Johann Gottfried Herder
Briefe zu Beförderung der Humanität
Johann Gottfried Herder

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Vorbemerkung des Herausgebers

Herder hatte seine »Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit« bis zum Beginne der neuen Bildung Europa's im Gegensatz zu der bis dahin herrschenden päpstlichen Hierarchie geführt, als er von einer schweren Krankheit befallen wurde, welche ihn an der Vollendung des fünften und letzten Bandes hinderte, der so ungemein wichtig und reich umfassend war, daß die Bewältigung des ungeheuren Stoffes dem eben Genesenden, dazu mit den mannichfachsten geschäftlichen Arbeiten Ueberladenen unmöglich schien. Zur Vorbereitung darauf dachte er frei sich ergehende Briefe über die Bedingungen zur Verbreitung wahrer Humanität in die wild stürmende, auf den Wogen ärgster Inhumanität umgetriebene Zeit zu werfen.In der Anmerkung zu Brief 79 unserer Sammlung (S. 352) spricht er diese Beziehung zu den »Ideen« aus. Am Ende der vierten, im Frühjahr 1792 erschienenen Sammlung seiner »Zerstreuten Blätter«, die er noch fortzusetzen gedachte, hatte er den bedeutenden Aufsatz »Tithon und Aurora« gegeben, in welchem er den Glauben an eine Verjüngung und Neugestaltung der Menschheit allen Gräueln der Zeit gegenüber aufrechthielt und die besorgte Frage Berkley's, ob der fünfte Act Europas in Amerika ausgespielt werden solle, dahin beantwortet: kaum drei Acte im großen Schauspiele dieses noch jungen Welttheils seien vorüber, und der alte Tithon der Menschheit könne und werde sich noch oft auf unserm Erdball verjüngen. Als der noch immer rüstige alte Grenadier, sein edler Freund Gleim, ihm seine »Zeitgedichte« zusandte, erwiderte er am 22. Mai 1792, kurz vor der Abreise in das Aachener Bad: »Ihr Büchelchen hat mich sehr erfreut; es ist so wohl und edel gemeint, menschlich, bieder, patriotisch und feurig. Mich interessirt die Stimme der Muse sehr, wenn sie über die acta et facta der Welt, von denen Wohl und Wehe abhängt, laut zu reden oder zu singen wagt und sich in das Pauken- und Trommelgetön, in die Thorheit und Weisheit öffentlicher Verhandlungen mischt. Ach, aber wie furchtsam, wie zurückhaltend muß sie noch immer sein! Werden Sie, wenn die große Katharine sich fernerhin in die polnische Angelegenheit mengt und das große Unschöpfungswort spricht: Non fiat lux, non fiat pax et ordo! lauter zu reden wagen? – Ich gehe jetzt in Gedanken mit Briefen, die Fortschritte der Humanität betreffend, oder humanistischen Briefen um, in die ich das Beste, das ich in Herz und Seele trage, zu legen gedenke. Verleihe der Himmel mir Gesundheit, Muße, Geschick und Freude! – Ihre Gefühle an der krankenden Menschheit, zumal Fürstenheit, haben mich tief durchdrungen; das Jahrhundert eilt mit beschleunigendem Fall zu Ende! an den sollen sich also auch meine humanistischen oder humanen Briefe schließen, so Gott hilft!« Nach der Rückkehr von Aachen war Herder mit Geschäften überhäuft, dazu noch immer leidend, so daß er erst nach einiger Zeit zu seinen »Briefen« kommen und ihnen nur wenige freie Augenblicke widmen konnte. Es sollten Briefe ähnlicher Art sein wie die berühmten »Briefe, die neueste Literatur betreffend«, an denen Lessing anfänglich den bedeutendsten Antheil genommen hatte. Wenn diese an einen bei Zorndorf verwundeten preußischen Officier gerichtet waren, um die Lücke auszufüllen, welche der Krieg in seine Kenntniß der neuesten Literatur gerissen hatte, so sollte dieser Briefwechsel »über die Fort- oder Rückschritte der Humanität in ältern und neuern, am Meisten aber in den uns nächsten Zeiten,« zwischen Freunden geführt werden, welche über dasjenige, was sie in Bezug auf die Förderung der Humanität gehört, gelesen und gesehen,Das Erste und Letzte blieb freilich im Briefwechsel ganz unvertreten, der sich nur auf Gelesenes bezieht. einander Rechenschaft zu geben und aufzuklären sich verbunden hatten. Indessen war es auf eine künstlerische Durchführung dieser äußern Einkleidung am Wenigsten abgesehen; diese sollte nur den Faden bilden, der die Mittheilungen zwanglos verknüpfte und Rede und Gegenrede über bedeutende einschlagende Punkte gestattete. Daher wurden auch die zuerst unter die Briefe gesetzten Chiffern der Namen der Briefsteller noch vor der Herausgabe der ersten Sammlung weggelassen, die äußere Anknüpfung nur ganz allgemein gehalten und gar größere Abhandlungen und Zusammenstellungen über einzelne Gegenstände, die von anderer Seite einem der Briefsteller zugekommen waren, eingeschoben, über welche in den Briefen selbst verhandelt werden sollte. Sonst knüpfen die Briefe an die betreffende Literatur an, wobei sie aber auf die letzten sieben Jahre zurückgreifen. Der gewaltigen politischen Erschütterungen der Zeit wird jetzt gar nicht gedacht, obgleich bereits die erste Sammlung eine im Jahre 1792 erschienene Schrift bespricht; ursprünglich aber hatte sich Herder auch darüber ausgelassen. Eine Sammlung der Briefe war bereits Ende 1792 vollendet. Herder theilte die Handschrift am 29. December seinem Freunde Knebel mit, der am folgenden Tage sich eingehend darüber äußerte. »Manches daraus hat mich sehr erquickt,« schreibt Dieser, »und im Ganzen weiß ich Ihnen den herzlichsten Dank, daß Sie so manche Wunde und dumpfe Seite unseres Vaterlands aufgedeckt und zum gehörigen Anschauen und Beleuchten gebracht haben. So ist's über Politik, so ist's über Philosophie; und noch mehr haben Sie über letztere mein Gemüth und meinen Beifall rege gemacht. Sie thun wohl, daß Sie Sich die Streitfragen über Politik etwas entfernt halten, und in der That scheint Ihre Schrift hierinnen einige Jahre wieder zurückzugehn, um das Interesse nicht so nahe und innig zu legen. Dies ist gut, um die Vorstellungsart allmählig zu erziehen und zu leiten und hauptsächlich auf die großen Punkte zu deuten, wo der Schaden liegt, und die einer Verbesserung fähig sein möchten. Dazu kann der milde Stil Ihrer Briefe Vieles beitragen, um die Gemüther hierüber aufzuklären. Diesen milden Stil der Briefe habe ich nur einmal, wie mich däucht, vermißt, und das zwar im fünften Briefe, wo ich gewünscht hätte, einige Stellen mit weniger Schärfe ausgedrückt zu finden. Man muß nicht wohl nach Rache rufen, wenn die Rache wirklich schon vor der Thüre ist; vielleicht wären diese Stellen vor wenigen Jahren weniger auffallend gewesen.Es waren wol starke Stellen gegen die deutschen Fürsten in Nr. 4 und 5 jenes Briefes. Daß ich die französischen Sachen nicht ganz unter dem zweideutigen Lichte sehe, wie sie auch hier zum Theil gezeigt werden, können Sie wol glauben. Es ist aber vielleicht gut, den Schein davon noch eine Weile abzuhalten, wenn sie uns nur nachher nicht allzu geschwind übereilen. Ich sehe auch nicht ein, warum eine französische Constitution so antipathisch einer deutschen sein solle, wenn beide auf Vernunft und wahrer Menschlichkeit erbaut werden sollen. Doch möchte es freilich in dieser letzten Rücksicht bei den Deutschen noch einer Vermittlung zwischen Vernunft und – Mensch gebrauchen. Die Kantianer mit ihrem -anismus haben mir am Meisten Vergnügen gemacht, und ich habe bei dieser Gelegenheit mein Müthchen recht gekühlt, ob ich gleich eine Freude habe über das schöne Lob von Kant selbst. Das ist Alles an seinem rechten Fleck, ob ich schon dem alten Patriarchen so ganz eben nicht traue, wie denn der böse Geist oft den Heiligen in der Wüste erscheint. Die Stelle des Leibniz über die Cartesianer ist trefflich und passend.Die Aeußerung über Kant erschien erst in der fünften Sammlung, in Brief 79, wo aber das über die Kantianer Gesagte aus Liebe zum Frieden unterdrückt ist. Die Stelle von Leibniz über die Cartesianer steht jetzt unter den gesammelten Sprüchen von Leibniz in Brief 61 (S. 291 f.). Verzeihen Sie, daß ich hier und da einige kleine rothe Striche angezeichnet habe. Es geschah blos, um Ihren Willen zu erfüllen, und wo mir einzelne Ausdrücke etwas im Wege standen. Im Ganzen muß ich aber nochmals bekennen, daß ich nichts Beleidigendes finden konnte, das man nicht wenigstens aus Ihren andern Schriften schon gewohnt wäre. Noch Eins muß ich sagen wegen der Einkleidung. Da diese Briefe durchaus nichts Locales enthalten und nur fortgesetzte Beobachtungen, so könnten wol die unterscheidenden Buchstaben wegbleiben und sie allesammt als eine Collection von Briefen einiger Freunde, ohne besondere Motivirung des Anlasses dazu etc., angegeben werden.«Herder ließ darauf hin die Buchstaben unter den Briefen weg (vgl. die Anmerkung am Schlusse des ersten Briefes, S. 6), wodurch er der Mühe überhoben war, sich das Verhältniß der Briefschreiber gegen einander immer gegenwärtig zu halten. Nach dieser Aeußerung Knebel's waren die damals ihm vorgelegten Briefe von den jetzigen beiden ersten Sammlungen verschieden; sie enthielten Vieles über die Philosophie und besonders das Urtheil über Kant, was jetzt erst in der fünften und sechsten Sammlung sich findet, und auch politische Erörterungen fehlten nicht. Herder legte manche der bereits fertigen Briefe einstweilen zurück und schob dagegen andere Briefe ein, so wahrscheinlich die über Friedrich den Großen und Joseph II., welche auf die hohe Bedeutung der Fürsten für die Bildung und auf die Nothwendigkeit einer guten Fürstenerziehung hindeuten sollten. Herder war mit der Erziehung, die man dem Erbprinzen von Weimar gab, gar nicht einverstanden.

Die beiden ersten Sammlungen wurden während des Winters druckfertig gemacht und in Druck gegeben; sie erschienen rasch hintereinander im folgenden Frühjahre. Gegen Mitte März schreibt Herder an Heyne: »Ein paar Sachen (er meint die Humanitätsbriefe und die fünfte Sammlung der »Zerstreuten Blätter«) kommen von mir nächste Messe oder nach der Messe heraus; ich bin aber, wie Sie sehen werden, sehr im Zwange gewesen. Die Briefe sollen meine silvaeWie Statius seine vermischten Gedichte genannt hatte. sein, worin ich nach Gefallen umherwandle. Die Anlage ist mit Fleiß etwas weit hergeholet. Dürfte ich zu diesem Behuf mir Proyart's Vie du Dauphin de Bourgogne aus Ihrer Bibliothek erbitten?Er benutzte das Buch zu der vierten Sammlung, Brief 49. Es ist mir in Aachen, wo ich's las, aus den Händen gegangen. Von Whitfield, dem Methodisten, ist in Ihren Gelehrten Anzeigen ein Leben weitläufig angezeigt gewesen. – Wollten Sie dies wol beilegen lassen?« An Gleim berichtet er am 12. April: zu den »Briefen«, von denen er bald ein Bändchen senden werde, habe er die Zeit sich nur ausstehlen müssen, um nicht ganz zum Actenstaube zu werden. Gerade einen Monat später schickt er Diesem die erste Sammlung mit der Aeußerung: »Manches wird Ihnen, zu unserer Zeit gesagt, fremde dünken. Aber sie wurden vor Jahren geschrieben;In Wirklichkeit nicht. Herder deutet auf die Zeit, wo man sie sich geschrieben denken soll. Die als eben erschienen bezeichneten Werke Friedrichs kamen 1788 heraus; der Tod Joseph's II., der die Gespräche über Diesen veranlaßt, fiel in den Februar 1790, wozu es freilich schlecht stimmt, daß vorher von Schlichtegroll's 1792 erschienenem »Nekrolog« die Rede ist. die Muse sitzt über dem Zodiakus, und unter ihr dreht sich die Erde.Mit Beziehung auf das der ersten Sammlung vorgesetzte, von H. Meyer gezeichnete, von Lips gestochene Kupfer, auf welchem die auf dem Zodiakus sitzende Muse, welche Papiere in der Hand hält, die Humanität sein soll, die er in einem Briefe an Jacobi eine ganz vortreffliche zehnte Muse, seine Muse nennt. Gefalle Ihnen davon, was Ihnen gefallen kann; die Wahrheit, wie die Grazie, leidet keinen Zwang, keinen als innere Ueberredung. Eins muß ich nur sagen: die Briefe sollen ins Unendliche fortgesetzt werden; darum mußte ihre Basis so breit, so breit sein.« An demselben Tage reiste Goethe zur Belagerung von Mainz ab, der auch ein Exemplar der ersten Sammlung der »Briefe« dem Herzog Karl August übergeben sollte. »Meine Briefe mögen Dir wohl gefallen, lieber Bruder,« schreibt Herder an demselben 12. Mai an Jacobi; »es sind mancherlei Stimmen darunter; einige oder eine wird Dir wenigstens recht sein, filosofo capriccioso! Sie, lieben Schwestern, Lene und Lotte, bitte ich nur die Muse auf dem Zodiakus anzusehn; da haben Sie gnug! Nicht wahr, es ist schön, da zu sitzen? Die Papiere wirft man sodann auf die dunkle Erde. Im nächsten Theil, hoffe ich, wollen wir die Muse auf den Regenbogen placiren; der ist ein Zeichen des Friedens.« Aber die folgenden Sammlungen erschienen ohne Kupfer. Eine Woche später meldet er Heyne: »Hier sind Briefe, wie sie die Zeit gab, wie sie die Zeit zuließ, und wie ich mir dazu Stunden nur ausstahl. Sie sollen fortgeführt werden; darum ist die Base zu ihnen sehr breit geworden, hat aber nicht tief entblößt werden können, damit man nicht zu früh auf den Grund komme, der vor der Hand etwas unannehmlich sein möchte.« Dieser Grund war die Bildung der höhern Stände, besonders der Regierenden selbst, als der notwendigen Grundlage der Beförderung der Humanität. Am 2. Juni schreibt Goethe aus dem Lager bei Marienborn vor Mainz, ein Dämon habe ihn noch abgehalten, die Briefe dem Herzog zu übergeben; die Zerstreuung, Verwirrung, Inhumanität um sie sei zu groß. Eben hatte er dazu Muth bekommen, als er von Herder schon die zweite Sammlung erhielt; beide Sammlungen nahm der Herzog mit Dank auf, dem er in einem Briefe vom 14. Juni Ausdruck gab. »Die Muse auf dem Zodiakus ist glücklich bei mir eingeritten, schrieb er, »und hat mich nicht in der humanesten Beschäftigung gefunden; indessen zweckt unser Bestreben ab, die fränkischen Unmenschlichkeiten vom deutschen Boden zu kehren; und das ist ja auch wol ein Beitrag zu Ihrem humanen Vorhaben, lieber Herder? Ihr Buch hat mich sehr gefreut und die harte Schale etwas erweicht, die so viele Mühseligkeiten und Verdruß nebst allerhand wunderbaren Schauspielen sehr begreiflicher Weise über mein Sensorium gezogen hatten. Haben Sie meinen besten Dank dafür! Lasse uns das gute Glück bald die Zeit erleben, wo man nichts mehr zu thun hat, als sicher und ungestört die Endzwecke eines jeden wohldenkenden Menschen erfüllen zu helfen! Leben Sie wohl und seien der beständigen Freundschaft und Hochachtung Desjenigen versichert, den es freut, sich nennen zu können Ihr treuer Freund Karl August.« Goethe begleitete diesen Zuspruch mit den herzlichen Worten: »Mein Unglaube ist durch die Art, wie der Herzog und einige Andere, die in der leidigen Kriegsarbeit begriffen sind, Dein Buch aufgenommen haben, glücklich beschämt worden. – Fahre ja fort, Deine Sammlungen zu bearbeiten, und laß sie immer so wohlthätig sein!« Die freundliche Aufnahme der Briefe, die auch in der Literaturzeitung, Nr. 197 f., anerkennend besprochen wurden, gereichte Herder zur besonderen Freude. »Meine Briefe über die Humanität denke ich fortzusetzen,« schreibt er an Heyne; »ich habe mir deshalb eben den freiesten Spielraum gewählt. Ich kann jetzt Alles in sie bringen, was ich will, und darf keine Materie weiter erschöpfen, als der Moment es gebietet. Auch bin ich eigentlich für keine geäußerte Meinung responsabel. Die zwei ersten Sammlungen sind gerade von den Personen und Ständen gut aufgenommen, von denen ich vorzüglich gelesen zu sein wünschte, und das ist auch gut.« Neben andern, ihn mehr in Anspruch nehmenden Werken gelang es ihm, in den nächsten vier Jahren mit Leichtigkeit je zwei Bändchen dieser Briefe, von denen bereits Manches vollendet vorlag, zum Drucke zu befördern, da er sich einen ihm leicht zu Gebote stehenden Stoff wählen konnte, über den er frei sich ergehen durfte, wenn er auch freilich manche Rücksichten, besonders auf den Hof, zu nehmen hatte, den er durch zu freisinnige Aeußerungen nicht verletzen oder ihm mißliebige Bemerkungen von andern Höfen zuziehen durfte. Wie viel hatte er schon bei den »Ideen« unterdrücken zu müssen geglaubt! wie ängstlich hatte er sich zurückhalten müssen, um nicht anzustoßen und dem Buche den Eingang in höhere Kreise zu versperren! In der dritten Sammlung ging Herder, nachdem er über wahre Humanität sich eingehender geäußert hatte, zu der Humanität der Alten über, sprach sich auch auf Veranlassung von Lessing's »Emilia Galotti« über die sittliche Wirkung der Bühne aus; in der vierten nahm er die Deutschen als Nation gegen die ihnen gemachten Vorwürfe in Schutz, erging sich in Betrachtungen über die aus der Beschäftigung mit der Natur sich ergebende Bildung und sprach auch den auf die vaterländischen Angelegenheiten gerichteten Zeitschriften das Wort, wobei manches Andere zu belebender Abwechslung sich durchschlang. Eine sehr günstige Beurtheilung Heynes that ihm sehr wohl. Die fünfte Sammlung der Briefe, die von seines jungen Freundes, des Schweizers J. G. Müller »Bekenntnissen merkwürdiger Männer von sich selbst« ausging, brachte eine neue Bearbeitung seiner eigenen vor dreißig Jahren erschienenen Schrift über die Frage, welches Publicum wir jetzt haben im Gegensatze zu den Alten, und schloß mit einer besonders warmen Schilderung der Verdienste des nach Luther bedeutendsten deutschen Schriftstellers, des für die Hebung wahrer deutscher Bildung unablässig bestrebten Leibniz, woneben manches andere zeitgemäße Wort über Verbreitung wahrer Humanität fiel. Knebel, der an den Briefen den lebhaftesten Antheil nahm, auch selbst ein paar dichterische Gaben beigesteuert hatte, schrieb bei Lesung dieser Sammlung die Verse:

»Welch ein seltener Geist beseelte die Feder des Schreibers,
Das zu bezeichnen, was ist, und anzudeuten, was sein soll!«

Die sechste Sammlung erging sich in tief geschöpften Aeußerungen über den humanen Werth der bildenden Kunst der Griechen und brachte Betrachtungen über Volkserziehung und wahren Gemeingeist. Am 3. Juni 1795 schreibt Herder an Gleim: »Ich erwarte bald über die Briefe der Humanität Ihre Stimme der Liebe. Ich habe in diesen zwei Theilen einen großen Theil meines Geistes und Herzens ausgegeben, fast zu viel auf einmal. Aber mich trieben die Musen! Mit den wenigen Briefen über die griechische Kunst hätte ich Bände ausfüllen können; gnug, wenn es Einigen gefällt!« Schiller äußerte Herder seine Freude über den reichhaltigen Stoff und das schöne Leben, welches in der ihm geschenkten fünften und sechsten Sammlung herrsche und ihn in eine sehr angenehme Stimmung versetzt habe. »Das eben ist das so sehr Auszeichnende darin (und was auch das Prädicat der Humanität eigentlich ausdrückt), daß Sie Ihren Gegenstand nicht mit isolirten Gemüthskräften anfassen, nicht blos denken, nicht blos anschauen, nicht blos fühlen, sondern zugleich fühlen, denken und anschauen, d. h. mit der ganzen Menschheit aufnehmen und ergreifen.« Ja, er bedauerte, daß diese schönen Aufsätze für die von ihm unternommenen »Horen« verloren gegangen, und forderte ihn dringend auf, diesen von jetzt an Alles zuzuwenden, was ihm in die Feder komme, indem er ihm selbst die Bestimmung des Honorars überließ. Aber Herder wollte von seinen »Briefen« nicht ablassen, wenn er auch einzelne Beiträge zu den »Horen« zu liefern bereit war. Als Gleim am Anfange des Jahres 1796 äußerte, Herder lasse sich die Humanität sauer werden, erwiderte Dieser, ja wohl lasse er es sich sauer werden, aber er müsse; womit er auf die Notwendigkeit schriftstellerischen Erwerbes deutete. Gleim tröstete ihn mit der Versicherung, daß er unendlich viel Gutes stifte und mehr gelesen werde, als er glaube.

Hatte Herder bisher die humane Bedeutung der alten Dichtung und Kunst behandelt, so stellte er in der siebenten und achten Sammlung den Einfluß der neuern Dichtung auf humane Bildung mit vergleichender Beziehung auf das Alterthum dar. Hierüber läßt er einen der Briefsteller einige ihm zur Hand gekommene Fragmente mittheilen, über welche dann in den Briefen selbst verhandelt wird. Bei der etwas auffallenden Bezeichnung als »Fragmente« schweben wol die von Lessing mitgetheilten sogenannten »Wolfenbüttel'schen Fragmente« vor, die einen so leidenschaftlich geführten Streit erregten. Die deutsche Dichtung wird hier gegen die Vorwürfe, daß sie charakter- und formlos sei, in Schutz genommen und das Wesen der deutschen Kritik näher bezeichnet. Freilich mangelt der Besprechung der deutschen Dichtung jede Würdigung ihrer Kunstvollendung, da Herder bei ihr fast nur die Wirkung auf Herz und Geist beachtete, die innere Kunstform und wahrhaft dichterische Gestaltung, welche der Dichtung als solcher ihren Werth geben, bei Seite ließ, wie er denn später sogar öffentlich als Gegner der höhern Kunstrichtung hervortrat, welcher Goethe und Schiller mit Aufwendung ihrer vollen Dichterkraft sich widmeten. Schon am 16. Mai konnte er die siebente und achte Sammlung an Gleim schicken. Auch Goethe und Schiller erhielten sie. Der Erstere las sie mit großem Antheil, besonders die siebente schien ihm vortrefflich gesehen, gedacht und geschrieben, wogegen die achte, so viel Treffliches sie auch enthalte, Einem nicht wohl mache, und es sei dem Verfasser auch nicht wohl gewesen, da er sie schrieb. »Eine gewisse Zurückhaltung, eine gewisse Vorsicht, ein Drehen und Wenden, ein Ignoriren, ein kärgliches Vertheilen von Lob und Tadel macht besonders das, was er von deutscher Literatur sagt, äußerst mager. Es kann auch an meiner augenblicklichen Stimmung liegen; mir kommt aber immer vor, wenn man von Schriften wie von Handlungen nicht mit einer liebevollen Theilnahme, nicht mit einem gewissen parteiischen Enthusiasmus spricht, so bleibt so wenig daran, daß es der Rede gar nicht werth ist. Lust, Freude, Theilnahme an den Dingen ist das einzige Reelle, und was wieder Realität hervorbringt; alles Andere ist eitel und vereitelt nur.« Viel schärfer äußerte sich Schiller darauf in seiner herben Weise gegen Goethe. Herder wirke dadurch, daß er immer aufs Verbinden ausgehe und zusammenfasse, was Andere trennten, immer mehr zerstörend als ordnend auf ihn. Seine unversöhnliche Feindschaft gegen die Reime sei ihm auch viel zu weit getrieben, und was er dagegen aufbringe, halte er bei Weitem nicht für bedeutend genug; der Eindruck des Reimes lasse sich durch kein Raisonnement wegdisputiren. »An seinen Confessionen über die deutsche Literatur verdrießt mich noch außer der Kälte für das Gute auch die sonderbare Art von Toleranz gegen das Elende; es kostet ihn ebenso wenig, mit Achtung von einem Nicolai, Eschenburg u. A. zu reden als von dem Bedeutendsten, und auf eine sonderbare Art wirft er die Stolberge und mich, Kosegarten und wie viele Andere in einen Brei zusammen.Vgl. Brief 102 (S. 457). Seine Verehrung gegen Kleist, Gerstenberg und Geßner – und überhaupt gegen alles Verstorbene und Vermoderte hält gleichen Schritt mit seiner Kälte gegen das Lebendige.« An Eichhorn, dessen Aufforderung, in seiner »Geschichte der Künste und Wissenschaften seit der Wiederherstellung derselben« die schönen Wissenschaften zu übernehmen, er hatte ablehnen müssen, schreibt Herder bei Uebersendung der beiden Sammlungen am 20. Juni 1796: »Abermals treffen wir uns, hochgeschätzter Freund, unvermuthet wieder beisammen; in einer Messe sind wir mit Untersuchungen über einen Gegenstand erschienen.Eichhorn hatte eben den Anfang seiner »Allgemeinen Geschichte der Cultur und Literatur des neuen Europa« herausgegeben. Sie wie die reiche Stadt-, ich wie die arme Feldmaus. Der Plan der Briefe litt blos Resultate (Proben sollte ich freilich mehr gegeben haben, und es war unnütze Papierschonung, daß ich sie ausließVgl. dagegen die Schlußanmerkung zur siebenten Sammlung (S. 414). ; ich habe mir indessen vorgenommen, die Phänomene der epischen und Roman-Dichtkunst einzeln zu behandeln, wozu ich viel gesammelt habe. – Auch die Materie des achten Theils ist nicht geschlossen, sondern geht in den neunten über. Lesen Sie mit gutem Gemüth, lieber Freund, und schreiben mir einmal Ihre Meinung oder sagen sie in Ihrer BibliothekAllgemeine Bibliothek der biblischen Literatur.

Während des folgenden Winters arbeitete Herder die neunte und zehnte Sammlung der Briefe. Am 30. December 1796 scherzt er in einem Briefe an Gleim: »Ich schreibe, was ich kann, und will Euch mit der Humanität so ermüden, daß Ihr aus Noth human werden müßt, damit ich nur endlich schweige.« Fühlte er sich auch »zerknickt und zermergelt«, das Schreiben war für ihn eine Cur, er fühlte sich dabei gesund. Am 24. Februar 1797 meldete er seinem Sohne August, die sechste Sammlung der »Zerstreuten Blätter« und die neunte der »Humanitätsbriefe« seien ausgedruckt, an der zehnten, der letzten, arbeite er mit allen Kräften. Einen Monat früher hatte er Demselben geschrieben, er arbeite matt an der zehnten Sammlung der »Briefe«. Die Materie übermanne ihn, und ihn dünke, er schreibe zu viel, er singe ohne Echo; doch der Himmel werde durchhelfen, da er ohne Anmaßung schreibe. So hielt ihn das Bewußtsein, daß er zum allgemeinen Besten schreiben, der Welt seine warme Ueberzeugung sagen, sie für die wahre Humanität gewinnen müsse. In der neunten Sammlung sprach er eindringlich von dem Schaden, den die Verehrung der französischen Sprache unserer Bildung gethan, und zeigte am Beispiele Lessing's, wie wenig die Deutschen es Denjenigen gedankt, die der unseligen Französirung gegenüber einen bessern Geschmack einzuführen gesucht. Daß die Deutschen sich von dem unwürdigen Einflusse der französischen Sprache und Literatur frei machen müssen, spricht er scharf aus und deutet darauf hin, wie schädlich hier die Höfe und die höhern Stände gewirkt. Den Schluß sollte eine Epistel in Versen über den Nationalruhm bilden; aber da er wegen der Schärfe einzelner Stellen damit Anstoß zu erregen fürchtete, forderte er den Verleger Hartknoch auf, das schon gedruckte Gedicht wegzulassen, worauf Dieser den Schlußbogen ganz umdrucken ließ. Erst im Jahre 1812 gab der Verleger der Briefe das Gedicht in einem Einzeldrucke, wobei er bemerkte, Herder habe sich, als es bereits am Schlusse der neunten Sammlung gedruckt gewesen, durch Verhältnisse veranlaßt gefunden, es zu unterdrücken. Wir haben es an seiner Stelle gegeben, wie es schon in der zweiten Ausgabe von Herder's Werken geschehen war. Die zehnte Sammlung handelt zunächst von den Nachtheilen der Aufdringung einer fremden Cultur, wobei Herder einige von ihm sogenannte »Negeridyllen« giebt, welche die Grausamkeit der Europäer gegen die an edler Gesinnung sie so oft übertreffenden rohern Völker scharf ausprägen. Gleim wünschte, Herder hätte an der Stelle dieser »menschenfeindlichen« Negeridyllen der Dichterin Karschin, wie er Lessing und Winckelmann gethan, hier ein Ehrendenkmal errichtet. Weiter geht die zehnte Sammlung auf die wahre Schätzung der Eigenthümlichkeit aller Völker ein und schildert die edlen Grundsätze mehrerer Fürsprecher der Menschheit, giebt sodann die Grundzüge einer Naturgeschichte der Menschheit, erklärt sich scharf gegen die verderblichen Grundsätze der herrschenden Politik, denen sie die allein zu Ruhe und Frieden führenden Grundsätze der Humanität entgegenstellt, und entwirft, mit Zurückweisung der falschen Geschichtschreibung, das Bild der wahren, welche alle Begebenheiten nach den festen Grundsätzen der Ueberzeugung von Recht und Unrecht, mit Sinn und Mitgefühl für die gesammte Menschheit darstelle. Endlich kommt sie auf das Christenthum, dessen unverfälschte Lehre in die reinste Humanität auf dem reinsten Wege geleite. Hiermit hatten die »Briefe zu Beförderung der Humanität« einen gewissen Abschluß gefunden, insofern hier der hohe menschliche Geist, den sie empfehlen, als Lehre des von den gebildeten europäischen Völkern als Heiland anerkannten Menschensohnes dargestellt wird. Freie Bildung des Geistes und Herzens eines jeden Volkes nach seiner eigenthümlichen Anlage, Entwicklung des in jedem liegenden Keimes zu gedeihlichster Entfaltung, Mitgefühl für alle Völker als gleichberechtigt zum Genusse ihres irdischen Daseins, dieses Evangelium hat Herder in diesen Briefen nach den mannichfachsten Richtungen bald andeutungsweise, bald in weiterer Ausführung verkündet und dadurch, wie durch seine leider unvollendeten »Ideen«, auf die gebildeten Kreise unseres Volkes nicht unbedeutend eingewirkt. Mag in ihnen auch Manches für uns veraltet sein, der edle Menschensinn des Verfassers tritt uns überall in sinniger Anmuth und treuer Herzlichkeit entgegen und läßt auf den tiefen Grund einer edlen, selbst vom Leben vielfach zerknickten Seele schauen. Von der eigentlichen Politik hielt sich Herder ebenso fern wie Goethe und Schiller, aber nicht aus Abneigung, sondern aus Furcht, Anstoß zu erregen, die Wieland in seinem jugendlich frischen Muthe überwand, der oft mit schöner Einsicht auf das verworrene Treiben der wild stürmenden Zeit einging. Wenn Herder es sich in seinen Briefen oft sehr leicht machte, Vieles mehr berührte als eingehend behandelte, so lag dies theils in dem einmal angeschlagenen Tone der auf einen weitern Leserkreis berechneten Briefe, theils in der raschen Ausarbeitung derselben, für die ihm nur wenige Zeit blieb, da Berufsgeschäfte, Krankheit, Verstimmung und die Ausarbeitung anderer Schriften ihn nicht zu ruhiger Hingabe an den ihm so sehr am Herzen liegenden Gegenstand gelangen ließen. Nicht allein hatte er noch zwei Sammlungen der »Zerstreuten Blätter« herausgegeben und die Uebersetzung Balde's in der »Terpsichore« geliefert, auch eine Reihe das Christenthum betreffende Abhandlungen, an denen er mit gespanntester Seele hing, wurden diese Zeit über ausgearbeitet. Mögen wir es immer bedauern, daß unsere Briefe nur Neben-, ja zum Theil Erwerbsarbeiten waren, die er leicht hinwarf, Manches ist auch hier mit lebendiger Frische aus der Fülle des Geistes und Herzens geflossen, und das Ganze bleibt ein erhebendes Bekenntniß einer der freien Entwicklung edler Menschheit rein und warm zugewandten Seele, wird von einem Geiste sinnig belebt. Unsere Literatur hat nichts, was sie dieser Sammlung von Briefen des Priesters der Humanität, bei aller Mangelhaftigkeit im Einzelnen, zur Seite setzen kann. Die vollendete Sammlung fand in der Allgemeinen Literaturzeitung, 1798. Nr. 345 f., und in Posselt's »Weltkunde«, 1798. Nr. 207, die schönste Anerkennung. Beide Kritiken gehen auf den Inhalt der einzelnen Bände ausführlich ein, und die erstere faßt ihr Urtheil dahin zusammen, daß sie die Humanitäts-Briefe als eine Schrift bezeichnet, »die von dem reinsten, edelsten Geiste der Humanität belebt sei und einen herrlichen Schatz der wichtigsten und heilsamsten Lehren, mit wahrer Lebensweisheit und edler Freimüthigkeit schön und eindringend vorgetragen, enthalte,« von der man kein Bändchen »nicht mit dem Vergnügen aus der Hand legte, welches man jedesmal empfindet, wenn man aus einer geistreichen Gesellschaft, aus einer herzerhebenden Unterredung zurückkommt.«

In der Kritik des letzten Journals heißt es u. A.: Noch nie ist eine Sammlung »in diesem Geiste, mit einem so umfassenden Ueberblick alles Forschens und Wissens älterer und neuerer Zeiten, mit einem so reinen Eifer für das Eine, was dem Menschen noth ist, wann's besser mit ihm werden soll, in einer so kraftvollen, originellen, herzergreifenden Sprache . . . weder in Deutschland, noch bei irgend einer andern Nation geschrieben worden. Hätte Frankreich oder England ein solches Product hervorgebracht: wie gierig würden die Schakals unserer Literatur, die zahlreichen Uebersetzer-Gewerkschaften, darüber hergefallen sein, wie lobpreisend würden unsere kritischen Journale . . . den ausländischen Posaunen nachgeklungen oder vielleicht an Schnelligkeit der Verkündigung es ihnen selbst zuvorgethan haben! . . . . Die Form dieser Briefe zur Beförderung der Humanität ist so mannichfaltig und abwechselnd, in so viel kleinere Ruhepunkte getheilt, dem Lustwandler in den Blumengefilden der Literatur aller Völker so einladend, daß selten eine reichere, vielleicht nie eine geistigere Blumenlese erschien als diese Sammlung. Durchs Ganze läuft in nur leise hingezogenen Fäden ein Briefwechsel über die Fort- und Rückschritte der Humanität unsers Zeitalters als des Productes aller frühern Weisheit und Thorheit« u. s. w. u. s. w.

Wie Herder's Wirkung überhaupt später mehr zurücktrat, so war dies ganz besonders bei unsern Briefen der Fall, weil diese nicht ein freier Erguß seines vollen Geistes, sondern nur aus zufälligen Anlässen hervorgegangen waren, und auch so manches Fremde in sich aufgenommen, von Friedrich dem Großen und Lessing an bis zum Verfasser der Bonhommien und dem Dichter des Hymnus auf die Göttin Flora, ja auch Herder's Betrachtungen an manches Unbedeutende sich angeschlossen hatten, das einen nur zu vergänglichen Werth hatte. Neben den Ideen, die von seinen prosaischen Schriften fast allein noch durch den Vollwerth ihres Gehaltes sich in dauernder Gunst erhielten, traten sie ganz zurück, obgleich sie wie die Adrastea enge mit diesen zusammenhängen und in den verschiedensten Beziehungen höchst beachtenswerthe, zum Theil auch durch Schönheit der Darstellung ausgezeichnete Anschauungen und Betrachtungen bieten und selten Herder's freien, der reinsten Ausbildung der Menschheit liebevoll zustrebenden Geist verleugnen.

Leider sollte es ihnen in der Ausgabe der »Werke« gar schlimm ergehen. Sie wurden hier willkürlich aus einander gerissen, so daß ein Theil unter dem ursprünglichen Titel in den Werken »Zur Philosophie und Geschichte«, ein anderer, Brief 23-25 und Brief 122, daselbst in dem vom Herausgeber »Postscenien zur Geschichte der Menschheit« genannten Bande unter der Ueberschrift: »Blicke in die Zukunft für die Menschheit«, die übrigen unter der Bezeichnung: »Ideen zur Geschichte und Kritik der Poesie und bildenden Künste«, in der Abtheilung »Zur schönen Literatur und Kunst« gegeben wurden, wodurch vielfach der Zusammenhang gestört, ja zuweilen eine Beziehung ganz unverständlich geworden ist. Die Sammlung der »Funken« aus Lessing hat man »zur Ersparung des Raumes« weggelassen, da ja auch eine Blumenlese aus Lessing's Schriften vor Kurzem erschienen sei. Allein Herder's Sammlung ist aus einem ganz andern Standpunkte als die von Fr. Schlegel herausgegebene angefertigt, und mit der Sammlung sind auch manche bedeutende Aeußerungen Herder's selbst über Lessing weggeblieben, welche er in den Anmerkungen beigefügt hatte. Am Ende des fünften Briefes ist die Ode von Uz »Der Patriot« ausgefallen. Noch weniger ist es zu billigen, daß am Anfange von Brief 10 die Ode Klopstock's »An den Kaiser« mit Herder's darauf bezüglichen Worten, die als Einleitung zum folgenden »Gespräch« dienen, weggeschnitten ist. Brief 55 hat ganz zweckwidrig die Ueberschrift »An M.« erhalten, weil er ursprünglich an Johann Georg Müller gerichtet war, da er doch in der jetzigen Fassung auf Brief 54 zurückweist; ja, Johann von Müller hat in den Werken »Zur Philosophie und Geschichte« zwischen Brief 54 und 56 (denn Brief 55 ist den Briefen in der Abtheilung »Zur schönen Literatur und Kunst« zugewiesen) einen ausführlichen, gar nicht zur Sammlung gehörenden Brief eingeschoben, den Herder an J. G. Müller in Bezug auf dessen Sammlung: »Bekenntnisse merkwürdiger Männer von sich selbst«, geschrieben hatte, und der vom Herausgeber jenen »Bekenntnissen« vorgesetzt worden war.

Neuerdings hat Heinrich Kurz unsere »Briefe«, wie schon Löbell gewünscht hatte, in ihrer ursprünglichen Gestalt abdrucken lassen. Die Epistel über den Nationalruhm fehlt hier wol, weil Kurz die Lage der Sache unbekannt geblieben war und er sich blos an den ersten Abdruck hielt.

Wir haben die vielen fehlenden Nachweisungen der angeführten Stellen möglichst ergänzt und aus der Vergleichung derselben selbst manche eingeschlichene Versehen berichtigt, auch sonst, wo es nöthig schien, erläuternde oder berichtigende Bemerkungen hinzugefügt, welche von Herder's Anmerkungen überall durch ein beigefügtes D. geschieden sind, wogegen die von Herder gegebenen durch H. bezeichnet sind. Herder hatte bei den Anmerkungen oft zwischen den vom Briefsteller und den vom Herausgeber herrührenden unterschieden, was aber nicht überall gleichmäßig geschah. Wir haben, da beiderlei Anmerkungen Herder angehören, diese Unterscheidung weggelassen.

Die jedem einzelnen Bande beigegebenen Inhaltsverzeichnisse haben wir zu einem einzigen, den Briefen vorangehenden vereinigt. Ueber alle Aenderungen mit Ausnahme der in der gegenwärtigen Sammlung durchgeführten Rechtschreibung giebt am Schlusse die Nachweisung »Zur Revision des Textes« nähere Auskunft.

 


 


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