Hugo von Hofmannsthal
Der Unbestechliche
Hugo von Hofmannsthal

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V. Akt

1. Szene

Die Dekoration des ersten Aufzuges.

Es treten rechts oben ein: Theodor im Frack, mit einem großen Servierbrett, worauf Gläser, Karaffen und silbernes Eßbesteck, der Gärtner in grauer Jägerlivree, mit einem gleichen Brett, worauf die Teller und im anderen Teil das Besteck, dann Hermine, schwarz angezogen mit weißem Häubchen, weißer Schürze und weißen Handschuhen, mit einem gleichen Brett, worauf die Tischwäsche. Sie stellen ab und ordnen auf zwei Kommoden links und rechts von der Glastür, die als Anrichte dienen. Hermine nimmt das Tischtuch, geht durch die Glastür und beginnt einen Tisch für sechs zu decken, der in der Terrasse mittelst, auch in der Mittelachse des Zimmers steht.

Theodor Rasch, rasch, beeilen Sie sich! Es muß schnell serviert und gegessen werden, denn dann erfolgt Abreise, schnelle Abreise, sehr schnelle Abreise!

Gärtner Seit wann wird denn jetzt auf der Terrasse serviert statt im Speisezimmer? Das ist ganz was Neues! Ab.

Theodor Erstens ist dies nichts Neues, sondern ganz was Altes und das geht Sie einen Schmarrn an! Zu Hermine Und weißt du, wo ich dir heut Nacht dein Zimmer anweisen werde? Da droben! Er zeigt senkrecht nach oben Da, wo wir diese Melanie ausquartiert haben, da wirst du dich hinaufbegeben und ich werde diesen Weg – er zeigt wie ein Seiltänzer, der balanciert dort über schwindlichem Dach werde ich zu dir kommen, dir einen kleinen Besuch machen, verstanden?!

Hermine Maria! Da droben schläft doch der Herr Baron! Der hört doch alles!

Theodor Gerade durch sein Zimmer werde ich meinen Weg nehmen und ihn werde ich heut anderswo einquartieren. So hab ich mir schon überlegt.

Hermine Was Sie zusammenreden!

Theodor galant und scherzhaft Was unterstehst du dich?! Mir scheint, du hast dich schon zu lange nicht vor mir gefürchtet!

Hermine lacht.

Theodor Zuckst du?! Na wart! Dir muß ich den Herrn zeigen! Du wirst mich heut in der neuen Bluse empfangen als Zeichen, daß du dich vor mir fürchtest!

Hermine Das werden wir sehen!

Theodor zärtlich Oh, du lachst! Mir scheint, da habe ich eine boshafte Schlange an meinem Busen aufgewärmt!

Baronin von oben rechts Theodor, haben Sie eine Ahnung, wo ich mein Lorgnon liegen lassen habe?

Theodor von oben rechts, eilt hin, nimmt das Lorgnon von einem Möbel und überreicht es.

Baronin sehr huldvoll und aufgeheitert Was sagen Sie dazu, Theodor, daß jetzt beide Damen auf einmal abreisen müssen! Das ist doch eine außerordentliche Überraschung!

Theodor mit einer Miene, die alles sagt und doch nichts preisgibt Ich danke untertänigst für gnädige Anerkennung.

Baronin mit einer leisen Spur von Einverständnis Ich habe ja nichts gesagt!

Theodor Haben allergnädigst zu erkennen gegeben.

General tritt links vorne ein, zuerst schüchtern durch die halb geöffnete Tür spähend. Theodor entfernt sich schnell durch die Glastür, die er hinter sich schließt.

2. Szene

Baronin wie sie den General sieht, nickt ihm in guter Laune zu, indem sie mit dem Kopf hinter sich auf Theodor deutet Er bleibt. Er hat aus freien Stücken seine Kündigung zurückgenommen. Heute ist er wieder ganz der alte Theodor! Haben Sie seinen Gang bemerkt?

General Das ist der gewisse Gang, den er hat, wenn er mit sich zufrieden ist. Darin liegt ja ein förmlicher Krampf von Hochmut!

Baronin gegen die Bank hin Eben. In diesem Augenblick habe ich sofort etwas mit ihm abgemacht. Sie wissen, daß mein Mann, zu der Zeit wie er noch Militärattaché in Konstantinopel war, den Theodor überall hin mitgenommen hat, nach Smyrna, nach Damaskus, ich weiß nicht, wohin noch!

General erschrocken Amelie! Sie wollen wieder reisen?

Baronin Das glaub ich! und nicht mit einer idiotischen Jungfer, der ich auf allen Perrons das Handgepäck nachtragen muß und wenn sie seekrank wird, den Kopf halten muß. Der Theodor ist ein idealer Reisemarschall, er kennt sich überall aus!

General Amelie, ich habe es geahnt, daß Sie wieder reisen wollen –

Baronin Ich bin es satt, unter diesem ewigen Regenhimmel Neuralgien zu haben! Ich will noch einmal unter dieser goldenen Luft in einem hellen Kleid auf einer Hotelterrasse sitzen und Minaretts vor mir sehen!

General Sie werden zwei, drei Monate wegbleiben?

Baronin Ein halbes Jahr hoffentlich!

General schüttelt traurig und resigniert den Kopf Wie soll ich denn auf das aushalten?

Baronin Und wenn ich Ihnen sage, daß der Theodor selbst, ohne daß ich ein Wort davon gesagt hätte, den Gedanken aufs Tapet gebracht hat, wie es denn wäre, wenn Sie mir nach Smyrna oder Athen entgegenkämen?

General in jähem Umschwung zu kindlicher Freude Ich darf Ihnen entgegenkommen?!

Baronin Mit großer Grazie Wenn es Ihnen nicht zu unbequem ist, einen Schiffskoffer zu packen?

General außer sich vor Freude Amelie! Plötzlich wieder betrübt Ah, es war aber der Theodor, der das proponiert hat! Und Sie – –

Baronin mit Grazie und Ernst Ado, ohne Sie wäre ich doch die gewisse alte Person, die in Kurorten und Hotels einsam und mürrisch dasitzt und von der niemand begreift, wozu sie noch auf der Welt ist! Sie reicht ihm die Hand zum Kusse.

General mit Tränen in den Augen wie er sich über ihre Hand beugt und ihre Fingerspitzen küßt.

3. Szene

Anna links oben eintretend Oh – ich habe geglaubt, der Jaromir ist da! Nämlich die Melanie war jetzt bei mir, das ist so eine liebe Person! Ich glaube, sie sucht dich! Sie hat mir versprochen, daß sie im August mit ihrem Mann wieder herkommt.

Milli sieht links herein Frau Baronin, Frau von Galattis sitzen im Boudoir droben und Fräulein Am Rain möchte sich auch verabschieden –

Baronin Ich komme!

General Wenn Sie erlauben, so gehe ich mit. Beide links ab.

4. Szene

Jaromir kommt vorne links, wo jetzt fertig gedeckt ist und Theodor gerade das Mittelstück mit Blumen auf den Tisch stellt.
Anna hat Jaromir gesehen und wartet; sie steht an der Seite rechts. Jaromir ärgerlich und zerstreut, will quer durchs Zimmer gehen und bemerkt Anna nicht gleich.

Anna Jaromir!

Jaromir Ah, du!

Anna Du bist verstimmt über etwas?

Jaromir Ich komme aus dem Stall. Sie haben aus irgend einem Grunde den kleinen Zweispänner eingespannt, in dem allerhöchstens für drei Personen Platz ist! Das bedeutet doch, da man die zwei Frauen nicht ohne jede Begleitung wegfahren lassen kann, daß ich allein mitfahren muß. Eine dumme, irritierende Sache. Es kommt einem alles zusammen!

Anna Was denn noch, Jaromir? Sag mirs!

Jaromir Mir ist ein Manuskript verloren gegangen, die erste provisorische Niederschrift von meinem neuen Roman. Verloren oder verlegt, jedenfalls ist es nicht da! Und wenn ich den Roman überhaupt noch schreiben will, so ist es mir unentbehrlich – setzt sich auf die Bank.

Anna Verloren kanns ja nicht sein. Wenn dus vor kurzem noch gehabt hast, so ist es eben verlegt! Geh morgen früh spazieren und laß mich während dieser Zeit suchen. Ich werde es finden –

Jaromir Hast du denn schon einen Anhaltspunkt?

Anna Nicht im geringsten. Aber ich weiß bestimmt, Jaromir, wenn ich etwas, was du brauchst, für dich suche, so werd ich es finden.

Jaromir Da brauch ich also nie mehr den heiligen Anton von Padua anzurufen, sondern dich! Umso besser! Aufstehend auf Wiedersehen, ich gehe! Ich muß die Damen begleiten.

Anna Ich bitte dich, hab einen Moment Zeit für mich, du mußt sie dir nehmen! Ich muß dir etwas sagen! Vor dem Tisch.

Jaromir Ist dir etwas, du bist ein bisserl blaß!

Anna Ich hab einen sehr argen Tag durchgemacht!

Jaromir Ist mit der Baby was los?

Anna Nein, ganz anders, in mir!

Jaromir Du hast auch Komplikationen? Seit wann denn?

Anna Hör mich an, Jaromir. Ich bin eine ganz mindere Person. Ich bin garnicht das, wofür du mich nimmst. Du mußt mich führen mit einer sehr strengen, festen Hand. Ich hab schon gestern abend und heute von früh an, ich hab ganz die Gewalt über mich verloren! Ich habe gegen ganz was Niedriges, ganz Unwürdiges in mir nicht mehr ankämpfen können – ich war eifersüchtig!

Jaromir Auf die Melanie?

Anna Ja, auf die Melanie! aber zugleich auf die Marie! Lach mich nur aus, auf beide!

Jaromir mit etwas gekünstelter Heiterkeit Aber das ist ja eine ernste Krankheit, mein Schatz!

Anna Ja, es war sehr ernst! Denn es hat mich so weit getrieben, daß ich mich nicht geschämt habe etwas zu tun, was ich mich so sehr schäme, dir einzugestehen, aber es muß heraus!

Jaromir Na, was denn?

Anna Ich habe gehorcht!

Jaromir Ah! Ah! Runzelt die Stirn.

Anna Du bist bös. Du hast recht! Straf mich! Ich habs verdient. Da Jaromir nichts sagt, fortfahrend Heute früh warst du mit der Melanie hier im Park und da hab ich mich in der Orangerie versteckt und habe gehorcht –

Jaromir Und?

Anna Mir war, als hätte ich dich ihr Du sagen gehört. Lächelnd Aber jetzt weiß ich ja, daß ich mich geirrt habe – und plötzlich habt ihr viel leiser zu sprechen angefangen und da bin ich aus Stolz mit einem Ruck heraus aus dem Haus. Dann haben wir zu Mittag gegessen und dann bin ich mit der Mama und der Melanie ausgefahren und dann war der Tee und diese ganze Zeit habe ich dich doch verloren gehabt!

Jaromir Mich verloren?

Anna Ja, ich bin herumgegangen und habe gehört, was die anderen reden und habe die richtigen Antworten gegeben. Aber überall zwischen mir und allen Dingen habe ich etwas gesehen, was dir ähnlich war und doch nicht du! Ich kann es nicht anders sagen: wie ein in Fetzen gerissenes unheimliches Bild von dir – fährt mit der Hand über ihre Augen.

Jaromir Aber, das ist ja ein Fiebertraum! Und man hat dir ja garnichts angemerkt, du Kleines, du armes Kleines!

Anna Da hab ich einen Augenblick geglaubt, daß ich es auch ertragen könnte, wenn es sein müßte – und auch ohne dich leben könnte! Aber dann, wie mir die Baby ihre kleinen Arme entgegengehoben hat, da ist mir eingefallen, daß du das Kind seit zwei Tagen mit keinem Blick angeschaut hast. Und da ist etwas über mich gekommen, Jaromir, etwas so Furchtbares, so, wie wenn garnichts mehr in der Welt zu mir gehören würde, auch meine Hände nicht, meine Füße nicht, auch mein Gesicht nicht!

Jaromir zieht sie an sich Aber wie hast du dir denn diese Geschichte so zu Herzen nehmen können?

Anna entzieht sich ihm sanft Und da hab ich gewußt, wenn ich jetzt nicht gleich zu unserem Herrgott beten kann, daß er dich mir wiedergibt, so bin ich verloren!

Jaromir das gleiche Spiel Aber ich gehöre doch zu dir und du gehörst zu mir! Vor sich oh nie, nie wieder!

Anna Aber richtig beten hab ich auch nicht mehr können, nur das denken und mich so zu ihm hinfallen lassen –

Jaromir Wie oben Da, zu mir, wo du hingehörst!

Anna Und er hat mich erhört! In der Sekunde! Und hat dich mir wiedergegeben!

Jaromir Wie denn, du Engel?

Anna Ich habe gespürt: er schickt dich von irgendwoher ganz zu mir zurück, unverlierbar –

Jaromir Und nie wieder kann uns etwas auseinanderreißen!

Anna hat sich sanft aus Jaromirs Arm gelöst, sie spricht jetzt in einem leichten fröhlichen Ton weiter Und dann hab ichs klopfen gehört, und auf einmal ist die Melanie dagestanden und dann ist auch die Marie gekommen, auch, mir Adieu zu sagen und beide waren so lieb!

Jaromir wie oben Du bist lieb! Du bist mein einziges süßes Liebstes auf der Welt!

Anna wie oben, jetzt schnell Die Marie ist ein besonderes Wesen, so ein Herz – und die Melanie ist so was Loyales, Aufrichtiges, Gescheites, Hübsches!

Jaromir Du bist das alles, du, nur du!

Anna Und da hab ich alles verstehen können!

Jaromir Was denn?

Anna Alles, alles auf einmal! Das weiß ich doch, daß diese beiden Frauen sehr an dir hängen und daß man darüber geredet hat und eben wegen der Leute hast du wollen, daß sie beide einmal hier bei uns gewesen sind – – nur aus Güte und Zartgefühl für sie beide!

Jaromir Das kann ich doch alles garnicht anhören! Küßt sie heftig.

Anna Damit sie fühlen, daß, wenn du sie schon nicht hast wählen können, du sie doch sehr hoch stellst und immer stellen wirst. Und ich, ob ich sie nun viel oder wenig sehen werde, ich bin ihnen jetzt ja schon so anhänglich – – ich hab doch gespürt, wie sie beide sind.

Jaromir Ich hab gespürt, was du bist! In dieser Stunde so wie nie!

Anna zwischen Lachen und Weinen Nicht, ich bitt dich, nicht!

Jaromir Und hörst du, ich will nicht, daß du das Manuskript suchst, er küßt sie und wenn ich es finde, so wird es verbrannt, ich brauche es nicht! Er küßt sie Ich will es nicht küßt sie nie wieder, das ist alles nur eine eitle unwahre Grimasse! Ein abscheuliches Überbleibsel aus meiner zu langen Junggesellenzeit! Das brauch ich nicht küßt sie das will ich nicht haben. Dich will ich haben, Dich!

Anna zwischen Lachen und Weinen entzieht sich ihm Sag kein Wort mehr! Kein Wort! Sonst muß ich sofort heulen wie ein Hofhund beim Aveläuten –

Theodor ist wieder auf der Terrasse erschienen Herr Baron, die Damen sind in Abreise begriffen –

Jaromir überhört die Meldung Ich muß dir so viel sagen! Heute noch, heute, sag doch wann?

Anna läuft rechts hinaus Laß mich, es ist zuviel!

Theodor steht in der Mitte und schlägt den Gong.
Jaromir sehr erregt und dem Weinen nahe, weicht ihm aus bis an die äußerste vordere Ecke und winkt ihm, endlich innezuhalten.

Theodor nähert sich Jaromir Dürfte ich jetzt etwas melden?

Jaromir Was denn?

Theodor sich umsehend ob niemand horche Ich hab mir erlaubt unvorgreiflich eine provisorische Anordnung zu treffen.

Jaromir Was denn, das geht doch alles die Mama an.

Theodor Nein, das geht Herrn Baron persönlich an! Ich habe in Erwägung gezogen, daß Herr Baron nicht gerne haben, wenn Gesellschaft aus drei Personen besteht, besonders wenn Damen sind, wo man doch gewöhnt ist, mit jeder einzelnen sich zu unterhalten. Tritt näher.

Jaromir Was wollen Sie denn, wovon reden Sie denn?

Theodor Demgemäß habe ich nachgedacht, wie peinliche Situation bei so einem Abschied sich in manierlicher Weise vermeiden ließe und hab für alle Fälle im Stall befohlen, die Mascotte zu satteln. Es ist schöner Mondschein, Euer Gnaden können zeitweise Trab reiten neben dem Wagen, zeitweise wieder Galopp und Schritt quer über Wiesen, so ist man in Gesellschaft und ist doch für sich allein –

Jaromir Das ist ja eine wunderbare Idee! Franz! Sie sind ein außerordentlich gescheiter Mensch! Ich danke Ihnen sehr, Franz! Da brauche ich mich nun nicht umzuziehen. Ich sehe, daß Sie mir Ihre alte Anhänglichkeit bewahrt haben – – läuft ab rechts.

Gärtner von rechts oben meldet dem Theodor Die Mascotte ist gesattelt!

Gleichzeitig mit dem Gärtner ist die Baronin aufgetreten, mit den Damen Marie, Melanie, General, Dienerpersonal. Die Baronin hört die Meldung.

Theodor Vorführen!

Baronin Wer reitet denn aus, jetzt so spät abends?

Theodor Der Herr Baron wird die Damen begleiten zu Pferd!

Baronin zu den Damen Ich wußte es ja, natürlich begleitet Sie der Jaromir!

Melanie Ich wußte garnicht, daß Fräulein Am Rain auch abreist!

Melanie und Marie ziehen ihre Mäntel an, die ihnen die Jungfer und die Beschließerin reichen. Theodor nimmt der Beschließerin mit einem geringschätzigen Blick Maries Mantel aus der Hand und hilft Marie hinein. Brocken von Gespräch während dessen.

Anna zu Marie jedenfalls schickst du uns gleich eine Nachricht, wie du deinen Vater gefunden hast, obwohl ich ja ein so gutes Gefühl habe, daß du ihn viel wohler finden wirst als du hoffst.

General Ich beneide den Jaromir um diesen Ritt im Mond über die Auwiesen. Wenn ich denke, daß ich drei Jahre auf keinem Pferd gesessen bin – wirst du mir nächstens die Mascotte für einen Morgenritt anvertrauen?

Jaromir Es wird für mich und für die Mascotte die größte Auszeichnung sein. Zu Melanie ihr in den Mantel helfend Sie haben recht gehabt, tausendmal recht!

Melanie Gottlob, daß Sie das einsehen!

Baronin zu Marie, die völlig angezogen, etwas abseits steht, sehr gütig Und wir beide haben doch kaum ein Wort miteinander gesprochen, das tut mir sehr leid!

Marie nicht mehr imstande ihre Tränen zurückzuhalten, beugt sich über ihre Hand und küßt sie O, danke, danke!

Anna zu Jaromir, auch abseits der übrigen Hast du deine Handschuhe und den Reitstock? Ich bringe sie dir! Ab ins Haus.

General Meine Damen, es ist die höchste Zeit, wenn Sie den Zug erreichen wollen!

Baronin Daß dieser Aufenthalt nur so kurz war, ist wirklich eine schmerzliche Überraschung für uns geht ab.

Jaromir dem Anna Hut, Reitstock und Handschuhe gebracht hat Anna, wenn ich dir sagen könnte, wie ich dich sehe! Seit du hier so zu mir gesprochen hast, wie ich dich sehe, so eine Seligkeit!

Anna mit süßer Freude Du – mich – wirklich? Du mich auch? Ja, von was kommt denn das?

Jaromir Das Ganze ist so unbegreiflich! Ich werde nie im Stande sein, etwas so Ungeheures zu verstehen – wie es heut in mir zustandegekommen ist, und hinter dem Ganzen, wenn ich jetzt bedenk, liegt so eine Planmäßigkeit, als ob jemand es darauf angelegt hätte, mich zu mir selber zu bringen und dadurch auch ganz zu dir – aber wer?

Anna Wer? Halt der, durch den alles geschieht! Was er für Werkzeuge dazu gebraucht, das können wir ja nie durchschauen.

Jaromir Anna! Küßt ihr die Hand.

Anna will sie wegziehen Nicht! Ich bins heute nicht wert!

Jaromir Du – nicht wert? Ah Gott!

Stimme der Baronin über die Terrasse her Jaromir, Jaromir!

Jaromir Wie soll ich denn jetzt weg?

Anna Du mußt aber weg und ich muß hinauf!

Jaromir Wie ist denn die Baby jetzt? Schläft sie unruhig?

Anna Nur die erste Stunde. Dann so fest, daß sie nichts hört, aber gar nichts!

Jaromir Ja, dann darf ich also zu dir kommen?

Anna versteht, was sie gesagt hat, ohne es sagen zu wollen, und schämt sich sehr Jetzt schäm ich mich, daß ich das so gesagt habe! Ich hab ja garnicht an das gedacht!

Theodor über die Terrasse Herr Baron, es ist höchste Zeit! Die Damen sitzen im Wagen.

Jaromir reißt sich los Darf ich kommen – über die Wendeltreppe? Laß mir die Tür offen. Wirst du, ja? Auch, wenn ichs nicht verdient habe? Läuft weg, bleibt nochmals stehen Du! läuft schnell fort.

Anna nickt und steht wie betäubt.

5. Szene

Theodor betrachtet Anna, schließt dann die Glastür und verriegelt sie dann mit einem Balken.
Hermine erscheint leise an der Tür links, vorsichtig. Sie hat weder Schürze, noch Häubchen, noch Handschuhe, sondern sie trägt die hübsche neue Bluse und eine Blume im Haar.
Theodor deutet ihr, daß Anna da ist.
Hermine macht ein Mäulchen, als sei sie eifersüchtig.
Theodor mit einer gebietenden Bewegung weist sie nach oben, sich in ihr Zimmer zu verziehen. Dann deutet er lächelnd an, er werde wie ein Kater geklettert kommen, dann jagt er sie weg mit einem Wink.
Hermine verschwindet und schließt die Tür. Alles hinter Annas Rücken.

Anna dreht sich auf das Geräusch der zugehenden Tür rasch um Ah, Sie sinds Theodor!

Theodor ihr etwas näher kommend Es ist sehr gütig, daß Euer Gnaden mich mit meinem richtigen Namen bezeichnen. Darin liegt eine gütige Seele ausgesprochen. Dafür bitte ich diese mit einer kleinen Überlegung – oder vielmehr künftige Nacht für Euer Gnaden zu unserem Herrgott beten zu dürfen.

Anna nach einer Sekunde Haben Sie zugesperrt?

Theodor Sehr wohl. Ich melde untertänigst, es ist alles in Ordnung.

Anna wendet sich zum Gehen, etwas geniert Aber der Herr Baron muß noch herein.

Theodor Da hab ich Licht brennen lassen an der kleinen Nebentür und auf der Wendeltreppe.

Anna Ah, dort? Weiß das der Herr Baron?

Theodor Er wird das Licht schon sehen und sich demgemäß dorthin wenden. Ich habe gemeint, Herr Baron wird Wunsch haben, nach zwei so unruhigen gestörten Tagen die beiden Kinder anzuschauen ob sie ruhig schlafen –

Anna Ah, gut! Danke! Sie sieht ihn lächelnd an.

Theodor Es sind Euer Gnaden die irdischen Dinge sehr gebrechlich. Es kann auch eine sehr starke Hand keine Schutzmauer aufbauen für ewige Zeiten um ihre anbefohlenen Schützlinge. Aber ich hoffe, so lange ich hier die Aufsicht über das Ganze in Händen behalte, wird demgemäß alles in schönster Ordnung sein!

Vorhang


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