Ludvig Holberg
Jacob von Tyboe oder Der großsprecherische Soldat
Ludvig Holberg

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Dritter Akt.

Erste Scene.

Leonora. Pernille.

Leonora. Hör', Pernille, wenn ich erfahre, daß Du noch einmal den Monsieur Leonard hier ins Haus lässest, so bleibst Du keine Stunde länger in meinem Brode.

Pernille. Aber, meine theuerste Madame, wenn er sich nun selber hineinpracticirt, was kann ich dazu thun?

Leonora. Hast Du sonst gemerkt, daß er öfters in meiner Abwesenheit hier gewesen ist?

Pernille. Nein, davon hab' ich nichts gemerkt.

Leonora. Meinst Du, daß ich sie wol dazu bringe, entweder den von Tyboe oder den Stygotius zu lieben?

Pernille. Das sind allerdings zwei Personen, mit denen sich nicht viel Staat machen läßt; der eine ist ein bischen verrückt und der andere ist ein Pedant. Bei alledem sind es doch die liebenswürdigsten Männer der Stadt, weil sie nämlich Geld haben wie Heu.

Leonora. Ja ja, Du treibst Deinen Spaß, Pernille; wenn wir jedoch unsere Lage ins Auge fassen, so müssen wir wirklich den für den besten halten, der das meiste Geld hat. Kann Leonard wol Lucilien und mich ernähren mit seinen trockenen Meriten?

Pernille. Den Teufel kann er.

Leonora. Das eben mein' ich. Wollte sein Oheim die Gefälligkeit haben und sterben, so stelle ich allerdings nicht 36 in Abrede, daß ich ihn den Andern vorziehen würde. Aber darauf zu warten, das dauert lange, und inzwischen könnten wir vor Armuth zu Grunde gehen.

Pernille. Ja freilich könnten wir es; sagt man doch, daß, während das Gras wächst, die Kuh stirbt.

Leonora. Also muß sie einen von den beiden zum Manne nehmen, entweder Stygotius oder Tyboe; denn beide sind in der Lage, sowol mich als meine Tochter zu versorgen. Du aber, Pernille, wirst mir den größten Dienst erweisen, wenn Du Gutes von ihnen sprichst.

Pernille. Zu was anderem habe ich ja, weiß Gott, auch keine Ursache, da sie ja beide außerordentlich höflich gegen mich sind.

Leonora. Von welchem hältst Du am meisten?

Pernille. Ich halte von beiden gleich viel. In gewisser Hinsicht gebe ich aber doch dem Tyboe den Vorzug; kein Doctor kann ein Fieber mehr lieben als ich ihn. Denn abgerechnet, daß er ein Mann ist, der sich nicht lumpen läßt, so hab' ich eine gewisse angeborne Passion für die rothen Röcke; das Herz im Leibe wackelt mir, wenn ich die Plümage auf seinem Hute sehe. Auch hab' ich ihm, weil heute doch des Fräuleins Namenstag ist, einen Wink gegeben, daß er ihr ein paar hübsche Verse schicken soll.

Leonora. Daran hast Du wohl gethan. Im Uebrigen will ich sie zu dem Einen nicht mehr zwingen als zu dem Andern, nur Einen von beiden muß sie nehmen und wenn sie närrisch darüber wird. Aber da kommt sie; ich gehe ein wenig hinein, suche Du sie indeß bei guter Laune zu erhalten.

Lucilia. Pernille.

Lucilia. Was meinst Du, meine liebe Pernille, sehe ich hübscher aus, wenn ich geschnürt bin, oder wenn ich in meiner Adrienne gehe? 37

Pernille. Meine Allertheuerste, Ihr kommt mir niemals hübscher vor, als wenn Ihr ungeschnürt seid. Eine Dame im Schnürleib möchte ich einem hübschen Garten vergleichen, eine ungeschnürte dagegen einem lieblichen Wald oder Hain; dort ist eine künstliche, hier aber eine natürliche Schönheit, wenn man sie sich nur zu Nutze zu machen weiß. Ueberhaupt weiß ich nicht, wozu die Damen sich putzen, es müßte denn zu ihrem eignen Vergnügen sein. Gäbe es keine jungen Mannspersonen, auf der Stelle gäbe ich meinem Schminknäpfchen, meinen Schönpflästerchen, meiner Puderbüchse den Abschied; ich wüsche mir gewiß nicht die Füße mit Rosenwasser, ich brächte meine Balsambüchse auf den Aussterbeetat und salbte mir den Busen nicht mit Bisam, blos um mir selbst zu gefallen. Ich kann mich erinnern, wie ich sechs Jahre alt war und noch meine Jungfernschaft hatte, daß ich da schon ebenso thöricht war. Als ich jedoch älter wurde und zu Verstand kam, seitdem hab' ich alles immer nur aus gewissen Ursachen gethan; den Puppenkram ließ ich fahren und legte mich auf das Solide.

Lucilia. Ei, wie doch, so sollte man sich um der jungen Männer willen putzen? Das wäre doch nicht hübsch.

Pernille. Hübsch oder nicht, so hat es doch seinen Nutzen. Ich wenigstens habe mich nicht schlecht dabei befunden, zum mindesten habe ich Mühe und Kosten dabei herausbekommen.

Lucilia. Auf welche Art kann einem denn die Mühe bezahlt werden, wenn man sich für Andere putzt?

Pernille. Was Liebessachen betrifft, mein Herzchen, seid Ihr eine kleine Gans und schlecht erzogen, wie ich merke. Manches Bauermädchen, glaub' ich, ist darin klüger und geschickter; man merkt Euch wirklich nicht an, daß Ihr von so gutem Hause seid. Ich für mein Theil bin blos eine arme Pächterstochter vom Lande, aber diese Dinge hab' ich doch am Schnürchen seit dem siebenten Jahr, und dafür danke ich meinen lieben Eltern noch im Grabe; zu erben habe ich von ihnen nichts gekriegt, wol aber eine gute Erziehung. Wo meint Ihr denn wol, daß das goldene Armband hergekommen ist und die Halskette und die Tabaksdose und das Porträt? Hab' ich das etwa 38 geerbt? Ja schön Dank auch, erworben hab' ich es mir durch Fleiß und Betriebsamkeit.

Lucilia. Um so besser für Euch, nur begreife ich nicht, wie das zugegangen ist.

Pernille. Eure Einfalt, mein Herzchen, ist gerade so groß wie Eure Schönheit; ich glaube wirklich, wenn ich Euch auch alles rein heraussagte, und ohne Schminke, Ihr verständet mich doch nicht.

Lucilia. Ei, Pernille, wenn Ihr in diesem Tone fortfahrt, so mag ich gar nichts mehr mit Euch zu thun haben.

Pernille. Der verdient nicht ein Mensch zu heißen, der keine Liebe in sich spürt und nicht gerührt wird von Liebesseufzern und Thränen. Seht doch alle übrigen Menschen, seht die Thiere, seht die Vögel, ja selbst die Würmer: allem, was ist, hat die Natur den Trieb der Liebe eingepflanzt; könnten Bäume und Sträucher sprechen, ich glaube, sie sagten: wir lieben ebenfalls. Ihr allein seid in diesem Punkt wie eine fühllose todte Säule, ja wie ein Kiesel auf dem Felde; ohne gerührt zu werden, hört Ihr den Jammer zweier verliebter Herzen. Ich habe kein Interesse dabei, ihren Fürsprecher zu machen; was ich thue, thue ich aus Mitgefühl und weil ich solche verzweifelte Worte aus ihrem Munde vernommen habe, daß mir die Haare auf dem Kopf zu Berge standen. Wenn sie sich ins Unglück stürzen – wenn sie sich selbst ums Leben bringen – würde es Euch nicht am Gewissen nagen, so lange Ihr lebt?

Lucilia. Höre, Pernille, ich will keine Mannsperson an mich locken oder ein freundliches Gesicht machen außer blos dem, den ich liebe, und da ich mein Herz mehr als Einem weder schenken kann, noch darf, so kann und darf ich auch nur Einem ein freundliches Gesicht machen.

Pernille. Nun, da könnte man doch gleich vor Kummer platzen, wenn man so was hören muß.

Lucilia. Hier sind drei Personen, die nach mir seufzen und mein Herz zu gewinnen wünschen; der Eine, nämlich Leonard, gefällt mir, die beiden Andern dagegen kann ich für den Tod nicht leiden. 39

Pernille. Ach, Himmel, was für Geschwätz! Just der, den Ihr liebt, ist ein Greuel in meinen Augen.

Lucilia. Ich bin darin durchaus anderer Meinung.

Pernille. Die beiden Andern dagegen sind die honnetesten Männer, die ich kenne; wollt Ihr sie nicht um ihrer eigenen Qualitäten willen lieben, so liebt sie um meinetwillen.

Lucilia. Aber weshalb verwendest Du Dich so lebhaft für diese Beiden? Es scheint doch wirklich, als hättest Du ein Interesse dabei.

Pernille. Denkt doch nicht so was von mir, Fräulein. Nie im Leben hab' ich irgend etwas aus Interesse gethan; so oft ich auch in meinen jungen Jahren den Mannsleuten aus der Noth geholfen habe, so habe ich es doch immer nur aus purem Mitgefühl gethan. Wiewol ich nicht in Abrede stellen kann, daß, wenn mir Einer hinterdrein seine Dankbarkeit für geleistete treue Dienste hat erweisen wollen, so hab' ich es jederzeit mit gutem Gewissen angenommen, was mir auch niemand zum Vorwurf machen kann, gerade so wenig, wie unsern biedern Richtern und Schiedsmännern, die auch niemals Geld im Voraus nehmen, damit sie den Leuten durch die Finger sehen und zu ihren Gunsten sprechen, nachher aber, wenn sie ihnen geholfen haben, nehmen sie mit gutem Gewissen, was ihnen geboten wird. Auf die Art habe ich den Männern in meiner Jugend gedient, so lange ich konnte, und nun, da ich allmählig zu Jahren komme und ihnen selbst nicht mehr so recht dienen kann, so suche ich wenigstens Andere dazu anzutreiben. Laßt es Euch ein für allemal gesagt sein, Fräulein: zeigt Ihr nicht einem von diesen beiden zum wenigsten ein freundliches Gesicht, so werd' ich wahrhaftig Eure Feindin. Und zwar kann ich darauf schwören, Fräulein, daß ich es durchaus nicht aus Eigennutz thue, sondern aus purem Mitgefühl, einer Tugend, die mir angeerbt ist; denn ganz ebenso war es mit meiner Mutter, meiner Groß- und Urgroßmutter. Aber da kommt Ihre Mama. 40

Dritte Scene.

Leonora. Lucilia. Pernille.

Leonora. Höre, meine Tochter, Du weißt, daß ich Dich so herzlich liebe, wie nur jemals eine Mutter ihr Kind hat lieben können, weshalb ich denn auch Tag und Nacht daran arbeite, Dich wohl versorgt zu sehen. Hier sind nun zwei Personen, die uns beide glücklich machen können, Dich sowol wie mich. Zwingen will ich Dich so wenig zu dem Einen wie zu dem Andern; denn wiewol der Eine mehr Vermögen hat als der Andere, so sollst Du doch frei wählen dürfen, welcher von beiden Dir am besten gefällt.

Lucilia. Wer sind die Personen?

Leonora. Stygotius und von Tyboe.

Lucilia. Ach Mama, ich will lieber ledig bleiben, als an Einen von diesen gebunden sein. Denn erstlich sind es in meinen Augen die widerwärtigsten Menschen und zweitens hab' ich mein Herz bereits an Monsieur Leonard vergeben.

Leonora. Leonard?! Das ist auch wahrhaftig die richtige Partie für Eine, die vor Armuth zu Grunde gehen will! Glaub' mir, meine Tochter, wo in der Ehe kein Wohlstand ist, da hat auch die Liebe keinen Bestand. Die Jugend freilich denkt: ach könntest Du doch nur den oder den kriegen, wie glücklich wolltest Du mit ihm sein! Im Anfange sind sie auch glücklich; sowie aber Schmalhans Küchenmeister wird, so verkehrt sich die Liebe in Haß und Vorwürfe, und der eben noch als ein anderer Absalon vor uns stand, sieht auf einmal aus wie ein Jammerlappen; derjenige dagegen, den wir Anfangs nicht ohne Ekel ansehen konnten, stellt sich unsern Augen nun als ein Adonis dar, so oft wir den Wohlstand bedenken, in den er uns versetzt hat.

Lucilia. Aber Monsieur Leonard hat ja doch Vermögen zu erwarten, er soll ja seinen Oheim beerben, der schon ein alter Mann und mit dessen Gesundheit es schlecht bestellt ist.

Leonora. Was er zu erwarten hat, das haben die Andern 41 schon in Händen. Ueberdies, auch selbst wenn sein Oheim heute oder morgen sterben sollte, so wird er doch niemals so reich, wie die Andern jetzt schon sind. Hier helfen daher keine Redensarten, Einen von ihnen mußt Du Dich entschließen zu nehmen.

Lucilia. Ach, meine Herzensmutter!

Leonora. Ich will kein Wort mehr hören; ich werde Dir zeigen, was es zu bedeuten hat, wenn eine Tochter sich gegen ihre Eltern auflehnt. Aber hier kommt ein Bedienter; höre, was er will, Pernille.

Vierte Scene.

Jens. Stygotius. Leonora. Lucilia. Pernille.

Jens. Mein Herr läßt seinen demüthigsten Salutemsgruß vermelden und läßt anfragen, sofern es Madame und dem Fräulein genehm ist, so möchte er die Ehre haben und ihnen aufwarten; er ist hier draußen.

Leonora. Er soll uns von Herzen willkommen sein. (Zu Lucilia) Wenn Du ihm spöttisch begegnest, so kannst Du Dich darauf verlassen, meine Tochter, daß es Dir übel bekommen soll.

Stygotius (kommt und macht ein pedantisches Compliment). Gaudio nec non laetitia salit cor meum, mein Herz im Busen hüpfet mir vor Freude, Sie zu sehen, meine tugendbelobteste Matrone, und Sie sammt Ihrer tugendgeschmückten Fräulein Tochter bei gutem Salute anzutreffen. Die Griechen haben ein Proverbium oder Sprüchwort: Kakas korakos kakon oon, hier aber heißt es: kalas korakos kalon oon, denn von solchem herrlichen Stirpe oder Stamme, wie Ihre Matronschaft ist, kann nur solch ein nobler Zweig pulluliren oder hervorsprossen, als deren jungfräuliche Tugendsamkeit, scilicet Ihre werthe Tochter, in deren Tugend und Schönheit eine vis occulta et quidem plane magnetica enthalten ist, und welche meines Herzens Eisen an sich reißt. Madame und Fräulein werden mir vergeben, daß ich nicht modo vulgari oder nach der gemeinen Mode spreche: denn sonst müßte ich sagen, eine magnetische Kraft, die meines Herzens Eisen an 42 sich zieht. Es ist nämlich eine durchaus abgemachte Sache, daß dergleichen nicht geschieht per attractionem, sondern per impulsionem.

Lucilia. Mein Herr Magister, ich bin nicht so glücklich, auch nur das Mindeste von dem zu verstehen, was Er mir sagt.

Stygotius. Das kommt daher, mein schönes Fräulein, weil Sie nicht weiß, was materia striata ist, aber dies nur in parenthesi Kommen wir auf die Materie selbst. Ja . . . . höre, Jane, wovon sprach ich eben?

Jens. Vom Magneten, Herr!

Stygotius. Rem acu tetigisti, so ist es. Ich sage, des Fräuleins Tugend und Schönheit ist der Magnet, der meines Herzens Eisen an sich zieht, das Rad, das meiner Seele Uhrwerk treibt, die Sonne, die Wärme, die materia subtilis, die allein im Stande gewesen, aufzuthauen und in Bewegung zu setzen das Eis meines philosophischen Blutes: denn ich, der zuvor, wie der Poet sagt Metamorphoseon libro secundo, eine glaciali frigore pectus hatte, muß nun wiederum mit dem Poeten ibidem rufen:

In flammas abeo, nunc uror pectore toto.

Pernille. Will denn Wohlgelahrtheit nicht Platz nehmen? So viel Verse zu machen, greift an.

Stygotius. Gratias quam maximas ago. (Alle setzen sich, ausgenommen das Mädchen und der Diener.)

Leonora. Was hört man denn Neues in der Stadt, Herr Magister?

Stygotius. Man hört nichts als blos Arges und Verwerfliches.

Leonora. Freilich, das Böse nimmt mehr und mehr überhand.

Stygotius. Und das Gute nimmt mehr und mehr ab. Ich kann per Jovem schwören, Madame, daß diese letzten zehn Jahre her solche Veränderungen vorgegangen sind in re literaria, daß ich fürchte, es bricht eine neue barbaries herein. Ehedem sah man nur die gelehrtesten Dissertationes über rare Materien; ich habe Baccalaurei gekannt, die allein vier- bis fünfmal über eine rare Materie disputirten; jetzt jedoch sieht man ab ipsis magistris blos einige wenige theses von drei, höchstens vier 43 Blättern. Ich kann der Madame und dem Fräulein Justi Matthiadis quinque dissertationes de veritate complexa sive enunciata zeigen, und doch war er damals noch nicht einmal Baccalaureus. Aber . . . . o tempora! o mores! Ignorantia greift in allen Stücken dermaßen um sich, daß es gegenwärtig selbst alte Academici giebt, die nicht wissen, wie viele praedicamenta oder praedicabilia es in logica giebt. Ja, ich kann ein Exempel davon anführen, über das Madame und Fräulein sich verwundern werden. Jane, geh' ein bischen bei Seite, ich habe etwas zu sagen, was Du nicht zu hören brauchst. (Jens geht hinaus und Stygotius fährt fort, indem er flüstert:) Ich habe gehört, wie ein licentiatus sogar publice in cathedra das Ubi praedicamentale und Ubi transcendentale confundiret hat.

Pernille. Das war ja fürchterlich!

Stygotius (im Eifer). Das mag Sie mit Recht sagen, Mamsell! Denn damit zeigte er ja, daß er nicht wußte, was für ein Unterschied zwischen Logica und Metaphysica. Aber wir wollen bei der Materie nicht länger verweilen; die Haare auf dem Kopf stehen mir zu Berge, wenn ich daran denke. Thue Jeder, was er verantworten kann; ich für mein Theil trete in die Fußtapfen der Alten, wofür ich übermorgen den Beweis führen werde, wenn ich volente deo meine Disputation halte. Ich weiß nicht, ob ich Ihnen ein Exemplar offeriren darf?

Pernille. Ei, das ist eine hübsche Desputatz; wovon handelt sie?

Stygotius. Sie handelt, zu dienen, de alicubitate und soll noch fünf Continuationen kriegen.

Leonora. Pernille, geh' an die Thüre, es klopft!

Pernille. Das ist, meiner Treu, von Tyboe!

Stygotius. Ei, Madame, was will der Kerl hier?

Leonora. Mein Herr Magister, er hat seine Gedanken auf meine Tochter gerichtet, gerade wie Ihr; zwingen will ich sie zu keinem, Ihr müßt Euch selbst zu insinuiren suchen, mir soll es recht sein, welchen von beiden sie nimmt. 44

Fünfte Scene.

von Tyboe in einer Sänfte. Die Vorigen.

(Während er draußen auf dem Gange spectakelt, werden die Stühle zurechtgesetzt.)

Tyboe. Hal . . . t! Hal . . . t! Hal . . t! (Stößt in eine Pfeife.) Peter! Franz! Jochen! Christoph! Jörgen! Niclas! Heinrich! (Pfeift abermals.) Wo seid Ihr Canaillen? Halte ich mir etwa dazu sechs bis acht Bedienten, um doch ohne Aufwartung zu sein? Man muß nur mal so fünf bis sechs von den Kerlen hängen lassen, eher bessern sie sich doch nicht! (Springt aus der Sänfte und pfeift wieder.) Christoph!

Christoph. Wohlgeborner Herr!

Tyboe. Wo steckt Ihr Hunde denn alle acht?

Christoph. Da ist dem Herrn niemand gefolgt, als blos ich.

Tyboe. Peste de tête bleu! Ihr verfluchten Schubiacke, hab' ich Euch nicht hundertmillionentausendmal gesagt, daß, wenn ich engrassirt und in Compagnie mit Frauenzimmern bin, so sollt Ihr alle acht zur Stelle sein. (Zu den Sänftenträgern, indem er den Degen zieht) Heda, Porteurs, Achtung! Rechtsum kehrt! (Die Sänftenträger machen mit der Sänfte kehrt.) Marsch! (Sie gehen ein wenig zurück.) Halt da bis auf weitere Ordre! – Christoph!

Christoph. Ihro Wohlgeboren!

Tyboe. Christoph!

Christoph. Ja, Ihro Tapferkeit!

Tyboe. Christoph!

Christoph. Gestrenger Herr!

Tyboe. Christoph!

Christoph. Ihro Gestrengen!

Tyboe. Gut, Christoph, spring' mal gleich hin zum Offizier in die Wache, wo wir vorüberkamen, und sag' ihm, daß er von mir gefordert ist zu morgen auf ein Paar Pistolen.

Christoph. Es soll geschehen, wohlgeborner Herr!

Tyboe. Frag' ihn, weshalb er nicht das Gewehr hat präsentiren lassen, als ich an der Wache vorbeikam.

Christoph. Es soll nachgelebt werden.

Tyboe. Hei, Christoph! 45

Christoph. Ihro Tapferkeit.

Tyboe. Gut, Christoph. Sag' ihm, er soll seine ganze Compagnie mit sich bringen, ich allein würde sie sammt und sonders in die Pfanne hauen. Christoph!

Christoph. Gestrenger Herr!

Tyboe. Sag' ihm, ich hätte noch denselben Degen, mit dem ich in der Bataille von Amsterdam drei holländische Herrenstaaten auf einmal durch und durch gestochen habe. Sag' ihm, ich würde ihn lehren, was das heißt, einen solchen Offizier despectirlich und unmanierlich behandeln. Hei, Christoph!

Christoph. Ihro Wohlgeboren!

Tyboe. Laß man bleiben bis auf weitere Ordre, wir haben uns bedacht. (Wendet sich zu den Frauenzimmern, welche aufschreien, da sie den entblößten Degen sehen, Tyboe steckt ihn deshalb in die Scheide und sagt:) Mademoiselle, ich war entschlossen noch heute am Tage ein halbes Schock Cavaliere aufzuopfern, allein in dem Moment, da ich Sie erblickte, besänftigte sich mein Zorn. Ich bin nicht mehr der unüberwindliche Held, der löwenherzige von Tyboe, der ich noch vor einem Augenblick war; die Kanonen Ihrer Augen haben eine solche Bresche in die Festung meines Herzens geschossen, daß ich Schamade schlagen und mich auf Gnade und Ungnade ergeben muß. So leg' ich denn hier zu Ihren Füßen den Degen nieder, mit dem ich Millionen von Menschen ins Grab verholfen habe. Sollte freilich der König von Holland mich in dieser Positur erblicken, würde er sagen: Wo ist Seiner vorigen Corasia, Seiner alten herculianischen Bravour, mein wohlgeborener Herr von Tyboe? Ich aber würde antworten: Hercules, der die fünf Welttheile bezwang, mußte sich zuletzt doch von einer Delila coujoniren lassen; sagt Venus zu ihrem Sohn Cupido: Ladet das Gewehr! so müssen die größten Helden zittern; sagt sie: Oeffnet die Pfanne, schlagt an, gebt Feuer! so muß der größte Held sich unterwerfen. – Aber hier ist solch ein seltsamer Geruch, es riecht hier so pedantisch, so lateinisch, so griechisch; wo auch nur ein Donat im Hause steckt, da juckt es mir gleich in der Nase. Wahrhaftig, hier muß sich irgend ein verschimmelter Magister wo versteckt haben? 46

Stygotius. Hört, Domine, sprecht mit Respect von gelehrten Männern.

Tyboe. Hab' ich es nicht gedacht? Hört, wer seid denn Ihr?

Stygotius. Wer seid Ihr?

Tyboe. Mein Name ist von Tyboe.

Stygotius. Und mein Name ist Magister Stygotius.

Tyboe. Das heißt auf gut Dänisch: ich bin König Salomo und Ihr seid Jörgen Hutmacher.

Stygotius. Ich bin ein gelehrter Mann und legitime promotus magister.

Tyboe. Und ich bin ein Mann, der allen Magistern der Welt ein Schnippchen schlägt. Ihr wißt vermuthlich nicht, wer der Herr von Tyboe ist?

Stygotius. Ihr wißt vielleicht nicht, wer Magister Stygotius ist?

Tyboe. Ich habe mehr als zwanzig Bataillen gewonnen.

Stygotius. Und ich habe mehr als zwanzigmal disputirt.

Tyboe. Alle Welt weiß von mir zu sagen, in ganz Holland und Brabant.

Stygotius. Alle Literaten wissen von mir zu sagen in Rostock, Helmstädt und Wittenberg.

Tyboe. Mit dieser meiner Hand habe ich die stärksten Helden zu Boden geschlagen.

Stygotius. Mit diesem meinem Mund habe ich die stärksten opponentes geschlagen.

Tyboe. Nicht eine halbe Secunde brauche ich, um so einen Kerl wie Ihr auf den Hintern zu setzen.

Stygotius. Und mit einem halben Syllogismen kann ich eine ganze Armee ad absurdum reduciren.

Tyboe. Haltet mich, Madame, oder ich schneide den Kerl mit einem Hieb in vier Stücke!

Leonora. Ich bitt' Euch, mein Herr, nehmt Rücksicht auf uns Damen; mit solcher Aufführung gelangt Ihr nimmermehr ans Ziel, meine Tochter will auf eine andere Art gewonnen sein. 47

Tyboe. Kann Madame sich noch bedenken, einen Mann wie mich einem Lexikon vorzuziehen?

Leonora. Mein Herr, ich schätze Sie alle beide aufs Aeußerste und werde mit Vergnügen denjenigen, der das Herz meiner Tochter gewinnt, meinen Schwiegersohn nennen. Doch müßt Ihr alle beide einen andern Weg einschlagen; es steht jedem frei, sich ihr so angenehm zu machen wie möglich; einstweilen aber ziehen ich und meine Tochter uns zurück, um uns und unser Haus keinen Unannehmlichkeiten auszusetzen.

(Beide ab.)

Sechste Scene.

Tyboe. Pernille. Stygotius.

Tyboe. Hört, Mamsell Pernille, ich dachte, Ihr wärt ganz auf meiner Seite, so daß niemand hier Zutritt hätte, als ich?

Pernille. Es soll auch wahrhaftig nicht wieder geschehen, der gnädige Herr kann sich darauf verlassen. Diesmal ließ er sich anmelden, wie ich gerade nicht da war; wäre ich zugegen gewesen, er wäre gewiß nicht hereingekommen. Nun wartet nur einen Augenblick, ich will gleich zu ihm und ihm auf eine gute Manier sagen, daß er sich nicht weiter bemühen soll. (Geht auf die andere Seite.) Herr Magister, Ihr seht ja doch, daß dieser Tyboe ein Narr ist; Ihr, solch ein hochgelehrter Mann, müßt Euch nicht zu Herzen nehmen, was solch ein Tropf sagt. Habt Ihr gehört, was ich ihm eben sagte?

Stygotius. Nein, das habe ich nicht gehört.

Pernille. Merkt Ihr denn nicht, wie still er danach geworden ist?

Stygotius. Ja allerdings, stille ist er. Aber was habt Ihr ihm denn gesagt?

Pernille. Hört, Monsieur Tyboe, habe ich ihm gesagt, die Madame und das Fräulein sind noch unentschieden zwischen Euch beiden, ich aber nicht; denn so lange ich einen Athem in der Brust habe, so soll sie niemals einen Kriegsmann nehmen. 48 Seht mal, wie er steht und den Kopf hängen läßt, seit ich ihm den Bescheid gegeben habe!

Stygotius. So ist es, per Jovem optimum. Hört, Pernille, ich werde Euch heute Abend einen Beutel mit Geld schicken.

Pernille. Er soll tausend Dank haben, nur muß Er nicht glauben, als ob ich Ihm solche Dienste aus Eigennutz leiste. Von Kindesbeinen an habe ich eine Vorliebe für die Gelehrten gehabt, Kriegsleute dagegen sind mir jederzeit ein Abscheu gewesen. Besonders aber hasse ich diesen Tyboe wegen seiner Großsprecherei und seiner Narrheit; selbst wenn er in Damengesellschaft ist, macht er alle seine Kriegsmanöver vor. Als ich ihn zuerst sprach, zeigte er mir sämmtliche Stöße in der Fechtkunst, ich getraue mich es ihm nachzumachen, wenn er selbst dabei steht. So setzte er sich in Positur, wie ich jetzt stehe; das ist eine Seconde, Mamsell, sagte er, und stieß mich vor die Brust, wie ich jetzt den Herrn Magister, und das ist eine Quart . . . .

Tyboe (für sich). Potz Schlapperment, wie höhnisch sie mit ihm umgeht; nun überzeuge ich mich wirklich, daß sie es ehrlich mit mir meint.

Pernille. Bedenkt doch nur selbst, Herr Magister, was für ein Narr er sein muß, und wie wenig Ihr von solchem Rivalen zu fürchten habt. Gebt Euch also nur ganz zufrieden und geht nach Hause; sobald ich mein Fräulein dem Herrn Magister geneigt gemacht habe, lasse ich Ihn wissen, wann Sein Besuch am besten angebracht ist. Adieu so lange. (Stygotius geht; Pernille zu Tyboe.) Hei, Triumph, Herr von Tyboe, nun ist der Rival uns vom Halse, der kommt sicher nicht wieder. Saht Ihr, was für einen Brustkuchen ich ihm applicirte?

Tyboe. Gewiß habe ich es gesehen, mit großem Contentement und Plaisir; nur nimmt es mich Wunder, daß er so demüthig abzog mit Schlägen und Scheltworten.

Pernille. Na, was will denn solch ein Hasenfuß auch für Widerstand leisten? Belieben der gnädige Herr sich jetzt nur zurückzuziehen und mich für das Uebrige sorgen zu lassen. Aber apropos, wo bleibt denn das Gedicht, das Sie uns zu heute versprochen? 49

Tyboe. Ich habe es bereits meinem zweiten Diener, dem Peter übergeben; ich schmeichle mir, das Gedicht wird dem Fräulein gefallen.

Pernille. Das ist schön; so will ich nun hinein zu der Madame und dem Fräulein und den gnädigen Herrn bestens recommandiren.

Tyboe. Adieu denn, Mamsell. (Er stößt in seine Pfeife, die Sänftenträger erscheinen mit der Sänfte.) Linksum kehrt! (Die Sänftenträger kehren sich schleunigst um.) Marsch! (Gehen mit ihm ab.)

Siebente Scene.

Pernille. Nachher Peter.

Pernille. Jetzt bin ich vergnügt, ha ha ha! Es ist mir weniger um ihre Ansprüche zu unterstützen, als um mir ein gut Stück Geld zu machen. Wenn mich nämlich Einer fragte, wem von beiden ich denn am meisten zugethan bin, so antworte ich mit gutem Gewissen: dem, der mir die meisten Geschenke macht. Denn wenn mein Interesse dabei im Spiele wäre, so möchte meinetwegen der Narr an des Pedanten Gedärmen aufgehängt werden.

Peter (ohne Pernille zu sehen). Das ist eine Teufelswirthschaft, bei Verliebten in Dienst zu stehen. Jetzt muß man hierhin, jetzt dahin und nun wieder hierhin und nun wieder dahin laufen; jetzt zur Mamsell de la Kupplerin mit Geld, jetzt mit Versen; jetzt Schildwache stehen und spioniren, jetzt sehen, wie sein Herr übler Laune ist, seufzt, weint, und, mit Permission zu sagen, noch was anderes thut vor lauter Verliebtheit. Doch man muß sich mit Demuth in alles schicken, was kommt; es giebt doch noch immer gewisse Gänge, die etwas einbringen. So zum Exempel, wenn ich Geld wegzutragen habe, so bin ich nicht so dumm, daß ich nicht mein Agio davon nähme; auf dergleichen müssen wir Kopenhagener Lakaien uns verstehen. Als ich noch in Slagelse beim Bürgermeister diente, da glaubte ich wahrhaftig noch, wenn ich jemand zwanzig Thaler zu bringen hatte, ich müßte sie auch 50 vollständig ohne Abzug abliefern. Aber da war ich auch blos noch Bedienter, jetzt bin ich Lakai. Es sind doch dumme Teufel, diese Bedienten in den kleinen Städten, die gehen so ihren Gang von einem Tag zum andern wie ein Uhrwerk. Ich weiß noch, wie ich in Slagelse war, wenn ich da einen Schilling auf der Straße verlor, so legte ich ihn aus meinem eigenen Beutel wieder zu; in Kopenhagen giebt es kein Pferd und keine Sau, die so dumm und einfältig wäre, so etwas zu thun. Ein Bedienter auf dem Lande gleicht vollständig einem Esel in Kopenhagen. Aber nein, es ist ja wahr, vierbeinige Esel giebt es hier nicht – ich wollte also sagen, einer Auster – ja so paßt es sich, das darf ich mit gutem Gewissen sagen und darf es schriftlich geben. In großen Städten hat das schon eine andere Manier, da weiß man sich schon alles zu Nutze zu machen, da kann man in einem Tage mehr lernen, als . . . . Aber da sehe ich Pernille. Nun, Jüngferchen, wie geht's? Für das Mal führe ich nur eine schlechte Ladung, keine so fette wie vorige Woche; seht her, da habt Ihr das Gedicht, nach dem Ihr verlangt habt, kurz ist es, aber gut.

Pernille. Höre, Peter, ich will Dir was sagen, nicht als ob ich eitel wäre, das ist, weiß Gott, nicht meine Manier, sondern blos damit Du doch erfährst, wie Du Personen meines Standes zu tituliren hast. Ich bin keine Jungfer, daß Du es nur weißt, und noch weniger will ich mich so von Dir nennen lassen, ich bin eine Demoiselle. Stubenmädchen kannst Du Jungfern nennen, wenn Du mit ihnen sprichst –

Peter. So ist es, Mamsell, ich habe mich blos versprochen. Hier übrigens ist das Gedicht, das mein Herr Euch zugesagt hatte.

Pernille. Hat er das selbst gemacht?

Peter. Ja, aufs Versemachen da ist er der reine Hund; kein Propst und kein Bischof, glaube ich, könnte es besser machen, und dabei macht er solche Gedichte zehn an einem Tage. Es ist aber ein possierlicher Anblick, wenn er Gedichte macht; jetzt schreibt er, jetzt kratzt er sich am Kinn, um so recht ins Concept zu kommen und die Lebensgeister aufzuwecken; dann schreibt er, dann 51 streicht er wieder aus; – das wird eine glückliche Frau, die den zum Mann kriegt, der ist so gut, wie der Tag lang ist; ja wahrhaftig so ist er, Jüngferchen . . . . ich wollte sagen Mamsell, ich bedachte nicht, daß Sie ja keines jener Mädchen vom Lande ist, die ihre Jungferschaft noch haben.

Pernille. Wenn aber Dein Herr ein so guter Poet ist, kannst Du ihm nicht etwas absehen von der Kunst? Du hast doch übrigens einen guten Kopf.

Peter. Ich danke ergebenst für die gute Meinung, welche die Mamsell von mir hat, die Natur hat mich allerdings nicht vernachlässigt, und ich thäte Sünde, wenn ich es anders sagte. Ich glaube allerdings, ich könnte auch ein Gedicht machen, wenn ich nur mit den Reimen zu Stande käme.

Pernille. Ei nun, das Reimen ist ja doch nicht so schwer.

Peter. Ja, mit den Reimen käme ich allenfalls auch noch zu Stande, es ist nur der Uebelstand dabei, daß sie keinen Zusammenhang haben. Ich versuchte einmal, ein Gedicht zu machen, und wählte mir dazu erstlich zwei Reime, nämlich Futter Butter, und da sollten sich nun die übrigen Worte dazu finden. Aber, auf mein Wort, drei volle Tage und Nächte hat es mir nicht gelingen wollen, das Futter mit der Butter zusammenzubringen. Seitdem hab' ich nie wieder ein Gedicht gemacht.

Pernille. Jetzt, mein guter Peter, muß ich Dich verlassen und das Gedicht überreichen.

Peter. Habt die Güte, meinen gnädigen Herrn aufs Angelegentlichste zu recommandiren.

Pernille. Zweifelt nicht an meiner Bereitwilligkeit; adieu.

Peter. Serviteur. 52


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