Hugo von Hofmannsthal
Der Unbestechliche
Hugo von Hofmannsthal

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II. Akt

Die gleiche Dekoration.

1. Szene

Anna und der kleine Jaromir an einem Tisch links. Anna stickt.

Der kleine Jaromir Mami, wirst mich in Zirkus mitnehmen? Wann? Bis die Damen abgereist sind?

Anna Ja.

Der kleine Jaromir Mami, die Damen sollen schon abreisen! Anna stickt und antwortet nicht.

Der kleine Jaromir Sind sie zu Dir oder zum Papi gekommen, die Damen? Hat der Papi sie herbestellt und haben sie kommen müssen? Mami, kann der Papi alles? Ja? Sag mir, was er nicht kann!

Anna Sekir mich nicht!

Der kleine Jaromir Sag mirs, sag mir was Einziges, was er nicht kann der Papi!

Anna Komm her, ich werd dirs sagen!

Der kleine Jaromir läuft zu ihr.

Anna sieht ihm ernsthaft ins Gesicht Eine Unwahrheit sagen, das kann der Papi nicht! Sie stickt weiter.

Der kleine Jaromir sieht nach hinten in den Park Mami, da kommt der Papi mit der einen Dame, mit der, die so gut riecht!

Anna Geh hinauf zu der Baby und schau, ob sie schon auf ist, aber leise.

Der kleine Jaromir Gehst du jetzt auch hin zu der Dame?

Anna Geh, geh.

Der kleine Jaromir läuft über die Terrasse ins Haus.
Anna geht schnell nach rechts hinüber und verschwindet.

2. Szene

Jaromir und Melanie kommen aus dem Park.

Melanie Hier ist jemand gesessen und bei unserem Näherkommen aufgestanden. Es war entweder die Marie Am Rain oder es war Ihre Frau. In jedem Fall ist das sehr sonderbar. Wenn man es harmlos auffaßt, daß zwei Menschen miteinander durch den Park gehen, so bleibt man sitzen, bis sie herangekommen sind.

Jaromir Es war in gar keinem Fall die Marie, die hier gesessen und bei unserem Kommen aufgestanden ist. Es war unbedingt meine Frau.

Melanie Warum soll es nicht Ihre Freundin Marie gewesen sein?! Ich habe das deutliche Gefühl gehabt, daß es jemand ist, der uns in einer offensichtlichen Weise aus dem Weg geht!

Jaromir Das kann nicht die Marie gewesen sein, es ist Scirocco.

Melanie sieht ihn an.

Jaromir Sie hat an einem solchen Morgen unfehlbar Migräne und muß bis Mittag in ihrem Zimmer bleiben.

Melanie Es geht doch fast kein Wind.

Jaromir Es muß kein Wind gehen. Wenn die Luft so glänzt, dann ist Scirocco. Dann sehen die Blumen und die Bäume schöner aus als je – – übrigens auch die Frauen. Das Weiße in ihren Augen hat einen ganz anderen Glanz näher und die Perlen an so einem Hals nehmen einen feuchten Schmelz an, der unbegreiflich ist. Man weiß nicht, sind es die Perlen, die der Haut so gut stehen oder umgekehrt! Noch näher Und während viele Menschen in solcher Luft abgeschlagen sind und lauter traurige Gedanken haben, erweckt diese Luft in anderen, zum Beispiel in mir, ein unbeschreibliches Wohlgefühl und ich begreife mich selber nicht, das heißt, ich begreife mich sehr gut, aber ich begreife nicht, daß es überhaupt Zeiten gibt, Wochen, Monate, wo man die Geduld hat, auf etwas zu warten, das sich in Wochen oder Monaten ereignen soll, während doch schon ein ganz unbegreifliches Maß von Geduld dazu gehört, sich zu sagen, daß man frühestens heute gegen Abend – –

Melanie weicht ihm aus und sieht verstohlen überall hin, ob sie nicht beobachtet werden Ich glaube, Sie haben mich auf etwas aufmerksam gemacht und ich gehöre zu den Menschen, die diese Luft eher zu unangenehmen Gedanken bringt. Es war mir zum Beispiel gestern Abend noch ganz gleichgiltig, daß Ihre Freundin Marie wieder hier ist. Aber heute ärgert es mich, daß diese blasse Märtyrerin überall dort auftaucht, wo ich Sie treffe.

Jaromir Daß sie voriges Jahr in Gebhartstetten war, ist ein bloßer Zufall.

Melanie Es gibt keine Zufälle. Ich hab mir auch gestern abend noch keine Gedanken darüber gemacht, daß Sie mir auf der Veranda unter dem Vorwand, mir die Plejaden zu zeigen, zugeflüstert haben, daß Ihre arme kleine Frau bis heute nichts davon weiß, wie oft wir uns im April in Gebhartstetten getroffen haben.

Jaromir Es ist ganz überflüssig, daß sie es erfahren sollte.

Melanie Aber heute erscheinen mir alle diese Dinge in einem höchst unangenehmen Zusammenhang. Auf diese Art bin ich ja von der Diskretion Ihrer schmachtenden Freundin abhängig.

Jaromir Die gute Marie hat keine Ahnung von uns beiden.

Melanie Ich finde dieses junge Mädchen unglaublich! Hat sie nicht genug mit der Publizität, die Ihr Roman ihr gegeben hat? Will sie sich noch ein bißchen mehr kompromittieren?

Jaromir Sie ist ein Engel an Güte! Sie ist nicht imstande, irgend etwas das von mir ausgeht, in dem häßlichen Licht zu sehen, in dem wie es scheint die Welt die Dinge sieht. Sie denkt nicht daran, in einer erfundenen, aus meiner Phantasie entsprungenen Figur sich wiederzuerkennen und ist über alles Getratsch erhaben.

Melanie Ich aber bin leider nicht Nachtwandlerin genug, um über die ganze Welt erhaben zu sein! Ich hoffe, daß das was Sie schreiben, sich in keiner noch so entfernten Weise mit mir befaßt. Jaromir! Ich hoffe, Sie erinnern sich immer an das, was Sie mir im April in dieser Beziehung geschworen haben!

Theodor erscheint auf der Terrasse, macht sich dort zu schaffen, dann verschwindet er wieder.
Melanie durch das Erscheinen Theodors irritiert, macht eine zornige Bewegung.

Jaromir Du bist über alle Maßen reizend, wenn Du zornig bist und es ist außerdem von einer herrlichen Vorbedeutung.

Melanie Was heißt das?

Jaromir Immer waren die Vormittage so, auf die dann ein besonders entzückender Abend gefolgt ist. Denk an Gebhartstetten, an das Aprilwetter, an die finstere Jagdhütte!

Melanie Damals hab ich Angst gehabt, dich zu verlieren an diese unverschämte Amerikanerin, und zugleich Angst vor meinem Mann!

Jaromir Ganz verfahrene Situationen sind deine Stärke! Dann wirst Du absolut wunderbar. Deine Augen werden größer, deine Lippen verwandeln sich, deine Hände, dein Gesicht! Wer dich so nicht gesehen hat, hat keine Ahnung wer du bist!

Melanie Schwör mir, daß du damals nichts notiert hast!

Jaromir Damals, in diesen himmlischen Minuten? Bist du denn närrisch, mein Schatz?

Melanie Aber du könntest etwas notieren, du wärst es imstande, für einen Roman, eine Novelle!

Jaromir Aber nein, niemals!

Melanie Ach!

Jaromir Was hast du?

Melanie Dort hinter der Glastür, der Franz schaut auf uns!

Jaromir Soll er, er hat uns oft genug miteinander gesehen!

Melanie Warum geht Ihr Diener Franz immer dort hin und her? Früher hab ich ihn dort drüben im Gebüsch gesehen.

Jaromir Mein Gott, er wird halt irgend etwas zu tun haben.

Melanie Ich kenne ihn zu gut, Ihren Franz, er hat nie etwas Harmloses zu tun, dazu war er zu lange in Ihren Diensten. Er ängstigt mich, er weiß zu viel von mir. Schicken Sie ihn für ein paar Tage fort von hier.

Jaromir Das kann ich nicht. Er ist garnicht mehr mein Diener, sondern der meiner Mutter.

Melanie Haben Sie gesehen, wie er jetzt auf mich herschaut? Ich fühle, er legt mir einen Hinterhalt und ich werde ihm sicher hineinfallen. Ich habe heute Nacht von ihm geträumt, ich weiß nicht mehr was, aber etwas Unangenehmes. Er ist zu sehr verknüpft mit allem Aufregenden, das ich um Ihretwillen erlebt habe. Ich sehe überhaupt nur mehr ihn, wenn ich mich an Sie erinnere.

Jaromir Ich danke Ihnen sehr.

3. Szene

Hermine mit einer Schreibmappe und einem Fußpolster tritt aus dem Haus auf die Terrasse. Theodor beobachtet sie streng, sozusagen dienstlich. Hermine wird unter seinem Blick langsamer und tritt dann etwas unschlüssig die Stufen herunter, sie schickt sich an, die Schreibsachen auf den Gartentisch links zu legen.

Melanie Ah, da sind meine Schreibsachen, auf die ich gewartet habe. Ich danke Ihnen, meine Liebe.

Theodor macht Hermine ein Zeichen, daß sie den Fußpolster nicht richtig gelegt habe, Hermine gerät in Verwirrung, Theodor eilt hin, richtet den Fußpolster anders und winkt Hermine abzutreten.

Melanie tut einen Schritt gegen den Tisch Ich habe sehr das Bedürfnis, der Tinka einen langen Brief zu schreiben. Sie wissen doch, Baron Jaromir, absichtlich laut daß die Tinka Neuwall jetzt meine beste Freundin ist.

Hermine ist über die Terrasse abgegangen, Theodor hat das Schreibzeug auf dem Tisch geordnet, sich überzeugt, daß Fließpapier in der Mappe ist und zieht sich jetzt diskret zurück über die Terrasse.

Melanie nachdem sie sich überzeugt hat, daß sie jetzt wieder allein sind, in einem anderen Ton Wirklich, ich möchte ihr gerne einen Brief schreiben, in dem ich ihr sage, daß ich zwar gerne hier bin und wir uns oft und gemütlich sehen, daß es uns aber entgegen ihren, Tinkas pessimistischen Voraussagungen ganz leicht wird, einen freundschaftlichen Verkehr in den Formen durchzuführen, deren Einhaltung ein Gebot der primitivsten Selbstachtung und Vorsicht ist.

Jaromir Schreib diesen Brief, schreib ihn unbedingt. – Leiser Aber zuerst komm daher.

Melanie tritt unwillkürlich ihm näher.

Jaromir Schau dort hinauf! Zeigt nach oben links.

Melanie schaut hinauf

Jaromir dicht bei ihr, aber ohne sie zu berühren Siehst du dort droben das Fenster mit dem kleinen Balkon?

Melanie Ist das das meinige?

Jaromir Das ist das deinige und dort drüben die Mansarde, dort, das ist das meinige; und der kleine Weg zwischen beiden dort – dort, wo etwas Weißes liegt, jetzt hebts der Wind auf, ein Blatt Papier ist es, dort dicht unter der Turmwand, hart überm Rand der Dachrinne, dort ist der Weg, den ich heute Nacht, wenn alle schlafen, zu dir komme!

Melanie Schwör mir, daß du nie etwas von mir in einem Roman bringen wirst. Oder es ist wirklich aus zwischen uns!

Jaromir Was für Ideen Du dir in den Kopf setzt! Er faßt sie beim Handgelenk und will sie an sich ziehen.

Melanie den Kopf von ihm weggebogen, macht sich mit einem Ruck los, fährt zugleich mit beiden Händen an ihren Hals und ruft Meine Perlen! Mein Gott, gerissen!

Jaromir Was ist denn?

Melanie die gerissene Schnur mit beiden Händen haltend Gerissen! Und ich hab sie erst vor zwei Wochen fassen lassen. Gehen Sie weg! Bleiben Sie stehen, keinen Schritt, Sie können auf eine treten! Sie geht zum Tisch und legt vorsichtig die gerissene Schnur ab und fängt angstvoll an zu zählen.

Jaromir Haben Sie alle?

Melanie zählend Das weiß ich doch noch nicht: dreizehn, vierzehn, sechzehn, achtzehn, zu Jaromir so gehen Sie doch fort von mir! Sehen Sie denn nicht dort drüben bei der großen Linde Ihre Mutter und den alten General, die wahrscheinlich schon alles gesehen haben, zählt sechsundzwanzig, achtundzwanzig, neunundzwanzig, zu Jaromir so gehen Sie doch schon und sagen Sie Ihrer Mutter guten Morgen, vierunddreißig – waren es vierunddreißig? Jetzt hab ich mich verzählt, mein Gott! Zu Jaromir So gehen Sie doch schon!

Jaromir ist leise mit vorsichtigen Tritten, auf den Boden schauend abgegangen.

Melanie Das auch noch, so alte Leute sind so entsetzlich weitsichtig! Zählt Zehn, elf – das ist doch ein solches Unglückszeichen, da bleibt einem doch vernünftigerweise nichts übrig als sofort abzureisen. Zählt leise weiter.

4. Szene

Theodor ist plötzlich erschienen.

Melanie zählt zu Ende Siebenundfünfzig, achtundfünfzig, neunundfünfzig! –

Theodor Neunundfünfzig waren es schon immer, es ist demgemäß alles in Ordnung!

Melanie erschrickt über seine plötzliche Nähe Haben Sie je meine Perlen in der Hand gehabt?

Theodor In der Hand nicht, aber am Hals hab ich sie gezählt, ich habe sehr gute Augen, unsereins muß manchmal in unbeachteter Haltung warten und da sucht man sich eine Beschäftigung. Melanie ordnet etwas an ihrem Kleid.

Theodor Auch ich habe wahrgenommen, daß die Kleider nicht ordentlich gepackt waren, ich habe demgemäß der dienenden Person Befehle gegeben, die Toiletten ordentlich zu bügeln und instand zu setzen!

Melanie Ich danke Ihnen, Franz.

Theodor Das ist meine Schuldigkeit. Ferner wäre dieses: Euer Gnaden haben, höre ich, befohlen, daß die Koffer auf den Boden geschafft werden. Es wäre allerdings für einen längeren Aufenthalt das Richtige. Im anderen Falle wäre es vielleicht ratsamer, die Koffer ganz in der Nähe zu haben.

Melanie unsicher Ich habe die Absicht gehabt, eine Woche oder zehn Tage hier zu bleiben.

Theodor mit einem eigentümlichen Lächeln Wenn Euer Gnaden allem zum Trotz diese Absicht werden durchführen wollen –

Melanie Was meinen Sie mit »allem zum Trotz«?

Theodor Ich meine die Unbequemlichkeiten, denen eine unbegleitete Dame in einem fremden Hause ausgesetzt ist!

Melanie Was wollen Sie damit sagen? Was für Unbequemlichkeiten?

Theodor immer mit dem gleichen ominösen Lächeln Beispielsweise die Dachreparatur am heutigen Nachmittag. Wie sollen sich da Euer Gnaden in gebührender Weise zurückziehen, wie Siesta abhalten wenn da gehämmert wird, unmittelbar unter dem Fenster. Das sind sehr peinliche Sachen.

Melanie Das Dach wird repariert?

Theodor wieder mit diesem Lächeln Natürlich, man könnte es noch aufschieben, aber wenn beispielsweise heute Nacht ein Wind käme, da sind solche Gitterteile aus Blech, die klappern, daß kein Mensch ein Auge zumachen kann da droben. Und gerade da zwischen Euer Gnaden ihrem Fenster und Herrn Baron seinem nächtlichen Arbeitszimmer. Freilich, wenn kein Wind ist, da müßte schon gerade jemand herumlaufen, bereits wie eine Somnambule, damit es zu einem Klappern käme. Aber wer sollte bei uns solche Exkursionen unternehmen? Wer, frage ich? Er sieht Melanie scharf an, dann abspringend Aber es ist bei uns eben sehr windig. Da droben ist eine Zugluft, bereits wie auf einem Berggipfel. Ich bitte nur gütigst zu sehen, da fliegen ja etliche Papierbogen gerade herum wie die Hexen. Das ist mir sehr peinlich, daß ich das wahrnehme. Das könnten nämlich sehr gut lose Blätter aus dem Herrn Baron seinem Tagebuch sein – diese sogenannten Notizblätter, aus denen er dann seine Romane zusammensetzt. Da bin ich sehr aufgeregt, denn das sind große Diskretionssachen. Er nennt nämlich in diesen Notizen immer alles sehr stark beim Namen, das darf in keine gemeinen Hände fallen!

Melanie Wo sehen Sie solche gräßlichen Blätter herumfliegen?

Theodor Da droben! Aber da können Euer Gnaden nicht wissen, wie mich das aufregt. Für Euer Gnaden hat das keine Bedeutung, ob so was in unrechte Hände kommt, aber für mich, der ich in diesem Haus die Verantwortung trage für alles –

Melanie So gehen Sie doch, laufen Sie hinauf und bringen Sie diese Blätter auf die Seite. Da sehen Sie nur, jetzt trägt der Wind eins davon. Da hängts an der Dachrinne. Das ist ja – ich geh mit Ihnen, ich helfe Ihnen.

Theodor bemerkt den General, der im Hintergrunde erschienen ist Ich werde gleich hinaufeilen. Aber Euer Gnaden werden begrüßt vom Herrn General. Bitte sich demgemäß umzudrehen.

5. Szene

General mit einem Strohhut, grüßt, bleibt im Hintergrund auf einer Stufe der Terrasse stehen.
Melanie geht zu ihm nach einem Moment der Verlegenheit und einem verzweifelten Blick nach dem Dach hin.

General Die Baronin wünscht, Ihnen ihre Lieblingsbäume zu zeigen! Mit Melanie ab.

Theodor sieht ihnen nach, schaut dann mit befriedigtem Ausdruck nach oben in der früheren Richtung. Ab.

6. Szene

Marie tritt links aus dem Haus und hält ein Buch unterm Arm.
Anna ist im gleichen Augenblick aus der Orangerie herausgetreten. Beide erschrecken und haben eine gewisse Mühe, unbefangen zu erscheinen. Anna ist blaß und verändert.

Marie Oh, Sie sinds! Man sieht so schlecht gegen die Sonne. Ich habe geglaubt, das ist die Melanie Galattis.

Anna Das war auch meine Idee, wie ich Schritte und ein Kleid gehört habe. Ich war darin und hab etwas gesucht. – Die Kinder haben einen Ball verworfen!

Marie So werde ich Ihnen suchen helfen – Kleine verlegene Pause. Sie sind hier gesessen, ich sehe, daß Ihre Sachen da liegen. Darf ich mich ein bißchen zu Ihnen setzen?

Anna Ich seh Ihnen doch an, daß Sie haben wollen allein sein mit Ihrem Buch, nein?

Marie lächelnd Gar nicht! Setzen wir uns her!

Anna Aber dann nicht hierher. Zögernd Das sind der Melanie Galattis ihre Schreibsachen!

Marie tritt schnell weg vom Tisch Oh, dann nicht!

Anna Ah, dann sind Sie garnicht so intime Freundinnen?

Marie Ich habe keine intime Freundin. Ihre Miene hat sich verändert.

Anna schnell und zart Sie brauchen mir nichts zu sagen, ich weiß, Sie haben Ihren Vater! Mein Vater war auch mein bester Freund, er hat mich dem Jaromir gegeben.

Marie sieht sie freundlich an und lächelt traurig So?

Anna Nein, Sie sind nicht zu fürchten!

Marie sieht sie groß an Ich, ach mein Gott! Beide lachen.

Anna wirft einen Blick nach hinten in den Park Da kommt die Melanie, ich muß ihr guten Morgen sagen.

Stimme des kleinen Jaromir Mami, so komm doch schon!

Anna Und da rufen mich auch meine Kinder.

Marie Zeigen Sie mir Ihre Kinder.

Anna Also gehen wir schnell hinein!

Marie Ja, schnell. Sie verschwinden links ins Haus.

Hermine kommt über die Terrasse heran, sie scheint Melanie zu suchen.
Theodor erscheint, tut, als bemerke er Hermine nicht.

Hermine Herr Theodor, sind die gnädige Frau nicht mehr hier?

Theodor beachtet sie nicht.

Hermine Sind die gnädige Frau vielleicht auf ihr Zimmer gegangen?

Theodor vertieft sich in die Betrachtung eines blühenden Strauches.

Hermine etwas unsicher Herr Theodor –

Theodor als bemerke er sie erst jetzt Ah, Sie wagen sich hierher? Sie riskieren, mir unter meine Augen zu gehen?

Hermine näher bei ihm Ich hab geglaubt, daß du jetzt wieder gut bist auf mich.

Theodor Wieso haben Sie das geglaubt?

Hermine Du hast doch oben im Zimmer ganz freundlich auf mich geredet!

Theodor geringschätzig Ich habe dienstlich an Sie die nötigen Worte gerichtet und damit war basta. Das lassen Sie sich gesagt sein, Sie Hermine. Mit meiner Empfindung spaßt man nicht.

Hermine Ich hab halt geglaubt, wie du mir geschrieben hast, ich soll wiederkommen aufs Schloß, daß damit zwischen uns alles wieder so ist wie früher.

Theodor macht sich mit den Pflanzen zu schaffen, ordnet den Tisch und tut, als wäre er allein.

Hermine zornig und dem Weinen nahe So darfst du mit mir nicht umgehen!

Theodor blitzschnell Ich habe etwas von Nicht-dürfen vernommen. Näher bei ihr mit einem erschreckenden Blick Wer darf hier dürfen? Aber halt, was seh ich denn da fliegen? Diese Papiere da, das kommt doch von dort droben, von den Zimmern, die Ihnen anvertraut sind!

Hermine Das sind gewiß die Papiere, die auf dem Schreibtisch gelegen sind.

Theodor Auf was für einem Schreibtisch?

Hermine Ich glaub, dem Herrn Baron seinen Schreibtisch, den wir miteinander abgestaubt haben.

Theodor empört Was, miteinander, miteinander! Scharf Sie haben abgestaubt und ich habe beaufsichtigt! – Leiser Und da stehst du so ruhig? davon redest du so bagatellmäßig? Ja, auf wen fällt denn das zurück?

Hermine Aber ich hab doch gesagt, hier ist so eine Zugluft, da werden gewiß die Schreibereien beim Fenster hinausfliegen, und darauf hast du das zweite Fenster noch aufgemacht!

Theodor Was, du schaust ja aus wie eine die ausschaut, als wenn sie mir ins Gesicht eine Frechheit behaupten wollte. Ich hätte den Schwerstein weggelegt, das behauptest du? Das bringst du aus deinem Mund heraus?

Hermine Kein Wort hab ich vom Schwerstein gesagt! Den können Sie weggelegt haben oder nicht weggelegt haben oder nicht weggelegt haben oder doch weggelegt!

Theodor sehr drohend Ich kann den Schwerstein weggelegt haben, das, das wagst du mir ins Gesicht zu flüstern?!

Hermine Sie verdrehen ja einem das Wort im Mund!

Theodor Ich verdrehe? Da! Es fliegen hinten noch einige Blätter schief durch die Luft. Ja, so rühren Sie sich! Ihnen anvertraute Sachen fliegen zwischen Himmel und Erde herum!

Hermine hascht einige der Blätter.

Theodor Dort liegt noch eins! Bewegen Sie sich ein bißchen flinker. Es geht jetzt um etwas anderes als um eine Schlosserliebschaft.

Hermine bückt sich.

Theodor Und jetzt hinauf damit! Aber halt! Wissen Sie denn auf welchen Schreibtisch diese Sachen gehören?

Hermine Ja, am Herrn Baron seinen!

Theodor So, und wissen Sie nicht, ob nicht Korrespondenzen von der Dame darunter sind? Auch dieses Fenster steht nämlich offen und bei der Unordentlichkeit, mit der Sie Schreibsachen aufräumen, können sehr wohl aus dem Fenster der Dame Papiere ausgeflogen sein. Da müssen Sie sich sehr in acht nehmen.

Hermine zornig und dem Weinen nahe Ja, was soll ich denn jetzt tun mit die Fetzen?

Theodor Was, Fetzen? Sprechen Sie zu mir in einer ordentlichen dienstlichen Haltung. Benehmen Sie sich, gehen Sie ein bißchen in sich!

Hermine weint Du redest ja, als wenn ich Dir eine fremde Person wäre.

Theodor wild Schluß, Schlosserliebchen! Du bist für mich abgeschlossen. Zu einer Herrschaftsbedienung unter meiner Aufsicht gehört eben etwas anderes als wie eine Liebschaft mit einem ordinären, notorischen Schlosser! Also, jetzt bringen Sie die Sache in Ordnung! Es wäre gescheiter für Sie, es wüßte niemand, daß so diskrete Schriftsachen in Ihrer Hand gewesen sind. Legen Sie es in eine Mappe. Je schneller Sie so etwas aus den Fingern kriegen, desto besser ist es, das rate ich Ihnen im Guten!... Aber nicht hierher, aufs Zimmer! Er spricht die letzten Worte von der Terrasse und verschwindet dann blitzschnell ins Haus Sie Infusorie! Ab.

Vorhang


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