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Dies Haus und wir, wir dienen einer Kunst,
      
 Die jeden tiefen Schmerz erquicklich macht
      
 Und schmackhaft auch den Tod.
      
 Und er, den wir uns vor die Seele rufen,
      
 Er war so stark! Sein Leib war so begabt,
      
 Sich zu verwandeln, daß es schien, kein Netz
      
 Vermöchte ihn zu fangen! Welch ein Wesen!
Er machte sich durchsichtig, ließ das Weiße
      
 Von seinem Aug die tiefste Heimlichkeit,
      
 Die in ihm schlief, verraten, atmete
      
 Die Seele der erdichteten Geschöpfe
      
 Wie Rauch in sich und trieb sie durch die Poren
      
 Von seinem Leib ans Tageslicht zurück.
      
 Er schuf sich um und um, da quollen Wesen
      
 Hervor, kaum menschlich, aber so lebendig –
      
 Das Aug bejahte sie, ob nie zuvor
      
 Dergleichen es geschaut. ein einzig Blinzeln,
      
 Ein Atemholen zeugte, daß sie waren
      
 Und noch vom Mutterleib der Erde dampften!
      
 Und Menschen! Schließt die Augen, denkt zurück!
      
 Bald üppige Leiber, drin nur noch im Winkel
      
 Des Augs ein letztes Fünkchen Seele glost,
      
 Bald Seelen, die um sich, nur sich zum Dienst
      
 Ein durchsichtig Gehäus, den Leib, erbauen:
      
 Gemeine Menschen, finstre Menschen, Könige,
      
 Menschen zum Lachen, Menschen zum Erschaudern –
      
 Er schuf sich um und um: da standen sie.
Doch wenn das Spiel verlosch und sich der Vorhang
      
 Lautlos wie ein geschminktes Augenlid
      
 Vor die erstorbne Zauberhöhle legte
      
 Und er hinaustrat, da war eine Bühne
      
 So vor ihm aufgetan wie ein auf ewig
      
 Schlafloses aufgerißnes Aug, daran
      
 Kein Vorhang je mitleidig niedersinkt:
      
 Die fürchterliche Bühne Wirklichkeit.
      
 Da fielen der Verwandlung Künste alle
      
 Von ihm, und seine arme Seele ging
      
 Ganz hüllenlos und sah aus Kindesaugen.
      
 Da war er in ein unerbittlich Spiel
      
 Verstrickt, unwissend, wie ihm dies geschah;
      
 Ein jeder Schritt ein tiefrer als der frühere
      
 Und unerbittlich jedes stumme Zeichen:
      
 Das Angesicht der Nacht war mit im Bund,
      
 Der Wind im Bund, der sanfte Frühlingswind,
      
 Und alle 
      gegen ihn! Nicht den gemeinen,
      
 Den zarten Seelen stellt das dunkle Schicksal
      
 Fallstricke dieser Art. Dann kam ein Tag,
      
 Da hob er sich, und sein gequältes Auge
      
 Erfüllte sich mit Ahnung und mit Traum,
      
 Und festen Griffs, wie einen schweren Mantel,
      
 Warf er das Leben ab und achtete
      
 Nicht mehr denn Staub an seines Mantels Saum
      
 Die nun in nichts zerfallenden Gestalten.
So denkt ihn. Laßt ehrwürdige Musik
      
 Ihn vor euch rufen, ahnet sein Geschick,
      
 Und mich laßt schweigen, denn hier ist die Grenze
      
 Wo Ehrfurcht mir das Wort im Mund zerbricht.
(1899)