Ludvig Holberg
Ulysses von Ithacia oder Eine deutsche Komödie
Ludvig Holberg

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Dritter Akt.

Erste Scene.

Die Hauptleute der Armee. Kilian.

Ulysses. Ihr Herren! Nach der letzten Victorie und Hectors Tod können wir sofort die Königin von Asien angreifen, ich meine die stolze Stadt Troja, deren dreidoppelt gethürmte und mit Ziegelsteinen gedeckte Mauern unserer Macht nicht lange widerstehen werden. Aber bevor wir zur Belagerung schreiten, scheint es mir das Beste, daß wir einen Wahrsager um Rath fragen, damit er den alten und in solchen Fällen gebräuchlichen Sitten gemäß mit seiner schwarzen Kunst aus des Plutarchus mächtiger Wohnung den einen oder andern Geist heraufbeschwört, der uns den Ausgang der Belagerung verkündigen kann. Höre, Kilian, lasse den in natürlichen Wissenschaften fast göttergleichen Tiresius hereinkommen.

Kilian. Ich weiß nicht, Herr, ob dergleichen Ambassade mir anständig ist. Doch bin ich bereit, zu gehen: denn mich gelüstet selbst zu wissen, wie dieser Krieg ablaufen wird. (Geht ab.)

Ulysses. Der große Tiresius, Ihr Herren, ist zwar blind, sieht aber doch Dinge, die uns verborgen sind. Seine Blindheit rührt davon her, daß er nämlich einmal zum Schiedsrichter erwählt wurde zwischen dem Gott der Arzneikunst und der Musik, Apollonius, und Pan, dem Oberförster der Götter, um zu entscheiden, wer von ihnen das edle und fast göttlich zu erachtende Instrument Chitara am besten spiele. Tiresius, unvorsichtig, 118 wie junge Leute sind, sprach Pan den Sieg zu und dafür wurde er von dem himmlischen Doctor medicinae Apollonius mit Blindheit bestraft. Da er sich aber deshalb beim Jupiter beschwerte, fühlte der Göttermonarch seine Eingeweide von Mitleid über Tiresius ergriffen, also daß er ihn mit der Macht begabte, die Geister aus des höllischen Gottes Plutarchus Wohnungen heraufzubeschwören, von denen er die Zukunft kann zu erfahren kriegen. Aber da sehe ich ihn kommen.

Zweite Scene.

Tiresius. Kilian. Die Vorigen.

Ulysses. Höre, Du weiser Tiresius, welchen die Götter mit zukünftiger Dinge Erkenntniß begabten! Wir griechische und mesopotamische unüberwindliche Helden haben Dich hierher entboten, um von Dir zu erfahren, wie lange wir noch liegen werden vor der dreidoppelt ummauerten Stadtkönigin Troja, bevor wir sie überwinden. Wir wissen, daß Dir kein Ding verborgen ist. Nestorius selbst überragst Du an Alter und Verstand um so viel, wie der Glashimmel die Erde. Sag' uns daher unbeschwert, wie dieser Krieg ausfallen wird, und zürne nicht, daß wir Dich von Deiner Herde gerufen und Deine Ruhe gestört haben.

Tiresius. Ihr edlen griechischen und mesopotamischen Helden, die Ihr mit Euren mannhaften und großen Thaten alle Enden der Welt erfüllet habt, Ihr seid allzusammen Narren und habt Euch in Pechstiefeln fangen lassen; geht hübsch wieder nach Hause und habt Acht auf Eure eigenen Weiber und laßt mich in Ruhe. (Will gehen.)

Ulysses. Halt', Du alter halsstarriger Mann, wir lassen Dich nicht los, bevor Du unser Verlangen nicht erfüllt hast!

Tiresius. Ich bin vor Alter ermattet, meine Zeit ist um, und mein Wahrsagergeist längst von mir gewichen.

Ulysses. Höre, mein treuer Diener Kilian, laß diesem 119 halsstarrigen Mann goldene Ketten anlegen und wirf ihn ins Gefängniß.

Kilian (leise). Wo soll ich die goldenen Ketten herkriegen? Wenn der General selbst sich aufhängen wollte, so müßt' er mit einem bloßen Strick vorlieb nehmen. Aber ich kann ja ebenfalls einen alten Strick nehmen; so gut wie ein Besen für einen Oelzweig, kann ja auch ein Strick für eine goldene Kette passiren.

Tiresius. Ihr edlen Ritter, schont meines Lebens! Es geschieht ja nicht aus bösem Willen oder aus Halsstarrigkeit, daß ich mich weigere, Euch den Ausgang des Krieges zu verkündigen, sondern weil meine Weissagung etwas Trauriges mit sich führt, was das ganze Kriegsheer erschrecken wird.

Ulysses. Sprich nur frei heraus und verhehle uns nichts.

Tiresius. Weil Ihr mir denn befehlt, Alles rein heraus zu sagen, so will ich Euch auch nichts verhehlen. Troja kann nicht überwunden werden und Ihr könnt nicht als Sieger zurückkehren, wenn nicht Ulysses' treuer Diener, der kluge und mannhafte Kilian, den Opfertod stirbt für das gesammte Kriegsheer. (Geht ab.)

Ulysses. Ei, nichts weiter? Das thut mein treuer Diener Kilian mit Vergnügen.

Kilian (leise). Ja richtig, der Teufel soll den holen, der das thut.

Ulysses. Kenne ich ihn recht, so wird er sich selbst dazu erbieten.

Kilian (bei Seite). Den Teufel magst Du kennen! Ich müßte ja toll sein, wenn ich das thäte.

Ulysses. Er wird es mit Freuden thun.

Kilian (leise). Welch ein verwünschtes Gewäsche! Ich sähe ja lieber das ganze Kriegsheer am lichten Galgen, ehe ich nur den kleinen Finger dafür opferte.

Ulysses. Höre, Kilian, ich verkündige Dir eine freudige Botschaft: die Götter haben Dich auserwählet, das Werkzeug zu sein, durch das wir allein zum Siege gelangen. Das Orakel sagt, daß Du Dich opfern sollst, um mit Deinem Tode das ganze Kriegsheer zu retten. 120

Kilian. Nein, Herr, das Orakel ist wol nicht richtig im Kopf, sonst könnt' es so etwas nicht verlangen.

Ulysses. Giebt es eine angenehmere Botschaft für eine edle Seele, die ihr Vaterland liebt, als zu sterben für seine Rettung?

Kilian. Das ist eine schöne Botschaft: freue Dich, Du sollst hängen.

Ulysses. Hier helfen keine Redensarten, Kilian, willst Du Dich nicht freiwillig dazu bequemen, so werden wir Dich mit Gewalt dazu nöthigen.

Kilian. Ach, Ihr guten Herren, seid doch nicht so eilig, Christenblut zu vergießen. Das Orakel kann es ja unmöglich so gemeint haben. Dieser Tiresius ist ja so alt, daß er schon wieder ganz kindisch geworden ist. Erst entschuldigte er sich selbst, er könne vor Alter nicht mehr weissagen: aber wir haben ihn durch Drohungen gezwungen zu weissagen, und da hat er nun, blos um wieder auf freien Fuß zu kommen, so etwas hingeplappert, das Erste das Beste, was ihm in den Mund gekommen ist. Uebrigens ist hier noch ein anderer bekannter Prophet, mit Namen Nabucodonosor. Der treibt das Geschäft schon seit vielen Jahren mit großem Glück und wird weit höher geschätzt als Tiresius; laßt uns erst hören, was der meint. Er wird sich eine Ehre daraus machen, uns aus freien Stücken unser Schicksal zu verkünden. Denn wenn man Propheten zwingt, so wahrsagen sie nie was Gutes. Wahrsagen und Versemachen, das muß ohne Zwang geschehen.

Mithridates. In dem Punkt hat Kilian nicht ganz Unrecht.

Ulysses. Laßt den Propheten denn sofort hierherkommen.

Kilian (leise). Nun will ich die doch wahrhaftig brav zum Narren halten: ich werde selbst den Propheten agiren und werde gerade das Gegentheil wahrsagen. (Geht ab.)

Mithridates. Von dem Propheten Nabucodonosor hab' ich schon viel sprechen hören. Sein Wahrsagergeist soll die Uebrigen sämmtlich übertreffen; können wir ihn dazu vermögen, so sagt er uns den Ausgang des Krieges ohne Zweifel pünktlich voraus. 121

Ulysses. Aber gesetzt nun, daß seine Wahrsagung der des Vorigen ganz widerspricht, wem sollen wir da glauben?

Mithridates. Das Richtigste scheint mir, daß wir dem glauben, der ungezwungen wahrsagt. Denn des Tiresius Rede, das sieht Jeder, war nicht ganz ohne Bosheit, er war trotzig und erbittert und wollte uns Böses erweisen. Wenn er nun gesagt hätte, es wäre der Wille der Götter, den General selbst zu opfern, würden wir es deshalb gethan haben? Das freilich geb' ich zu, wenn der zweite Prophet wieder dasselbe sagt, so müssen wir es thun. Aber wir müssen uns auch anders gegen ihn benehmen und müssen ihm eine gute Belohnung versprechen, im Fall der Ausgang mit seinen Worten übereinstimmt.

Ulysses. Aber was meinen Euer Hoheit, was wir mit dem Andern machen, falls wir vernehmen, daß er uns wirklich betrogen hat?

Mithridates. Wir wollen ihn mit Verachtung behandeln. Denn sich mit Poeten und Propheten einzulassen, das dient zu nichts. Einen Propheten umbringen, heißt ihn zum Märtyrer machen, und einen Poeten bestrafen, heißt nicht selten ihm eine Ehrensäule errichten. Aber da seh' ich einen Mann kommen in seltsamer Tracht; ohne Zweifel ist das der Prophet.

Dritte Scene.

Kilian, mit einem langen Bart und einem breiten Hut, den er tief in die Augen gedrückt hat. Die Vorigen.

Kilian (mit verstellter Stimme). Ihr tapfern Helden, Ihr sehnt Euch, den Ausgang des Krieges zu wissen. Denn letzte Nacht erschien mir Einer im Traume, der sagte: Mache Dich auf und gehe in das Lager der Griechen, sage den Anführern alles, was Dir in den Mund gelegt werden wird, widerlege des Tiresius falsche Worte und hindere den Mord, welchen er gerathen hat zu begehen an dem im Militär- und Civildienst unvergleichlichen Manne Kilian. 122

Ulysses. So hat uns also Tiresius zuerst falsche Dinge berichtet?

Kilian. Ganz gewiß. Aber Ihr selbst wart schuld daran, weil Ihr nämlich Hand gelegt habt an einen Propheten und habt ihn genöthigt, gerade das zu verkündigen, was allein die Ursache Eures Unglücks geworden wäre. Denn just an dieses Kilians Erhaltung ist die Wohlfahrt des ganzen Kriegsheeres geknüpft.

Ulysses. Ach, sage uns doch unverhohlen, o weiser Mann, was wir thun sollen, und welchen Ausgang der Krieg nehmen wird?

Kilian. Es ist der Götter Wille, daß Ihr den großen Kilian keiner Gefahr aussetzen sollt, denn wofern ihm etwas zustößt, wird dieser ganze Krieg ein unglückseliges Ende nehmen. Das wußte Tiresius voraus und deshalb, aus Rachgier, rieth er Euch ihn aufzuopfern. Ihr sollt ihn daher bei der Belagerung schonen und ihn nie ins Gefecht führen, sondern Euch seiner allein als eines guten Rathgebers bedienen. Der Krieg wird übrigens nicht lange dauern, sondern Ihr werdet Troja endlich zerstören und triumphirend in Euer Vaterland zurückkehren. Das ist alles, was mir befohlen ward, Euch zu verkündigen, Ihr edlen Ritter; nun laßt mich wieder in meine Wohnung zurückkehren.

Ulysses. Ach, weiser Mann, zürne nicht, daß wir Dich noch um Eines fragen: sag' uns, woran sollen wir denn wissen, daß Dein Wort richtiger ist als das des Tiresius?

Kilian. Ihr ungläubigen Menschen, woher sollte ich denn wissen, was Ihr vorhin mit dem Tiresius verhandelt habt, wäre es mir nicht offenbaret worden? Wie könnte ich es Euch wiedersagen, und zwar mit allen Umständen?

Ulysses. Wir dachten, Du hättest Dich vielleicht mit unserem Botschafter deshalb besprochen.

Kilian. Beim Gott der Wahrsagung, Apollonius, schwöre ich, daß ich heute mit keinem Menschen gesprochen, bevor ich hierhergekommen bin.

Ulysses. Sage mir denn unbeschwert, wer ich bin. 123

Kilian. Du bist der große Ulysses von Ithacia, Deine Gemahlin ist Penelope, Dein einziger Sohn, welcher drei Jahre alt ist, heißt Telemachus, Deine Tochter Rosmarina. Hier steht Mithridates, König von Mundien, und hier Holofernes, Graf von Bethulien.

Ulysses. Ja, nun sehen wir, daß Dir nichts verborgen ist, Du weiser Mann.

Kilian. So laßt denn inskünftige Euren Unglauben fahren. (Geht ab.)

Mithridates. Dieser, das konnte man hören, war ein richtiger Prophet.

Ulysses. Sogar vergangne Dinge sind ihm bekannt.

Mithridates. Also müssen wir auch seinem Rathe folgen.

Ulysses. Wir wollen schnell Ochsen und Schafe schlachten, ihm ein Opfer anzurichten.

Mithridates. Erst müssen wir warten, bis Kilian zurückkommt, da wir ja doch in Zukunft nichts thun dürfen ohne seinen Rath. Aber da sehe ich ihn kommen, er sieht sehr betrübt aus.

Vierte Scene.

Kilian in seiner frühern Tracht. Die Vorigen.

Kilian. Ach, ich armer Mensch, ich kann den Propheten nicht finden, den ich suche und der mich hätte retten können! Inzwischen, wenn ich es recht bedenke, so habe ich keinen Grund mich zu betrüben, im Gegentheil: freuen muß ich mich darüber, daß durch meinen Tod die Armee gerettet und der Sieg erworben werden soll. Ach, Ihr edlen Ritter, ich hab' es mir nachträglich überlegt, welche Ehre es für mich ist, auf diese Art aufgeopfert zu werden. Darum will ich mit Freuden sterben und begehre nur, daß man mir eine Ehrensäule errichtet mit folgendem Peritaphium: Hier ruhet der große Kilian – Na, das Uebrige wird Euch wol noch selbst einfallen.

Ulysses. Nein, mein treuer Diener, das sei ferne, Deine Person ist allzu kostbar, um aufgeopfert zu werden; denn an 124 Dein Leben ist die Rettung des ganzen Kriegsheeres geknüpft.

Kilian. Nein, Ihr guten Herren, nachdem das Smaraculum mir einmal mein Urtheil gesprochen, so will ich nun auch nicht länger leben.

Ulysses. Wir haben seitdem einen andern Aufschluß bekommen: Du sollst leben und sollst bewahrt werden wie das Auge im Kopfe, als das kostbarste Kleinod und Palladium.

Kilian. Bei Euch regiert der Neid, das merk' ich schon, und darum, wenn Ihr mich nicht opfern wollt, so opfere ich mich selbst. (Er zieht sein Messer heraus, die drei Anführer fallen auf die Kniee und bitten ihn, doch nur erst zu hören, was geschehen ist.) Steht nur wieder auf und laßt mich hören.

Ulysses. Während Du fort warst, ist der große Prophet Nabucodonosor aus freiem Antrieb zu uns gekommen und hat uns aufgeklärt über des Tiresius falsche Weissagung: nämlich weil er gewußt hat, daß an Deine Erhaltung die Wohlfahrt des Kriegsheeres geknüpft ist, so hat er uns aus Rachgier gerathen, Dich aufzuopfern. Deswegen darfst Du auch von jetzt an keiner Gefahr mehr ausgesetzt werden.

Kilian. Wie doch? will man mich zum Spitzbuben machen? Nein, das geschieht nimmermehr. Mein Muth ist zu groß, mein Herz zu tapfer, als daß ich aus irgend einem Gefecht zurückbleiben sollte; wo die Gefahr am größten, da will ich dabei sein!

Ulysses. Nein, Kilian, das erlauben wir nimmermehr!

Kilian. Soll ich die Hände in den Schooß legen, wo die Anderen ihr Leben wagen? Nein, ehe ich mich dazu entschließe, eher will ich sterben!

Ulysses. Ach, Kilian, zähme doch Deinen martialischen Muth!

Kilian. Das ist mir unmöglich, dazu bin ich zu sehr Feuer und Flamme; meine Hauptpassion ist es eben, einem mannhaften Feinde unter die Augen zu treten.

Die Anführer (wieder auf die Kniee). Ach, Kilian, moderire doch Deine Hauptpassion, unsere ganze Wohlfahrt ist an Deine Erhaltung geknüpft! 125

Kilian. Steht nur wieder auf, ich will mir Mühe geben, meine Hitze so viel als möglich zu bezwingen.

Ulysses. Wenn die Stadt eingenommen ist, sollst Du das Recht haben, das Köstlichste der ganzen Beute vorweg zu wählen, während der Belagerung aber soll Dein Geschäft darin bestehen, daß Du dem Feinde die Zufuhr verhinderst, deshalb sollst Du auf diesem Posten stehen bleiben, während wir die Stadt angreifen. Bleib' Du hier mit der Reiterei, welche wir Dir übergeben. Nun soll es aber auch mit der Belagerung gleich los gehen.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.

Kilian allein.

Kilian. Diese Kerle, merk' ich schon, kann ich zum Narren halten wie ich will; wär' ich jetzt nicht auf den Einfall gekommen, den Propheten zu agiren, sie hätten mich wahrhaftig aufgeopfert. Es soll mir ein wahres Vergnügen sein, wenn ich sie noch weiter vexiren kann; denn sie haben alle ein Bret vor dem Kopf. Nun gebt mal Acht, wie vortrefflich ich mit meinem Regiment Reiterei auf Posten stehe. Ist das nicht ein schönes Regiment? Lauter starke und handfeste Kerle, schöne Pferde, prächtige Montur! Ich glaube wirklich nicht, daß man jemals solch ein Regiment Reiter gesehen hat. Hört, Kerle, paßt wohl auf, daß niemand in die Stadt kommt; wird nur das kleinste Schinkenbeinchen hineinpracticirt, so lasse ich das ganze Regiment hängen. Hört Ihr wol? Die dummen Hunde können nicht antworten. Auf mein Wort, wie ich gesagt habe, so geschieht's! Wer da? (Läuft um das Theater.) Wo willst Du hin! Nach Troja willst Du, so? Hast Du auch einen Paß? Ohne Paß kommst Du keinen Schritt weiter. Willst Du zurück, sag' ich? Zurück! oder es geht Dir schlecht! So, pack' Dich fort, hier kommt niemand in die Stadt ohne Paß, nicht eine graue Katze. Aber da seh' ich ja einen andern alten Schelm kommen, den muß ich examiniren. 126 Element, es ist ja mein Herr Ulysses! Wo zum Henker hat der in der Schnelligkeit den langen Bart hergekriegt?

Sechste Scene.

Ulysses. Kilian.

Ulysses. Nun ist es schon das zehnte Jahr, daß wir vor Troja liegen und haben unterdessen so manchen großen Anführer verloren, selbst unsern General Holofernes, der bei dem großen Ausfall vor drei Jahren so unglücklich umkam.

Kilian (leise). Merkt Ihr wol, Messieurs? Ist das nicht verteufeltes Zeug? Zehn Jahre habe ich hier gestanden! Ich will nicht disputiren, ob das zehn Jahre sind oder nicht; aber das weiß ich, daß ich in der ganzen Zeit nichts Nasses noch Trocknes gekriegt habe, ja ich glaube, ich könnt' es noch zehn Jahre aushalten.

Ulysses. Ach, mein treuer Diener Kilian, wie freue ich mich über diese Ausdauer, mit der Du noch jetzt auf demselben Posten stehst, auf den ich Dich vor zehn Jahren beordert habe.

Kilian. Meiner Treu, nicht von der Stelle hab' ich mich seitdem gerührt. Aber was haben die Andern unterdessen ausgerichtet? In so langer Zeit und mit solch großer Macht, dächt' ich, hätte man ja können die ganze Stadt in Trümmer werfen.

Ulysses. Jetzt haben wir uns auch vorgesetzt, einen Generalsturm zu thun und entweder alle umzukommen oder die Stadt zu erobern. Du bleibst inzwischen hier und siehst wohl zu, daß keine Zufuhr in die Stadt gebracht wird.

Siebente Scene.

Kilian allein.

Kilian. All dies Zeug kommt mir vor, als wär' es eine deutsche Komödie: denn wenn ich mich auf den Kopf stellte, so 127 kann ich nicht begreifen, wie zehn Jahre so rasch vergehen können. (Zu den Zuschauern) Hört, Ihr guten Leute, daß sich Keiner von Euch untersteht, auch nur eine Bretzel in die Stadt einzuführen, sonst kriegt er es mit mir zu thun. Aber horcht, welcher Lärm! Die Stadt ist über: ich höre die Einen Victoria rufen und die Andern Quartier! Wir wollen inzwischen hier stehen bleiben, die Zufuhr zu hindern. Aha, jetzt wird schon unsere Fahne auf die Mauern gepflanzt! Ja, nun mag der Teufel hier länger stehen bleiben, wir müssen auch sehen, daß wir etwas von der Beute abkriegen. 128


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