Horaz
Horazens Satiren
Horaz

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Neunte Satire

Einleitung

Horaz sagt uns in mehrern Stellen seiner Schriften, daß Rom zu seiner Zeit an Leuten, die an Witz, Schöngeisterei und angenehme Talente Anspruch machten, großen Überfluß gehabt habe. Diese letztern brachte der täglich zunehmende Luxus immer mehr in Wert. Das Beispiel eines Tigellius, und anderer, die teils als Virtuosen, teils als Complaisans eines Julius Cäsars, Marcus Antonius und Cäsar Octavius, ihr Glück gemacht hatten, war noch ganz neu. Vorzüglich aber mußte die Achtung, in welche sich Virgil, Varius, Horaz, Tibull u. a. bei einigen Großen des Staats, zumal bei Mäcenas, und durch ihn bei dem jungen Cäsar selbst gesetzt hatten, gar mächtige Eindrücke auf die leicht bewegliche Einbildungskraft der Dichterlinge machen. Alle diese Halbköpfe, die nur einen Sonnenblick brauchen, um gleich den Fröschen im Frühling in zahlloser Menge aus den Sümpfen am Parnaß hervorzuwimmeln, wähnten nun, daß ihre goldene Zeit gekommen sei. Warum, dachten sie, sollten Leute wie wir nicht eben so gut als der arme Mantuanische Baurensohn Virgil, und als Horaz, der Sohn eines Freigelaßnen, einen Platz an Mäcens Tafel oder in seinem Reisewagen behaupten? Warum sollten wir uns nicht eben so gut hübsche Landgüter ersingen können, als diese Poeten, die am Ende doch nichts vor uns voraus haben, als daß ihnen das Glück besser wollte, und daß sie uns zuvor gekommen sind? – Alles kam, in ihrer Meinung, bloß auf den Umstand an, einem Mäcenas nur bekannt zu werden; hätten sie sich nur einmal den Zutritt geöffnet, dann trauten sie sich schon so viel Witz und Geschmeidigkeit zu, ihr Glück so gut und vielleicht besser zu machen als andre. Zu diesem Ende schmiegten sie sich, als Leute, die auch zu der gelehrten Zunft gehörten, an die Glücklichen an, die bereits im Besitz der Göttertafeln waren, und verlangten kraft des Rechtes, das ihnen die Brüderschaft im Apollo an ihre Freundschaft gab, von ihnen anerkannt, empfohlen und vorgestellt zu werden. Ich glaube nicht sehr zu irren, wenn ich mich überrede, daß die Absicht, sich diese Gattung von Beschwerlichen ein für allemal vom Halse zu schaffen, der vornehmste Beweggrund unsers Dichters gewesen sei, ihre ganze zahlreiche Innung in dem Ideal eines ausgemachten bellettristischen Gecken und Faquins, den er zum Interlocutor in dem folgenden Dialog gemacht hat, dem öffentlichen Gelächter Preis zu geben. Daß er seinen Zweck erreicht habe, ist nicht zu zweifeln; aber vielleicht dachte er, in den genialischen Augenblicken, wo er dieses mit dem feinsten attischen und römischen Salze durchwürzte Scherzgedicht zum Vergnügen des Mäcenas und seiner Gesellschaft aufs Papier warf, nicht an alle Unlust, die ihm die Rache dieser hungrigen Wespen, deren ganzes Nest er dadurch gegen sich aufreizte, in der Folge zuzuziehen fähig sein würde.

Doch, was es auch mit der Veranlassung, Absicht und Wirkung dieser dramatisierten Erzählung für eine Bewandtnis gehabt haben mag, immer wird sie, nach dem Urteil aller Personen von Geschmack, in Erfindung und Ausführung ein Meisterstück von einem nach Natur gezeichneten und mit Menandrischem Pinsel kolorierten komischen Gemälde bleiben; wo wir, ohne daß der Dichter die mindeste Verzerrung oder Übertreibung zu Bewirkung des Effekts nötig hatte, bloß durch die geschickte Auswahl der feinsten und treffendsten Züge, die frische Lebhaftigkeit der Farben, und das vortreffliche Licht, das ein wohl angebrachter Kontrast über das Ganze verteilt, den noch immer sehr gemeinen Charakter eines schalen, gefühllosen, hohltönenden, selbstgefälligen, abgeschmackten Schwätzers ohne Kopf, ohne Herz und ohne Sitten, so wahr und lebendig dargestellt sehen, daß man die Originale dazu in Menge zu finden keine Mühe haben wird.


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