Karl Friedrich Hensler
Die Teufelsmühle am Wienerberg
Karl Friedrich Hensler

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweyter Aufzug

Erster Auftritt.

(Zimmer im Wirthshause am Wienerberg.)

Eckard von Trausnitz. Fust von Kleeberg. Ritter Bodo und Wallberg sitzen am Tisch.

Wallberg. Nun schenk ein, Bursche! der Wein mundet mir heute baß!

Hanns. Müßt euch auch wacker gespudet haben, edle Herren! weil ihr schon wieder von Wien zurückkehrtet – sollt gleich bedient seyn. (geht mit dem Humpen ab)

Fust. Dachte ja gleich, daß es mit dem Schwarzenau so kommen würde. Ritter Löbenstein ist also der Glückliche, der Mathilden zur Hausfrau bekommen wird?

Bodo. Löbenstein ist einer der reichsten Ritter in Franken, aber, traun! man erzählt sich wunderbare Dinge von diesem Manne.

Fust. Er liebte die Tochter des Ritter Boodheims, ohne Gegenliebe erhalten zu können – vor drey Tagen starb die Edle plötzlich – und der alte ehrliche Vater jammert um seine einzige Tochter.

Wallberg. Wenn etwa Löbenstein die Dirne –

Bodo. Ich weis, was ihr sagen wollt – wenn er sie etwa vergiftet hätte?

Wallberg. Schrecklich, wenn es so wäre!

Eckard. Hols der Teufel! da sieht man wieder, was die Liebe angerichtet hat. Nein! ich bleib bey meinem Grundsatz, ich nehme, wo ich etwas finde – und will sich die Liebe im Ernst bey mir einnisten, so jage ich sie aus meinem Herzen hinaus, wie einen Kirchenräuber.

Hanns. (bringt Wein) Hier, edler Herr! trinkt in Gottes Nahmen zu, wir haben noch mehr im Keller, und die Fässer rinnen über und über.

Wallberg. Ist das wahr? – so gieb her! (er trinkt) Du scheinst mir ein lustiger Bursche zu seyn.

Hanns. Das bin ich, edler Herr! bin zwar ein armer Teufel; aber bey meiner Armuth bin ich so froh, als wenn ich das Geld in Scheffeln zu messen hätt.

Lied.
      Ein froher Humor kommt ja üb'rall durch d'Welt,
Da ißt man, und trinkt man, und braucht gar kein Geld.
    Man lebt in den Tag so verstolen hinein,
    Und was ein' nicht kümmert, das läßt man halt seyn.

Die Madeln – die haben das Lustig seyn gern,
Sie laufen davon bey den grämlichten Herrn.
    Geht's drunter und drüber bey ihnen im Haus,
    Ein Küsserl, ein Druckerl – da machens nichts draus.

Drum sag ich halt immer – und s'bleibt schon dabey,
Ich bleib in mein'm Leben drey Sachen getreu.
    Ein Madel, ein Tanzel, ein Glasel mit Wein,
    Da bleibt man gesund, und kann lustig nur seyn. (ab)

Zweyter Auftritt.

Vorige, ohne Hanns, hernach Käsperle.

Käsperle. (kommt weinend herein) Ach – ach – mein lieber, guter Herr! aber ich habs ihm immer gesagt, er wird einmal picken bleiben.

Wallberg. Knappe! du allein hier? wo hast du denn deinen Herrn gelassen?

Bodo. Du hast ihn ja nach der Stauffenburg begleitet?

Käsperle. Freylich hab ich ihn dahin begleitet – aber ohne ihn bin ich jetzt wieder da. (lamentirt) Ach, mein armer Herr! er war so gut – so wohlthätig, so tapfer – er hat immer so fromm und christlich gelebt – nur 'n einzigen Fehler hat er halt g'habt, daß er d' Madeln gern g'sehen hat.

Eckard. Jetzt red, Bursche, wo ist dein Ritter, Günther von Schwarzenau? (rüttelt ihn)

Käsperle. He, he! – so laßt mich nur aus – wo wird er seyn – da ist er nicht, das seht ihr.

Fust. Hat ihn vielleicht Ritter Löbenstein zum Kampf gefordert? So red, oder ich stoß dir die Worte mit meinem Schwertknopf aus der Gurgel heraus. (faßt ihn wild an)

Käsperle. (schreyt) Ich bitt euch um des Himmels willen, laßt mich loß! Ich weiß nichts mehr und nichts weniger, als daß meinen Herrn Ritter der Satanas geholt hat.

Fust. Der Kerl ist ein Narr! Brüder! Günther ist unser Freund und Waffenbruder! wir müssen über diese Kunde gewissen Aufschluß haben. Schicken wir Bothen aus.

Alle. Ja – das wollen wir!

Fust. Hören wir aber, daß Ritter Löbenstein Meuchelmord an ihm verübt hat – bey Gott! so wollen wir uns schrecklich an diesem Franken rächen. (ab)

Dritter Auftritt.

Käsperle, hernach Günther von Schwarzenau.

Käsperle. Ja – geht nur! was einmal der Böse in seinen Krallen hat, das läßt er nicht so leicht wieder aus. – Aber! was soll ich jetzt anfangen? – (Günther tritt ein, bleibt an der Thüre stehen) Ich bin nur froh, daß Jedermann weiß, daß ich kein Courage hab.

Günther. (kommt hervor) Da sagst du Wahrheit!

Käsperle. (fängt an zu zittern, fällt auf die Knie, schließt die Augen zu) O weh! o weh! der Geist meines Herrn! Ach, Gnade, Barmherzigkeit! ich will ja alles bekennen.

Günther. Bist du von Sinnen, Kerl! was ist mit dir geschehen? So red' doch, Käsperle!

Käsperle. Ach – du lieber Gott! nein! ich heiß nicht Käsperle – ich bin nicht der Käsperle – ich bin –

Günther. Sonderbar! Dein Gesicht straft dich Lügen!

Käsperle. Der liebe Himmel weiß, warum ich dem Kerl gleich sehen muß. (für sich) Wenn ich mich nur dießmal in einen Affen oder so was umwandeln könnt.

Günther. Steh auf! du mußt mich nach Wien begleiten! hörst du, Käsperle!

Käsperle. (immer noch mit geschlossenen Augen) Ihr hört's ja, daß ich der Käsperle nicht bin – so laßt mich nur mit Fried.

Günther. Wer bist du denn, Schurke!

Käsperle. Ich – ich bin – ich bin ein Ritter aus dem Mohrenland, ich – ich heiß – (besinnt sich) g'strenger Herr! glaubt's mir, ich hab den verdammten Kerl gar nicht kennt, der sich Käsperle nennt, und der euer vormahliger Schildknappe war.

Günther. Mein vormahliger, sagst du?

Käsperle. Nun freylich – denn ich denk doch, an dem Ort, wo ihr jetzt seyd, werdet ihr wohl keinen Schildknappen mehr brauchen.

Günther. So öfne nur deine Augen, und blick mich an, Narr!

Käsperle. Ey ja wohl – das laß ich bleiben. Ich kann keinem Geist ins Gesicht sehen.

Günther. Geist! (für sich) Was muß denn dem Kerl im Kopf herumspucken. (laut) Jetzt steh auf, und sieh mich an, oder du sollst die Schwere meines Armes fühlen. (legt die Hand an das Schwert)

Käsperle. (blickt etwas auf) Es – es ist wahr – nicht anders, als wenn er leibhaftig vor mir stände. (stotternd) Seyd – seyd ihr denn wirklich kein Geist, g'strenger Herr!

Günther. Wer berichtete dich denn mit einer so dummen Mähre? Greife mich an, und du wirst dich von meinem Daseyn überzeugen.

Käsperle. (fühlt ihn an) Richtig, Fleisch und Bein wie unser eins – (steht auf) Aber – um Vergebung, edler Herr! hat euch denn nicht auf der Stauffenburg der Böse – geholt?

Günther. (packt ihn am Hals) Schurke! noch einmal so eine Frage, und ich durchbohre dich in dem Augenblick!

Käsperle. (schreyt) Zu Hülfe! – zu Hülfe! er hat mich schon am Kragen!

Vierter Auftritt.

Vorige. Veit eilt herein.

Veit. Gestrenger Herr! was geht hier vor? Ihr werdet doch meine Herberge durch keine Mordthat in üblen Ruf bringen wollen?

Günther. Veit! ich muß hinaus in's Freye – bald bin ich wieder da, um noch vor Abend ein wichtiges Geschäft zu vollenden. – Für meinen Waffenknecht da haftest du mir mit deinem Leben, er muß mich begleiten. (ab)

Veit. Nun das ist sauber, jetzt soll ich gar der Wärter dieses Gauners werden. Meynst du etwa, daß ich nichts anders zu thun hab, als daß ich so einen Taugenichts hüten soll, wie du bist.

Käsperle. Geb sich der Herr keine Mühe, wenn ich zu essen und zu trinken krieg, so bringt mich kein Mensch aus dem Haus, bis mein Ritter wieder da ist.

Veit. Hast du auch Geld, wenn du zu essen und zu trinken verlangst?

Käsperle. Geld hab ich nicht, aber Hunger und Durst.

Veit. So sieh, wo du was kriegst! – Ein Mensch ohne Geld kommt mir grad so vor, wie ein zerbrochener Weinhumpen, den man vor die Thüre wirft.

Lied.
      Wer im Beutel hat kein Geld,
    Der ist schlimm daran.
Geld ist Meister in der Welt,
    Geld nur macht zum Mann.
Geld macht klug den faden Wicht,
    Sey er noch so dumm,
Schaft das häßlichste Gesicht
    Zu dem schönsten um.

Hat man aber Geld wie Stroh,
    O dann geht es gut.
Man wird seines Lebens froh,
    Was man immer thut.
Ich sing niemals: Tralla la!
    Ist mein Beutel leer;
Wenn er voll ist, hopsasa!
    Spring ich froh einher!

Fünfter Auftritt.

Käsperle, hernach Jeriel, als Küchenmädchen, mit aufgebundener Schürze.

Käsperle. (sieht ihm nach) O du Gauner von einem Kerl! Nun das ist jetzt eine saubere Geschichte – mein Ritter versetzt mich beym Wirth –

Jeriel. (sehr geschwätzig, mit einem Knicks) Schön willkommen, gestrenger Herr Ritter! ihr kommt gewiß von Wien – ja – ja – da kommen immer die stattlichsten Ritter her, und halten Herberge bey uns.

Käsperle. (für sich) Alle Wetter! wie kommt denn das kleine Baggatellerl ins Haus?

Jeriel. Kennt ihr mich denn nicht, edler Herr! ich bin ja das berühmte Küchenmadel, das schon zwölf Jahrln beym goldnen Helm zu Wien gedient hat.

Käsperle. Schon zwölf Jahr? jetzt sey mir still – bist ja noch nicht einmal zwölf Jahr alt!

Jeriel. Da irrt ihr euch sehr, edler Herr! Ich hab schon meine zwanzig Jahrln auf dem Rücken.

Käsperle. Und bist noch so klein?

Jeriel. Das schadt nichts – das Kleinseyn ist schon in unsrer Familie; mein Vater und Mutter sind auch nicht grösser g'west.

Käsperle. (beys.) Das muß ja eine ordentliche Zwergelfamilie gewesen seyn? (laut) Kannst du mir zu essen und zu trinken bringen – So gieb etwas her, damit mein Appetit gestillt wird.

Jeriel. Gleich sollt ihr bedient werden, gestrenger Herr! (zieht einen grossen Küchenzettel heraus.)

Lied.
Ein Suppen mit Fleckerl, steht hier aufgeschrieben,
Ein Rindfleisch mit Semmelkrenn und rothen Rüben.
Ein Kraut mit Pofesen, ein Eing'machts mit Krebsen,
Gebratene Tauben, ein Ragout von Schöpsen,
Kapäuneln und Hühneln, gebratene Vögerl,
Ein Antel, ein Gansel, ein kälbernes Schlegerl.
        Ein guts Karmonadl,
        Ein g'fülltes Rostbratel,
        Ein g'stoppt's Indianerl,
        Ein schönes Fasanerl.
Gebackene Karpfen, gesottene Forellen,
Ein wälsches Salatel mit frischen Sardellen –
        Pasteten und Torten,
        Von allerley Sorten.
Das wäre für euch wohl ein köstlicher Schmauß,
Wär nur von dem Allem ein Bissen zu Haus. (ab)

Sechster Auftritt.

Käsperle allein, der unter der Arie immer vor lauter Appetit geschluckt hat.

Nun das ist nicht übel – jetzt laß ich mir den ganzen Küchenzettel vorbuchstabiren, ich beiß mir schon vor lauter Appetit die Zunge halb weg, und jetzt heißts: es sey von dem Allem kein Bissen zu Haus. Mein! 's geht halt auch wie manchmal in der Stadt – viel Speisen auf dem Zettel – und wenn man was begehrt, ist nichts da – weils die Köchin nicht gekocht hat. Ich denk, ich schau mich ein Bissel in der Kuchel um, sonst macht mich der Kuchenzettel zuletzt noch ganz rinnauget. (ab)

Siebenter Auftritt.

Veit. Frowald. Hans.

Frowald. Ritter Schwarzenau will also wirklich hinüber ziehen nach der Teufelsmühle?

Veit. Wenn er nur glücklich wieder zurückkommt. Traun! ich wäre nicht so neugierig, den Aufenthalt eines bösen Geistes auszukundschaften.

Hans. Hat sich wohl! Habt ihr denn nicht gehört, daß in der Mühle grosse Schätze verborgen liegen; wer weiß, was ich thun könnte, um mein Märtchen zum Weib zu bekommen?

Veit. Du wirst doch den Geist nicht erlösen wollen?

Hans. Das eben nicht – aber ich denke, der Vater könnte mir die Dirne auch so geben ohne Geld – ich bin arm und ehrlich – arbeite gern, und so werden wir nie verhungern.

Frowald. Meister Veit! ich denke, der Bube hat Recht.

Veit. Kommt Zeit, kommt Rath! die Sache hat ja doch keine Eil.

Hans. Schon recht – aber bedenkt nur, Vater! wir werden alle Tage älter.

Veit. Und mit Gottes Hülfe auch gescheider! wenn man heurathet, so ist es nicht auf heut und morgen; mancher heurathet aus Zeitvertreib, und hat er ein Weib, so geht er mit dem Zeitvertreib zu Grunde.

Terzett.
Veit. Frowald. Hans.
      Der liebe Ehstand ist
    Ein Zeitvertreib.
Drum nimmt auch jeder sich
    Ein schmuckes Weib.
Man lebt so gut,
Hat frohen Muth,
    Wenn uns ein Weibchen lacht,
    Und Freude macht.

Doch macht der Ehestand,
    Wie man oft weiß,
So manchem armen Wicht
    Erschrecklich heiß.
Die Liebe wankt,
Man keift und zankt –
    Und stirbt – hat man ein Weib –
    Am Zeitvertreib. (Alle ab)

Achter Auftritt.

(Gemach auf der Stauffenburg) Mathilde allein.

Mathilde. Ja! es ist beschlossen, eher ende ich mein Leben, bevor ich einem andern, als Günther meine Hand reiche. –

(Donnerschlag. Akkord) Eine Stimme.

    Auf! holde Dirne! fasse Muth,
    Sey standhaft, dann geht alles gut!
Du liebst den Jüngling heiß und rein,
Und Günther wird dein Gatte seyn. –

Mathilde. Gott! welche sonderbare Stimme! – (man hört Fußtritte) Ha! meine Peiniger kommen! ich will ihnen ausweichen! (sie will in das Seitengemach.)

Neunter Auftritt.

Mathilde. Hans von Stauffen. Otto von Löbenstein.

Hans. Bleibe – oder heißt dich dein Gewissen unsern Anblick fliehen?

Mathilde. Nur Bösewichte scheuen den Anblick des Menschen, der Unschuldige nie.

Hans. Mathilde! noch spricht der Vater zu dir – hüte dich, daß er sich nicht in den strengen Richter verwandelt.

Mathilde. Ich ehre euch als Vater, und bin bereit, euch zu gehorchen, wenn euer Befehl nicht mein Wohl untergräbt.

Hans. Diese Sprache geziemt der Tochter. Sieh! Otto von Löbenstein liebt dich, er will vergessen, was zwischen ihm und dem Ritter Schwarzenau vorgefallen ist. Reich ihm daher willig deine Hand.

Mathilde. Vater! zwingt mich nicht zu einem Schritt, der mich zeitlich und ewig unglücklich machen würde. Ich liebe Günther von Schwarzenau –

Otto. Den Zauberer, der mit bösen Wesen in Verbindung steht? Sahet ihr nicht das Blendwerk, wie er vor unsern Augen verschwand? Mathilde! gebt mir eure Hand, und ihr sollet nie bereuen, mir dieselbe gereicht zu haben.

Mathilde. Ohnmöglich – Otto! ich kann euch nicht lieben!

Hans. Gut! dein Loos ist geworfen – auch wider deinen Willen mußt du Löbensteins Gattin werden; du kömmst nicht von der Stelle, in meiner Burg wirst du in dem Augenblick mit Otto von Löbenstein getraut werden.

Mathilde. Vater! höret die Stimme der Natur, höret das Flehen eurer Tochter – (fällt ihrem Vater zu Füssen.) Seht mich hier zu euren Füssen – wenn menschliches – ich will nicht sagen – Vatergefühl in eurem Busen schlägt, so wiederruft –

Hans. Thörin! dein Flehen ist vergebens – du wirst Otto's Gattinn, oder du sollst im Burgverließ so lang schmachten, bis du meinen Antrag erfüllest – He! Knechte! Burgvogt!

Zehnter Auftritt.

Vorige. Burgvogt. Knechte.

Burgvogt. Ihr habt uns gerufen, edler Herr!

Hanns. Werfet meine Tochter in den Felsenthurm.

Burgvogt. Wie? unser Burgfräulein?

Hanns. Knechte! vollziehet meinen Befehl! (Sie wollen Mathilden greifen. Es geschieht ein Donnerschlag, alle stehen in ihrer bezauberten Attitude.)

Eilfter Auftritt.

Vorige. Jeriel, als Genius, mit einer Laute.

Jeriel. (hüpft fröhlich herein, neckt unter dem Ritornell die Anwesende, und führt Mathilden aus dem Gemach. – Sie kommen zu sich.)

Hanns. Was war das? Wo ist meine Tochter?

Löbenstein. Wo ist das Burgfräulein? Schurken! ihr habt sie durch meinen Nebenbuhler entführen lassen. (zieht die Klinge)

Burgvogt. Sahet ihr denn nicht, edler Herr! welch' eine sonderbare Gestalt sie unsern Augen entzog, ohne daß wir es zu verhindern vermochten.

Löbenstein. (zu Stauffen) Ritter! das ist Günthers Werk – Auf! wir wollen ihr nach – mit meinem Schwert will ich eure Tochter aus seinen Zauberhänden befreyen.

Hanns. Knechte! folgt mir! (Sie wollen fort)

Zwölfter Auftritt.

Marie, als altes Weib, kommt ihnen entgegen, an einem Stab daher wankend.

Weib. Guten Tag, edler Burgherr! wohin wollt ihr so eilend?

Hanns. Laß mich, du alte Vettel! (will fort)

Weib. So harret doch – edler Herr! ihr wollet gewiß eurer Tochter nacheilen? ach, das arme Burgfräulein! wie wahnsinnig flog sie vorhin an mir vorüber, und sagte: mein tirannischer Vater zwingt mich zu einer Heurath, die ich nicht vollziehen kann; mir bleibt kein Mittel mehr übrig, als mein Grab in den Wellen zu suchen – und so eilte sie nach dem Mühlbach.

Hanns. Nach dem Mühlbach?

Löbenstein. Verdammter Unglücksbothe! wer schickte dich hieher, um uns mit dieser Schreckensnachricht zu täuschen. Wer bist du?

Weib. (mit veränderter Stimme) Ein Wesen, das hieher kam, um dich zu warnen! Ritter! du bist von dem Schicksale bestimmt, sieben Mordthaten an Unschuldigen zu begehen, um den Geist deiner Mutter zu erlösen, und sie zur ewigen Ruhe zu bringen. Sechs dieser Mordthaten sind vollzogen, die siebente beginnt mit deinem Tode.

Hanns. Schrecklich!

Löbenstein. (zieht die Klinge gegen sie) Elendes Blendwerk! du wagst es?

Weib. Halt ein – Unmächtiger! – Siehst du Mathilden, wie sie sich in die Wellen stürzt – nur meine Macht kann sie retten. – (Donnerschlag – die Bühne verwandelt sich in eine freye Gegend. Im Hintergrund ein Fluß, nebenbey eine Hütte. Auf einem Felsenstück steht Mathilde, sieht Händeringend in den Strom, und stürzt sich hinab. Man sieht sie mit den Wellen kämpfen, ein Genius erscheint aus der Fluth, rettet sie, und fliegt mit ihr durch die Luft)

Hanns. Unbegreifliches Wesen! Wer bist du? (die Bühne verwandelt sich wieder in das Zimmer.)

Weib. Die Retterinn deiner Tochter! (sie wandelt sich um) und dieses Jünglings Mutter! (verschwindet)

Alle. Der Himmel sey uns gnädig! (Alle eilen schnell ab)

Dreyzehnter Auftritt.

(Wald. Der Mond scheint.)

Ritter Günther von Schwarzenau. Käsperle. Jeriel, als ein Bauernjunge mit einer Fackel.

Jeriel. Kommts nur nach, gestrenger Herr! wir werden bald an Ort und Stelle seyn.

Käsperle. (brummend) Ja – s' ist auch einmal Zeit; ich hab mir ohnehin schon bald die Füsse aus der Wurzel herausg'laufen.

Günther. Wie lange wird der Weg noch dauern, du Kleiner?

Jeriel. So lange, bis ihr zu eurem Glücke reif seyd.

Käsperle. (für sich) Ich wollt, daß der Teufel den Fackelbuben holte – (Schlag – er bekömmt eine Maulschelle – schreyt) he! Sapperment! was ist denn das? gestrenger Herr!

Günther. Was lärmt denn der Bursche so?

Käsperle. Ich bitt' euch um alles in der Welt, jagt's den Fackelbuben weg, ich krieg eine Watschen um die andere, und ich weiß nicht, woher.

Günther. Käsperle! sey still!

Käsperle. Nein! ich bin nicht still! die verdammte Teufelsba – (Schlag – er bekommt wieder eine Maulschelle) Auweh! g'strenger Herr!

Günther. (kommt zu ihm) So sey einmal still!

Käsperle. Er ist schon still – er redt kein Wort mehr.

Jeriel. Ritter! bis hieher habe ich euch geführt, euch weiter zu leiten, ist mir nicht vergönnt.

Günther. Aber wohin soll ich mich nun wenden? was soll ich beginnen?

Käsperle. (schnell) Gehen wir wieder zurück ins Wirthshaus, gestrenger Herr!

Jeriel. Menschen sollst du glücklich machen, um dein eigenes Glück zu befördern. Wandre links hinab zur Mühle – um Mitternacht mußt du daselbst angelangt seyn. Sey vorsichtig, standhaft – denke, Mathilde ist der Lohn deiner Unerschrockenheit!

Günther. Deine Worte treffen mein Herz! Ja – ich vollziehe meine Bestimmung! (will fort)

Käsperle. (stotternd) Ge – ge – gestrenger Herr! was soll denn jetzt ich anfangen – ganz allein im Wald – ich weiß ja keinen Weg und keinen Steg.

Günther. So folge mir –

Jeriel. Hast du Muth, deinen Herrn bis zur Teufelsmühle zu begleiten?

Käsperle. Teu – Teu – Teufelsmühl! (zitternd) Ach, du lieber Gott! das Wort stirbt mir schon auf meiner Zung – nein! dahin geh ich nicht.

Jeriel. So suche den Weg in die Herberge. – Ich verlasse dich – Tapferer Jüngling! vollziehe des Schicksals Schluß, und du wirst glücklich. (ab)

Vierzehnter Auftritt.

Günther. Käsperle.

Günther. Sonderbar! höchst sonderbar!

Käsperle. (äfft ihm nach) Ja – sonderbar, höchst sonderbar! Ihr habt mich sauber angeschmiert. G'strenger Herr! hätt's das eher gsagt, so hätt ich mich um einen andern Dienst umgschaut – aber dergleichen Spitzbübereyen –

Günther. (rasch) Bursche! raisonir nicht, oder mein Schwert soll dich so stumm machen wie einen Fisch.

Käsperle. Nun ja – seyds so gut – meynt's etwa, die Menschen wachsen auf den Bäumen wie d'Holzäpfel.

Günther. Ich muß scheiden, die Mitternacht tritt ein – ich darf nicht länger säumen.

Käsperle. (schluchzt) Und ihr – ihr – ihr wollt mich also wirklich verlassen?

Günther. So begleite mich – oder harre hier, bis ich zurückkehre.

Käsperle. (beyseite) S' beste ist halt doch, ich geh mit – und wenn ein Geist kommt, so druck ich die Augen zu – aber – (schluchzend) das – das ist gewiß meine letzte Stunde.

Günther. (geht voraus) Schäme dich, alter Kerl! und sey nicht so furchtsam.

Käsperle. (stotternd) S' ist – s' ist alles schon recht – aber – (sieht einen Baum, und fängt an erschrecklich zu schreyen) Auweh! auweh! was kommt denn da für ein erschrecklicher Riese daher?

Günther. (wendet sich nach ihm um) Wo denn – ich sehe nichts!

Käsperle. Ja – das glaub ich – ihr seyd halt kein Neusonntagskind – da – da – seht nur dahin.

Günther. Dummkopf! es ist ein Baum. – Folge! (wie er fort will, geschieht ein Donnerschlag, eine fürchterliche Stimme ertönt)

Stimme. Weiche, Knappe! du bist unwürdig, an dem Verdienst deines Herrn Theil zu nehmen.

Günther. So harre hier meiner, bis ich dich wieder sehe. (ab)

Käsperle. (schreyt erschrecklich) G'strenger Herr! g'strenger Herr! ich will ja herzlich gern mit – laßt mich nur nicht allein an dem Teufelsort da. (Ein häßlicher Geist, mit einer Keule in der Hand, eine grosse Laterne auf dem Rücken, erscheint)

Geist. Folge mir – ich zeige dir den Weg in die Herberge.

Käsperle. Nein Sapperment! für so einen Laternbuben dank ich – ich will gar nicht in die Herberge, ich will zu meinem Ritter.

Geist. So folge mir – ich bringe dich zu deinem Ritter.

Käsperle. (stotternd) Ich – ich will auch nicht zu meinem Ritter – ich will – (beys.) z'letzt weiß ich vor lauter Angst nicht, wohin ich will. (laut) Ich bleib da.

Geist. (hebt die Keule) Willst du mir folgen, oder –

Käsperle. Er folgt schon – er folgt schon! (für sich) Das ist eine saubere Bedienung! Wenn mich der nicht grad zum Meister Lucifer führt, so kann ich von Glück sagen. (er folgt dem Geist furchtsam, ab.)

Fünfzehnter Auftritt.

(Das Innere einer Mühle. Alles liegt unordentlich umher. – Zeugen von schneller Flucht. – Umher zerstreute Kleider, Handwerkszeug. Auf einem Tisch liegt eine Mühlaxt, ein Frauenschleyer, zwey Lichter brennen – ein grosses Fenster zur Seite.) Günther kommt – hernach der Geist.

Günther. (sieht sich um) Ha! diese Unordnung zeuget von der Eil, mit welcher der, der zuletzt hier war, die Flucht ergriffen haben mag, um irgend einem Feinde zu entgehen. Hier eine Mühlaxt – und hier ein blutiger Frauenschleyer – zwey seltsam gepaarte Dinge! – (Ein schrecklicher Windschauer durch das Gemach. Donner und Blitz. Der Geist erscheint.)

Günther. (zieht seine Klinge) Auf meinem Schwert ruht das heilige Kreuz – ich beschwöre dich bey dem allmächtigen Gott, steh mir zur Rede. – Wer bist du, und was ist dein Begehren?

Geist. (mit hohler Stimme) Ich war einst die Bewohnerinn dieser Mühle. Edel war mein Stamm, denn ich zählte grosse Männer unter meinen Ahnen. Mein Gemahl war Ritter, aber er verband sich mit einer Räuberhorde, zog in diese Mühle, und ward im ganzen Gau gefürchtet, und bekannt durch seine Lasterthaten. – Ich ward ermordet und suche Ruhe –

Günther. Warum bist du der Ruhe verlustig, und wer ermordete dich?

Geist. Mein Mann! Ich rettete Grafen Heinrich von Senftenberg durch einen heimlichen Gang, weil er – wie so viele Unschuldige unter den schneidenden Rädern sein Leben enden sollte – meine Gebeine liegen in dem alten Brunnen an der nördlichen Seite – meinem Geist wehet aus tiefer Ferne Ruhe entgegen, aber ich kann noch nicht dazu gelangen.

Günther. Entdecke mir – wie kann ich deinen Schatten versöhnen?

Geist. Bis nicht der Aufenthalt meines Mannes, der nach vollbrachtem Mord aus der Mühle floh, entdeckt ist, und meine modernden Gebeine neben seinem Leichnahm ruhen – vermag ich nicht, die Wonne der Seeligen zu geniessen. Diese Bedingung kannst du erfüllen – die zweyte, die Gottes Barmherzigkeit über mich verhieng, muß ich zu vollbringen suchen.

Günther. Und diese ist?

Geist. Ich habe einen Sohn – ein fürchterliches Schicksal waltet über ihn und mich! Er kennt seinen Vater und Mutter nicht – ist von der Vorsicht bestimmt, sie nie kennen zu lernen. Siebenfacher Mörder muß er werden, ehe er zum 24ten Jahre gelangt, und hat er dieses Jahr erreicht, so stirbt er den Tod der Rache von seiner Mutter Hand. –

Günther. Schreckliches Verhängniß!

Geist. Eile, Jüngling! meine Erlösung zu beginnen, wenn du gutes Muthes und reines Herzens bist.

Günther. Unglücklichen zu helfen, ist mein Wunsch. Gott steht in mein Herz, es ist rein von Lastern.

Geist. Wohl dann mir und dir! ich kann mich bald in die Gefilde der Seeligen schwingen; schon die Hoffnung erfüllt mich mit nie empfundener Wonne, und du erreichst den Höchsten deiner Wünsche – Mathilden!

Günther. Soll diese Hoffnung zur Gewißheit werden? Aber ich bin arm!

Geist. Du sollst reich werden! Hier in der Mühle ist ein grosser Schatz begraben, der für dich bestimmt ist. (schwacher Windschauer) doch – die Stunde der Mitternacht beginnt – Günther! gedenke meiner Leiden – gedenke Mathilden! – (Ein Blitzstrahl mit einem Donnerschlag begleitet, fährt durch das Gemach, der Geist verschwindet, Günther senkt sich auf seine Knie nieder, und hebt sein Schwert empor)

Günther. Nie will ich ruhen, nie mich des Lebens mehr freuen, bis ich dich, unglücklicher Geist! gerettet habe. Keine Gefahr will ich scheuen, Leiden und Beschwerden mit Muth und Geduld ertragen, – aber dann, wenn ich den rauhen Pfad ohne Scheu wanderte, wenn ich siege – dann – Gott! dann schenk mir Mathilden. (Eine feyerliche Harmonie ertönt, mit sanften Flötentönen begleitet. Jeriel als Genius steht hinter ihm mit einem Palmenzweig)

Final-Musik.
Jeriel.
      Die Gottheit höret deine Bitte,
    Ertrage willig dein Geschick;
Und folgt auch Unglück deinem Schritte,
    So lächelt dir am Ende, Glück!

Jeriel. (führt ihn ab. – Die Glocke schlägt 12mal – unter diesem kommt Käsperle furchtsam herein, und sagt)

Käsperle. So hat mich doch der Teufel an den verdammten Ort herführen müssen. Wo ist denn mein Ritter? den hat vielleicht schon der Böse –

(nach dem 12ten Schlag geschieht ein Donnerschlag, der Sturm heult, alle Räder der Mühle kommen in Bewegung. Geister und Hexen kommen als Müllerknechte und Mägde, tragen Säcke, werfen Korn in die Multe, und haben verschiedene Beschäftigungen. Käsperle retirirt sich unter den Tisch, und schaut hervor)

Fürchterlicher Chor.
Zur Arbeit, ihr Geister der Mitternachtsstunde!
    Der Sturm heult durch den Wald!
Hört! fürchterlich brüllen die Donner dem Bunde,
    Daß Berg und Thal erschallt!

Käsperle. (schaut hervor) Ach du lieber Gott! wenn ich nur dießmal aus der Kompagnie da weg wäre. – (Der Sturmchor geht in einen fröhlichen Tanz über, die Geister nähern sich dem Tisch)

Geister-Chor.
Alle.
            Hurrah tax! wer ist denn da?
Käsperle.
Laßt mich aus! kein Mensch ist da!
Alle.
Fremdling! komm durch Berg und Klüfte,
(Sie tanzen um ihn)
Fahre mit uns durch die Lüfte –
    Rechts und Links, die Kreuz und Quer,
    Oben, unten – hin und her –
Hurrah tax – mit uns von hier,
Fort aus diesem Nachtquartier!

(Donnerschlag – Jeriel erscheint, winkt – alle Geister stehen in Gruppen – Pause in der Musik. – Der Tisch verwandelt sich in einen Mülleresel, worauf Käsperle sitzt, er reitet durch das Fenster, welches unter schrecklichem Gepolter herabfällt.)

Der Vorhang fällt.


 << zurück weiter >>