Ludvig Holberg
Der politische Kannengießer
Ludvig Holberg

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Fünfter Act.

Erste Scene.

Heinrich. Zwei Advocaten. Nachher ein Mann.

Heinrich. Element, nun geht meine Ernte an, nun ist Audienzstunde. Nun sollt Ihr sehen, Ihr guten Leute, ob Einer, der zehn Jahre im Dienst gewesen, sich besser dazu anstellen kann, als ich. Da hör' ich schon pochen. Mit wem wollen die guten Herren sprechen?

Advocat. Wir wollten gern die Ehre haben, mit dem Herrn Bürgermeister zu sprechen.

Heinrich. Er ist noch nicht aufgestanden.

Advocat. Noch nicht aufgestanden um vier Uhr Nachmittags?!

Heinrich. Ja, aufgestanden ist er wol, aber er ist ausgegangen.

Advocat. Aber wir sind ja eben erst in der Thür Jemand begegnet, der mit ihm gesprochen hat?

Heinrich. Ja, zu Hause ist er am Ende wol, aber er befindet sich nicht wohl. (Leise) Die Kerle sind so dumm wie's Vieh, die können nicht begreifen, was ich meine.

Advocat (leise). Ich merke schon, mon frère, der Kerl will sich schmieren lassen; wir müssen ihm einen Gulden in die Hand drücken, dann werden wir schon zum Bürgermeister kommen. Hört, Kamerad, wollt Ihr ein paar Gulden nicht verschmähen, auf unsere Gesundheit zu trinken?

Heinrich. Nein, Ihr guten Herren, Geschenke nehm' ich nie. 63

Advocat. Ja, was sollen wir da machen, mon frère? Da müssen wir wol ein ander Mal wiederkommen.

Heinrich (winkt ihnen). Holla, Messieurs, seid doch nicht so eilig! Weil Sie es sind, will ich die zwei Gulden nehmen, Sie könnten sonst denken, ich wäre hochmüthig, und das könnte dem Ruf unseres Hauses schaden.

Advocat. Sieh hier, Kamerad, da sind zwei Gulden, wenn Ihr die nicht verschmähen wollt; nun aber seid auch so gut und verschafft uns Audienz.

Heinrich. Gehorsamster Diener. Ihretwegen will ich Alles thun, was ich kann. Der Burgemeister ist zwar gesund wie ein Pferd, aber doch nicht wohl genug, um mit Jedem zu sprechen. Aber da Sie es sind, Messieurs, so ist das eine andere Sache, wollen Sie nur so gut sein und einen Augenblick warten, ich werde Sie sogleich anmelden. Aber da pocht es schon wieder; mit wem wollt Ihr sprechen, guter Freund?

Ein Mann (greift in die Hosentasche). Ich möchte gern die Ehre haben, mit dem Herrn Burgemeister zu sprechen.

Heinrich (leise). Der Mann weiß zu leben, der greift gleich in die Tasche. (Laut) Ja, mein Herr, er ist zu Hause und Ihr sollt ihn sogleich zu sprechen kriegen.

(Heinrich hält die Hand hin, der Andere aber, statt des Geldbeutels, holt blos seine Uhr heraus und sagt:)

Der Mann. Es ist schon vier Uhr, sehe ich.

Heinrich. Wer war es doch, mit dem Monsieur sprechen wollte?

Der Mann. Mit dem Herrn Burgemeister.

Heinrich. Der ist nicht zu Hause, Monsieur.

Der Mann. Aber Ihr sagtet ja eben, er wäre zu Hause?

Heinrich. Kann wol sein, Monsieur: aber dann hab' ich mich versprochen.

(Der Mann geht ab.)

Heinrich (leise). Seh mal Einer den Gauner! Du denkst wol auch, der Burgemeister steht für dich immer parat? (Zu den Advocaten) Nun werd' ich Sie gleich melden. (Ab.)

Advocat. Sieh nur den Burschen, wie der sich schon in sein 64 Amt zu finden weiß. Verstell' Dich nur gut, mon frère, wir sind die Ersten, die diesem guten Kanngießer das Leben sauer machen, unsere Kameraden werden die Komödie zu Ende bringen. Aber sieh, da kommt er.

Zweite Scene.

Die Vorigen. Bremenfeld. Nachher ein altes Weib.

Erster Advocat. Aus tiefstem Herzensgrunde wünschen wir dem wohlgebornen Herrn Bürgermeister Glück zur hohen Würde, die ihm in dieser Stadt zu Theil geworden, und verhoffen, daß Er, was Milde, Weisheit und Wachsamkeit anbetrifft, keinem seiner Vorgänger nachstehen wird, sintemal Ihro Wohlgeboren sich den Weg zu diesem hohen Amte gebahnt haben nicht durch Reichthum, Verwandtschaft und Freunde, sondern allein durch Dero bekannte große Tugenden, Gelehrsamkeit und Erfahrenheit in Staatssachen.

Bremenfeld. Très humble serviteur.

Zweiter Advocat. Vornehmlich freuen wir uns darüber, daß wir einen Mann zur Obrigkeit bekommen haben, der nicht allein mit einem fast göttlichen Verstande begabt ist . . . .

Bremenfeld. Gott sei gedankt.

Zweiter Advocat. Sondern der auch dafür bekannt ist, daß er freundlich ist gegen Jedermann und es als sein größtes Vergnügen betrachtet, die Klagen des Publikums zu hören und ihnen abzuhelfen. Ja, ich kann sagen, daß ich vor Freude beinahe in Ohnmacht gefallen bin, da ich zuerst hörte, daß die Wahl den Herrn Bürgermeister von Bremen getroffen –

Bremenfeld. Ihr müßt sagen von Bremenfeld, Messieurs.

Zweiter Advocat. Ich bitte unterthänigst um Verzeihung, ich wollte sagen Bürgermeister von Bremenfeld. Heute nun sind wir gekommen, erstlich unsern unterthänigen Glückwunsch abzustatten, demnächst um Ihro Wohlgeboren um Rath zu fragen in einer Streitigkeit, welche sich zwischen unsern Clienten erhoben hat. Besagte Zwistigkeit hatten wir Anfangs 65 beschlossen, vom Gericht entscheiden zu lassen; später jedoch haben wir uns anders besonnen und wollen zur Vermeidung des Zeitverlustes und der Unkosten, die ein regelrechter Prozeß doch immer macht, uns dem Ausspruch des Herrn Bürgermeisters unterwerfen; bei dem wollen wir es dann bewenden lassen.

(Bremenfeld setzt sich, indem er die Andern stehen läßt.)

Erster Advocat. Unsere beiden Clienten sind Nachbarn, aber da ist ein fließendes Wasser, das ihre Besitzungen von einander trennt. Nun hat es sich vor drei Jahren zugetragen, daß das Wasser ein großes Stück Erde von meines Clienten Grund und Boden abgelöst und auf meines Gegners Acker geführt hat. Soll er das nun behalten? Heißt es nicht: Nemo ulterius damno debet locupletari? Hier will sich ja sein Client bereichern auf meines Clienten Kosten, was doch aparte streitet wider aequitatem naturalem; ist's nicht so, Herr Bürgermeister?

Bremenfeld. Ja, das ist unbillig, das muß Niemand verlangen, Ihr habt Recht, Monsieur.

Zweiter Advocat. Aber Justinianus sagt ja ausdrücklich libro secundo Institutionum, titulo primo, de alluvione...

Bremenfeld. Was Henker schert das mich, was Justinianus oder Alexander Magnus sagt? Die haben vielleicht ein paar tausend Jahre früher gelebt, bevor Hamburg gebaut ist, wie können die über Dinge urtheilen, die zu ihrer Zeit noch gar nicht vorhanden waren?!

Zweiter Advocat. Ich will doch nicht hoffen, daß Euer Wohlgeboren die Gesetze verwerfen, die in ganz Deutschland anerkannt sind?

Bremenfeld. Nein, so meint' ich das nicht, Ihr habt mich nicht recht verstanden, ich wollte nur sagen . . . . . . (Er hustet dazwischen). Seid so gut und fahrt in Eurer Sache fort.

Zweiter Advocat. Justinian schreibt wörtlich: Quod per alluvionem agro tuo flumen adjecit, jure gentium tibi adquiritur.

Bremenfeld. Herr Advocat, Ihr sprecht so verwünscht schnell. Sagt mir das deutlicher.

(Der Advocat sagt dasselbe noch einmal, aber langsam.) 66

Bremenfeld. Ei, Monsieur, Ihr habt eine verflucht schlechte Aussprache im Lateinischen; bedient Euch Eurer Muttersprache, das wird Euch leichter werden. Ich sage das nicht deshalb, als ob ich mit dem Latein etwa auf gespanntem Fuße lebte, ich spreche mitunter ganze Stunden lang Latein mit meinem Bedienten. Ist das nicht so, Heinrich?

Heinrich. Das ist was Einziges, meinen Herrn Lateinisch sprechen zu hören; die Thränen, schwör' ich Euch, stehen mir in den Augen, sowie ich daran denke. Das ist gleichsam, als wenn Erbsen in einem Kessel kochen, so heftig laufen ihm die Worte vom Munde. Weiß der Teufel, wie ein Mensch sich beim Sprechen so expediren kann. Aber was thut nicht die lange Uebung!

Zweiter Advocat. Justinian, wohlgeborner Herr Bürgermeister, sagt Folgendes: Was durch einen Fluß von eines Andern Acker abgerissen und dir zugeführt wird, das gehört dir.

Bremenfeld. Ja, soweit hat Justinianus Recht, das war ein braver Mann; ich habe zu viel Respect vor ihm, als daß ich sein Urtheil umstoßen sollte.

Erster Advocat. Aber, Herr Bürgermeister, mein Gegenpart liest das Gesetz, wie der Teufel die Bibel; er vergißt, was gleich darauf folgt: Per alluvionem autem videtur id adjici, quod ita paulatim adjicitur, ut intelligi non possit, quantum quoquo temporis momento adkicitur.

Bremenfeld. Messieurs, um Entschuldigung! Ich muß aufs Rathhaus, es schlägt gleich halb Fünf – Heinrich, sieh zu, daß Du die Sache mit ihnen auf der Treppe in Ordnung bringst.

Erster Advocat. Ach Herr Bürgermeister, sagt uns doch nur mit Einem Worte Dero Meinung!

Bremenfeld. Messieurs, Ihr habt alle Beide Recht, Jeder in seiner Art.

Zweiter Advocat. Aber wie ist das möglich, daß wir alle Beide Recht haben?! Wenn ich Recht hätte, dächt' ich, so hat mein Gegenpart Unrecht; Justinians Ausspruch ist ausdrücklich für mich.

Bremenfeld. Entschuldigt mich, ich muß stehenden Fußes aufs Rathhaus. 67

Erster Advocat (hält den Bürgermeister fest). Ich habe ja aber bewiesen, daß Justinians Ausspruch für mich ist.

Bremenfeld. Ja, allerdings, Justinian spricht für Euch und für Euch auch; warum zum Teufel vergleicht Ihr die Sache da nicht? Ihr kennt Justinian nicht so gut als ich; wenn er den Mantel auf zwei Seiten trägt, so ist das so viel, als wenn er sagen wollte: Packt Euch, Ihr Schubiake, und vergleicht die Sache.

Zweiter Advocat. Herr Bürgermeister, um die Meinung des Gesetzgebers recht zu erfassen, muß man doch einen Artikel mit dem andern conferiren; steht denn nicht im gleichfolgenden Paragraph: Quod si vis fluminis de tuo praedio –

Bremenfeld. Ei laßt mich in Frieden, Ihr Rechtsverdreher, Ihr hört ja, ich muß aufs Rathhaus!

Erster Advocat. Einen Augenblick, Herr Bürgermeister! Laßt uns nur erst hören, was Hugo GrotiusDer allbekannte holländische Gelehrte und Staatsmann, geboren 1583, gestorben 1645, einer der berühmtesten Männer seiner Zeit, der Mitbegründer des modernen Staatsrechts. Bei Gelegenheit des Oldenbarneveldtschen Prozesses sollte er als Arminianer und Staatsverräther enthauptet werden (1619), wurde auch wirklich zu ewigem Gefängniß abgeführt, jedoch durch den aufopfernden Muth seiner Gattin glücklich befreit; daher die »Armenier« (statt Arminianer) Hermanns von Bremen. A.d.Ü. sagt.

Bremenfeld. Ich wollte, der Satan holte Euch alle Beide, Euch sammt Eurem Hugo Grotius; was schert mich Hugo Grotius? Das war ein Armenianer; was kümmern uns die Gesetze, die man der Teufel weiß wo in Armenien macht. Heinrich, jage sie gleich zur Thüre 'naus!

(Sie gehen ab. Heinrich zankt sich draußen mit Jemand; er kommt kopfüber wieder hereingestürzt, gefolgt von einem alten Weibe, das eine verkleidete Mannsperson sein muß.)

Das Weib (packt den Bürgermeister bei der Brust und ruft). Was ist das für eine Obrigkeit, die solche verfluchte Gesetze gibt, daß ein Mann zwei Weiber nehmen darf?! Denkt Ihr denn, es sei kein Gott mehr im Himmel?!

Bremenfeld. Bist Du verrückt, Weib? Wer Henker denkt denn an so was?

Das Weib. Hei, hei, hei, ich gehe nicht fort, bis ich Dein Herzblut gesehen habe!

(Peter kommt und wirft das Weib hinaus. Heinrich, der sich versteckt hatte, hilft ihm am Ende dabei.) 68

Dritte Scene.

Bremenfeld. Heinrich. Nachher zwei Bürger und ein Lakai.

Bremenfeld. Heinrich, Du sollst die Schwerenoth kriegen, wenn Du wieder alte Weiber oder Advocaten hereinläßt, die machen mich todt, jeder auf seine Weise. Aber auch wenn andere Leute kommen, mußt Du ihnen sagen, daß sie sich in Acht nehmen sollen, kein Latein zu sprechen, ich hätte das gewisser Ursachen willen verschworen.

Heinrich. Ich habe es auch verschworen aus denselben gewissen Ursachen.

Bremenfeld. Du kannst sagen, daß ich nichts spreche als Griechisch.

(Es klopft wieder; Heinrich geht an die Thüre und kommt mit einem großen Stoß Acten zurück.)

Heinrich. Hier ist ein Stoß Acten vom Syndikus; der Herr Burgemeister möchte so gut sein und seine Bedenken darüber abgeben.

(Der Bürgermeister setzt sich an den Tisch und stöbert in den Acten.)

Bremenfeld. Es ist doch nicht so leicht, Burgemeister zu sein, wie ich dachte, Heinrich; hier habe ich einige Sachen zur Durchsicht gekriegt, da kann sich der Teufel selbst nicht drin zurecht finden. (Fängt an zu schreiben, steht aufs und trocknet sich den Schweiß ab, setzt sich wieder und streicht aus, was er vorhin geschrieben hat.) Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister.

Bremenfeld. Was machst Du da für Spectakel, kannst Du nicht stille sein?

Heinrich. Ich rühre mich ja nicht von der Stelle, Herr Burgemeister.

Bremenfeld (steht wieder auf, trocknet sich den Schweiß ab wie vorhin und wirft seine Perücke an die Erde, um mit bloßem Kopf besser meditiren zu können; er tritt beim Auf- und Abgehen auf die Perücke und stößt sie zur Seite. Dann setzt er sich wieder hin und schreibt aufs Neue.) Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Dich soll das Donnerwetter, wenn Du nicht 69 ruhig bist; das ist nun schon das zweite Mal, daß Du mich aus dem Concept bringst.

Heinrich. Ich habe doch wahrhaftig nichts weiter gethan, als daß ich mir den Rock aufnahm und an meinen Beinen maß, wie viel mir die Livree zu lang ist.

Bremenfeld (springt wieder auf, schlägt sich mit der Hand vor den Kopf, um Gedanken zu kriegen). Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Geh mal 'raus und sage den Weibern, die auf der Straße die Austern ausrufen, sie sollen nicht in der Straße rufen, wo ich wohne; sie stören mich in meinen politischen Verrichtungen.

Heinrich (ruft zur Thür hinaus, dreimal). Hört, Ihr Austernweiber! Ihr Carnallien! Ihr Bestien! Ihr unverschämten Metzen! Ihr Allerwelts-Huren! Habt Ihr denn gar keine Scham mehr, daß Ihr Euch untersteht, in dem Herrn Burgemeister seiner Straße zu rufen und ihn zu stören in seinen politischen Verrichtungen?!

Bremenfeld. Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Nun so hör' doch endlich auf, Du Vieh!

Heinrich. Es nutzt auch nichts, wenn ich weiter rufe, die ganze Straße wimmelt von solchem Pack; wie eine vorbei ist, kommt gleich eine andere wieder. Daher . . . .

Bremenfeld. Kein Geschwätz weiter, sei still und halt Dein Maul! (Setzt sich hin und streicht wieder aus, was er geschrieben hat; schreibt aufs Neue, springt auf und stampft vor Zorn mit den Füssen; ruft:) Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Ich wollte, der Teufel holte die ganze Burgemeisterei; willst Du Burgemeister sein statt meiner?

Heinrich. Pfui über den, der das thäte! (Leise) Und ebenso über den, der danach verlangt.

Bremenfeld (will sich hinsetzen, um aufs Neue zu schreiben, setzt sich aber in Gedanken fehl und fällt auf die Erde; ruft): Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Ich liege an der Erde. 70

Heinrich. Das seh' ich wol.

Bremenfeld. Nun so komm doch und hilf mir!

Heinrich. Der Herr Burgemeister hat gesagt, ich soll mich nicht von der Stelle rühren.

Bremenfeld. Das ist ein verwünschter Bursche! (Hilft sich selbst wieder auf.) Klopft es da nicht an der Thüre?

Heinrich. Ja. – Mit wem will Er sprechen.

Ein Bürger (an der Thüre). Ich bin der Altmeister vom Hutmachergewerk ich habe eine Klage beim Herrn Burgemeister.

Heinrich. Hier ist der Altmeister vom Hutmachergewerk mit einigen Beschwerden.

Bremenfeld. Na, ich kann doch nicht mehr als eine Sache auf einmal im Kopfe haben; frag' ihn, was es ist.

Der Bürger. Das ist eine weitläufige Geschichte, ich muß den Herrn Burgemeister selbst sprechen; in einer Stunde kann die Sache abgemacht sein, meine Klage besteht blos aus zwanzig Punkten.

Heinrich. Er sagt, er müßte den Herrn Burgemeister selbst sprechen, seine Punkte beständen blos aus zwanzig Klagen.

Bremenfeld. Ach, Gott schütze mich armen Mann, ich bin schon ganz dämlich im Kopfe. So laß ihn hereinkommen.

Der Bürger. Ach Herr Burgemeister, mir armem Manne ist großes Unrecht geschehen, der Herr Burgemeister wird das selbst einsehen, sowie er es zu hören kriegt.

Bremenfeld. Ihr müßt das schriftlich aufsetzen.

Der Bürger. Ich habe es aufgesetzt auf vier Bogen –

Bremenfeld. Heinrich, es klopft schon wieder.

Heinrich (an der Thüre). Mit wem wollt Ihr sprechen?

Ein zweiter Bürger (tritt ein). Ich habe eine Klage beim Herrn Burgemeister gegen den Altmeister vom Hutmachergewerk.

Bremenfeld. Wer war das, Heinrich?

Heinrich. Das ist diesem Mann sein Gegenpart.

Bremenfeld. Er soll Dir seine Eingabe geben; bleibt nur Beide so lange auf dem Vorsaal, Ihr guten Männer. (Die Männer ab.) Heinrich!

Heinrich. Ja, Herr. 71

Bremenfeld. Kannst Du mir nicht ein bischen zurecht helfen, ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Lies mir mal den Hutmachern ihre Klage vor.

Heinrich (liest wie folgt): »Wohlgeborner, hochgelehrter, gestrenger, fester Herr Bürgermeister! Von dieser guten Stadt löblicher Bürgerschaft achtbaren Gewerken, erscheine ich Endesunterschriebener N. N., unwürdiger Aeltester des achtbaren Hutmachergewerks, als dem der Vortritt gebührt, und nach zuvor abgelegter so ehrerbietiger als herzlicher Gratulation von wegen eines so würdigen und höchst erleuchteten Mannes Erhöhung zu solcher hohen Hoheit, beantrage ich in tiefster Demuth einen von den größten, gefährlichsten und abscheulichsten Mißbräuchen, welche nichtsnutzige Zeiten und noch nichtsnutzigere Menschen hier in der Stadt in Gebrauch gebracht haben, verhoffend, daß Euer Herrlichkeit dem abhelfen werde. Die Sache ist die, daß die Kramer hiesiger Stadt ohne einige Furcht noch Scham öffentlich allerhand Arten von Kleidungsstücken verkaufen und feilbieten, die von Kastor gewebt sind; ja daß sie ihre abscheuliche Dummdreistigkeit so weit treiben, daß sie Strümpfe davon weben lassen, da es doch bekannt ist, daß Bieberhaare allein unserer Profession zugehören; derowegen wir armen Hutmacher die zur Fortsetzung unseres Gewerbes nöthigen Haare nicht mehr mit Geld aufwiegen können, so daß das Publikum von seiner guten Gewohnheit abkommt und nicht mehr zehn bis zwanzig Thaler für einen Hut geben will, unserem Handwerk zu unersetzlichem Schaden an Reputation und Einkommen. Beliebe es nun meinem Herrn Bürgermeister, nachfolgende vierundzwanzig wichtige Urkunden und Gründe in Erwägung zu ziehen, wonach wir Hutmacher unmaßgeblich vermeinen, daß wir allein berechtigt sind, in Kastor zu arbeiten. Nämlich erstens: daß es von alten Zeiten her ein allgemeiner Brauch und Usus gewesen ist, nicht allein hier, sondern in der ganzen Welt, Kastorhüte zu tragen, was mit vielfachen Citaten aus der Historie wie auch durch gerichtlich bescheinigte Zeugenaussagen bewiesen werden kann. Erstens, was die Historie betrifft –«

Bremenfeld. Laß die Historie nur weg! 72

Heinrich. Zweitens, was die Zeugenaussagen betrifft: daß Adrian Nielsen, neunundsiebenzig Jahre alt, sich erinnern kann, daß seines Vaters Aeltervater gesagt hat –

Bremenfeld. Laß nur ebenfalls weg, was er gesagt hat.

Heinrich. Drittens, daß es eine unmäßige Ueppigkeit ist, solche kostbare Haare zu Strümpfen und Kleidern zu verbrauchen, was wider alle gute Ordnung und Sitte streitet, absonderlich seit aus England, Frankreich und Holland so viele kostbare Kleider eingeführt werden, daß man sich daran genügen lassen könnte, ohne einem ehrlichen Manne die Nahrung zu nehmen . . . .

Bremenfeld. Genug, Heinrich, ich sehe schon, der Altmeister hat Recht.

Heinrich. Aber ich habe doch gehört, daß die Obrigkeit stets beide Parteien hören muß, bevor sie ihr Urtheil fällt; soll ich daher nicht auch die Antwort des Gegenparts lesen?

Bremenfeld. Nur zu.

(Er giebt ihm nachfolgende Beschwerde des Gegenparts.)

Heinrich (liest): »Hochgeborne Excellenz, hoch erleuchteter und sehr politischer Herr Bürgermeister! So hoch als Dero Verstand über alle Anderen hervorragt, so hoch ragt auch meine Freude über die aller Anderen, seitdem ich gehört habe, daß Ihr Bürgermeister geworden seid. Aber weshalb ich jetzt erscheine, das ist, weil die Hutmacher mir Aergerniß bereiten und nicht wollen, daß ich Stoffe und Strümpfe von Kastor feil halten soll. Ich merke recht gut, was sie wollen: sie wollen den Handel mit Kastor allein haben und daß man den Kastor blos zu Hüten verwenden soll. Aber das verstehen sie nicht. Es ist thöricht, einen Kastorhut zu tragen, den trägt man unter dem Arm, wo er weder wärmt noch nützt, und ein Strohhut leistet denselben Dienst. Kastorstrümpfe und Kleider dagegen sind ebenso warm wie weich, und wenn der Herr Bürgermeister es nur erst einmal probirt hat, was ja mit der Zeit wol geschehen kann, so wird er selbst bekennen –«

Bremenfeld. Halt auf, es ist genug, der hat ja ebenfalls Recht. 73

Heinrich. Aber ich weiß doch, daß sie nicht Beide Recht haben können.

Bremenfeld. Na, wer hat denn Recht?

Heinrich. Das muß unser Herr Burgemeister wissen.

Bremenfeld (steht auf und spaziert hin und her). Das ist ja eine verfluchte Geschichte! Heinrich, kannst Du mir denn nicht sagen, Du dummes Vieh, wer Recht hat? Wozu geb' ich Dir Hund denn Kost und Lohn? (Draußen erhebt sich ein Lärm, er fragt:) Was ist das für ein Lärm auf dem Gange?

Heinrich. Die beiden Bürger haben sich bei den Haaren.

Bremenfeld. Geh hinaus, sie sollen Respect vor des Burgemeisters Haus haben!

Heinrich. Es ist das Beste, Herr, sie prügeln sich, vielleicht werden sie desto eher gute Freunde. Element, ich glaube, sie wollen einbrechen; horch, wie sie an die Thüre trommeln!

(Hermann von Bremenfeld kriecht unter den Tisch und versteckt sich.)

Heinrich (ruft). Wer klopft?

Ein Lakai (tritt ein). Ich komme von einem fremden Residenten, mein Herr hat etwas mit dem Bürgermeister zu sprechen, was von Wichtigkeit ist. (Ab.)

Heinrich. Wo Henker ist der Burgemeister geblieben? Hat denn der Teufel den Burgemeister geholt?

Bremenfeld (unterm Tisch, ganz leise). Heinrich, wer war da?

Heinrich. Ein fremder Präsident will den Herrn sprechen.

Bremenfeld. Bitt' ihn, er soll in einer halben Stunde wiederkommen, und sage, es wären zwei Hutmacher bei mir, die ich expediren müßte. Heinrich, bitte doch auch die Bürger, sie sollen fortgehen bis morgen. Ach, Gott schütze mich armen Mann, ich bin so dämlich im Kopfe, daß ich selbst nicht mehr weiß, was ich thue. Kannst Du mir nicht zurechthelfen, Heinrich?

Heinrich. Ich weiß keinen bessern Rath für den Herrn Burgemeister, als daß er sich aufhängt.

Bremenfeld. Geh hinaus, hol' mir den Politischen Stockfisch, er liegt auf dem Tisch in der Wohnstube, es ist ein deutsches Buch in weißem Einband; vielleicht kann ich darin 74 finden, wie ich mich gegen fremde Präsidenten zu benehmen habe.

Heinrich. Will der Herr Burgemeister auch Senf und Butter dazu haben?

Bremenfeld. Nein, es ist ein Buch in weißem Einband.

(Während Heinrich draußen ist, geht der Bürgermeister in Gedanken und reißt des Hutmachers Document in Stücke.)

Heinrich. Hier ist das Buch – aber was reißt der Herr denn da entzwei? Das ist meiner Treu dem Altmeister seine Klageschrift!

Bremenfeld. Ach, das hab' ich in Gedanken gethan. (Er nimmt das Buch und wirft es auf die Erde.) Ich glaube, Heinrich, Dein Rath ist der beste, ich hänge mich auf. (Es klopft.)

Heinrich. Holla, nun klopft es schon wieder. (Geht hinaus und kommt weinend zurück.) Ach Herr Burgemeister! zu Hülfe, Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Was ist denn los?

Heinrich. Da ist ein ganzes Regiment Matrosen vor der Thüre, die schreien: Wenn wir nicht Recht kriegen, schlagen wir dem Burgemeister alle Fenster ein. Einer von ihnen hat mich mit einem Stein in den Rücken geworfen, au, au!

(Der Bürgermeister kriecht wieder unter den Tisch.)

Bremenfeld. Heinrich, bitte die Frau Burgemeisterin, daß sie hinausgeht und sie zur Ruhe bringt, vielleicht haben sie Respect vor dem Frauenzimmer.

Heinrich. Ja, richtig! Da seht zu, was Bootsleute für Respect vor den Frauenzimmern haben; geht sie hinaus, so wird sie genothzüchtigt, und dann ist das Ende schlimmer als der Anfang.

Bremenfeld. Ei was, sie ist eine alte Frau.

Heinrich. Matrosen sind nicht so delikat, an so etwas wagte ich meine Frau nicht. Da pocht es schon wieder; soll ich aufmachen?

Bremenfeld. Nein, ich fürchte, es sind die Matrosen. Heinrich, spring' an die Thüre und hör', wer es ist.

Heinrich. Sieh da, sie kommen meiner Treu geradeswegs herein; es sind zwei Rathsherren. 75

Vierte Scene.

Abrahams. Sanderus. Hermann. Heinrich.

Abrahams. Ist der Bürgermeister nicht zu Hause?

Heinrich. Ja, gewiß, er sitzt unterm Tisch.

Abrahams. Was? Unterm Tisch sitzt der Herr Bürgermeister!?

Bremenfeld. Ach, Ihr guten Herren, ich habe ja niemals Burgemeister werden wollen, warum habt Ihr mich in das Unglück gebracht?

Abrahams. Ja, das hat Er nun einmal angenommen, nun komm' Er nur vor, Herr Bürgermeister. Wir sind hieher gekommen, um Ihm den großen Verstoß vorzustellen, den Er sich hat gegen den fremden Minister zu Schulden kommen lassen, den Er so höhnisch abgewiesen. Darüber kann ja die Stadt in Ungelegenheiten kommen; wir dachten, der Herr Bürgermeister verständen sich besser aufs jus publicum und Ceremonialien.

Bremenfeld. Ach, Ihr guten Herren, Ihr könnt mich ja absetzen, so bin ich erlöst von dieser Bürde, die ich zu schwach zu tragen bin, und der fremde Minister hat seine Satisfaction.

Sanderus. Das sei ferne, Herr Bürgermeister, daß wir Ihn absetzen sollten; Er muß uns sofort aufs Rathhaus folgen, um mit dem Syndico zu überlegen, wie das Versehen wieder gut gemacht werden soll.

Bremenfeld. Ich gehe nicht aufs Rathhaus und wenn man mich bei den Haaren dahin schleppt! Ich will nicht mehr Burgemeister sein, ich hab' es auch nie sein wollen, eher könnt' ich mir das Leben nehmen! Ich bin Kanngießer mit Gott und Ehren und als Kanngießer will ich sterben!

Sanderus. Wollt Ihr denn den ganzen Rath zum Narren halten? Höre, mon frère, hat er die Bürgermeisterstelle nicht angenommen?

Abrahams. Ja gewiß, wir haben ja den Rapport schon erstattet. 76

Sanderus. Da wollen wir schon Rath schaffen; auf solche Art läßt sich der ganze Senat nicht protistuiren.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene.

Hermann. Heinrich.

Bremenfeld. Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Was meinst Du wol, was diese Rathsherren mit mir anfangen werden?

Heinrich. Ich weiß nicht, Herr, aber sehr aufgebracht waren sie, das hab' ich wol gesehen. Mich wundert, daß sie sich in des Burgemeisters Stube unterstanden, den Mund so vorneweg zu haben. Wär' ich Burgemeister gewesen, ich hätt' ihnen meiner Treu auf höfliche Manier gesagt: Haltet Eure Schnauzen, Ihr Schubiake! steckt die Finger in die Dielen und seht zu, in was für einem Hause Ihr seid.Das dänische Sprüchwort, das Heinrich hier auf spaßhafte Weise verdreht, lautet: »Den Finger in die Erde stecken, um zu sehen, in was für einem Lande man ist.« A.d.Ü.

Bremenfeld. Wenn Du nur Burgemeister wärst, wenn Du nur Burgemeister wärst. Ach! ach! ach!!

Heinrich. Wenn ich mich in des Herrn Geschäfte mischen dürfte, so wollte ich doch unterthänigst um Eins gebeten haben, nämlich daß ich mich inskünftige von Heinrich nennen dürfte.

Bremenfeld. Ei Du unverschämter Bube, ist das jetzt Zeit, mit solchen Narrenspossen zu kommen? nun Du siehst, daß ich rings umgeben bin von Unglück und verdrießlichen Geschäften?

Heinrich. Ich thue das auf Parol nicht aus Ehrgeiz, sondern blos um mehr Respect bei meinen Mitbedienten im Hause zu haben, besonders bei Annecke, welche . . . .

Bremenfeld. Wenn Du nicht Dein Maul hältst, tret' ich Dir den Schädel in Stücke. Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister!

Bremenfeld. Kannst Du mir denn nicht ein bischen zurechthelfen, Du dummer Hund? Sieh her, bring' die Sache in Ordnung, oder Dich soll das Donnerwetter! 77

Heinrich. Das ist doch wunderlich, daß der Herr das von mir verlangt: er, der solch kluger Mann ist und allein um seiner Weisheit willen zu solchem hohen Amte berufen ward?

Bremenfeld. Willst Du mich obenein noch zum Narren halten? (Nimmt einen Stuhl und will ihn schlagen. Heinrich ab.)

Sechste Scene.

Hermann von Bremenfeld allein. Setzt sich, die Hände unterm Kinn, und denkt lange nach, springt vor Alteration auf und sagt:

Klopfte das nicht? (Er geht sachte an die Thür, sieht aber Niemand, setzt sich wieder nieder, um nachzudenken, bricht in Thränen aus und trocknet sich die Augen mit den Acten; springt vor Alteration wieder auf, gleichsam in Raserei und ruft:) Ein ganzes Bündel Acten vom Syndikus! Altmeister der Hutmacher! Des Altmeisters Gegenpart! Klageschrift in zwanzig Punkten! Aufruhr der Matrosen! Fremder Präsident! Zurechtweisung vom Magistrat! Drohungen! . . . . Ist denn da aber kein Strick zur Hand?! Ich weiß doch, da ist einer hinterm Ofen – (Nimmt den Strick und macht ihn zurecht.) Das war mir prophezeit, daß meine politischen Studien mich erhöhen sollten; die Prophezeiung wird bald erfüllt sein, wenn anders der Strick nicht reißt. Nun laßt den Rath kommen, mit allen seinen Drohungen; nun blase ich ihnen was, wenn ich todt bin. Aber Einen Wunsch hätte ich doch noch: nämlich daß ich den Autor von dem Politischen Stockfisch neben mir hängen sähe, mit seinen sechzehn StaatscabinettenUnter dem Titel von »Staatscabinetten«, »Eröffnetes Staatscabinet«, »Neueröffnetes Staatscabinet« und dergleichen mehr erschienen damals zahlreiche politische Flug- und Streitschriften, in denen besonders die wirklichen und angeblichen Geheimnisse der Diplomatie enthüllt werden sollten. A.d.Ü. und politischen Nachtischen um den Hals. (Nimmt das Buch vom Tisch und reißt es in Stücke.) Du Canaille sollst keinen ehrlichen Kanngießer mehr verführen! So, das ist doch ein kleiner Trost, bevor ich sterbe. Nun muß ich mich nach einem Nagel umsehen, wo ich mich dran aufhänge. Das wird eine merkwürdige Geschichte sein, wenn sie nach meinem Tode sagen: Welcher Burgemeister von Hamburg war wol so wachsam, wie Hermann von Bremenfeld, der, so lange er Burgemeister war, nicht einen Augenblick geschlafen hat?!Ein bekanntes Witzwort Cicero's aus C. Caninius Rutilus, der am letzten Tage des Jahres 46 v. Chr. zu Mittag Consul wurde und also, da das Consulat stets zu Neujahr wechselte, am Abend desselben Tages wieder aufhörte es zu sein. A.d.Ü. 78

Siebente Scene.

Antonius. Hermann.

Antonius. He, holla, was Henker schafft Ihr da?

Hermann. Ich will eben gar nichts mehr zu schaffen haben, und um allen Geschäften zu entgehen, will ich mich aufhängen. Wollt Ihr Compagnie machen, soll es mir ein Vergnügen sein.

Antonius. Nein, das will ich nicht; aber was bringt Euch zu solchem verzweifelten Entschluß?

Hermann. Hör', Antonius, es nutzt nichts mehr, davon zu reden. Ich hänge mich, ist es nicht heut, so ist es morgen; ich bitte blos noch, bevor ich sterbe, daß Ihr der Frau Burgemeisterin und dem Fräulein Tochter meinen Respect vermeldet, und sie sollen mir folgende Grabschrift setzen:

Steh still, Wandersmann!
Hier hängt
Burgemeister von Bremenfeld,
Der in der ganzen Zeit, daß er Burgemeister war,
Nicht eine Minute schlief.
Geh Du hin und thue desgleichen.

Aber Ihr wißt vielleicht noch gar nicht, lieber Antonius, daß ich Burgemeister geworden bin und ein Amt gekriegt habe, wo ich nicht mehr weiß, was schwarz oder was weiß ist, und zu dem ich mich ganz untüchtig fühle? Denn an den zahlreichen Widerwärtigkeiten, so mir begegnet sind, hab' ich es gemerkt, daß es ein großer Unterschied ist, Obrigkeit zu sein und über die Obrigkeit zu raisonniren.

Antonius. Ha ha ha ha ha ha!

Hermann. Lacht mich nicht aus, Antonius, Ihr thut eine Sünde damit.

Antonius. Ha ha ha. Nun merke ich, wie das zusammenhängt. Ich war eben im Wirthshaus, da wollten die Leute bersten vor Lachen über eine Komödie, welche man mit Hermann von Bremen gespielt hat: nämlich daß einige junge Leute ihm eingebildet haben, er wäre Burgemeister geworden, blos um zu 79 sehen, wie er sich wol dabei benehmen würde. Es ärgerte mich in der Seele, wie ich davon hörte, kam deshalb sofort hieher, um Euch zu warnen.

Hermann. Was? Da bin ich nicht Burgemeister?

Antonius. Nein, das ist pures erdichtetes Zeug, blos um Euch Eure Narrheit abzugewöhnen, daß Ihr über hohe Dinge raisonnirt, die Ihr nicht versteht.

Hermann. Ach, und das mit dem fremden Residenten ist auch nicht wahr?

Antonius. Nein, gewiß nicht.

Hermann. Und das mit dem Altmeister der Hutmacher auch nicht?

Antonius. Es ist erdichtet, Alles zusammen.

Hermann. Und mit den Matrosen auch nicht?

Antonius. Nein, nein!

Hermann. Na, da häng' sich der Teufel – Geske! Engelke! Peter! Heinrich! Heraus, alle zusammen!

Achte Scene.

Hermann. Antonius. Geske. Engelke. Peter. Heinrich.

Hermann. Mein Herzensweib, geh wieder an die Arbeit; mit unserer Burgemeisterei ist es zu Ende!

Geske. Zu Ende?

Hermann. Ja ja, es ist zu Ende; einige Spottvögel haben sich zusammengethan, uns zu vexiren –

Geske. Uns vexiren? . . . Na, da sollen sie die Schwerenoth kriegen und Du dazu. (Sie giebt ihm Ohrfeigen; Hermann prügelt sie tüchtig.) Ach, mein Herzensmann, schlag' mich nicht mehr! Ach, mein Herzensmann, hör' auf!

Hermann. Du sollst wissen, Weib, daß ich nicht mehr Politikus bin und daher auch nicht mehr bis zwanzig zähle, wenn ich Ohrfeigen kriege. Von jetzt an will ich ein anderes Leben führen, meine Bücher ins Feuer werfen und allein meines Handwerks wahrnehmen. Auch warne ich Euch hiemit sämmtlich 80 ein für allemal, daß ich Keinen von Euch sehe, daß er mir in einem politischen Buche liest oder mir eins ins Haus bringt, das soll ihm übel bekommen.

Heinrich. Für meine Person, Herr Burgemeister, sag' ich gut: ich kann weder lesen noch schreiben.

Hermann. Laß nur die beiden ersten Sylben weg und nenne mich schlechtweg Meister! Denn Kanngießer bin ich und will als Kanngießer sterben. Hört, Monsieur Antonius, ich weiß, daß Ihr meiner Tochter gut seid; meine früheren Capricen haben Eurer Liebe im Wege gestanden. Hiemit habt Ihr nun die Einwilligung von Vater und Mutter, so daß, wenn Ihr noch desselben Sinnes seid, alle Hindernisse gehoben sind.

Antonius. Ja, ich bleibe fest bei meinem Vorsatz und bitte, daß Ihr sie mir zur Frau gebt.

Hermann. Bist Du ebenfalls einverstanden, Geske?

Heinrich. Ach, das ist nicht Noth zu fragen, die Frau Burgemeisterin war von jeher für die Partie –

Geske. Halt den Mund, Du Narr, ich kann noch selbst antworten. Meine Zustimmung, mein Herzensmann, hab' ich schon vor drei Jahren gegeben.

Hermann. Dich, Engelke, will ich nicht erst fragen, ich weiß, Du bist in ihn verliebt wie eine Ratte in den Käse; ist's nicht so?

Heinrich. Antwortet doch, Fräulein –

Hermann. Wüßt' ich, daß Du diese Titel aus Bosheit giebst, sollt' es Dir schlecht bekommen.

Heinrich. Nein, wahrhaftig, Meister, das thu' ich nicht; man kann blos nicht so rasch wieder aus der Gewohnheit kommen.

Hermann. Gebt Euch denn die Hände, Ihr Zwei . . . So, nun ist das gut, morgen wollen wir Hochzeit halten. Heinrich!

Heinrich. Herr Burgemeister! . . . . Um Vergebung – Ja, Meister!

Hermann. Du verbrennst mir sogleich alle meine 81 politischen Bücher, ich will das nicht mehr vor Augen sehen, was mich auf solche thörichten Gedanken gebracht hat.

Wer die Regierung schimpft und schmäht,
Kann drum noch nicht regieren;
's ist Eins, die Karte zu verstehn,
Ein Andres, Steuer führen.

Zwar aus politischen Büchern lernt
Gar leicht man, Lärm zu schlagen;
Doch Land und Leuten vorzustehn,
Das will noch mehr besagen.

Drum lerne jeder Handwerksmann
Aus dem, was mir passiret:
Wer die Regierung tadelt, ist
Der Mann nicht, der regieret.

Und wagt ein Kannegießer sich
An Burgemeisters Sachen,
Das ist, als wollte Kannen uns
Ein Burgemeister machen.


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