Horaz
Horazens Satiren
Horaz

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Siebente Satire

Einleitung

Besorgte Horaz, sich in dem vorhergehenden Stücke in einem allzuvorteilhaften Lichte gezeigt zu haben? Oder was für eine seltsame Laune kam ihn an, in dem gegenwärtigen eine Satire auf sich selbst zu machen, und, vermöge der Zungen-Freiheit, die ein altes Herkommen den Knechten an den Saturnalien gab, sich von seinem Sklaven Davus Dinge sagen zu lassen, die er gewiß von keinem Pantilius ertragen hätte?

Die Sache sieht, deucht mir, gefährlicher aus, als sie in der Tat ist. Diejenigen, für welche Horaz schrieb, und die ihn kannten, wußten genau, was sie davon zu glauben hatten; auch war er selbst zu verständig und zu fein, um nicht dafür zu sorgen, daß ihm die beißende Strafpredigt, die er sich von seinem Davus mit aller Unverschämtheit eines Menschen seines Standes halten läßt, bei vernünftigen Lesern keinen Schaden tun konnte. Um die übrigen scheint er sich nichts bekümmert zu haben.

Es ist billig und geziemt vornehmlich einem urbanen und liberalen Tadler der herrschenden Sitten, daß er seiner selbst nicht schone, und auf alle Weise den Vorwurf vermeide, als ob er untadelich zu sein glaube, oder ein besserer Mann scheinen wolle als er ist. Horaz hat sich durch die gegenwärtige Satire über alle Vorwürfe dieser Art hinausgesetzt; aber auch zugleich dadurch die Freiheit gerechtfertigt, die er sich gegen die Torheiten und Laster andrer Leute herausnahm. Was für Nachsicht können fremde Personen von einem Mann erwarten, der so wenig Nachsicht gegen sich selber hat?

Aber der Mensch, der unserm Dichter hier so übel mitspielt, ist nur ein Sklave; ein ungezogener, pöbelhafter Bursche, der sich der von seinem Gebieter ihm zugestandenen Dezember-Freiheit so übermütig als möglich bedient, und sich, so zu sagen, spudet was er kann, weil er diese Gelegenheit, seine Zunge einmal nach Herzenslust tanzen zu lassen, vielleicht in seinem ganzen Leben nie wieder bekommen wird. Die Kletten, die ein solcher Mensch einem Ehrenmann anwirft, können nicht an ihm hängen bleiben.

Noch war es ein überaus glücklicher Einfall, zu dichten, daß Davus seine Sitten-Predigt von dem Türhüter eines Philosophen, aber was für eines Philosophen? des Cynischen Crispins, (der schon in so mancher Horazischen Satire als ein alberner Pedant figurierte) gehört habe. Die Stoischen Deklamationen, die, ohne diesen Umstand, in dem Mund eines Davus sehr unschicklich gewesen wären, erhalten dadurch die gehörige Schicklichkeit; aber sie verlieren auch zugleich einen großen Teil ihrer Bitterkeit. Wahrheit bleibt zwar immer Wahrheit, durch was für Media sie auch gehen mag: aber von einem Sklaven an der halboffnen Türe des Hörsaals eines Crispins aufgeschnappt, und einem andern Sklaven mitgeteilt, der sie an den Saturnalien halbbetrunken wieder von sich gibt, macht sie doch einen ganz andern Effekt, als wenn sie unmittelbar aus den ehrwürdigen Lippen eines Sokrates oder Epiktetus käme. Die Brechungen, die sie im Durchgange durch so viele Narrenschädel erleidet, sind einen Arlekinsrock und eine Schellenkappe wert; das Ganze wird eine Art von Possenspiel, und die strengste Satire verwundet, in einer solchen Einkleidung, so wenig als ein Schlag mit einer Britsche.

In einem solchen Stücke durfte der Übersetzer kein Bedenken tragen, an einigen Orten die Pflicht der Treue dem, was ein heutiger Schriftsteller unseren feinern Begriffen von Wohlanständigkeit schuldig ist, aufzuopfern. Die Stoiker hatten den Grundsatz, nichts Natürliches sei unanständig, und nannten daher jedes Ding mit seinem eigenen Namen. Die Cyniker trieben diese Schamlosigkeit im Reden noch weiter. Aber Crispins Vortrag ging noch durch den Mund zweier Sklaven. Kein Wunder also, wenn in dieser Satire ein paar Stellen vorkommen, die durch ein Übermaß von Natürlichkeit und lebendiger Darstellung auffallend unanständig sind, wiewohl sie es, wenigstens aus dem Munde eines Davus, den Römern nicht gewesen zu sein scheinen. Gänzlich konnten diese Stellen nicht wegbleiben: sie mußten sogar noch etwas von ihrem Cynischen Charakter und von ihrem Geschmack nach den Sitten eines lüderlichen römischen Sklaven aus der Urschrift beibehalten; besser wäre es gewesen sie gar wegzulassen, als ihnen, durch eine feinere und züchtigere Wendung, diesen Charakter zu nehmen. Ich wünsche den in solchen Fällen so schweren Mittelweg getroffen zu haben, wiewohl ich kaum hoffen darf, in den Augen aller Leser darin glücklich gewesen zu sein.

Ich habe diesem Vorbericht nichts hinzuzusetzen als daß der Gesichtspunkt, woraus diese Satire betrachtet werden muß, nicht richtiger angegeben, und die Schönheiten aller Art, womit der unerschöpfliche Witz und die echt genialische Laune des geistvollen Dichters sie ausgestattet hat, nicht scharfsinniger entwickelt werden können, als von Hrn.  Haberfeld in seiner Einleitung und Auslegung derselben geschehen ist.


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