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Zweites Bild

In Siebenbürgen. In einer Badeanstalt zu Hermannstadt. Das Baden spielte in der damaligen Zeit eine große gesellschaftliche Rolle. Man badete in großen, hölzernen Wannen, in denen oft auch zwei Personen bequem Platz hatten, wenn sie sich gegenübersaßen. Da man damals noch fest daran glaubte, daß das Baden umso gesünder wäre, je länger man badete, saßen die Menschen oft tagelang in der Wanne. Die Folge davon war, daß man auch in der Wanne sitzend sein Mahl verzehrte, die Post erledigte, würfelte, Mariage spielte und dergleichen – dies alles auf einem Brett, das quer über die Wanne gelegt werden konnte und also als Tischlein fungierte. Dabei wurden die Herren von Bademägden bedient, die meist nur ein durchsichtiges Hemd anhatten und mit Recht nicht gerade im besten Rufe standen. Der Besitzer des Etablissements, der Bader, der übrigens auch als eine Art Arzt tätig war, trachtete natürlich darnach, nur sehr hübsche Bademägde zu haben, denn je hübscher sie waren, umso fleißiger badeten die Herren, und es ist also nur logisch, daß auch der Bader selbst nicht in bestem Rufe stand. Ein altes Sprichwort sagte: »Der Bader und sein Gesind, gar oft Buben und Huren sind.«

Wir befinden uns nun in einer derartigen Badeanstalt. In drei großen hölzernen Wannen sitzen vier Bürger von Hermannstadt, und zwar von links nach rechts: in der ersten Thomas, der junge Wirt vom »Einhorn«, mit einer Bürste, in der zweiten ein Dicker, und in der dritten ein Bärtiger mit einem Dürren, Karten spielend. Der Dicke ißt gerade mit einem überaus gesunden Appetit zu Mittag und wird von einer Badmagd bedient, die er immer wieder abtätschelt. Links, rechts und im Hintergrund je eine Türe.

Badmagd  zu Thomas: Und der Herr essen nichts?

Thomas  Nein.

Badmagd  Und auch ansonsten benötigen der Herr nichts?

Thomas  Nein.

Badmagd  Wie schade!

Dicker  Der Herr ist verlobt – Er grinst.

Badmagd  zu Thomas: Oh pardon!

Bärtiger  sticht geräuschvoll: Atout! Atout! Atout!

Dicker  zum Dürren: Mir scheint, du verlierst?

Dürrer  Wenn ich noch weiter so verlier, geh ich nie mehr baden –

Badmagd  zu Thomas: Und Kartenspielen tut der Herr auch nicht?

Dicker  Seit er verlobt ist, rührt er keine Karte mehr an.

Badmagd  betrachtet Thomas: Der Herr geht über meinen Horizont. Nicht essen, nicht trinken, nicht spielen, nicht – Zum Dicken. Ich bitt dich, zu was geht er denn überhaupt baden?

Thomas  Zu Reinigungszwecken. Und weil es bekanntlich überaus gesund ist, stundenlang im Bad zu sitzen.

Dicker  Das schon. Zur Badmagd. Apropos gesund: geh hol mir den Bader, Putzi, er soll mich schröpfen! Und bring mir noch ein bisserl von dem Kürbis – der ist heut ein Traum!

Dicker  sieht ihr nach: Dieser Bader ist ein Tausendsassa! Immer bringt er die feschesten Weiber daher, wo er sie nur auftreibt?! Der hat direkt einen Riecher –

Thomas  Ich neid ihm seinen Riecher nicht. Wenn ich so nachdenk, so war doch das Badeleben früher, noch vor relativ kurzer Zeit, geordneter, gesitteter, zweckmäßiger – mit einem Wort: seriöser. Damals sind die Leut wirklich nur deshalb hergekommen, aber seits hier diese Weiberwirtschaft gibt, ist es für einen jeden, der sich nur reinigen möcht –

Dicker  unterbricht ihn: Was redest du da immer vom »Reinigen«? Bist denn gar so dreckig? Wenn sich jeder nur reinigen möcht, gäbs überhaupt kein gesellschaftliches Leben! Schau mich an, ich reinig mich auch, aber das ist doch bei mir nicht das A und das Z! Er ruft. Wo bleibt mein Kürbis?!

Badmagd  kommt mit dem Kürbis von links: Ist schon da!

Dicker  Brav, brav! Aber wo bleibt der Bader! Ich möcht doch geschröpft werden, geschröpft!

Bader  kommt aus dem Hintergrund mit der Schröpfapparatur: Bin schon da, bin schon da! Zum Bärtigen. Habe die Ehre, Herr Sedlacek! Zum Dürren. Herr Vastag! Zu Thomas. Ah, der Herr Thomas! Daß Herr Hotelier mal wieder baden? – Zum Dicken, während er ihn zu schröpfen beginnt und die Badmagd nach rechts abgeht. Seiens mir, bittschön, nicht bös, Herr Durdurescu, aber ich hab hinten im Dampfbad einen unerwartet hohen Besuch bekommen und den hab ich jetzt erst ein bisserl behandeln müssen, herrichten, auffrischen, regenerieren – er war nämlich einigermaßen parterre von dem langen Ritt von der Hauptstadt bis zu uns –

Dicker  horcht auf: Von der Hauptstadt? Wer ist denn das?

Bader  Unser Herr Graf.

Dicker  Ah da schau her! Herr Graf sind wieder in Hermannstadt?

Bader  Seit gestern!

Thomas  Ein seltener Gast bei sich zuhaus –

Dicker  Was erzählt er denn Neues? Was machen die Türken, wie geht's dem König? Und der Sultan?

Bader  Wir haben nicht politisiert. Er ist ziemlich wortkarg, der Herr Graf, scheint Sorgen zu haben –

Dicker  Kann ich mir vorstellen!

Bader  Dieser Riesenbesitz –

Thomas  Der ihm nichts bringt –

Bader  zu Thomas: Wenn man näher hinschaut, ist mir Euer Wirtshaus hint lieber, wie sein ganzer Fideikommiß vorn!

Dicker  Das glaub ich!

Thomas  Beruhigt Euch nur! Wenn ich nicht bald einen Kredit auftreib, sperr ich auch zu. Ich lauf mich schon wund nach einem Wucherer.

Dicker  Wer heutzutag nicht!

Thomas  Der, der dich grad schröpft. Der Bader.

Bader  Nanana! Wenn mich der hohe Magistrat von Hermannstadt weiterhin so zu verfolgen beliebt, dann tausch ich sogar mit dem Grafen!

Dicker  Der Magistrat verfolgt dich?

Bader  Er hetzt mich, wie ein wehrloses Wild! Jeden zweiten Tag eine neue Vorschrift, ich wird kontrolliert und kontrolliert – lauter Schikan! Man könnt schon meinen, ich hätt kein solides Geschäft, hätt ein Frauenhaus und kein Badehaus!

Eine Badmagd geht von rechts nach links vorbei.

Zur Badmagd. Bist schon fertig? Geh zum Grafen, Anjuka – und hilf ihm ein bisserl regenerieren –

Badmagd knixt und ab nach dem Hintergrund.

Dicker  Wer war denn das? Eine Neue?

Bader  Eine Polin. Rassig, sehr rassig!

Thomas  schüttelt sich plötzlich: Brr!

Dicker  Was fehlt dir?

Thomas  Diese Weiberwirtschaft – peinlich!

Bader  Sagens mir nur nichts gegen die Weiber, Herr Thomas! Seit Sie in Ihrem Wirtshaus keine Kellnerinnen mehr haben, sondern nur männliche Kellner, sehe ich etwas düster für Ihren Geschäftsgang – no hab ichs erraten?

Thomas  Meine Braut soll ein reines Haus betreten. Seit meiner Verlobung hab ich alle Kellnerinnen zum Teufel gejagt.

Bader  Herr Thomas, merkens Ihnen folgende Weisheit: ohne Kellnerinnen gibts keinen Kredit. Ehre, wem Ehre gebührt! Und ohne Kellnerinnen wird Ihr Fräulein Braut vielleicht gar kein Haus betreten, weder ein reines, noch ein unreines, denn bis dahin, ich will zwar nichts beschwören, aber immerhin – no hab ich erraten?

Stille.

Thomas  Lieber verlier ich mein Haus.

Dicker  Blödsinn!

Bader  Was tät denn dann das Fräulein Braut dazu sagen? Hat sich mit einem gutgehenden Hotel verlobt und soll eine gnädige Frau Habenichts werden!

Thomas  Sie wird mit mir überall leben.

Bader  Auch ohne Dach? Wo es überall hineinregnet?

Thomas  romantisch: Regen oder Sonnenschein! Sie hat mich, und das genügt ihr.

Bader  Na! Ihr seid durch die Liebe ein bisserl weltfremd geworden, Herr Thomas, weltfremd – und das ist gefährlich!

Graf kommt aus dem Hintergrund, gefolgt von drei Bademägden. Die Badenden erheben sich etwas in den Wannen und grüßen.

Graf  zu den Badenden: Bleibt nur ruhig sitzen! Danke, danke! – Du Bader!

Bader  Herr Graf?

Graf  Ich bitt dich, leih mir einen Taler – ich wollt mir ja ursprünglich nur die Haare schneiden lassen, aber meine Absicht hat dann unwillkürlich weitere Kreise gezogen – Er lächelt.

Bader  Aber Herr Graf! Bei mir haben Herr Graf Kredit.

Graf  melancholisch: Bei dir schon. Gibs der Polin –

Bader gibt den Taler der Polin. Die Polin knixt.

Danke, danke! Also auf Wiedersehen – Er will nach rechts ab.

Bader  will ihn hinausbegleiten: Meine Hochachtung, Herr Graf! Gnädiger Herr Graf bleiben doch jetzt hoffentlich länger in Siebenbürgen –

Graf  fällt ihm ins Wort: Nein. Ich reite morgen wieder retour.

Bader  Schon? Ewig schad! Als gäbs in Hermannstadt keine schönen Mädchen –

Graf  fällt ihm ins Wort: Ich muß heut nur noch nach Selischtje –

Bader  fällt ihm ins Wort: Also in Selischtje werden Herr Graf keine Schönheiten finden!

Graf  horcht perplex auf: Wie meinst du das?

Bader  Ich mein das nur logisch – die Weiber von Selischtje sind ja berühmt häßlich! Solche Pratzen, solche Mündchen, Ohren wie die Bernhardiner – wo man hinschaut, lauter linke Füß, und was für Füß! Nicht die Spur von einer Grazie, einem Charme – kurz: lauter elende Trampeln! Kein Wunder, daß sie keine Männer kriegen! Unlängst habens nämlich eine Deputation zum König geschickt –

Graf  unterbricht ihn: Du weißt davon?

Bader  Ich hör hier alles. Und ein jeder sagt, denen ihre Männer sind nicht im Krieg geblieben, die haben den Krieg nur als Vorwand benützt, um nicht wieder nachhause zu müssen! Haben Herr Graf beim König zufällig die Deputation gesehen?

Graf  Ja, es war wirklich abscheulich.

Bader  Und derweil waren das noch die Schönsten!

Graf  entsetzt: Die Schönsten?!

Bader  Sie haben sich vorher noch ausgewählt – Schönheitskonkurrenz in Selischtje! Können Herr Graf sich vorstellen, wie die Zuhausgebliebenen –

Graf  unterbricht ihn: Lieber nicht!

Er überlegt.

Hm. Das ist eine schlimme Botschaft – das ist sogar so schlimm, daß es wirklich schon schlimm ist.

Bader  horcht auf: Wieso, Herr Graf?

Graf  Der König will mir nämlich nur dann männliche Arbeitskräfte geben, wenn die Weiber hübsch sind. Er will seine braven Soldaten nicht häßlichen Hexen vorwerfen –

Bader  Dieser König wird immer gerechter. Der wird noch populär werden – ojeh!

Graf  Was nützt mir das? Ich gab ihm mein Wort, ich bring ihm drei hübsche Frauen aus Selischtje – wieder ein Strich durch die Rechnung! Ich bin halt ein Pechvogel. Meine Felder liegen brach und meine Weiber sind Hexen. Wie soll sich da einer sanieren?

Bader  Herr Graf haben dem König drei Stück Hübsche versprochen?

Graf  Im besten Glauben! Aber kann ich aus einer Kuh eine Aphrodite machen?

Bader  Warum nicht?

Graf  fast grob: Du vielleicht!

Bader  leise: Herr Graf, soweit ich die Situation ermesse, benötigen Herr Graf drei Stück schöne Frauen aus Selischtje – sie müssen ja nicht aus Selischtje sein –

Graf  Ah so!

Bader  Logischerweise! Stille.

Graf  Keine schlechte Idee –

Bader  Sie liegt direkt auf der Hand. Herr Graf, schickens zum Beispiel gleich die Drei da – Er zeigt auf die Bademägde, die sich um die Badenden bemühen.

Graf  unterbricht ihn: Nein, das geht nicht! Nicht aus diesem Milieu!

Bader  Der König würd das gar nicht merken –

Graf  Der König würds schon merken, er ist ein durchtriebener Mensch – Nein, nein, das müßten schon drei andere sein! Zum Beispiel drei anständige, verschwiegene Witwen – oder die Braut eines ehrbaren Bürgers –

Bader  unterbricht ihn: »Braut eines ehrbaren Bürgers«? Herr Graf, mir scheint, eine haben wir bereits! Einen Moment! Er ruft. Herr Thomas! Kommens mal geschwind her! Der gnädige Herr Graf hätten dringend mit Euch zu reden!

Thomas  überrascht: Mit mir?

Bader  Ja! Kommens, kommens! Zur Polin. Anjuka, hilf ihm!

Polin hilft Thomas aus der Wanne und hängt ihm ein Tuch um.

Bader  zum Grafen: Die Braut dieses Mannes ist nämlich eine Schönheit, sie ist die Tochter eines Jägers in Rotkirchen – und er ist der Wirt vom »Einhorn« – Zu Thomas, der nun neben ihm steht. Hörens her! Der Herr Graf wollen mit Ihnen ein Geschäft machen – ich sag nur: Kredit! Verstanden?

Thomas  Was, der Herr Graf will mir Kredit –

Bader  fällt ihm ins Wort: Ja.

Thomas  hocherfreut: Aber das wär ja wunderbar –

Bader  fällt ihm wieder ins Wort: Er benötigt natürlich gewisse Sicherheiten –

Thomas  begeistert, unterbricht ihn: Aber alles, alles! Mein Haus, mein Vieh, mein Wald –

Bader  fällt ihm abermals ins Wort: Nein, er benötigt andere Sicherheiten. Herr Thomas, Sie wollen doch heiraten?

Thomas  perplex: Ja.

Bader  Schön. Dann haben Sie also auch eine Braut?

Thomas  wird mißtrauisch: Ja. Und?

Bader  Der Herr Graf benötigen nämlich Ihre Braut –

Thomas  unterbricht ihn: Was?! Was hör ich?!

Graf  Unsinn! Zum Bader. So erzähls ihm doch vernünftig!

Bader  Ich kann nur so!

Thomas  In diesem Punkt, Herr Graf, kenn ich keine Vernunft! Und wenn ich auch nur ein gemeiner Bürger bin und Ihr ein hochedler und hochwohlgeborener Graf –

Bader  unterbricht ihn: Idiot! So mach doch da keinen Bauernkrieg! Es ist doch alles radikal anders, hör her –

Er flüstert mit ihm. Thomas kriegt große Augen.

No ist es anders?

Thomas  Ja.

Bader  Einverstanden?

Thomas  Ja. Warum nicht?

Bader  Eine kleine Reise in die Residenz – das ist alles.

Thomas  Hoffentlich.

Bader  Wie hab ich das gemacht?

Thomas  Wann krieg ich den Kredit?

Graf  Hol ihn dir noch heute ab.

Thomas  Sehr geehrt, Herr Graf, sehr geehrt!

Bader  Abgemacht!

Thomas  zum Grafen: Darf ich mich nun wieder in meine Wanne zurückziehen?

Bader  Du darfst.

Thomas setzt sich wieder in die Wanne, unterstützt von der Polin.

Graf  zum Bader, leise: Wie hoch ist dieser Kredit?

Bader  Eine Kleinigkeit – dreihundert Taler.

Graf  Dreihundert? Hoffentlich zahlt sichs aus – Er lächelt.

Bader  Herr Graf können beruhigt abreisen, es wird alles prompt erledigt! Ich beschaff Euch noch zwei derartige Weiber, daß Seine Majestät sofort die halbe Armee in Selischtje ansiedeln wird! Herr Graf können sich auf meine Routine verlassen!

Graf  Schön. Aber, wie gesagt, nicht aus diesem Milieu –

Bader  Nein, nein! Lauter höchstehrbare Witwen, Bräute, Töchter – garantiert!

Graf  Wenn alles klappt, hast du nichts zu bereuen.

Bader  Es klappt, es klappt! In drei Wochen hat der König das Muster!

Graf  Schön. Also auf Wiedersehen –

Bader  Herr Graf, ich hätt jetzt nur noch eine kleine persönliche Bitte – nicht bös sein, bitte!

Graf  Na los!

Bader  Herr Graf, der Magistrat verfolgt mich, wo er nur kann! Redens mal mit dem Bürgermeister, da habens jetzt wieder so eine sekkante Vorschrift erlassen – Er zieht ein Dekret aus seiner Tasche und liest. »Kein Mann soll in ein Badehaus hineingezogen oder hineingelockt werden« – also das ist doch wirklich Schikan!


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