Ludvig Holberg
Jeppe vom Berge oder Der verwandelte Bauer
Ludvig Holberg

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Dritter Akt.

Erste Scene.

Jeppe. Der Kammerdiener. Der Sekretär.

Jeppe (kommt aus dem Garten mit seiner Suite, ein kleiner Tisch ist gedeckt). Haha, ich sehe, der Tisch ist schon gedeckt.

Der Kammerdiener. Ja, es ist alles fertig, wenn Euer Gnaden beliebt, Platz zu nehmen.

(Jeppe nimmt Platz. Die Uebrigen stehen hinter seinem Stuhl und lachen über seine Ungeschicktheit, wenn er mit allen fünf Fingern in die Schüssel greift, über Tische rülpst, sich in die Finger schneidet und die Kleider beschmiert.)

Der Kammerdiener. Will der Herr befehlen, welcher Wein ihm gefällig ist?

Jeppe. Ihr wißt ja selbst, welchen Wein ich des Morgens zu trinken pflege.

Der Kammerdiener. Am liebsten pflegt der Herr Rheinwein zu trinken; aber wenn er dem Herrn nicht schmeckt, kann er Augenblicks andern haben.

Jeppe (kostet). Na, der ist etwas sauer. Ihr müßt etwas Honig daran thun, dann wird er gut; denn ich bin sehr fürs Süße.

Der Kammerdiener. Hier ist Canariensect, wenn der Herr davon kosten will.

Jeppe. Das ist ein guter Wein. Gesundheit für Alle! (Jedesmal, wenn er trinkt, wird ein Tusch geblasen.) Heda, aufgepaßt, Kerl, noch ein Glas Wein von dem Kanaliensect, versteht Ihr mich? Wo hast Du den Ring her, den Du am Finger trägst?

Der Sekretär. Den hat mir der Herr selbst gegeben.

Jeppe. Daran kann ich mich nicht erinnern; gieb ihn mir 169 wieder, ich muß es in der Betrunkenheit gethan haben, solche Ringe giebt man nicht so fort. Nachher will ich mal nachsehen, was Ihr sonst noch habt. Dienstboten müssen nicht mehr haben als Kost und Lohn. Ich kann darauf schwören, daß ich mich nicht erinnere, Euch jemals etwas apart geschenkt zu haben. Und wozu sollte ich das auch thun? Der Ring ist ja über zehn Reichsthaler werth; nein, nein, Ihr guten Kerle, so nicht, so nicht! Ihr müßt Euch Eurer Herrschaft Gebrechlichkeit und Trunkenheit nicht zu nutze machen. Wenn ich betrunken bin, so bin ich im Stande, meine Hosen wegzuschenken; aber wenn ich meinen Rausch ausgeschlafen habe, so nehm' ich meine Geschenke wieder. Es würde mir übrigens schlecht gehen bei meiner Frau Nille . . . Aber was red' ich; nun falle ich schon wieder in die vorigen dummen Gedanken, und weiß nicht mehr, wer ich bin. Gieb mir noch ein Glas Kanaliensect! Nochmals, Alle sollen leben! (Die Trompeten blasen wieder.) Gebt Acht, was ich sage, Kerle, das kann Euch künftig zur Richtschnur dienen: wenn ich Abends etwas in der Trunkenheit fortgebe, so müßt Ihr es mir des Morgens wiederbringenAehnliche Abmachungen, so wunderlich sie sich jetzt anhören, waren doch bei der maßlosen Trunksucht, die damals in Dänemark, ähnlich wie in Deutschland, Polen und Rußland herrschte, selbst in den vornehmsten Kreisen, gar nichts Seltenes; auch große Herren, wenn sie inter pocula saßen, bedangen sich vorher aus, daß, was sie etwa im Rausch verschenken oder weggeben würden, in der Nüchternheit nicht gelten solle, und es wurde als ein nicht eben rühmlicher Zug notirt, als im Jahre 1648, also noch in Holbergs Jugend, der Generalmajor Jochem Schack auf Sneum seinen Gast, den Rector G. N. Seerup von Ribe, unter dem Trinken beredete, auf gewisse Abgaben zu verzichten, welche das Gut Sneum der Schule zu Ribe zu leisten hatte, und diese Verzichtleistung auch späterhin, da des Rectors Rausch verflogen war, wirklich aufrecht erhielt. A.d.Ü.. Wenn das Gesinde mehr kriegt, als es aufessen kann, wird es hochmüthig und verachtet die Herrschaft. Wieviel Lohn hast Du?

Der Sekretär. Der Herr hat mir stets zweihundert Reichsthaler des Jahrs gegeben.

Jeppe. Den Teufel sollst Du in Zukunft haben, aber nicht zweihundert Reichsthaler! Was thust Du denn für zweihundert Reichsthaler? Ich selbst muß schleppen wie ein Vieh und in der Scheune stehen vom Morgen bis Abend und kann nicht einmal . . . . Sieh, da kommen wieder die verfluchten Bauergedanken; gieb mir noch ein Glas Wein. (Er trinkt und die Trompeter blasen.) Zweihundert Reichsthaler! Das heißt ja seiner Herrschaft das Fell über die Ohren ziehen. Hört, wißt Ihr was, Ihr guten Kerle? Wenn ich fertig bin mit Essen, so hab' ich Lust, Euch alle zusammen im Hofe aufzuhängen; in Geldsachen, müßt Ihr wissen, verstehe ich keinen Spaß.

Der Kammerdiener. Wir wollen alles zurückgeben, was wir von Euer Gnaden empfangen haben? 170

Jeppe. Ja ja, Euer Gnaden, Euer Gnaden! Complimente und Baselemängs sind heutzutage billig. Mit Euer Gnaden wollt Ihr mir den Mund schmieren, bis Ihr mein ganzes Geld forthabt, und dann seid Ihr wieder meine Euer Gnaden; der Mund freilich sagt Euer Gnaden, das Herz aber Euer Narr. Ihr sprecht anders, als Ihr es meint, Ihr Kerle! Ihr Dienstboten seid wie Abner, der kam auch zu RolandEine Vermischung biblischer Erinnerungen mit den Reminiscenzen des Volksbuchs; in ähnlicher Art bezeichnet Jeppe späterhin Abraham und Eva als das erste Menschenpaar. A.d.Ü. und umarmte ihn und sagte: Heil Dir, mein Bruder, und damit stach er ihm den Dolch ins Herz. Jeppe ist kein Narr, auf mein Wort!

(Sie fallen sämmtlich auf die Kniee und bitten um Gnade.)

Jeppe. Steht nur wieder auf, bis ich gegessen habe; nachher will ich sehen, wie sich das verhält, und welche aufgehängt werden müssen und welche nicht. Jetzt aber will ich lustig sein.

Zweite Scene.

Jeppe. Der Kammerdiener. Der Verwalter. Der Sekretär.

Jeppe. Wo ist mein Verwalter?

Der Kammerdiener. Er ist draußen.

Jeppe. Laß ihn mal gleich 'reinkommen.

Der Verwalter (kommt in einem Rock mit silbernen Knöpfen, mit einem Säbel umgeschnallt). Haben Euer Gnaden etwas zu befehlen?

Jeppe. Nichts, als daß Du hängen sollst.

Der Verwalter. Ich habe ja doch nichts verbrochen, Euer Gnaden, warum soll ich denn hängen?

Jeppe. Bist Du nicht Verwalter?

Der Verwalter. Das bin ich, Euer Gnaden.

Jeppe. Und Du fragst noch, weshalb Du hängen sollst?

Der Verwalter. Ich habe Euer Gnaden doch so treu und redlich gedient und bin so eifrig in meinem Amt gewesen, daß Euer Gnaden mich allezeit vor den übrigen Dienern ausgezeichnet haben?

Jeppe. Ja gewiß bist Du eifrig in Deinem Amt gewesen, das kann man an Deinen silbernen Knöpfen sehen. Wie viel Gehalt hast Du? 171

Der Verwalter. Funfzig Thaler jährlich.

Jeppe (auf- und abgehend). Funfzig Thaler . . . . Ja, da mußt Du gleich hängen.

Der Verwalter. Es kann ja doch nicht weniger sein, gnädiger Herr, für ein ganzes Jahr der beschwerlichsten Dienste.

Jeppe. Just darum sollst Du hängen, weil Du nur funfzig Thaler hast! Du hast Geld zu einem Rock mit silbernen Knöpfen, mit Manschetten an den Händen, mit einem seidenen Haarbeutel im Nacken und hast blos funfzig Thaler des Jahrs: mußt Du da nicht zum Diebe werden an mir armen Manne? Oder wo sollte es sonst herkommen?

Der Verwalter (auf den Knieen). Ach, gnädiger Herr, schont doch meines armen Lebens, um meiner armen Frau und meiner unmündigen Kinder willen?

Jeppe. Hast Du viele Kinder?

Der Verwalter. Ich habe sieben lebende Kinder, Euer Gnaden.

Jeppe. Ha ha, sieben lebende Kinder . . . . Fort! hängt ihn, Seckeltär!

Der Sekretär. Ei, gnädiger Herr, ich bin ja doch kein Scharfrichter.

Jeppe. Was Du nicht bist, kannst Du noch werden, Du siehst nach allerhand aus. Wenn Du ihn nicht hängst, häng' ich Dich nachher selbst.

Der Verwalter. Ach, gnädiger Herr, ist denn kein Pardon?

Jeppe (spaziert auf und ab, setzt sich und trinkt und steht wieder auf). Funfzig Thaler, Frau und sieben Kinder . . . . Will Dich niemand anders hängen, so thu' ich es selbst. Ich weiß recht gut, was Ihr für Kerle seid, Ihr Verwalter; ich weiß, wie Ihr es gemacht habt mit mir und andern armen Bauern . . . . Sieh, da kommen mir wieder die verwünschten Bauergrillen in den Kopf. Ich wollte sagen: ich kenne Eure Art, zu hantiren, so an den Fingern, daß ich, wenn es Noth thäte, wol selbst Verwalter sein könnte. Ihr bekommt von der Milch den Rahm, und die Herrschaft bekommt einen Dreck, mit Respect zu sagen. Wenn die Welt noch lange steht, glaub' ich, so werden die Verwalter 172 Junker und die Junker Verwalter. Wenn der Bauer Euch oder Euren Frauen was in die Hand gedrückt hat, so heißt das, wenn Ihr zur Herrschaft kommt: der arme Mann ist willig und fleißig, aber ihm sind verschiedene Unglücksfälle zugestoßen, so daß er nicht bezahlen kann; sein Boden taugt nichts, sein Vieh hat die Räude gekriegt, und dergleichen Redensarten mehr, mit denen die Herrschaft sich muß abspeisen lassen. Glaubt mir, guter Kerl, ich lasse mich nicht so an der Nase führen, ich bin selbst Bauer und eines Bauern Sohn . . . . Sieh, da kommen die verwünschten Faxen schon wieder! Ich sage, ich bin eines Bauern Sohn, nämlich, weil Abraham und Eva, unsere ersten Eltern, Bauern waren.

Der Sekretär (fällt gleichfalls auf die Kniee). Ach, gnädiger Herr! habt noch Erbarmen mit ihm, um seiner armen Frau willen; wovon soll er denn nachher leben und Frau und Kinder ernähren?

Jeppe. Wer sagt, daß sie leben sollen? Man kann sie ja mit ihm aufhängen!

Der Sekretär. Ach Herr, das ist solche hübsche, schmucke Frau –

Jeppe. So? Du bist wol verliebt in sie, daß Du Dich ihrer so annimmst? Laß sie mal 'reinkommen.

Dritte Scene.

Die Frau des Verwalters. Jeppe. Die Uebrigen.

Jeppe (die Frau kommt herein und küßt ihm die Hand). Bist Du die Frau des Verwalters?

Die Frau. Ja, gnädiger Herr, das bin ich.

Jeppe (greift ihr nach dem Busen). Du bist hübsch; willst Du heut Nacht bei mir schlafen?

Die Frau. Der Herr hat in allen Stücken zu befehlen, denn ich stehe in seinen Diensten.

Jeppe (zum Verwalter). Bist Du einverstanden, daß ich heut Nacht bei Deiner Frau schlafe? 173

Der Verwalter. Ich danke dem Herrn, daß er meinem geringen Hause die Ehre erweisen will.

Jeppe. Sieh her, setz' ihr einen Stuhl her, sie soll mit mir speisen. (Er setzt sich an den Tisch, ißt und trinkt mit ihr; er wird eifersüchtig auf den Sekretär und sagt:) Du sollst die Schwerenoth kriegen, wenn Du sie ansiehst!

(So oft er den Sekretär ansieht, wendet derselbe sogleich die Augen von ihr und sieht zu Boden. Er singt ein altmodisches Liebeslied, während er mit ihr zu Tische sitzt. Dann befiehlt er einen polnischen Tanz und tanzt mit ihr, fällt aber in der Trunkenheit dreimal; endlich das vierte Mal bleibt er liegen und schläft ein.)

Vierte Scene.

Der Baron. Die Uebrigen. Jeppe (schlafend).

Der Baron (der so lange den Sekretär gespielt hat). Er schläft ganz fest, nun haben wir gewonnen Spiel. Aber beinahe wäre es uns am schlechtesten ergangen; er war Willens, uns hart zu behandeln, so daß wir das Spiel entweder hätten aufgeben müssen, oder uns mißhandeln lassen von diesem groben Bauer, aus dessen Betragen man lernen kann, wie tyrannisch und hochmüthig geringe Leute werden, die aus dem Schmutz plötzlich zu großer Ehre und Würde gelangen. Die Rolle des Sekretärs hätte für mich schlecht ausfallen können; denn wenn er mich hätte prügeln lassen, so wäre daraus eine dumme Geschichte geworden, die mich bei den Leuten nicht weniger blamirt hätte als den Bauer. Das Beste ist, wir lassen ihn nun ein wenig schlafen, bevor wir ihm seine schmutzigen Bauernkleider wieder anziehen.

Erich. Ach Herr, der schläft wie ein Todter; seht her, ich kann ihn schlagen, er fühlt es nicht.

Der Baron. Schafft ihn denn hinaus und macht der Komödie ein Ende. 174


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