Ludvig Holberg
Der politische Kannengießer
Ludvig Holberg

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Vierter Act.

Erste Scene.

PccHeinrich allein, er trägt einen Rock mit Litzen, der ihm bis auf die Hacken geht und mit weißem Papier besetzt ist.

Heinrich. Ein Hundsfott will ich sein, wenn ich begreifen kann, wie der Rath auf den Einfall gekommen ist, meinen Meister zum Burgemeister zu machen. Ich sehe da keine Uebereinstimmung zwischen einem Kanngießer und solcher hohen Obrigkeit, sie müßte denn darin bestehen, daß, wie ein Kanngießer alte Teller und Schüsseln umgießt und reparirt, so auch ein guter Burgemeister durch gute Gesetze die Republik repariren kann, wenn sie in Verfall ist. Aber die guten Leute haben dabei nur außer Acht gelassen, daß mein Meister der schlechteste Kanngießer war in ganz Hamburg, und darum, wenn sie ihn aus dem Grunde gewählt haben, wird er auch der schlechteste Burgemeister sein, den wir gehabt haben. Das einzige Gute bei der Wahl ist, daß ich Rentendiener werde; das ist ein Amt, dazu hab' ich nicht bloß Neigung, sondern auch natürliche Bestimmung. Denn schon wie ich ein Kind war, freute ich mich jedesmal, wenn ich Einen in Arrest schmeißen sah. Auch ist das für Einen, der sich darein zu schicken weiß, ein ganz einträglicher Posten. Denn erstlich muß ich mir nun den Anschein geben, als ob ich recht viel bei unserm Burgemeister zu sagen habe. Haben sich die Leute den Glaubensartikel nur erst in den Kopf gesetzt, so gewinnt Heinrich dabei zum wenigsten seine hundert bis zweihundert Thaler jährlich. Die will ich aber nicht aus Habsucht nehmen, sondern blos um zu zeigen, daß ich mein Amt als Rentendiener verstehe. 50 Will Einer mit dem Burgemeister sprechen, so sag' ich, er ist nicht zu Hause; sagt er, er hat ihn am Fenster gesehen, so schwör' ich, es ist nicht wahr, er ist doch nicht zu Hause. Die Leute in Hamburg wissen auf dem Fleck, was solch ein Schwur bedeutet; sie drücken Heinrich einen Thaler in die Hand, und da kommt der Herr gleich nach Hause; ist er unpaß, so wird er gleich wieder gesund; sind Fremde bei ihm, so gehen sie gleich wieder fort; liegt er zu Bett, steht er Augenblicks auf. Ich habe ab und zu mit vornehmen Lakaien verkehrt, ich weiß schon, wie das in solchen Häusern zugeht. Vor diesem, da die Leute noch dummer waren als Pferde und Esel, da nannte man das Nefas, jetzt aber heißt es Extra, Trinkgeld oder zufällige Einnahme. Aber sieh, da kommt Annecke, sie weiß noch nichts von dieser Veränderung, sie hat noch ihren gemeinen Kanngießergang und Miene.

Zweite Scene.

Annecke. Heinrich.

Annecke. Ha, ha, ha! Nein, sieht das Ungethüm aus! Du hast Dir wohl eine Adrienne umgebunden?

Heinrich. Hör' Du Kanngießer-Carnallie, hast Du noch niemals einen Lakaien in Livree gesehen? Solch gemeines Volk ist doch meiner Treu wie das Vieh! da stehen sie und gaffen Einen an, wie die Kuh das neue Thor, wenn der Mensch sich einmal einen andern Rock angezogen hat, als gestern.

Annecke. Nein, Spaß apart; weißt Du nicht, daß ich heut wahrsagen gelernt habe? Hier war heut ein altes Weib, das den Leuten aus der Hand las, der hab' ich ein Stück Brod gegeben, und dafür hat sie mich die Kunst gelehrt, den Leuten aus der Hand zu lesen, was ihnen widerfahren wird. Könnt' ich nur Deine Hand sehen, ich wollte Dir Dein Schicksal gleich prophezeien.

Heinrich. Ja, ja, Annecke, Heinrich ist nicht so dumm, wie Du denkst; ich rieche schon Lunte, Du hast einen Wink gekriegt von der Beförderung, die mir heute versprochen ward. 51

Annecke. Nein, wahrlich, davon weiß ich nichts.

Heinrich. Nun seh' Einer nur, was für ein ehrbares Gesicht die machen kann! Ja gewiß, Du hast es gehört, und darum hast Du auch gut prophezeien. Nein, Heinrich ist trocken hinter den Ohren, der läßt sich nicht so leicht an der Nase führen!

Annecke. Ich kann den höchsten Eid darauf schwören, daß ich nicht das Mindeste von dem gehört habe, wovon Du sprichst.

Heinrich. Hast Du nicht eben mit der Frau Burgemeisterin gesprochen?

Annecke. Ich glaube, der Bursch ist verrückt geworden; kenne ich die Frau Burgemeisterin?

Heinrich. So hat es Dir, meiner Six, das Fräulein gesagt.

Annecke. Ei, nun hör' einmal mit den Narrheiten auf!

Heinrich. Sieh da, Annecke, da hast Du meine Hand, nun prophezeie so viel Du willst. Ich merke recht gut, daß Du einen Wink von der Sache gekriegt hast, so fremd Du Dich auch stellst. Aber das kann nichts schaden, wenn Du auch polisch bis; unser ganzes Haus muß jetzt so werden. Nun, was liest Du in meiner Hand?

Annecke. Ich lese, Heinrich, daß des Meisters Calfacter, der hinter dem Ofen hängt, heut noch auf Deinem Rücken einen lustigen Galopp tanzen wird. Ist das nicht eine Unverschämtheit, so umherzugehen und sich auszuputzen, während es im Hause so viel zu thun giebt, und dem Meister seinen Rock so zuzurichten?

Heinrich. Hör, Annecke, ich kann auch prophezeien, und zwar ohne die Hände zu sehen; ich prophezeie Dir, daß Du eine Carnallie bist, und daß Du für Dein unverschämtes Maul ein bis zwei Ohrfeigen kriegen wirst, wie es gerade kommt. Sieh, da ist die Prophezeiung gleich erfüllt!

(Giebt ihr ein paar Ohrfeigen.)

Annecke. Au, au, au, das sollen Dir theure Ohrfeigen werden!

Heinrich. Lerne Du ein andermal mehr Respect haben vor eines großen Herrn Bedienten . . . .

Annecke. Na wart' nur, nun kommt gleich die Frau Meisterin! 52

Heinrich. Vor dem ersten Bedienten des Burgemeisters . . .

Annecke. Sie wird es Dir auf Deinen Rücken bezahlen!

Heinrich. Vor einem Rentendiener . . . .

Annecke. Ja, ja, ich sag' es noch einmal, das sollen Dir theure Ohrfeigen werden.

Heinrich. Vor einer Person, die großen Einfluß beim Burgemeister hat . . . .

Annecke. Ach, ach, mich hat noch Niemand hier im Hause geschlagen!

Heinrich. Dem die ganze Bürgerschaft noch viel Caressen und Baselemengs machen wird . . . .

Annecke. Der Bursche, glaub' ich, ist ganz und gar verrückt. He, Frau Meisterin, Frau Meisterin, kommt heraus!

Heinrich. St! st! st! Du wirst schön ankommen mit Deiner Frau Meisterin! Jetzt merk' ich freilich, daß Du nicht weißt, was hier passirt ist; darum will ich Dir Dein Unrecht vergeben als ein Christ. Der Rath hat mit Stimmenmehrheit unsern Meister zum Burgemeister gewählt und die Frau Meisterin zur Burgemeisterin. Engelke hat ihre Jungferschaft verloren und ist mit dem Fräuleinstitel begnadigt wordenDer Titel Fräulein gehörte bis auf Christian IV. ausschließlich den dänischen Königstöchtern; erst unter Friedrich III., nach 1660, nach Erlaß des Königsgesetzes, wurde er auch den Töchtern der Adeligen beigelegt, die bis dahin einfach »Jungfern« oder »adelige Jungfern« geheißen hatten. Daß aber auch Töchter des höheren Beamtenstandes, auch wenn sie bürgerlicher Abkunft waren, sich denselben Titel beilegten, das kam erst zu Holbergs Zeiten auf und wird als eine thörichte Neuerung von ihm vielfach verspottet. A.d.Ü.. Na, nun wirst Du doch einsehen, daß ich mich nicht mehr hinstellen kann und arbeiten? Darum geh' ich auch, wie Du siehst, in Livree.

Annecke. Ei, willst Du mich noch obendrein zum Narren halten?

Heinrich. Es ist wie ich sage, Annecke; sieh, da kommt das Fräulein, sie wird meine Worte bestätigen.

Dritte Scene.

Engelke. Annecke. Heinrich.

Engelke. Ach, Gott helfe mir armem Mädchen, nun, sehe ich, ist alle Hoffnung zu Ende.

Heinrich. Ei, Fräulein, ist das jetzt Zeit zu weinen, da Euren Eltern solches Glück widerfahren ist?

Engelke. Halt' Deinen Mund, Heinrich, ich will kein Fräulein sein. 53

Heinrich. Na, was wollt Ihr denn sein? Jungfer seid Ihr nicht mehr, da müßt Ihr doch Fräulein sein, das ist ja die nächste Stufe, auf die Eine kommt, wenn sie ihre Jungferschaft losgeworden ist.

Engelke. Ich wollte lieber, ich wäre eines Bauern Tochter, so wär' ich doch gewiß, den kriegen zu können, an den ich einmal mein Herz verschenkt habe.

Heinrich. Ei so, also blos darum weint das Fräulein, weil es gern heirathen will? Nun kann Sie ja vom Flecke weg heirathen, nun kriegt Sie Jeden, auf den Sie nur mit dem Finger weist, die halbe Stadt wird ja das Haus stürmen, um des Burgemeisters Schwiegersohn zu werden.

Engelke. Ich will keinen haben als Antonius, dem ich einmal die Ehe versprochen habe.

Heinrich. Ei pfui, Jungfer, einen Stellmacher wollt Ihr nehmen? Mit dem könnt' ich ja nicht einmal umgehen, der ich nur Rentendiener bin.

Engelke. Halt' Du Deinen Mund, Du Tölpel! Lieber lass' ich das Leben, als daß ich mir einen Andern aufzwingen lasse.

Heinrich. Nun, gebt Euch zufrieden, wohlgebornes Fräulein: wir wollen sehen, ich und der Burgemeister, ob wir dem Antonius nicht zu einem Amt verhelfen können, und dann kann Sie ihn ja meinetwegen kriegen. (Annecke weint.) Worüber weinst Du, Annecke?

Annecke. Ich weine über das Glück, das unserm Hause widerfahren ist.

Heinrich. Das ist gewiß, Annecke, daß Du auch alle Ursache hast Dich zu freuen. Wer Henker hätte wol gedacht, daß so Eine, wie Du bist, noch einmal eine Mamsell werden sollte?

Annecke. Und wer Henker hätte wol gedacht, daß solch ein Schwein, wie Du bist, noch einmal Rentendiener werden sollte?

Heinrich. Hört Kinderchen, für diesmal hab' ich keine Zeit mit Euch weiter davon zu sprechen, die Frau Burgemeisterin erwartet Fremde, ich muß den Kaffe zurichten. Sieh, da ist sie, nun laßt uns gehen, ich muß laufen und den Kaffetisch holen.

(Gehen ab.) 54

Vierte Scene.

Geske (mit einem Hunde auf dem Arm). Heinrich (kommt zurück mit einem Kaffetisch und stellt sich sehr geschäftig).

Geske. Hör' Heinrich, ist schon Syrup im Kaffe?

Heinrich. Nein, Frau Meisterin.

Geske. Nichts von Herrn oder Frau Meisterin mehr, Heinrich, das sag' ich Dir ein- für allemal. Lauf, hol' den Syrup und thu ihn in den Topf. (Heinrich geht.) Von all diesen Umständen wußt' ich früher nichts; ich denke indessen, wenn ich es nur erst gewohnt bin, wird es mir wol leichter werden.

Heinrich. Hier ist der Syrup.

Geske. Thu ihn in den Topf. Element, da pochts; nun erleb' ich, daß die Rathsfrauen kommen.

Heinrich (an der Thür). Mit wem wollt Ihr sprechen?

Ein Mädchen (draußen). Sag' Deinem Meister, daß er ärger lügen kann, als zehn Kanngießer, ich habe ein Paar Schuhe zerrissen, blos damit, daß ich so oft nach der Menage habe laufen müssen.

Heinrich. Ich frage, mit wem Ihr sprechen wollt?

Das Mädchen. Ich will mit Meister Hermann sprechen.

Heinrich. Na, da bist Du auf dem Holzweg; hier wohnt Burgemeister von Bremenfeld.

Das Mädchen. Das ist doch schrecklich, erst kann man seine Sachen nicht fertig kriegen, und dann soll man sich noch obenein von solchem lumpigen Kanngießer zum Narren halten lassen.

Heinrich. Hast Du Dich über den Kanngießer zu beklagen, so geh' aufs Rathhaus; wenn ich anders den Burgemeister von Bremenfeld kenne, wirst Du schon Recht kriegen.

Zwei Lakaien (draußen). Unsere wohledlen Frauen lassen fragen, wann es der Frau Burgemeisterin genehm ist, so möchten sie gern die Ehre haben, ihr aufzuwarten.

Heinrich (zum Mädchen). Hörst Du nun, Du Carnallie, daß hier kein Kanngießer wohnt? (Zu den Bedienten) Ich werde fragen, ob die Frau Burgemeisterin zu Hause ist.

(Das Mädchen geht.) 55

Heinrich (zu Geske). Da sind zwei Rathsfrauen draußen, die wollen mit der Frau Meisterin sprechen.

Geske. Laß sie hereinkommen.

Fünfte Scene.

Madame Abrahams. Madame Sanderus. Geske. Heinrich.
(Beide küssen Gesken das Kleid.)

Madame Abrahams. Wir sind heut hiehergekommen, um unsere unterthänigste Gratulation abzustatten und die herzliche Freude und das Vergnügen zu temoigniren, so Dero Avancement uns bereitet, ingleichen uns in Dero Affection und Gewogenheit zu recommandiren.

Geske. Très humble serviteur. Ich weiß nicht, ob Sie vielleicht ein Schälchen Kaffe trinken?

Madame Abrahams. Wir danken der Frau Burgemeisterin, wir sind für diesmal blos gekommen, um zu gratuliren.

Geske. Très humble serviteur. Aber ich weiß schon, Kaffe trinken Sie gern, Sie wollen sich blos nöthigen lassen. Haben Sie doch die Güte und nehmen Sie Platz, der Kaffe ist gleich fertig. Heinrich?

Heinrich. Wohlgeborne Frau.

Geske. Hast Du den Syrup in den Kaffe gethan?

Heinrich. Ja wohl.

Geske. Seid denn so gut, Ihr lieben Madamen, und nehmt vorlieb.

Madame Sanderus. Frau Burgemeisterin will die Güte haben, uns zu excusiren, wir trinken niemals Kaffe.

Geske. Ei dummes Zeug, das weiß ich besser, haben Sie die Güte und nehmen Sie Platz.

Madame Abrahams (bei Seite). Ach Masoeur, ich bin im Stande, mich zu übergeben, wenn ich blos an den Syrup denke.

Geske. Heinrich, komm mal 'rein, schenk' die Tassen ein.

Madame Sanderus. Es ist schon genug, Kamerad; ich kann blos eine halbe Tasse trinken. 56

Heinrich. Ich soll die Frau Burgemeisterin bitten, doch einen Augenblick zum Herrn Burgemeister zu kommen.

Geske. Entschuldigt mich, Ihr guten Frauen, ich muß einen Augenblick fort; Sie werden aber gleich die Ehre haben, mich wiederzusehen. (Ab.)

Sechste Scene.

Die beiden Rathsherrenfrauen allein.

Erste Rathsherrenfrau. Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha! Wer ist nun am meisten angeführt, Schwester, sie, daß wir hier sitzen und sie heimlich auslachen, oder wir, daß wir Kaffe mit Syrup trinken müssen?

Zweite Rathsherrenfrau. Sprich mir um Gottes willen nicht mehr von dem Syrup, Schwester; es sitzt mir schon bis hieher, wenn ich blos daran denke.

Erste Rathsherrenfrau. Hast du Acht gegeben, welche Miene sie machte, als wir ihr die Schürze küßten? Ha, ha, ha, ha, ha! Das vergesse ich nicht, so lange ich lebe, das très-humble-serviteur, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha!

Zweite Rathsherrenfrau. Lach' nicht so laut, Schwester; ich bin bange, daß sie es hören kann.

Erste Rathsherrenfrau. Ach Schwester, das ist 'ne Kunst sich hier das Lachen zu verhalten. War das nicht auch ein allerliebster Hund, den sie auf dem Arme hatte? Der schönste Kettenhund, den man sich nur wünschen kann; ich wette, sie nennt ihn noch obendrein Joli. Ach Himmel, wie wahr ist es doch, was das Sprüchwort sagt, daß Niemand so hochmüthig ist, als der Bauer, wenn er zum Edelmann wird! Darum ist auch nichts gefährlicher als solch rascher Glückswechsel. Wer von vornehmer Familie stammt, und eine anständige Erziehung genossen hat, der verändert sich nicht so leicht, ja im Gegentheil, er wird wol gar demüthiger, je höher er steigt. Die Menschen aber, die so rasch in die Höhe schießen, wie die Pilze, in denen ist die Hoffart so recht zu Hause. 57

Zweite Rathsherrenfrau. Woher mag das nur kommen? Solche Leute, dünkt mich, müßten ja erst recht demüthig sein, wenn sie ihres früheren Standes gedenken.

Erste Rathsherrenfrau. Das liegt wol daran: wer wirklich vornehm ist, denkt gar nicht daran, man könnte ihm die schuldige Ehre verweigern, und bekümmert sich daher auch nicht darum, wie man sich gegen ihn benimmt. Gemeine Leute dagegen sind gegen Jedermann voll Mißtrauen; jedes Wort, jede Miene, denken sie, soll ihnen ihre Herkunft vorrücken, und darum suchen sie ihre Würde durch Stolz und Tyrannei aufrecht zu erhalten. Glaub' mir, Herzensschwester, es ist doch was dran, von guter Herkunft zu sein. Aber da kommt der Bursche zurück, jetzt müssen wir still sein.

Siebente Scene.

Heinrich. Die Rathsherrenfrauen.

Heinrich. Lassen sich die guten Madamen nur nicht die Zeit lang werden, Ihro Wohlgeboren werden gleich wieder da sein. Der Herr Burgemeister hat ihr ein neues Halsband für ihren Hund verehrt, aber es war ein wenig zu weit, und nun ist der Schneider drin, um das Maß zu nehmen von dem Hunde seinem Hals; sobald das besorgt ist, kommt sie wieder. Aber, Ihr guten Madamen, Ihr müßt nicht böse sein, wenn ich Sie um etwas bitte: wollen Sie wol so gut sein und an mich denken, so mit einer kleinen Discretion? Ich habe schwere Arbeit hier im Hause und muß schleppen wie ein Vieh.

Erste Rathsherrenfrau. Mit Vergnügen, Kamerad, hier ist ein Gulden, wenn er den nicht verschmähen will.

Heinrich. Ach, mich gehorsamst zu bedanken, ich wollte nur, ich könnte Ihnen wieder dienen. Nun sollen Sie aber auch tüchtig trinken, während die Madame draußen ist, sie nimmt's wahrhaftig nicht übel, und wenn auch, so will ich sie schon wieder gut machen.

Erste Rathsherrenfrau. Ach, Kamerad, der größte Dienst, den Ihr uns erweisen könnt, ist, uns nicht zu nöthigen. 58

Heinrich. Wie gesagt, wohlgeborne Madamen, die Frau Burgemeisterin nimmt das nicht übel, Sie müssen nur tüchtig trinken. Aber vielleicht ist er nicht süß genug? Wir können gleich noch Syrup kriegen. Aber da kommt die Frau Burgemeisterin selbst.

Geske. Bitte um Entschuldigung, daß ich so lange geblieben bin. Aber die Damen haben ja nicht getrunken, die Kanne müssen wir leer kriegen, auf mein Wort, und hernach, wenn wir Kaffe getrunken haben, müssen Sie unser Bier kosten, das ist, ohne Ruhm zu melden, so gut, wie irgendwo in der Stadt.

Madame Sanderus. Ach, mir wird auf einmal so übel, die Frau Burgemeisterin muß mich excusiren, ich muß fort, meine Schwester wird wol bleiben und es mit Dank annehmen.

Madame Abrahams. Nein, das wäre ja Sünde, wenn ich meine Schwester verließe. Wir recommandiren uns der Frau Burgemeisterin zu Gnaden.

Geske. Ja da müßt Ihr wahrhaftig ein Glas Branntwein nehmen, davon werdet Ihr gleich wieder gesund, das vertreibt die Winde. Heinrich, spring' einmal hinaus, hol' ein Glas Genever, Madam ist nicht wohl.

Madame Sanderus. Nein Excuse, Frau Burgemeisterin, ich muß gehen.

(Beide ab.)

Neunte Scene.

Eine andere Rathsherrenfrau. Geske. Heinrich.

Die Rathsherrenfrau. Unterthänige Dienerin, wohlgeborne Frau. Ich komme, schuldigermaßen meinen Glückwunsch abzustatten.

(Geske reicht ihr die Hand zum Küssen hin und sie küßt sie ihr.) 59

Geske. Es wird mir ein Vergnügen sein, wenn ich oder der Burgemeister Ihr dienen können. Will Sie sich nicht setzen, sei Sie doch so gut; Sie muß keine Complimente machen, sondern thun, als ob Sie bei Ihres Gleichen wäre.

Die Rathsherrenfrau. Ich danke gehorsamst, wohlgeborne Frau. (Setzt sich.)

Geske. Da waren eben ein Paar von Ihren Mitcolleginnen und tranken Kaffe mit mir, ich glaube wol, es sind noch ein paar Tassen übrig; wenn Ihnen gefällig ist, der Grund ist das Beste. Ich kann meiner Treu nicht mehr trinken, ich habe schon so viel in den Leib gekriegt, mir steht der Magen, wie 'ne Trommel.

Die Rathsherrenfrau. Ich danke unterthänigst, ich habe so eben Kaffe getrunken.

Geske. Nach Belieben. Wir vornehmen Leute nöthigen Niemand. Aber hört, meine gute Madam, kann Sie mir keine Französin recommandiren für mein Fräulein Tochter? Ich möchte gern, daß sie französisch lernte.

Die Rathsherrenfrau. Ja, wohlgeborne Frau, ich kenne Eine, die ist recht geschickt.

Geske. Gut, aber das muß sie sich zum Voraus merken, daß sie mich nicht Madam nennt, wie diese Franzosen wol zu thun pflegen, das leide ich nicht. Nicht als ob ich hochmüthig wäre; aber ich habe so mein Bedenken dabei.

Die Rathsherrenfrau. Nein, das muß auch nicht sein. Aber könnt' ich nicht die Ehre haben, dem Fräulein Tochter ebenfalls die Hände zu küssen?

Geske. Herzlich gern. Heinrich, ruf' mal das Fräulein; sag' ihr, hier wär eine Rathsherrenfrau, die wollte ihr die Hände küssen.

Heinrich. Ich glaube nicht, daß sie kommen kann; sie sitzt eben und versohlt ihre Strümpfe.

Geske. Nun hör' ein Mensch, wie der Tölpel da steht, und ins Blaue schwatzt! Ha, ha, ha! er wollte sagen, sie baldyrt.

(Arianke Goldschmiedin, was eine verkleidete Mannsperson ist, tritt ein.)

Arianke. Ach, meine liebe Schwester Geske, ist das wahr, daß Dein Mann Burgemeister geworden ist?! Das ist mir doch 60 so lieb, als ob mir Einer zwei Mark geschenkt hätte. Nun zeig' einmal, daß Du nicht stolz geworden bist, sondern Deine Dutzschwester noch kennst. (Geske bleibt stumm.) Seit wann ist Dein Mann Burgemeister, Schwester? (Geske bleibt noch immer stumm.) Du sitzest in Gedanken, Schwester, ich frage, seit wann Dein Mann Burgemeister ist?

Die Rathsherrenfrau. Ihr müßt mehr Respect zeigen, gutes Madamchen, für die Frau Burgemeisterin.

Arianke. Nein, wahrhaftig, mit meiner Schwester Geske mach' ich keine Complimente, wir sind ja immer ein Herz und eine Seele gewesen. Aber wie steht's, Schwester? Mir scheint doch, Du bist etwas hochmüthig geworden?

Geske. Gutes Mutterchen, ich kenne Sie nicht.

Arianke. Na, so kennt mich doch Gott. Wenn Du Geld gebraucht hast, hast Du mich wohl gekannt; Du kannst nicht wissen, mein Mann kann noch dasselbe werden, wie Deiner, bevor er stirbt.

(Geske wird unwohl, sie holt ein Riechfläschchen heraus und riecht daran.)

Heinrich. Hinaus mit Dir, Du altes grobes Stück! Denkst Du, Du stehst hier in Deiner Schmiede, daß Du so sprichst?

(Faßt sie bei der Hand und führt sie hinaus.)

Geske. Ach, Madam, das ist eine Pein, mit diesen gemeinen Leuten umzugehen! Heinrich, Du sollst die Schwerenoth kriegen, wenn Du noch einmal solch ein Bürgerweib hereinläßt.

Heinrich. Die Sau war besoffen, der Branntwein stank ihr zum Halse heraus.

Die Rathsherrenfrau. Der Vorfall thut mir herzlich leid; ich fürchte, die Frau Burgemeisterin haben sich geärgert. Vornehme Leute ertragen nicht viel; je höher der Mensch steigt, je schwächer werden die Nerven.

Geske. Ja, ich kann der Frau zuschwören, daß ich bei weitem nicht die Gesundheit mehr habe, wie in meinem früheren Stande.

Die Rathsherrenfrau. Das glaub' ich gern, Ihro Wohlgeboren werden noch dahin kommen, daß Sie jeden Tag 61 Medicin nehmen, so haben es die früheren Burgemeisterfrauen auch gemacht.

Heinrich (zu den Zuschauern). Es ist mir, meiner Six, auch so, als hätt' ich, seit ich Rentendiener geworden bin, nicht mehr die Gesundheit, wie früher; ich habe so ein Stechen gekriegt, an, an, just hier in meiner linken Seite. Ihr lacht darüber? Aber es ist wahrhaftig Ernst, ich fürchte ma foi, ehe ich selbst noch ein Wort davon weiß, hab' ich das Podagra am Halse.

Die Rathsherrenfrau. Die Frau Burgemeisterin muß sich auch einen Doctor nehmen, gleich jahrweise für das ganze Haus: der kann ihr dann so einige Tropfen geben, die sie zum weuigsten immer in einer Flasche parat haben muß, ob sie gebraucht werden oder nicht.

Geske. Ja, wahrhaftig, den Rath will ich befolgen. Heinrich, spring mal nachher hin zum Doctor Hermelin und bitte ihn, wenn er Zeit hat, soll er einmal seine Aufwartung bei mir machen.

Die Rathsherrenfrau. Ich muß nun Abschied nehmen, wohlgeborne Frau, und recommandire mich zu Gnaden.

Geske. Ist schon recommandirt, meine liebe Frau Rathsherrin. Wenn Sie was mit mir oder Meister Hermann – wollt' ich sagen, Burgemeister von Bremenfeld zu sprechen hat, nur ohne Umstände; wo wir Ihr oder Ihrem Liebsten zu Diensten sein können, werden wir nicht manquiren.

Die Rathsherrenfrau (küßt ihr die Schürze und sagt): Unterthänigste Dienerin.

Geske. Nun komm herein, mein Mann will hier Audienz geben.

(Alle ab.) 62


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