, daß man Gold machen kann. Leider, leider!

Stille.

Blonde  Darf ich Euch noch etwas fragen?

Matthias  Nur zu! Ich antworte gern!

Blonde  langsam: Glaubt Ihr, daß sich die Erde um die Sonne dreht?

Matthias  perplex: Die Erde um die Sonne?

Blonde  Ja.

Stille.

Matthias  Wer behauptet das?

Blonde  Mein Onkel hats irgendwo gehört und hats dann im Casino erzählt. Sie haben ihn vom Fleck weg verhaftet und haben ihm beide Ohren abgeschnitten.

Matthias  Beide Ohren?

Blonde  Ja.

Matthias  Das war aber noch vor meinem Regierungsantritt?

Blonde  Damals war ich noch nicht auf der Welt.

Matthias  Drum. Also wenn sich jemand für eine solche Behauptung die Ohren abschneiden läßt, dann dürft schon etwas Wahres dran sein. Vielleicht drehen sich halt beide umeinander – die Erde um die Sonne und die Sonne um die Erde.

Blonde  lächelt: Vielleicht!

Matthias  Es dreht sich im ganzen Leben immer alles so umeinander herum – nicht?

Blonde  Ja. Sie seufzt, leise. Jetzt, zum Beispiel, seid Ihr die Sonne –

Matthias  Nein, die Erde – Sie sieht ihn groß an.

Stille.

Leise. Bleibt bei mir. Ich war immer allein.

Blonde  Ihr seid ja auch der König.

Stille.

Matthias  Was denkt Ihr jetzt?

Blonde  Es steht jemand hinter der Tür und schaut uns zu.

Matthias  Wer? Wo? Er tritt rasch zur Türe und ergreift den Lakai, der hinter der Türe lauscht. Ach!

Lakai  entsetzt: Gnade, Majestät.

Matthias  Du spionierst?

Lakai  Nein, um Gottes Willen, Majestät! Majestät, ich wollte ja nur gerade etwas Fürchterliches melden – Er spricht leise auf Matthias ein, damit ihn die Blonde nicht hört.

Matthias  kriegt große Augen: Was?!

Lakai  Sehr wohl, Majestät!

Matthias Einen Augenblick! Rasch ab durch die Türe mit dem Lakai.

Blonde sieht ihm überrascht nach.

Hofbeamter  der ebenfalls hinter der Türe lauschte, tritt nun vor, sieht sich heimlich um und verbeugt sich leicht vor der Blonden: Wir hatten bereits das Vergnügen –

Blonde  Ja.

Hofbeamter  Ich warne Euch. Weiß der König bereits wer Ihr seid?

Blonde  wird unsicher: Ich versteh Euch nicht –

Hofbeamter  Hm. Ratet mal, wer im Keller sitzt.

Blonde  unsicher: Im Keller?

Hofbeamter  Euer Gatte.

Blonde  fährt herum: Wer?! Was redet Ihr da?!

Hofbeamter  Euer Gatte, Frau Gräfin. Der Graf von Hermannstadt.

Blonde starrt ihn außer sich an.

Stimmts?

Blonde  wie zuvor: Woher wißt Ihr, daß ich –

Hofbeamter  fällt ihr ins Wort: Er hat es mir selber erzählt. Ich hab ihn im Keller besucht –

Blonde  unterbricht ihn: In was für einem Keller?!

Hofbeamter  Ja ja, Gräfin, unheimliche Situation. Wie konntet Ihr auch nur derartig leichtfertig handeln? Zuerst betrügen Graf und Gräfin den König mit dem Muster, dann wandelt Ihr mit ihm die halbe Nacht im Park herum, und dann erscheint gar Euer Gatte und möcht uns hier alle massakrieren –

Blonde  Massakrieren?!

Hofbeamter  Getobt hat er, daß drinnen im Saal die Geweihe von den Wänden gefallen sind – alles wegen seinem Geweih! Wie konntet Ihr nur damit rechnen, daß Euer Mann Euch so liebt!

Blonde  Liebt? Er liebt mich?!

Hofbeamter  Er ist ja schon wirr vor lauter Liebe!

Blonde  Wunderbar!

Hofbeamter  perplex: »Wunderbar«?

Blonde  Oh Himmel, ist es denn zum fassen! Er liebt mich, er liebt mich, daß die Geweihe von den Wänden fallen – ich habs ja immer geahnt, immer geahnt!

Hofbeamter  Habt Ihr denn keine Angst vor dem König?

Blonde  Nein, nein! Jetzt fürcht ich keinen König, keinen Kaiser, keinen Sultan! Oh, wie dank ich meinem Schicksal! Jetzt hab ich endlich die Kraft und den Mut, ihm zu beweisen, daß ich kein Unheil bring! Er liebt mich, er liebt mich – Sie lacht leise und glücklich vor sich hin.

Matthias  tritt mit dem Grafen, der einen Verband um die Stirne trägt, durch die Türe auf die Terrasse: Gräfin von Hermannstadt! Darf ich Euch Eueren Gatten vorstellen – er liebt Euch so blind, daß er sich dabei ein bisserl den Kopf angestoßen hat. Ja, und dabei solls auch bleiben, denn es ist richtig, was Ihr mir vorhin sagtet: man betrügt doch so leicht und oft weiß mans gar nicht – Er lächelt ein bisserl traurig.

Graf horcht etwas mißtrauisch auf.

Matthias  zum Grafen. Du verdankst es ihr, nur ihr – ich bitt dich, schau nicht so grimmig! Sie blieb dir treu.

Graf  fixiert die Blonde: Ist es wahr?

Blonde  Was der König sagt, ist immer wahr.

Matthias  Viermal hat sie um deinen Kopf gebeten –

Blonde  Nur dreimal.

Matthias  So? Zum Grafen. Also den Kopf hätten wir ja wieder – aber die dreihundert Männer für Selischtje, die siedeln, mir scheint, im Mond.

Blonde  Warum im Mond, Majestät? Selischtje ist doch so lieblich – die Erde ist gut, der Wald ist dicht, sauber die Höfe und jeder hat sein Feld. Gewiß, die Frauen sind wirklich nicht schön, das stimmt – aber sind denn alle Männer schön? Gibts denn unter Euch Männern nur Schönheiten? Gebt doch den häßlichen Weibern häßliche Männer – Ihr werdet schon welche finden, und wenn nicht, dann will ich Euch, Majestät, gerne beim Suchen helfen.

Matthias  lächelt und wendet sich an den Grafen: Glaub es mir, diese Frau bringt kein Unglück, im Gegenteil: seit ich sie kenne, geht alles besser. Der Weizen steht herrlich, seit Jahren gabs nicht mehr soviel Trauben, in der ganzen Zeit kein einziger Fall von Pest, und der Sultan ist unwahrscheinlich friedlich – und Selischtje kriegt dreihundert Männer, häßlich wie der Teufel selber –

Graf  lächelt: Ihr lacht mich aus?

Matthias  Ja. Es kommt nicht darauf an, ob man einer verfluchten Rasse angehört, es kommt darauf an, ob man Rasse hat. Lebt wohl, Gräfin von Hermannstadt! Und wenn Euch Euer Gatte wieder einsperren möcht, dann kommt nur zu mir, ich hör Euch an, denn es ist wichtig, daß es der Frau gut gehe – schließlich seid Ihr Frauen ja immerhin die größere Hälfte meines Volkes. Lebt wohl, Graf und Gräfin von Hermannstadt!

Graf und die Blonde verbeugen sich und ab in den Park.

Blonde  hält nochmals; zu Matthias; leise: Auf Wiedersehen – Ab.

Matthias  sieht den beiden nach: Auf Wiedersehen? – Er nickt nein und lächelt. Schad darum! Er will ab in das Schloß und winkt dem Hofbeamten.

Hofbeamter  Majestät?

Matthias  Das Nächste!


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