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Verfluchung der Städte I

Die weißen Tore, die ein schwarzes Zeichen,
Ein Totenkopf mit seinem Siegel schmückt,
Sie rollen lautlos auf. Und ihre Sparren bleichen
Vor morgenblassen Städten, die bedrückt

Ein ewges Wolkenmeer, voll Dunst gepreßt,
Voll Regen, Qualm und Schwüle, fett, ein Schlauch,
Voll Unrat, und der Blitze rotes Nest
Glüht ohne Donner in dem trüben Rauch.

Und riesenhaft in ihrer weißen Schwäche
Wie Frauen feist, so dehnt der Städte Brust
Voll weißer Flecken endlos ihre Fläche
In ferne Himmel, die ihr Atem rußt.

Wie mitternächtge Bühnen, schwarz zerrissen
Vom Mondenstrahl, der durch die Wolken bricht,
So weichen ihre eisernen Kulissen
Endlos hinaus, getaucht in fahles Licht.

Durch einer Straße blasse Morgenröte
Tanzt hin ein Weib, das schon der Tod verwest.
Ein Zwerg hinkt vorn, der eine wilde Flöte
Aus seinem weißen Affenbarte bläst.

Und hinter ihr schwankt eine lange Kette,
Ein Haufe Volk, den grauses Schweigen drückt,
Indes des Zwerges helle Klarinette
Ihr Blut mit wilder Flamme toll berückt.

Am Strom hinab, durch traurige Paläste,
Durch Höhlen, wo die Ketten rasseln laut,
Durch schwarzer Gassen düstere Moräste,
Wo ewig eine dunkle Dämmrung graut,

Vom goldnen Strom der Wollust überschwemmt,
Beißen die Kinder in die Mutterbrust.
Das Greisenvolk, das seinen Phallus stemmt
In Jungfraunhintern, wirbelt voller Lust

Wie Schmetterlinge, die die Flügel tragen
Auf Rosen süß. Es fließt der Schöße Blut.
Und alter Lesbierinnen Lefzen schlagen
Wie rote Karpfenrachen toll in Wut.

Zum Takte ihrer Herzen und der Kerker,
Den Schatten gleich, die Hermes' Ruf betört,
So zittern sie, wenn ihre Flöte stärker
Der schlaffen Adern Schwäche wild empört.

An fahlen Himmeln, die ihr Laster rötet,
Ziehn sie, ein tolles Schattenspiel, vorbei.
Die Flöte singt. Und ihre Trauer tötet
Die Geier in der Luft mit ihrem Schrei.


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