Ludvig Holberg
Jacob von Tyboe oder Der großsprecherische Soldat
Ludvig Holberg

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Zweiter Akt.

Erste Scene.

Tyboe. Jesper.

Tyboe. Ja, das war noch nichts, Jesper, gegen die brabantische Belagerung, da stand ich zwei volle Stunden allein auf der Mauer und schlug mich mit der ganzen Garnison herum. Von Zeit zu Zeit sah ich mich um, ob mir denn niemand zu Hülfe käme, aber da war nicht Hinz noch Kunz, der sich zutraute mir zu folgen.

Jesper. Vor zwei Jahren ging es mir auch höchst sonderbar. Vierhundert Mann hatte ich allein in die Flucht geschlagen, der Anführer befand sich bereits in meinen Händen, gerade aber wie ich ihm den Kopf abhauen wollte, kam Einer und weckte mich. Aber was steh' ich hier und schwatze, das gehört ja gar nicht hierher, der Herr hat es ja im Wachen gethan. Ach, Herr von Tyboe, wer hätte auch wol für nöthig finden sollen, nachzufolgen? Ihr wart ja der Mann dazu, die Stadt ganz allein einzunehmen.

Tyboe. Was sie sich dabei gedacht haben, weiß ich nicht, wol aber weiß ich, daß den Tag Jacob Tyboe und ich die ganze Armee allein auf ihr Gewissen nehmen mußten. Es war nur mein Glück, daß ich den Rücken frei hatte, indem ich mich an eine Kirchenmauer lehnen konnte, welche auf dem Walle stand.

Jesper. Ei ja wohl, ich weiß, sie heißt noch heutzutage Tyboe's Kirchhof, von wegen der vielen Todten, welche der Herr da geopfert hat. 25

Tyboe. Nein, wirklich, heißt sie so, Jesper? Sie kann in der That ein Kirchhof heißen; ich hatte ordentlich eine Brustwehr um mich her von lauter Leichen. Der schlimmste Gegner, der mir am meisten zu schaffen machte, das war einer von den Herrenstaaten von Holland in eigener Person, den ich an seinem Ordensbande erkannte; der schlug um sich, wie ein honneter Kerl, das muß ich ihm noch im Tode nachsagen.

Jesper. Vermuthlich hat er sich fest machen können, wie leider so viele in Holland thun.

Tyboe. Ja, wie fest er auch war, zuletzt mußte er doch ins Gras beißen. Ich traf ihn nämlich just auf den Nabel und hieb ihn mitten durch wie einen Kohlstrunk; bevor er starb, rief er noch dreimal auf Holländisch: mors, mors, mors; deswegen darf ich auch noch heutigen Tags nicht nach Holland kommen. Aber wo hast Du das gehört, daß man den Ort Tyboe's Kirchhof nennt? Zur Zeit der brabantischen Belagerung nannte ich mich doch noch schlechtweg Jacob.

Jesper. Ich denke mir, gnädiger Herr, sie werden wol hinterdrein herausbekommen haben, welchen Namen der gnädige Herr angenommen haben. Diese Holländer sind eine verfluchte Nation, die haben ihre Spione überall. Der gnädige Herr wird von allen gekannt, obwol der gnädige Herr selbst nur wenige kennt. Und nun fällt mir ein, wie ich es erfahren habe: gestern Abend war ich in Nummer vier, da saß Schiffer Adrian, der kürzlich von Vlied. h. Vließingen. A.d.Ü. gekommen ist, und plauderte so mit verschiedenen seiner Collegen von der letzten brabantischen Belagerung, der hat mir zugeschworen, daß der gnädige Herr noch jetzt in ganz Holland nicht anders genannt wird als der brabantische Jacob.

Tyboe. Ja, das glaub' ich schon, daß man mich in ganz Holland kennt, sowol von der Belagerung her, als von wegen der großen Schlacht bei Amsterdam, in der ich mit eigener Hand über sechshundert Feinde erlegte.

Jesper. Ei, der gnädige Herr muß noch eine Null dazusetzen.

Tyboe. Das überlasse ich Anderen, ich ma foi habe 26 niemals nach der Zahl gefragt, auf ein Hundert mehr oder minder kam es Jacob von Tyboe damals gar nicht an; es ist mir selber unbegreiflich, wie mein Säbel es noch so lange ausgehalten hat.

Jesper. Ei, der gnädige Herr hätte die Leute auch mit einer Schreibfeder todtgeschlagen; nicht auf den Säbel kommt es an, sondern auf die Hand, die ihn führt. In einer alten Chronik habe ich von Alexander Magnus gelesen, daß er mit einem einzigen Hiebe dem größten englischen Ochsen den Kopf abschlagen konnte. Da nun Nebukadnezar, unter dem Alexander als Feldmarschall diente, davon zu hören kriegte, so bat er Alexander, ihm seinen Säbel zu leihen, und wollte versuchen, ob er dasselbe zu Stande brächte. Allein es gelang ihm nicht. Da wurde denn Nebukadnezar zornig und sagte: Das ist ja der rechte Säbel nicht, Herr General!Diese Worte sind im Text deutsch; ebenso Akt III, Sc. 5, »Wo ist Seiner vorigen Corasia«, Akt IV, Sc. 6: »Einmal ist keinmal«, Akt V, Sc. 8: »Aber in meinem Namen nichts« &c. A.d.Ü. worauf Alexander erwiderte: »ich habe Eurer kaiserlichen Majestät wol meinen Säbel geliehen, nicht aber meinen Arm«.

Tyboe. Du bist ja ein studirter Mann, Jesper, wie ich höre; wo hast Du denn das gelesen?

Jesper. In Arved Hvitfeldts Chronik.

Tyboe. Ich dachte sonst, die Geschichte wäre von Meister Mons Weingarten beschrieben; das ist ein Buch, das ich sechzehnmal gelesen habe, ja noch sechzehnmal dazu, und habe in meinen verschiedenen Feldzügen den größten Nutzen davon gehabt. Dieser Meister Mons muß selber ein großer General oder Staatsmann gewesen sein, sonst hätte er unmöglich alles so genau beschreiben können. Aber apropos, Jesper, hast Du gehört, wie ich gestern den Jacob Christoffersen abgeführt habe? Der wollte über Tisch seinen Spaß mit mir treiben und fragte mich, ob ich mich im Winter, wenn die Tage kurz sind, ebenfalls Jacob von Tyboe nennte.

Jesper. Das war ein verwettert dreistes Stück gegen so einen Mann, wie der gnädige Herr ist.

Tyboe. Nein, nun höre nur, was ich ihm zur Antwort gab; ich sagte so laut, daß die ganze Gesellschaft es hören mußte: »Monsieur Christoffersen, Ihr seid ma foi ein Narr.« 27

Jesper. Ha ha ha, der gnädige Herr spricht wirklich wie mit Engelzungen! Und was sagten die Andern dazu?

Tyboe. Sie lachten alle, als ob sie platzen wollten, besonders Franz Franzen, der sagte: »Jacob von Tyboe ist nie um eine Antwort verlegen«. Aber jetzt muß ich hin und hören, ob mein Bedienter, der Peter, noch nicht Bescheid zurückgebracht hat; ich habe ihn nämlich zu einem Poeten geschickt von wegen eines Gedichtes auf Fräulein Lucilia.

Jesper. Da ist er ja.

Zweite Scene.

Peter. Die Vorigen.

Tyboe. Höre, Peter, hast Du das Gedicht gekriegt?

Peter. Ja, Meister, aber das kostet ein Stück Geld.

Tyboe. Ei, Du Schlingel, kannst Du denn nicht das Wort »gnädiger Herr« in Deinen Dummkopf hineinbringen? So einen dummen Bedienten hab' ich doch wirklich noch niemals gehabt, da lob' ich mir den Christoph, meinen alten deutschen Bedienten, der hat doch mehr Politur.

Peter. Um Verzeihung, da möchte ich den gnädigen Herrn doch bitten, mich ebenfalls Lakai zu nennen.

Tyboe. Das mag ich leiden, Peter, daß Du Ehr' im Leibe hast; Du hast Recht, Du bist Lakai. Aber was kostet das Gedicht?

Peter. Ach, Bagatelle, blos zwei Reichsthaler.

Tyboe. Zeig' her; zwei Reichsthaler für eine Zeile, ist das nicht unverschämt, Jesper?

Jesper. Ei, Peter, da hast Du Dich schön anführen lassen.

Peter. Das verstehen wir Poeten besser; je kürzer ein Gedicht ist, je theurer. Dies hier hat der Poet in Apenrade gemacht, ein Mann, der allein mit seinen Versen Frau und Kinder ernährt; der kann Gedichte machen, die blos ein Wort lang sind, aber wenn man sie so kurz haben will, da kann sie der Teufel selbst nicht mit Geld bezahlen.

Jesper. Ha ha ha ha ha! 28

Tyboe. Worüber lachst Du, Jesper?

Jesper. Ich muß noch immer über die Antwort lachen, die der gnädige Herr dem Jacob Christoffersen gab.

Tyboe. Das war so: »Monsieur Christoffersen, Ihr seid ma foi ein Narr.«

Jesper. Ha ha ha! Der gnädige Herr, muß ich sagen, hat doch wahrhaftig nicht Seinesgleichen.

Tyboe. Hör', Peter, ist das Gedicht auch wirklich gut? Du hast ihn gehörig darum gefragt?

Peter. Ei was, gnädiger Herr, solche Leute darf man nicht lange fragen, ob ihre Arbeit gut ist; solche Meister sind kurz angebunden.

Tyboe. Aber, Jesper, wenn sie nur nicht erfährt, daß ich das Gedicht nicht selbst gemacht habe; es wäre doch eine rechte Blamage für mich.

Jesper. Je nun, gnädiger Herr, wenn sie es auch erfährt, so denkt sie doch wol blos: Herr von Tyboe ist vermuthlich heute bei Hofe gewesen, oder hat andere wichtige Dinge zu thun gehabt und deshalb hat er einen seiner Untergebenen beauftragt, ein Gedicht zu machen, das er selbst ohne Zweifel weit besser gemacht hätte.

Tyboe. Meinst Du, daß sie das denken wird?

Jesper. Was denn anders? Warum sollte sie von dem gnädigen Herrn nicht ebenso denken wie alle andern Menschen? Der gnädige Herr ist ein Herr, der zu allem geschickt ist. Wer stehenden Fußes, ohne sich zu besinnen, eine solche Antwort geben kann, wie der gnädige Herr dem Jacob Christoffersen gegeben hat, der ist auch zu allem andern geschickt, denn der gnädige Herr wolle beachten: es ist eins, gute Einfälle haben, und ein anderes, sie aus dem Stegreif haben. Wie war die Antwort doch? Nun hab' ich sie schon wieder vergessen.

Tyboe. Sie war so: »Monsieur Christoffersen, Ihr seid ma foi ein Narr.«

Jesper. Hahaha, ha ha ha! Hol' der Henker den gnädigen Herrn, was der für gnädige Einfälle hat, ha ha ha, ha ha ha ha! 29

Tyboe. Aber glaubst Du wol, Jesper, daß ich ebenfalls Gedichte machen könnte, wenn ich wollte?

Jesper. Nun das versteht sich, wenn der gnädige Herr Gedichte machen wollte, er stäche alle Poeten und Poetinnen aus, die in der Stadt sind. Für einen solchen Mann jedoch, wie der gnädige Herr, ist es nicht anständig, Gedichte zu machen und als Schriftsteller aufzutreten oder sich mit irgend etwas zu befassen, was nach Pedanterei schmeckt. Ich habe mir erzählen lassen von einem großen General in Castilien oder Brasilien (er hieß Holofernes, glaub' ich), der, da er gefragt ward, wen er für den größten Poeten halte, zur Antwort gab: diesen halte ich für den größten General, jenen für den größten Admiral, und den für den größten Staatsmann; womit er zu verstehen gab, daß es für ihn als einen Offizier nicht anständig sei, über Poeten zu urtheilen.

Tyboe. Neulich habe ich doch auch ein Gedicht gemacht, unter uns gesagt.

Jesper. Ach gnädiger Herr, das laßt mich hören!

Tyboe. Ich fürchte nur, unter uns gesagt, daß es herauskommt, und daß mein Ruf bei der Armee darunter leidet, gleich als ob ich mich mit Pedantereien befaßte.

Jesper. Von mir soll es wahrhaftig keine Seele erfahren.

Tyboe. Geh mal ein bischen bei Seite, Peter, wir haben etwas zu sprechen, was Du nicht zu hören brauchst. Das Gedicht war an Fräulein Lucilia und lautete folgendermaßen:

Lucilia, Du stolze Schöne,
Meines Herzens Lust, Trompete und Paukengedröhne,
Deine Schönheit hat mich gemacht zum Coujon
Und hat genommen mit Sturm meines Herzens Bastion,
Deines Auges Bajonnet und Musket' hat mich verletzet
Und meinen Verstand in Verwirrung gesetzet,
    So daß ich geworden ein Narr!

So weit bin ich gekommen, es fehlt mir blos noch der letzte Vers, zu dem habe ich noch nicht Zeit gehabt; er muß sich auf »arr« endigen, so viel weiß ich schon. 30

Jesper. Wie lang hat der gnädige Herr gebraucht, das Gedicht zu machen?

Tyboe. Ich kann drauf schwören, nicht mehr als eine halbe Stunde oder höchstens dreiviertel, unter uns gesagt.

Jesper. Ei, das ist doch was Erstaunliches, in einer halben Stunde solch ein Gedicht, und in dem einen Vers sind noch dazu zwei Reime: Bajonnet und Musket'. Nein, das muß ich sagen, das heiße ich Talent! War es nicht so? (Wiederholt das Gedicht.) Ach, wenn der gnädige Herr nur einen Reim zum letzten Vers finden könnte, einen Thaler wollt' ich darum geben: »So daß ich geworden ein Narr.« Könnte man nicht auf die Art schließen: »Ich will ein Hundsfott sein, wenn es nicht ist wahr!«

Tyboe. Das ist gar nicht so übel, Jesper, aber ich hätt' es doch gern selbst herausbekommen, ich mag das nicht, daß ich mir von Dir helfen lasse. Ich will es darum auch nicht auf die Art machen, sondern lieber etwas gedrungener, nämlich so: »Ich bin eine Canaille, ist es nicht wahr.«

Jesper. Ja, Euer Gnaden, das klingt freilich besser!

Tyboe. Und mit allen diesen Qualitäten, die ich besitze, Jesper, ist es nicht unbegreiflich, daß ein lumpiger Pedant, ein Per caudiEin damals beliebtes studentisches Schimpfwort für Pedant, Bücherwurm, mit dem Nebenbegriff des Feigen, Unmännlichen. A.d.Ü. sich unterstehen darf, mein Rival zu sein?

Jesper. Er muß verrückt im Kopf sein, gnädiger Herr, sein Studiren muß ihn wahnsinnig gemacht haben, und dann erstlich ist der gnädige Herr so schön wie kein lebendes Mannsbild, ja ohne zu schmeicheln, was nicht meine Art ist, darf ich sagen, daß, was körperliche Schönheit anbetrifft, nie Einer gewesen ist, der sich Ihm vergleichen kann, seit seiner Durchlaucht des Prinzen Absalon Zeiten – unter uns gesagt.

Tyboe (indem er leicht an seinen Hut greift). Serviteur, Jesper, ich bedanke mich für die gute Meinung, die Du von mir hast; es paßt mir nicht, mich selbst zu rühmen, ich überlasse das lieber Andern. Aber meinst Du nicht, Jesper, daß ich zugleich auch etwas Majestätisches in meinem Gesicht habe, was zugleich Furcht und Beben einflößt? Im Ernst?

Jesper. Das kann kein Mensch dem gnädigen Herrn abdisputiren; man möchte wirklich glauben, Euer Gnaden Vater 31 wäre ein Löwe gewesen und die Mutter ein Schaf, solch ein Gesicht hat der gnädige Herr, so zugleich aus Mildigkeit und Majestät.

Tyboe. Serviteur, Jesper, ich danke.

Jesper. Zum Zweiten ist der gnädige Herr ein Herr, der vermittelst seiner Mannhaftigkeit und Streitbarkeit so viel Ehre eingelegt hat, daß die Feinde des gnädigen Herrn zittern, sowie sie nur des gnädigen Herrn Namen hören. Denn des gnädigen Herrn ganze Erscheinung ist eitel Feuer und Flamme, ja ich glaube, steckte man Holzstecken in des gnädigen Herrn Blut, es würden auf dem Fleck Schwefelhölzer daraus.

Tyboe. Serviteur, Jesper, mich zu bedanken.

Jesper. Zum Dritten hat der gnädige Herr Verstand wie ein Engel.

Tyboe. Serviteur, Jesper.

Jesper. Zum Vierten hat der gnädige Herr solche angenehmen und liebenswürdigen Manieren, daß, wenn der gnädige Herr auch nicht so schön wäre, dennoch alle Frauenzimmer sich in den gnädigen Herrn verlieben müßten. Wol hundertmal habe ich in Gesellschaft bemerkt, daß, sowie ein Frauenzimmer des gnädigen Herrn ansichtig wird, ihr sofort die Sprache vergeht und sie anfängt zu seufzen, als wollte ihr die Seele aus dem Leibe gehen.

Tyboe. Serviteur, Jesper. Hast Du das wirklich bemerkt?

Jesper. Nicht einmal, sondern hundertmal. Weiß der gnädige Herr nicht mehr neulich auf der Hochzeit, wie der gnädige Herr zu tanzen anfing, was für ein Gelächter und Geflüster da sofort unter den Frauenzimmern entstand? Von keinem der übrigen, die da tanzten, wurde so viel gesprochen.

Tyboe. Und doch habe ich niemals tanzen gelernt; es ist das pure angeborene Talent.

Jesper. Ach, möchte der gnädige Herr nicht eine Menuet tanzen? Nichts in der Welt würde ich mit größerem Vergnügen sehen.

(Tyboe tanzt auf höchst bäurische Manier und so oft er sich umwendet, schneidet Jesper ihm Gesichter. Jesper klatscht in die Hände.) 32

Tyboe. Ich habe doch ma foi niemals tanzen gelernt.

Jesper. Ach, gnädiger Herr, das machen die natürlichen Anlagen!

Tyboe. Aber was das Fechten anbetrifft, da glaub' ich allerdings, daß ich unvergleichlich bin. Komm, mach' mal einen kleinen Versuch, mit mir zu fechten, blos mit den Händen! Wo willst Du den Stoß nun hin haben, aufs Herz oder auf den Arm?

Jesper. Aufs Herz, aber der gnädige Herr muß auch nicht so stark stoßen. (Jesper dreht sich während des Stoßes um, wie aus Furcht, und Tyboe stößt ihn an den Hintern, daß er umfällt.) Alle Donner, das kommt davon, wenn man sich mit Einem einläßt, der stärker ist!

Tyboe. Ha ha ha ha ha ha! Laß uns noch einen Versuch machen!

Jesper. Nein, gnädiger Herr, das ist mir nichts nutze; kriege ich noch einen solchen Herzstoß, so könnt' ich nur gleich mein Testament machen, der gnädige Herr stößt ja so gewaltig, der gnädige Herr weiß ja selber nicht, wie stark er ist.

Tyboe. Was meinst Du aber, Jesper, wie ich gewachsen bin?

Jesper. Es ist das reine Wunder, wie der Herr gewachsen ist, kein Schneider in der ganzen Stadt kann eine schönere Taille haben . . . . (Er hustet.)

Tyboe. Was sagst Du, kein Schneider?

Jesper. Ich war noch nicht zu Ende, gnädiger Herr, ich wollte sagen: kein Schneider in der ganzen Stadt kann eine bessere Taille haben – als Muster, um Maß danach zu nehmen. (Hustet wieder.)

Tyboe. Da hast Du Recht. Erst neulich schalt einer meiner Kameraden auf den Schneider, weil ihm die Kleider nicht so gut säßen wie mir die meinigen; da antwortete der Schneider: Ja aber, gnädiger Herr, Ihr habt auch nicht von Tyboe's Taille. Deswegen muß ich auch ordentlich Leute anstellen, schlecht von meiner Figur zu sprechen, damit ich wenigstens zu Zeiten Ruhe vor den Frauenzimmern habe.

Jesper. Will der gnädige Herr sich nicht mal umdrehen? 33 Ach, es ist doch was Wunderbares: von hinten sieht der gnädige Herr aus, als wäre er nach dem Modell vom Wimmelskaftder nämlich eine der krummsten unter den namhafteren Straßen von Kopenhagen ist. Amager Markt, ebenfalls eine bekannte Straße in Kopenhagen. A.d.Ü. gemacht; dem gnädigen Herrn sein Hinterer ist der Amager Markt, und die Wellenlinie im Rücken ist der Wimmelskaft.

Tyboe. Das ist ein seltsames Gleichniß.

Jesper. Ja, gnädiger Herr, das ist aber die Manier, wie ein rechter Rücken sein soll.

Tyboe. Jesper, Du kennst mich nun doch schon so lange, aber alle meine Qualitäten kennst Du doch nicht; denn ich bin nicht von den Leuten, die sich selber rühmen. So hab' ich Dir, glaub' ich, noch niemals gesagt, daß ich mehr als zehn Sprachen verstehe. Zum Exempel die Worte: »ich muß mich zurecht machen« kann ich Dir in zehnerlei Mundarten hersagen. Auf Schwedisch heißt es: Jag musten lage mäg til. Auf Norwegisch: Aeg man lage emy til. Auf Jütisch: A me la me til. Auf Französisch: allons. Auf Italienisch: franco. Auf Deutsch: ich muß mir zulassen.

Jesper. Ach, der gnädige Herr muß seinen Eltern noch im Grabe danken, daß sie ihn in seiner Jugend haben so viel lernen lassen!

Tyboe. Aber das Seltsamste an mir ist doch dies, daß mit allen diesen Qualitäten ich doch nicht der Mann bin, der sich selber rühmt, ja daß ich mit all meiner Tapferkeit doch eher sanft als heftig genannt werden muß. Meine Dienstmädchen, darauf kann ich schwören, hab' ich, so lange ich lebe, keine zwanzigmal geprügelt; Lakaien hab' ich nicht mehr todtgeschlagen als zum Höchsten sechs. Darum aber ärgert es mich auch, daß Fräulein Lucilia einen Per caudi einem solchen Manne vorzieht wie ich. Denn das darf ich sagen, daß man zehn Hospitäler möbliren könnte mit den Frauenzimmern, die alle crepirt sind und haben die Gelbsucht gekriegt von wegen meiner Kaltsinnigkeit. Und nichts desto weniger wagt solch ein Schlingel . . . . Wenn ich ihn nur hier hätte, ich wollte ihn morden, ich wollte ihn zermalmen, ich wollte ihn in tausend Stücke zerreißen! Potz Schlapperment, tête bleu! Ha – wo bist Du, Pedantus, Pedanta, Pedantum?! Zieh vom Leder, Canaille! (Er zieht den Degen; 34 Jesper fällt auf die Kniee und zittert.) Sieh da, Jesper, bist Du es? Ich bin ganz blind vor lauter Courage!

Jesper. Ach, gnädiger Herr, schont meines Lebens!

Tyboe. Steh' nur wieder auf, ich habe Dich viel zu lieb, als daß ich meine Stärke gegen Dich in Anwendung bringen sollte.

Jesper. Der gnädige Herr nahm mich für den Magister.

Tyboe. Es ist wahr, ich gerathe jedesmal in Rage, so oft ich an den Kerl denke. (Pfeift nach Peter.)

Peter. Gnädiger Herr?

Tyboe. Gieb mir das Gedicht. Mein deutscher Diener Christoph soll es dem Fräulein überbringen. Ich muß erst hin und meine Garderobe in Stand setzen; dann will ich dem Fräulein meine Visite machen, der Abrede gemäß, die ich mit Pernille getroffen habe. 35


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