Karl Friedrich Hensler
Die Teufelsmühle am Wienerberg
Karl Friedrich Hensler

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Dritter Aufzug

Erster Auftritt.

(Herberge am Wienerberg) Fust von Kleeberg. Ritter Bodo. Wallberg. Eckard. Veit.

Fust. (zu Veit) Ritter Günther gieng also wirklich hinüber nach der Teufelsmühle? sagst du?

Veit. Ja – edler Herr! hab schon heute früh meinen Hans ausgeschickt – er fand aber weder den Ritter noch den Knappen. – (drey Schläge geschehen an die Thüre)

Eckard. Horcht! was ist das?

Fust. Schläge – wie der Ruff des Vehmgerichts. – (Bodo öffnet die Thüre)

Zweyter Auftritt.

Vorige. Marie, als schwarzer Ritter mit geschlossenem Visier, er hat eine weisse Pergamentrolle in der Hand, mit schwarzem Flor umwunden.

Ritter. Fust von Kleeberg! Ritter Bodo! Ritter Wallberg! Ritter Eckard! ich fordere euch auf, als ehrsame, edle Männer heute Abend auf der Stauffenburg zu erscheinen. – Ihr sollt als Zeugen bey dem Gottesgericht über Leben und Tod des Otto von Löbenstein sprechen. – Wollt ihr kommen?

Alle. Wir kommen!

Bodo. Wer seyd ihr, junger Ritter?

Ritter. Otto's Ankläger auf Leben und Tod! Otto ist der Mörder von Boodheim's Tochter. – Erscheinet, edle Ritter! ihr werdet mich kennen lernen. (ab)

Dritter Auftritt.

Vorige, ohne den Ritter.

Bodo. Also war unser Argwohn nicht ungegründet. – Löbenstein Agnesens Mörder?

Fust. Kommt, Brüder! eilen wir nach dem Forst, um Günther aufzusuchen, und ihm diese Nachricht zu überbringen; – wir reiten gerade nach der Teufelsmühle.

Veit. Thut das nicht, edle Herren! es könnte euch ein Unglück begegnen.

Fust. Der ehrliche Mann scheuet keine Gefahr, um seinen Freund zu retten. Kommt!

Alle. Wir folgen! (alle ab)

Vierter Auftritt.

Veit. Märtchen.

Veit. Dem lieben Himmel sey Dank, daß ich kein Ritter bin!

Märtchen. (springt fröhlich herein) Lieber Vater! er ist wieder da?

Veit. Wer ist wieder da? der Ritter?

Märtchen. Ach nein – was geht mich denn der Ritter an – mein Hans ist wieder da – ihr habt ihn heute früh nach der Teufelsmühle geschickt, und da hätt' ihm leicht können ein Unglück geschehen.

Veit. Nun – nun – es ist ja heller Tag – und bey Tag haben die Geister keine Macht über uns.

Märtchen. (kosend) Aber jetzt schickt ihr ihn nicht mehr fort, nicht wahr, lieber Vater! denn seht – es könnte sich doch einmal fügen, daß der Gott sey bey uns! sein Spiel mit ihm haben wollt. –

Veit. (beys.) O ihr verliebtes Volk ihr! (laut) Nun – nun – dein Hans soll da bleiben, und wenn du dich gut aufführst, so kannst du vielleicht in etlichen Wochen Hochzeit halten. –

Märtchen. (küßt ihm die Hand) In etlichen Wochen schon? ach! lieber Vater! ihr wisset gewiß auch, wo einen der Schuh drückt, wenn man verliebt ist – weil ihr mit der Hochzeit so Eile macht!

Veit. Ja – ja – ich weiß es – o du Schelmengepack. (eilt ab)

Märtchen. (hüpft) Hochzeit – Hochzeit! wenn jetzt nur gleich der Hansel da wäre. –

Lied.      
Mein Hansel – das ist halt ein stattlicher Mann,
Ihr Madeln! schaft euch nur so einen bald an.
    Dann seyd ihr so froh, wie ich es jetzt bin,
    Ein Mann ist für uns der größte Gewinn.

Der Brautstand gefällt mir gar wundersam wohl,
Von Liebesgedanken bin ich allzeit voll;
    Doch wird mir die Zeit bey Tag oft so lang,
    Und denk' ich an Hans, dann wird mir so bang.

Drum machen wir Hochzeit, sobald es seyn kann,
Da werd ich ein Weib, und der Hansel mein Mann,
    Denn wartet man lang, so kommt nichts heraus,
    Das Zaudern bringt oft ein Unglück ins Haus. (ab)

Fünfter Auftritt.

Veit. Hans.

Veit. Du hast also von dem Ritter gar nichts gesehen und gehört?

Hans. Nicht die mindeste Spur hab ich gefunden. Ich gieng ganz zum Eingang der Mühle hin – rief des Ritters Nahmen, da war auch alles so still, nicht einmal ein Käuzlein hat sich hören lassen.

Veit. Traun! ich bedaure den Ritter – den werden wir wohl nicht wieder zu Gesichte bekommen – hab ihn aber treulich gewarnt, daß er solch ein Wagestück nicht unternehmen sollte.

Hans. Glaubt ihr denn im Ernst, daß ihm der Geist etwas zu Leide gethan hat?

Veit. Ich glaub' es nicht nur, ich bin dessen versichert – sonst müßte er ja schon längst zurückgekehrt seyn. Mit Geistern läßt sich nicht scherzen, das hat mir schon meine selige Großmutter erzählt. – Hör nur.

Romanze.    
Lang spuckt's in einem Hause,
    Da gieng es; trap! trap! trap!
Mit schrecklichem Gebrause
    Die Treppe auf und ab.
Ein Zaubrer schritt zum Werke,
    Und bannte kühn den Geist,
Durch unbekannte Stärke,
    Und der sprach, wie es heißt.

»Mein Weib hab ich erstochen,
    Sie brach den Eid der Treu.
Schwer ward die That gerochen,
    Ich werd' vom Fluch nicht frey.
Ein Weib nur kann erlösen
    Mich von der Geister Macht,
Die immer treu gewesen,
    Schickt sie um Mitternacht.«

Ein jeder Mann nun fragte,
    Und bat sein Weib zu Haus.
Man denke! keine wagte
    Sich zu dem Geist hinaus.
O Weiber! eure Treue
    Zerstiebt der Wind wie Sand,
Ihr liebet gern auf's neue,
    Dann reißt der Liebe Band. (ab)

Sechster Auftritt.

(Wald) Käsperle sitzt auf einem Felsenstück. Günther.

Käsperle. Jetzt bin ich wieder da – aber wo hinaus, rechts oder links – das weiß der liebe Gott! mein armer Ritter! es geschieht ihm aber recht, warum giebt er sich mit solchen Teufeleyen ab – den wird der Geist schon längst gebraten, gespießt und aufkifelt haben.

Günther. (eilt schnell herein) Ich höre die Stimme meines Knappen! Bist du hier, Käsperle! Wie kommst denn du hieher?

Käsperle. Durch die Extrapost auf einem Mülleresel – ihr seyd gewiß auf einem Elephanten daher geritten?

Günther. Bist ein Narr! Komm jetzt, Käsperle! wir müssen weiter – weißt du den nächsten Weg aus diesem Walde.

Käsperle. Wie sollte ich? bin ja in meinem Leben nicht da g'wesen. Aber seht, da kommen Reisige, die wollen wir fragen.

Siebenter Auftritt.

Vorige. Mehrere Knechte.

Günther. (geht auf sie zu) Wollt ihr uns nicht den Weg aus diesem Wald zeigen?

1ter Knappe. Bey Gott! es ist der, den wir suchen.

2ter. Er trägt eine blaue Rüstung.

3ter. Er ist's! wir müssen ihn überfallen.

Käsperle. G'strenger Herr! die Kerln haben nichts Gutes im Sinn – machen wir uns auf den Weg.

1ter Knappe. (ziehen ihre Schwerter) Gebt euch gefangen – wir haben Befehl, euch zu unserem Burgherrn zu bringen.

Käsperle. (zieht sich zurück) Da giebt's was zu rauffen, da lauf' ich davon! (verkriecht sich hinter das Gebüsch)

Günther. (zieht seine Klinge) Seyd ihr Räuber, daß ihr einen ehrlichen Rittersmann ohne sattsame Gegenwehre überfallet?

1ter Knappe. Ergebt euch!

Günther. Nicht eher, bis ich euch meinen Nahmen auf die Stirne zeichnete. – (Gefecht, Günther klitscht aus, sie überfallen ihn)

1ter Knappe. Haben wir dich endlich, Mörder unseres Burgfräuleins!

Günther. Ich ein Mörder! ha! das ist schändlich! bringt mich zu eurem Burgherrn!

2ter Knappe. Fort mit ihm nach der Veste Boodsheim.

Günther. O Mathilde! (er wird fortgeführt. Käsperle kommt hervorgeschlichen, schaut sich sorgfältig um, und trocknet sich sein Gesicht ab)

Käsperle. Das heißt sich herumgeschlagen! tapfer bin ich, das ist wahr – ich glaub, ich allein hab ihrer Zehne – davon laufen sehen. (er besieht sich) Ich muß doch sehen, ob ich nicht verwundet bin; dort hinter dem Gebüsch, wo ich dem Gefecht zusah, giebts erschrecklich viel Websen, wie leicht kann mich eine gestochen haben. Mein armer Herr Ritter! bey aller meiner Tapferkeit hab ich ihm doch nicht helfen können. Ich muß nur nachschleichen, vielleicht – (er will fort)

Achter Auftritt.

Käsperle. Jeriel als Köhlermädchen.

Jeriel. Woher kommst du, guter Freund!

Käsperle. Ich – ich komm jetzt grad aus dem Gefecht. Blut ist g'flossen wie's Wasser in der Donau, und etliche tausend Menschen haben ihr Leben eingebüßt, die Übrigen haben Reißaus g'nommen.

Jeriel. Ey! wo war denn also das erschreckliche Gefecht?

Käsperle. Da – auf dem Platz!

Jeriel. Und wo sind denn die Todten?

Käsperle. Die sind schon alle begraben!

Jeriel. (für sich) Wart, Schelm! für dein Prahlen sollst du gestraft werden.

Käsperle. Kannst du mir nicht den Weg aus dem Forst hinaus zeigen, du wirst ihn doch wohl wissen?

Jeriel. Wart – ich will dir meine Schwester rufen, die soll dich sicher aus diesem Forst bringen.

Käsperle. Deine Schwester? ist sie älter wie du?

Jeriel. Sechzehn Jahre ist sie alt!

Käsperle. (für sich) Das best Alter! (laut) ist sie schön?

Jeriel. So schön, wie ein Frühlingstag.

Käsperle. Ist das möglich? weißt du was, schick sie her – von so einem Mädel laß ich mir lieber den Weg zeigen, als von dir.

Jeriel. Aber hör' – du mußt sie nicht verführen – sie ist verliebt!

Käsperle. Ist sie verliebt – (beis.) desto besser! (laut) aber sag du mir, weißt du denn auch schon etwas von der Liebe?

Jeriel. Das versteht sich! die Liebe steckt ja schon in unserer Natur.

Lied.        
Die Liebe ist ein närrisch Ding,
Macht jede Arbeit uns gering.
    Es lacht uns froh die schöne Welt,
    Man hüpft und tanzt durch Flur und Feld.

Die Liebe kommt – wenn oder wie?
Das weiß man nicht – bald spät bald früh.
    Doch ist nur der ein braver Mann,
    Der Liebe giebt, und lieben kann. (ab)

Neunter Auftritt.

Käsperle. Marie als Köhlermädchen.

Käsperle. Ich sag's ja – kaum können die Madeln reden, so steckt ihnen auch schon s' Lieben im Kopf. Wen seh' ich denn da auf mich zukommen? alle Wetter! das ist ein liebliches Mädel!

Mädchen. Bist du der Fremdling, dem ich den Weg auf die Heerstrasse zeigen soll?

Käsperle. Nun freylich bin ich's, mein Engel! aber – (beis.) ha, ha, ha! – das ist ein Madel, wie ich noch keins gesehen hab. (laut) Du bist – du bist – (drückt ihr die Hand) ja gar ein holdes Geschöpfel, wie heißt du denn?

Mädchen. (munter) In meiner Köhlerhütte heißt man mich nur die schöne Rösel.

Käsperle. Rösel! die schöne Rösel! weißt du, daß du mir gefällst, du schönes Madel!

Mädchen. So! ich dank – (mit einem Knicks) ich hör's recht gern, wenn man mir sagt, daß ich schön bin – aber komm jetzt nur, wir wollen weiter. –

Käsperle. (beis.) Alle Wetter! das Mädel steckt mir tief im Magen – (laut) Komm einmal her – setzen wir uns miteinander unter diesen Baum.

Mädchen. Das kann gar nicht seyn, das ist mir zu gefährlich.

Käsperle. Ha ha ha! – was das für ein kleins Handerl ist – (kneipt sie in die Wange) Was das für liebe, rothe Backeln sind – ein Bussel darauf müßt köstlich schmecken. Komm in meine Arme! (Das Mädchen verwandelt sich in ein häßliches, altes Weib, umarmt ihn, mit grinsender Stimme) Da bin ich ja schon, liebes Schätzchen!

Käsperle. (entwindet sich, und springt schnell auf) Pfui Teufel! was ist das?

Die Alte. Willst du nicht Platz nehmen neben mir?

Käsperle. Könnt ohnmöglich! (sieht sich um) Wo ist denn das schöne Mädel hin gekommen?

Die Alte. Du meinst meine Tochter?

Käsperle. Was? – deine Tochter? das ist unmöglich, daß so eine alte Trud die Mutter eines so schönen Mädels seyn kann.

Die Alte (steht auf) Was – Unverschämter! du wagst es? He! (Ein schrecklicher Akkord ertönt, Geister kommen mit Pritschen) Zeigt diesem Fremdling den Weg aus meiner Region, so wie er es verdient. – Fliehe, und fühle meine Rache! (ab. Sie umgeben ihn, geben ihm die Pritsche nach dem Tackt, und jagen ihn davon)

Chor.
Wer schimpft, der krieget dieß zum Lohn,
    Du loser Wicht!
Drum packe dich sogleich davon,
    Und schimpfe nicht!
Hurra! Hurra! Hussi! Hussa! (ab)

Zehnter Auftritt.

(Rittersaal, durch welchen man in das zweyte Zimmer sieht, welches schwarz behängt ist; wenn man die Vorhänge öffnet, sieht man ein Paradebett, worauf Agnese von Boodsheim liegt) Ritter Boodsheim. Günther wird gefesselt von seinen Knappen hereingeführt. –

Boodsheim. (öffnet den Vorhang) Sieh, Bösewicht! dieß ist dein Werk!

Günther. Ritter! bey Gott! ich verstehe euch nicht – aber ich ahnde die schreckliche That, die ihr mir aufbürden wollet, und ich bin unschuldig.

Boodsheim. Blick hieher, Verruchter! auf diese unschuldig Gemordete, und fühle das Gräsliche deines Bubenstückes! du verführtest sie, als sie bey meiner Schwester in Wien war; schlichest dich um meine Burg, als sie zurückkam, ohne es wagen zu dürfen, meine Burgschwelle zu betreten – da Sie deinen sträflichen Wünschen nicht Gehör gab, tödtetest du sie durch schnelles Gift – und verbitterst so grausam die letzten Lebenstage des gebeugten Vaters.

Günther. Ich erstaune über eure Vorwürfe! Ritter! Seit sieben Jahren bin ich entfernt von meinem Vaterlande – noch sind nicht 3 Monden verflossen, daß ich von Palästina zurückkam – ich kannte eure Tochter nicht. – Blicket mich an, und ihr werdet sehen, daß ich nicht der Bösewicht bin, der die Freuden eures Lebens euch raubte.

Boodsheim. Ihr meine Getreuen! entscheidet zwischen mir und diesem Manne! Ihr sahet ihn oft, als ich ausgezogen war, mit meiner Tochter sprechen – redet – ist er nicht der Mörder?

Erster Knappe. Er ist's! Wir kennen ihn!

Günther. Beginnt mit mir, was ihr wollt' – aber noch einmal erneure ich meinen Schwur, daß ich unschuldig bin.

Boodsheim. Meine Langmuth hat geendet – damit du aber siehest, daß ich nicht als tief gekränkter Vater, sondern als gerechter Richter hier stehe, so gönne ich dir eine Stunde Bedenkzeit. – Knechte! führt ihn in's Verließ. – (Die Knechte umgeben ihn)

Günther. Ritter! ihr behandelt mich wie einen Troßbuben – aber zittert, wenn die Stunde meiner Rache schlagen wird. (Er wird von den Knechten abgeführt. Boodsheim ab)

Eilfter Auftritt.

(Gemach in der Herberge) Hanns, hernach Käsperle.

Hanns. Die Ritter sind fort nach der Stauffenburg – nun ist es in unserer Herberge so leer, als wenn alles ausgestorben wär.

Käsperle. (eilt schnell herein, lauft umher, Hanns will immer dazwischen reden) Der Teufel mags länger bey ihm aushalten, aber ich nicht – ich sag ihm den Dienst auf, ich such mir einen andern Herrn.

Hanns. Wo hast du denn deinen Herrn gelassen, Käsperle!

Käsperle. Beym Meister Luzifer! nein, das weiß ich – bey einem Herrn, der mit dem Satanas im Bund steht, bleib ich nicht länger, und wenn ich Hobelspänne fressen müßte.

Hanns. Was ist dir denn wiederfahren?

Käsperle. Da frag meinen Buckel, der wird dir am besten antworten können.

Hanns. Bist du geprügelt worden?

Käsperle. Nach der Nummer! ich glaub, so lang die Welt steht, ist noch kein Mensch so schön karpatscht worden wie ich.

Hanns. Da trink' guter Freund! (giebt ihm einen Krug) Der Wein da wird dich stärken, und dir dein erlittenes Ungemach vergessen machen.

Käsperle. (trinkt) S'ist auch wahr, wenn – wenn ich nicht so ein kuragirter Kerl wär – (trinkt) kein Beinl wär mehr von mir übrig.

Hanns. Hast du also den Geist gesehn?

Käsperle. Freylich hab' ich ihn gesehen! Anfangs ist er mir erschienen, als ein schönes Madel von 16 Jahren – das Madel hat mir g'fallen – ich will da mit ihr so mein Hocus pocus haben – wie ichs denn so recht nachdrücklich umarmt hab – und s' Maul zu einem Bussel spitzen will –

Hanns. (äußerst neugierig) Nun?

Käsperle. Steht n' alte Trud vor mir, und s' schöne Madel war fort – die Alte wollt geküßt seyn – ich fang an zu schimpfen wie ein Rohrsperling – aber – (wendet den Rücken) hernach, Brüderl! s' ist ewig Schad, daß du nicht dabey warest.

Hanns. Warum denn?

Käsperle. Wir hätten alle beyde genug an der Portion gehabt – denn die Kerln haben drauf g'schlagen, als wenn sie sich ordentlich in meinen Buckel verliebt hätten.

Hanns. S' g'schieht dir recht, warum hast du g'schimpft – das beste wär gewesen, wenn du der Alten einen Schmatz gegeben hättest.

Käsperle. Pfui Teufel! die Alte war wenigstens hundert und ein Jahr alt – da mag der Teufel verliebt werden, aber ich nicht.

Lied.          
Bey Madeln von 16 Jahren
Im Spienzeln noch nicht ganz erfahren,
    Beym Wetter! da bin ich dabey.
Da lob' ich mir das Karessiren,
Da thu' ich von Herzen scharmiren,
    Da bin ich ein tapferer Held,
    Da gehet der Kasperl in's Feld.

Doch Weiber, die Hunderte zählen,
Sich lassen von Liebe noch quälen,
    O weh mir! wie sticht da mein Herz.
Da krieg' ich vom Küssen und Drücken,
Das Stechen, das Jucken und Zwicken –
    Das gehet, beym Teufel! nicht an,
    Da kriegt man den Kasperl nicht dran! (ab)

Zwölfter Auftritt.

Hanns. Märtchen mit Jeriel, als Köhlermädchen.

Hans. (allein) Nun da sieht man, was einem alles begegnen kann, wenn man sich mit Geistern einläßt.

Märtchen mit Jeriel. Sieh, lieber Hanns! da bring ich dir ein schönes Kind – es saß vor unserer Thüre, und fragte nach deinem Nahmen.

Hanns. Ein Kind? nach mir hat es gefragt? (beis.) Nun das wär ein verdammter Streich, und ich weiß kein Sterbenswörtel davon.

Jeriel. Erschrick nicht, guter Freund! warest du nicht heute früh im Wald? begegnete dir nicht ein alter Bettler, der dich um ein Almosen ansprach.

Hanns. Ja – ich hab aber nichts gehabt als ein Stück Brod, und einen Silberpfenning, und beydes hab ich ihm auch gegeben.

Jeriel. Sieh – Wohlthun trägt Zinsen! dieser alte Bettler schickt dir für dein Stück Brod und deinen Silberpfenning diesen Beutel mit Gold zur Aussteuer. – (reicht ihm einen gefüllten Beutel)

Dreyzehnter Auftritt.

Vorige. Veit. Frowald.

Hanns. Juhe! jetzt können Kinder kommen, so viel ihrer wollen, es kriegt ein jedes was zu kifeln.

Veit. Kinder! woher habt ihr denn das viele Geld? Da dürfet ihr ja die Herberge nicht in Pacht nehmen, ihr könnt euch eine neue davon kaufen.

Märtchen. Seht, Vater! ein Bettler, dem Hans heute früh einen Silberpfenning und sein Brod gab, schickt ihm und mir dieses Geld.

Frowald. Ha! so segnet der Vorsicht Hand wunderbar.

Veit. Wer bist du denn?

Jeriel. Fraget mich nicht um meinen Nahmen, guter Vater! er kann euch zu nichts nützen. Lebt zufrieden in dem Kreise eurer Kinder, und seyd glücklich.

Kanon zu 5 Stimmen.
Wo Freude in der Hütte wohnt,
    Und die Zufriedenheit,
Im trauten Kreise Eintracht thront,
    Da ist Glückseligkeit.

Man lebt so froh, hat guten Muth,
    Uns lohnt der Liebe Band,
Wer seinen Brüdern Gutes thut,
    Den segnet Gottes Hand. (ab)

Vierzehnter Auftritt.

(Gemach auf der Stauffenburg.)

Hanns von Stauffen. Ritter Löbenstein.

Hanns. O könnte ich meine Tochter wieder zum Leben zurückrufen – meine Habe, alle meine Burgen gäbe ich dahin, um sie an mein Herz drücken zu können.

Löbenstein. Die Dirne war euer unwerth. – Vergesset sie in dem Gewühle der Welt – wir ziehen morgen auf etliche Monden nach Wien, um uns dort zu erlustigen.

Hanns. Ihr seyd nicht Vater – könnet nicht fühlen, wie einem das Herz blutet, wenn man sein einziges Kind vermissen muß. (Trompetenschall)

Knecht. Edler Herr! mehrere Ritter halten vor der Burg, sie begehren Einlaß, und kommen in friedlicher Absicht.

Hanns. Öffne die Pforte – ich will sie sprechen. (Knecht ab) Gott! welch ein froher Gedanke durchströmt meine Seele – wenn sie mir etwa Nachricht von Mathilden brächten, wenn sie noch lebte!

Löbenstein. Unmöglich! ihr sahet doch, wie sie sich in die Fluthen stürzte.

Fünfzehnter Auftritt.

Vorige. Fust von Kleeberg. Ritter Bodo. Wallberg. Eckard von Trausnitz reichen ihm die Hände, sehen verächtlich nach Löbenstein.

Fust. Gottes Willkomm, edler Stauffen!

Alle. Willkommen! Willkommen!

Hanns. Was führt euch auf meine Burg, edle Männer!

Fust. Stauffen! ihr beherbergt einen Mörder auf eurer Veste. – Wir sind aufgefordert, ihn zum Gotteskampf zu laden auf Leben und Tod.

Hanns. Und dieser Mörder?

Alle. Ist Otto von Löbenstein!

Otto. Wer zeiht mich dieser That? – Ich beweise meine Unschuld im Gotteskampf. – (wirft seinen Handschuh in die Mitte.)

Fust. Es sey! (hebt den Handschuh auf) Stauffen! bereitet das Gericht – Gott soll entscheiden!

Alle. Er soll entscheiden! (alle ab.)

Sechzehnter Auftritt.

(Burgverließ. In der Mitte hängt eine brennende Lampe.)

Günther in Fesseln. Marie als ein grauer Mann.

Günther. Trauriges Menschenloos! Heute dünken wir uns so überglücklich, morgen schweben wir zwischen Leben und Tod. (Windschauer – ein grauer Mann mit langem Bart, mit einer Blendlaterne in der Hand, steht vor ihm)

Mann. Fürchte nichts – ich bin hier, um dich zu retten.

Günther. Kommst du von dem Burgherrn? gesteht er endlich sein Unrecht, und will er mich frey ziehen lassen?

Mann. Du schwärmst! Ich bin weder von dem Burgherrn geschickt, noch kenne ich ihn.

Günther. Du kennst ihn nicht? Wie konntest du wissen, daß ich hier im Gefängniß schmachte.

Mann. Darum frage mich nicht. Folge mir, oder es ist zu spät.

Günther. Und wenn ich gleich wüßte, daß ich unter den heftigsten Martern mein Leben enden sollte, so würde ich dir doch nicht eher folgen, als bis du mir zur Rede stehest.

Mann. Starrkopf! So bist du selbst an deinem Tode Schuld.

Günther. Wie? sterben soll ich? und warum?

Mann. Weil man dich für einen Ritter hält, der die Tochter des Burgherrn mordete. Dein Unglück ist, daß dich der Vater nicht kennt, und daß du eben jene Farbe und Rüstung trägst, wie jener Bösewicht. – Horch! deine Feinde kommen. (er zieht sich zurück.)

Siebenzehnter Auftritt.

Vorige. Ritter Boodsheim mit seinen Knechten, welche Fackeln tragen.

Boodsheim. Nun, Bösewicht! hast du dich entschlossen, zu bekennen, damit ich gerecht richte.

Günther. Seit der Zeit, als ich hier im Kerker schmachte, haben sich meine Gesinnungen nicht geändert.

Boodsheim. So schleppt ihn zum Tode! Knechte! (die Knechte wollen über Günther herfallen. – Der Mann tritt vor.)

Mann. Haltet ein – der Ritter ist unschuldig!

Alle. (entsetzen sich) Der Burggeist! (die Fesseln entfallen Günther.)

Günther. Ich bin frey! Wunderbar bin ich gerettet!

Mann. Boodsheim! wie strafbar seyd ihr! Wäre ich nicht herbey geeilt, dieses Unschuldigen Mord läge schwer auf eurer Seele. Wisset, eurer Tochter Mörder ist Otto von Löbenstein. – So eben beginnt das Gottesgericht. Günther! kämpfe mit ihm auf Leben und Tod – Gott ist ein gerechter Richter! (Verschwindet. Donnerschlag. – Die ganze Bühne verwandelt sich in einen freyen Platz mit schwarzen Schranken. Mitten im Hintergrund eine Bühne schwarz behängt, worauf die Kampfrichter sitzen. – An den Bäumen und Logen hängen schwarze Tücher mit Wappen. Die zwey Lanzen, die beym Eingang stehen, sind mit einem schwarzen Flor behängt. Die Beisitzer des Todengerichts sind schwarz gekleidet. – Eine dumpfe, majestätische Harmonie ertönt mit gedämpften Paucken und Trommeln.)

Die Bosheit werd' enthüllet,
    Beginnet das Gericht;
Der Ausspruch werd' erfüllet,
    Vollführet eure Pflicht!

Hanns von Stauffen. (als Kampfrichter) Im Nahmen Gottes und des Kaisers beginne ich, Hanns von Stauffen, Pannerherr des Reichs ein freyes, ehrliches Gottesgericht. – Nähert euch, ihr ehrbaren Kampfhelden! damit eure Schilde beschauet werden, ob ihr euch nicht bewahret habt mit Zeichen und Zauberkräutern. (die Schilde werden von den Lüßnern untersucht)

Günther. (tritt vor die Schranken) Auch ich bin hier, um für die gerechte Sache zu kämpfen. Ich Günther von Schwarzenau erscheine vor diesem ehrsamen Gottesgericht, und klage an auf Leben und Tod Otto von Löbenstein. – Er hat gemordet die Tochter dieses edlen Greisen.

Hanns. Getrauet ihr euch, diese Anklage durch dieses Blut und Todengericht zu beweisen?

Günther. Im Angesichte Gottes will ich den Mörder strafen.

Hanns. Und ihr – Löbenstein!

Otto. Ich behaupte, daß die Anklage des Ritter Günthers falsch und ungerecht seye, dieß will ich mit Schwert und Kolbe beweisen – und Gott möge entscheiden.

Hanns. Wohlan denn – der Kirchner läute zum Gedinge, und ihr, Lüßner! bringt das geweihte Schwert. (dieß geschieht) Tretet näher, Kämpfer! und schwöret, daß ihr nach Sitte und Gesetz streiten wollet auf dieses geheiligte Schwert.

Beyde. Wir schwören!

Hanns. So rüstet euch zum Kampf! – Kreißwärtel! nimm den Weidenstab, und schlage damit dreymal an die Lanze. Ritter Günther thue beym dritten Schlag den ersten Streich. Sieg! der gerechten Sache zum Frommen!

Alle. Sieg der gerechten Sache! (Feierliche Pause. Der Kreißwärtel schlägt an die Lanze. Beym zweyten Schlag schreitet eine weisse Gestalt herein, bleibt vor Otto stehen.)

Geist. Otto! Gott wird entscheiden!

Alle. (in Entsetzen) Was ist das?

Hanns. Vielleicht der Geist der Ermordeten!

Otto. Zum Kampf, und wenn die Macht der Hölle dazwischen trätte!

(Der dritte Schlag an die Lanze geschieht – dumpfe Trommeln und Paucken. Vorige Harmonie, worunter der Kampf beginnt)

Den Frevler zu vernichten,
    Der böse That verübt –
Wird Gott erschrecklich richten,
    Weil er die Tugend liebt.

(Pause in der Musik. – Zu Ende des Chors fällt Günther – Otto will ihm das Schwert durch das Herz stossen, es geschieht ein Donnerschlag, der unbekannte Greiß steht vor ihm, ergreift seine Hand)

Greiß. Otto! bekenne – du bist Agnesens Mörder.

Otto. (sein Schwert entfällt ihm) Welche Angst durchbebt das Innerste meiner Gebeine – welch ein Zittern überfällt mich – wie diese grauenvolle Stimme mein tobendes Gewissen überschreyt. – Ja – Gott hat entschieden – ich bin Agnesens Mörder!

Greiß. So sey Gottes Gnade dein Richter. – (er verwandelt sich in den weiblichen Geist) Stirb den Tod von deiner Mutter Hand!

Otto. (fällt) Meine Mutter! (Alle im Entsetzen.)

Geist. (indem sie sich erhebt, und den blutigen Dolch schwingt) Es ist geschehen – ha – dieß war ein grosser Schritt zu meiner Vollendung! (Alle bleiben im Erstaunen.)

Der Vorhang fällt.


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