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Tausend und eine Nacht. Band XII
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Die Streiche der verschlagenen Delîle.

Ferner erzählt man, o glückseliger König, daß in der Zeit des Chalifen Hārûn er-Raschîd zwei Männer, Namens 60 Ahmed ed-Danaf und Hasan Schūmân,Diese beiden Edeln sind uns bereits in der Geschichte Alā ed-Dîn Abusch-Schāmâts (VI. Bd.) begegnet, ebenso wie Alī Sîbak, der Held der folgenden Erzählung, welche eng mit dieser zusammengehört. Auch die verschlagene Delîle ward bereits in der Geschichte von Asîs und Asîse (IV. Bd.) erwähnt. lebten, welche voll List und Verschlagenheit waren und manch einen wunderbaren Streich verübt hatten, weshalb der Chalife auch beiden ein Ehrenkleid verlieh und Ahmed ed-Danaf zum Hauptmann zur Rechten und Hasan Schūmân zum Hauptmann zur Linken ernannte und ihnen einen Monatssold von tausend Dinaren festsetzte, indem er unter die Hand eines jeden vierzig Mann stellte und Ahmed ed-Danaf mit der Inspektion des Landbezirks betraute. Und so ritten denn Ahmed ed-Danaf und Hasan Schūmân mit ihrem Gefolge in Begleitung des Emirs Châlid, des Wâlīs, aus, während der Herold laut vor ihnen verkündete: »Laut Befehl des Chalifen giebt es zu Bagdad keinen Polizeihauptmann zur Rechten als Ahmed ed-Danaf und keinen zur Linken als Hasan Schūmân; ihrem Wort ist daher zu gehorchen, und sollen sie in Ehren gehalten werden.«

Nun lebte in der Stadt eine alte Frau, Namens Delîle die Verschlagene, welche eine Tochter, Namens Seinab die Gaunerin, hatte. Als dieselben des Herolds Verkündigung vernahmen. sagte Seinab zu ihrer Mutter Delîle: »Schau, Mutter, dieser Ahmed ed-Danaf kam als Flüchtling aus Kairo nach Bagdad und verübte hier solche Streiche, daß er schließlich in die Nähe des Chalifen gelangte und Hauptmann zur Rechten wurde; und dieser grindige Bursche Hasan Schūmân ist Hauptmann zur Linken und hat einen Tisch zum Morgen und einen zum Abend, und beide haben einen Monatssold von tausend Dinaren, während wir in diesem Hause verlassen und ohne Ansehen und Ehre dasitzen und keinen haben, der nach uns fragt.« Delîles Gatte aber war zuvor Hauptmann von Bagdad gewesen und hatte vom 61 Chalifen monatlich tausend Dinare erhalten; bei seinem Tode hatte er zwei Töchter hinterlassen, von denen die eine verheiratet war und einen Knaben, Namens Ahmed el-Lakît, hatte, während seine andere Tochter eben die unverheiratete Seinab war. Delîle aber war eine Meisterin in allen Listen, Ränken und Streichen, insofern sie selbst einen Drachen aus seinem Nest hervorzulocken vermochte, und Iblîs selber konnte Betrug von ihr lernen. Ihr Vater war beim Chalifen als Taubenschlagwärter mit einem Monatsgehalt von tausend Dinaren angestellt gewesen und hatte als solcher die Brieftauben zu züchten gehabt, die in Zeiten der Not dem Chalifen lieber waren als einer seiner Söhne. Und so sprach Seinab zu ihrer Mutter: »Steh auf und vollführe irgend einen listigen Streich, daß wir hierdurch in Bagdad einen Namen bekommen und unseres Vaters Einkünfte für uns erhalten.«

Sechshundertundneunundneunzigste Nacht.

Ihre Mutter entgegnete ihr: »Bei deinem Leben, meine Tochter, ich will in Bagdad mit meinen Streichen Ahmed ed-Danaf und Hasan Schūmân noch übertrumpfen!« Hierauf erhob sie sich, schlug einen Lithâm vors Gesicht und legte die Tracht armer Sûfīs an, nämlich Hosen, die ihr bis zu den Fersen reichten, und eine mit einem breiten Gürtel zusammengehaltene Jacke, worauf sie eine Kanne nahm, sie bis zum Hals mit Wasser füllte, in ihre Mündung drei Dinare steckte und dieselbe mit Palmenfasern verstopfte. Dann hing sie einen Rosenkranz von der Größe einer Tracht Holz um den Nacken, nahm ein Fähnlein mit roten und gelben Fetzen in die Hand und ging hinaus, indem sie »Allāh! Allāh!« rief, mit einer Zunge, die den Herrn lobpreiste, während ihr Herz auf Satans Rennbahn galoppierte, wobei sie auslugte, wie sie einen Streich in der Stadt ausüben könnte. So wanderte sie von einer Gasse bis zur andern, bis sie zu einer gefegten und gesprengten, mit 62 Marmor gepflasterten Straße gelangte, in der sie ein gewölbtes Thor mit einer marmornen Schwelle erblickte, an welchem ein maghribitischer Pförtner stand. Das Haus gehörte aber dem Hauptmann der Dschawîsche des Chalifen, einem Manne, der eine Menge Äcker und Grundstücke besaß und hohe Einkünfte bezog und den Namen Emir Hasan Scharr et-Tarîk, d. i. das Übel des Weges, führte, dieweil sein Hieb seinem Worte zuvorkam. Dieser Hauptmann war mit einem hübschen Mädchen verheiratet, das er liebte und dem er in der Brautnacht geschworen hatte keine andere Frau neben ihr zu heiraten und auch in keiner andern Haus die Nacht über zu verbringen. Als er sich jedoch eines Tages in den Diwan begab und sah, daß alle die Emire einen oder zwei Söhne bei sich hatten, ging er hernach ins Bad und gewahrte, als er sein Gesicht im Spiegel betrachtete, daß das weiße Haar in seinem Barte bereits das schwarze verhüllte. Da sprach er bei sich: »Wird der, welcher deinen Vater holte, dir keinen Sohn schenken?« Alsdann trat er bekümmert bei seiner Gattin ein, die zu ihm sprach: »Guten Abend.« Er erwiderte jedoch: »Geh mir aus dem Weg; seit dem Tage, da ich dich sah, habe ich nichts Gutes gesehen.« Sie fragte: »Wieso?« Und er versetzte: »In der Brautnacht ließest du mich schwören keine andere Frau außer dir zu heiraten, und heute sah ich, daß jeder der Emire einen, ja zum Teil sogar zwei Söhne bei sich hatte; da gedachte ich an den Tod und auch daran, daß ich weder einen Sohn noch eine Tochter hätte; wer aber keinen Sohn hat, dessen Name vergeht. Dies ist die Ursache meines Zorns, denn du bist unfruchtbar und wirst nicht schwanger von mir.« Da entgegnete sie ihm: »Gottes Name sei auf dir, du bist selber daran schuld, weil du ein plattnäsiger Maultierhengst bist.« Er erwiderte: »Wenn ich von meiner Reise heimkehre, so werde ich eine andere Frau heiraten,« worauf sie versetzte: »Mein Los ist bei Gott.« Hierauf verließ er sie, und beide bereuten ihren Zank. Während nun seine Frau aus ihrem Fenster schaute, 63 in ihrem Schmuck der Braut eines Schatzes gleichend, da stand mit einem Male Delîle da und erblickte sie; als sie aber Schmucksachen und kostbare Kleider an ihr gewahrte, sprach sie bei sich: »Delîle, das wäre ein prächtiger Streich, dieses Mädchen aus dem Haus ihres Gatten zu entführen und ihr den Schmuck und die Kleider abzunehmen.« Hierauf stellte sie sich hin und rief unter ihrem Fenster »Allāh! Allāh! O ihr Heiligen Gottes, kommt herbei!« Da schaute Chātûn, die Frau des Emirs Hasan, hinunter und gewahrte eine Alte, in weiße Kleider nach Art von Sûfīs gekleidet, ähnlich einer Lichtkuppel. Ebenso schauten auch alle andern Frauen in jener Straße aus den Fenstern und sprachen: »Gott schenke uns einen Segen durch die Hilfe dieser Greisin, deren Antlitz Licht ausstrahlt!« während Chātûn weinend zu ihrer Sklavin sprach: »Geh hinunter, küsse Scheich Abū Alīs des Thürhüters Hand und sprich zu ihm: Laß die fromme Greisin ein, damit wir einen Segen von ihr empfangen.« Infolge dessen ging die Sklavin hinunter, küßte des Thürhüters Hand und sprach zu ihm: »Meine Herrin läßt dir sagen, du möchtest die fromme Greisin zu ihr einlassen, damit wir einen Segen von ihr empfangen.«

Siebenhundertste Nacht.

Da küßte er der Alten die Hand, sie aber wehrte es ihm, indem sie zu ihm sprach: »Hinweg von mir, daß meine Waschung nicht aufgehoben wird! Du bist gleichfalls von den Heiligen Gottes aufwärts gezogen und gnädig angeschaut. Mag Er dich von deinem Dienst befreien, o Abū Alī!« Nun schuldete der Emir dem Thürhüter für drei Monate Lohn, so daß er hierdurch in bedrängte Lage gekommen war und nicht wußte, wie er sein Geld von Emir bekommen sollte; und so sprach er zu ihr: »Meine Mutter, laß mich aus deiner Kanne trinken, daß ich durch dich einen Segen empfange.« Da nahm sie die Kanne von ihrer Schulter und schüttelte sie in der Luft umher, daß der 64 Palmenfaserpfropfen heraussprang, worauf die drei Dinare auf den Boden fielen. Als der Pförtner sie sah, hob er sie auf und sprach bei sich: »Etwas um Gottes willen! Dies ist eine von jenen Frommen, die Wunder vermögen. Es ward ihr offenbart, daß ich in Geldnot bin, und so verschaffte sie mir drei Dinare aus der Luft.« Hierauf faßte er sie bei der Hand und sprach zu ihr: »Meine Tante, nimm die drei Dinare, die aus deiner Gießkanne auf die Erde gefallen sind.« Die Alte versetzte jedoch: »Schaff sie mir fort, ich gehöre zu den Leuten, die nichts mit irdischem Gut zu thun haben. Nimm sie und verbrauche sie für dich an Stelle des Geldes, das dir der Emir schuldet.« Da sagte er: »Gott sei gedankt für seine Hilfe! Dies gehört zum Kapitel der Offenbarung.« Das Mädchen aber küßte ihr nun die Hand und führte sie zu ihrer Herrin hinauf, die ihr beim Eintreten wie ein von seinem Talismanen befreiter Schatz vorkam. Nachdem Chātûn sie begrüßt und ihr die Hand geküßt hatte, sprach sie zu ihr: »Meine Tochter, ich komme nur zu dir, um dir einen Rat zu erteilen.« Dann brachte ihr Chātûn etwas zu essen, doch versetzte sie: »Meine Tochter, ich esse nur von der Speise des Paradieses und unterbreche mein Fasten nur fünf Tage im Jahr. Jedoch, meine Tochter, schaue ich dich bekümmert und möchte gern von dir die Ursache deiner Kümmernis hören.« Sie erwiderte: »O meine Mutter, in meiner Hochzeitsnacht ließ ich meinen Gatten schwören keine andere Frau neben mir zu heiraten; nun aber sah er anderer Leute Kinder und sagte, nach Kindern verlangend, zu mir: »Du bist unfruchtbar,« worauf ich ihm erwiderte: »Du bist ein Maultier, das nicht schwängert.« Da verließ er mich erzürnt und sprach: »Wenn ich von meiner Reise heimkehre, nehme ich mir noch eine Frau.« So fürchte ich, meine Mutter, daß er mich entläßt und eine andere annimmt, denn er hat Ländereien und Grundstücke und großen Gehalt, und wenn er von einer andern Kinder bekommt, werden sie mir das Geld und Land fortnehmen.« Die Alte entgegnete 65 ihr: »Meine Tochter, kennst du denn gar nicht meinen Scheich Abū el-Hamlât, der jedem Schuldner, der ihn besucht, um Gottes willen seine Schuld bezahlt und jede Unfruchtbare in gesegnete Umstände bringt?« Sie versetzte: »Meine Mutter, seit dem Tag meiner Hochzeit verließ ich das Haus weder zu einer Kondolation noch Gratulation.« Die Alte entgegnete: »Meine Tochter, ich will dich mitnehmen und mit dir Abū el-Hamlât besuchen, und du wirf deine Last auf ihn und mach ihm ein Gelübde. Wenn dann dein Gatte von der Reise heimkehrt und bei dir ruht, so wirst du vielleicht mit einem Mädchen oder einem Knaben von ihm schwanger; doch soll deines Leibes Frucht, sei es Mädchen oder Knabe, ein Derwisch des Scheichs Abū el-Hamlât werden.« Da erhob sich die junge Frau, legte all ihren Schmuck an, kleidete sich in ihre besten Sachen und sprach zu ihrer Sklavin: »Gieb Obacht übers Haus.« Und die Sklavin erwiderte: »Ich höre und gehorche, meine Herrin.« Als sie dann hinunterstieg und der Thürhüter Scheich Abū Alī ihr begegnete und sie fragte: »Wohin, meine Herrin?« antwortete sie ihm: »Ich gehe fort den Scheich Abū el-Hamlât zu besuchen.« Da sagte er zu ihr: »Ich verpflichte mich ein Jahr zu fasten; siehe, diese Scheichin ist eine Heilige und ist heilig durch und durch; und, meine Herrin, ihr stehen Schätze zu Gebote, denn sie schenkte mir drei Dinare aus rotem Gold und enthüllte mir ungefragt meine Lage und wußte, daß ich in Not bin.« Hierauf ging die Alte mit der jungen Frau des Emirs Hasan Scharr et-Tarîk fort, indem sie zu ihr sagte: »So Gott will, meine Tochter, wird dein Herz durch den Besuch des Scheichs Abū el-Hamlât getröstet werden; mit Gottes, des Erhabenen, Erlaubnis wirst du schwanger werden, und dein Gatte, der Emir Hasan, wird dich durch den Segen dieses Scheichs lieben und dich nie wieder ein betrübendes Wort hören lassen.« Und die junge Frau erwiderte: »Ich will ihn besuchen, meine Mutter.« Bei sich selber aber sprach die Alte: »Wo soll ich ihr die Sachen abnehmen und sie entkleiden, wo hier die 66 Leute gehen und kommen?« Alsdann sprach sie zu ihr: »Meine Tochter, schreite hinter mir, doch so, daß du mich im Auge behältst, denn siehe, deine Mutter ist ein schwerbeladenes Weib; so jemand eine Last trägt, wirft er sie auf mich, und alle, die eine fromme Gabe gelobt haben, geben sie mir und küssen mir die Hand.« Da schritt die junge Frau in weitem Abstand hinter ihr mit klingenden Fußspangen und klirrendem Haarzierat, und die Alte schritt ihr voran, bis sie zum Bazar der Kaufleute gelangten und hier an dem Laden eines Kaufmannssohnes, Namens Sîdī Hasan, vorüberkamen, eines sehr hübschen jungen Mannes, dem noch nicht der Flaum auf den Wangen sproßte. Als er die junge Frau ankommen sah, warf er verstohlene Blicke nach ihr; die Alte aber, die dies bemerkte, winkte ihr zu und sagte zu ihr: »Setz' dich an diesen Laden, bis ich zu dir zurückkehre.« Da setzte sie sich, ihrem Geheiß folgend, vor den Laden des Kaufmannssohnes, welcher einen einzigen Blick auf sie warf, der ihm tausend Seufzer erweckte. Die Alte aber trat nun an ihn heran, begrüßte ihn und fragte ihn: »Ist nicht dein Name Sîdī Hasan, der Sohn des Kaufmanns Mohsin?« Er versetzte: »Jawohl; wer hat dir meinen Namen gesagt?« Sie erwiderte: »Mich haben rechtschaffene Leute zu dir gewiesen; wisse, dieses Mädchen ist meine Tochter; ihr Vater war ein Kaufmann und hinterließ ihr viel Geld. Sie ist nun mannbar geworden, und die Weisen sagen: Such für deine Tochter einen Mann, aber such keine Frau für deinen Sohn; und ihr ganzes Leben lang ist sie heute zum erstenmal aus dem Hause gekommen, wo mir der Befehl ward und eine innere Stimme mich hieß dich mit ihr zu vermählen. Solltest du arm sein, so will ich dir Kapital geben, und dir an Stelle deines einen Ladens zwei aufmachen.« Da sprach der Kaufmannssohn bei sich: »Ich bat Gott um eine Braut, und nun gewährt er sie mir und noch Geld und Kleider dazu.« Dann sagte er zur Alten: »Meine Mutter, dein Vorschlag ist sehr gut, denn meine Mutter sagte schon immer zu mir: »Ich 67 will dich vermählen.« Ich wollte es jedoch nicht, sondern erklärte, ich wollte nur nach Augenschein heiraten.« Nun versetzte die Alte: »Steh auf und folge mir, ich will sie dir nackend zeigen.« Da erhob er sich und folgte ihr; doch steckte er sich zuvor tausend Dinare ein, indem er bei sich sprach: »Vielleicht haben wir nötig etwas zu kaufen –

Siebenhundertunderste Nacht.

oder müssen doch die Taxe für den Ehekontrakt bezahlen.« Hierauf sprach die Alte zu ihm: »Schreite ihr in weitem Abstand nach, jedoch so, daß du sie im Auge behältst.« Bei sich selber aber sprach sie: »Wohin willst du den jungen Kaufmann und das Mädchen führen, daß du beiden die Sachen fortnimmst, wo er seinen Laden verschlossen hat?« Dann wanderte sie drauf los, gefolgt von der jungen Frau und dem jungen Kaufmann, der wiederum der jungen Frau folgte, bis sie zu einer Färberei gelangte, die einem Meister, der Pilgersmann Mohammed geheißen, gehörte, der wie das Messer des Kolokassiahändlers war, das Männliches und Weibliches zu gleicher Zeit schneidet, und der Feigen und Granaten zu essen liebte.Diese Redensarten deuten auf einen übelbeleumdeten Menschen. Die Kolokassia soll männliche und weibliche Blüten in einer Scheide tragen. Als derselbe auf das Klingen der Fußspangen hin seine Augen hob und das Mädchen und den jungen Menschen sah, setzte sich mit einem Male die Alte an seine Seite, begrüßte ihn und sprach zu ihm: »Du bist doch der Pilgersmann Mohammed der Färber?« Er erwiderte: »Jawohl, ich bin der Pilgersmann Mohammed; was ist dein Begehr?« Sie versetzte: »Mich haben rechtschaffene Leute zu dir gewiesen. Schau, dieses hübsche Mädchen ist meine Tochter und jener hübsche, bartlose junge Mann mein Sohn, die ich beide aufzog und mir viel Geld kosten ließ. Nun aber hab' ich ein großes baufälliges Haus, das ich mit Holz stützte, und der Baumeister sagte mir, ich 68 solle an einem andern Platz wohnen, bis es wieder aufgebaut wäre, damit es nicht über uns zusammenstürze. Ich ging deshalb fort mir eine Unterkunft zu suchen, und rechtschaffene Leute wiesen mich zu dir, weshalb ich dich bitte, meinen Sohn und meine Tochter bei dir wohnen zu lassen.« Als der Färber dies vernahm, sprach er bei sich: »Da ist frische Butter auf Kuchen zu dir gekommen.« Dann sagte er zur Alten: »Es ist wahr, ich habe ein Haus, einen Saal und ein Stockwerk; ich kann jedoch keinen Raum davon entbehren, da ich allen Platz für Gäste und für die Indigopflanzer brauche.« Die Alte entgegnete ihm jedoch: »Mein Sohn, wir werden das Haus höchstens für einen oder zwei Monate bewohnen, denn wir sind Fremde. Teile doch das Gastzimmer zwischen dir und uns, und, bei deinem Leben, mein Sohn, wenn du wünschest, daß deine Gäste unsere Gäste sind, so seien sie willkommen; wir wollen mit ihnen essen und schlafen.« Da gab er ihr die Schlüssel, einen großen, einen kleinen und einen krummen und sprach zu ihr: »Der große Schlüssel ist fürs Haus, der krumme für den Saal und der kleine für das obere Stockwerk.« So nahm sie die Schlüssel, die junge Frau folgte ihr, und dieser folgte wieder der junge Kaufmann, bis sie zur Gasse gelangte, in welchem sich das Haus befand. Als sie die Thür desselben erblickte, öffnete sie dieselbe und trat ein, und hinter ihr die junge Frau, zu der sie sagte, indem sie auf den Saal wies: »Meine Tochter, dies ist das Haus des Scheichs Abū el-Hamlât; steig' du jedoch nach oben hinauf und leg deinen Schleier ab, bis ich zu dir komme.« Da stieg das Mädchen nach oben und setzte sich, während die Alte nun den jungen Kaufmann empfing und zu ihm sagte: »Setz dich in den Saal, bis ich dir meine Tochter bringe, daß du sie dir besiehst.« Infolge dessen trat er ein und setzte sich, während die Alte nun zur jungen Frau hinaufging, die zu ihr sagte: »Ich möchte den Scheich Abū el-Hamlât besuchen, bevor die Leute kommen.« Die Alte erwiderte ihr: »Meine Tochter, 69 wir fürchten für dich.« – »Weshalb?« fragte sie. Die Alte versetzte: »Weil hier ein Sohn von mir ist, ein Blödsinniger, der den Sommer nicht vom Winter unterscheiden kann und immer nackend geht. Er ist des Scheichs Stellvertreter, und, wenn eine Prinzessin wie du zum Besuch des Scheichs kommt, reißt er ihr die Ringe aus den Ohren und zerreißt ihre seidenen Kleider. Leg daher deinen Schmuck und deine Kleider ab, daß ich sie dir hüte, bis du deinen Besuch abgestattet hast.« Da legte sie ihre Schmucksachen und ihre Kleider ab und übergab sie der Alten, die zu ihr sagte: »Ich will sie auf den Vorhang des Scheichs legen, daß du dadurch einen Segen erhältst.« Hierauf nahm die Alte die Sachen und ging fort, die junge Frau in Hemd und Hosen zurücklassend. Nachdem sie die Sachen an einem Platz unter der Treppe versteckt hatte, trat sie bei dem jungen Kaufmann ein, welcher auf das Mädchen wartend dasaß und sie nun fragte: »Wo ist deine Tochter, daß ich sie mir ansehen kann?« Da schlug sie sich vor die Brust, so daß er sie fragte: »Was fehlt dir?« Sie erwiderte: »Ach gäbe es doch keine schlechten und neidischen Nachbarn! Sie sahen dich mit mir eintreten und fragten mich nach dir; als ich ihnen nun sagte, ich hätte dich zum Bräutigam meiner Tochter geworben, beneideten sie mich um deinetwillen und sprachen zu meiner Tochter: »Ist deine Mutter es überdrüssig, dich zu unterhalten, daß sie dich mit einem Aussätzigen verheiraten will?« Da schwur ich ihr, sie sollte dich nur nackend schauen.« Der junge Kaufmann versetzte: »Ich nehme meine Zuflucht zu Gott vor den Neidern!« und, seine beiden Vorderarme entblößend, zeigte er ihr dieselben, die weiß wie Silber waren, worauf sie zu ihm sagte: »Fürchte dich nicht, ihr sollt euch alle beide nackend sehen.« Und er entgegnete: »Laß sie kommen und mich besichtigen.« Alsdann legte er seinen Zobelpelz, seinen Gürtel, sein Messer und alle andern Kleidungsstücke bis aufs Hemd und die Hosen ab und legte die tausend Dinare zu den Sachen, worauf die Alte zu ihm sagte: »Gieb 70 mir die Sachen, daß ich sie dir hüte.« Dann nahm sie dieselben samt den Sachen der jungen Frau, lud alles auf und schritt mit dem Pack zur Thür hinaus ihres Weges, hinter beiden die Thür verschließend.

Siebenhundertundzweite Nacht.

Nachdem sie die Sachen bei einem Drogisten deponiert hatte, kehrte sie zu dem Färber zurück, den sie wartend antraf, und der nun zu ihr sagte: »So Gott will, gefällt euch das Haus.« Sie versetzte: »Es ruht ein Segen auf ihm, und ich gehe nun Lastträger zu holen, daß sie unsere Sachen und Möbel hinüberschaffen. Meine Kinder aber baten mich um Brot mit Fleisch; nimm daher diesen Dinar, beschaffe ihnen das Gericht und nimm das Frühstück mit ihnen ein.« Der Färber entgegnete: »Wer wird die Färberei und die Sachen der Leute darinnen hüten?« Die Alte versetzte: »Dein Knabe.« Er erwiderte: »So sei's!« Alsdann nahm er eine Schüssel und einen Deckel und ging fort das Frühstück zu besorgen. So viel was den Färber betrifft, von dem noch mehr erzählt werden soll. Die Alte aber holte nun von dem Drogisten die Sachen der jungen Frau und des jungen Kaufmanns, worauf sie zur Färberei zurückkehrte und zu dem Knaben des Färbers sagte: »Lauf deinem Meister nach, ich will so lange hier bleiben, bis ihr zu mir zurückgekehrt seid.« Der Knabe erwiderte: »Ich höre und gehorche« und machte sich auf den Weg, während die Alte nun alle Sachen, die sich in der Färberei befanden, zusammenraffte. Einem vorüberkommenden Eseltreiber, einem Haschischesser, der seit einer Woche nichts zu thun gehabt hatte, rief sie zu: »Komm her, Eseltreiber!« Als er nun zu ihr kam, fragte sie ihn: »Kennst du meinen Sohn, den Färber?« Er entgegnete ihr: »Ich kenne ihn.« Da sagte sie: »Der Unglückliche ist bankerott und beladen mit Schulden, und jedesmal, wenn er eingesperrt wird, löse ich ihn aus. Wir wollen nun seine Insolvenz erhärten, und ich bin auf 71 dem Wege die Sachen ihren Besitzern wieder zuzustellen. Ich möchte daher den Esel von dir haben, um die Sachen auf ihm den Leuten hinzuschaffen, und will dir diesen Dinar als Miete für ihn geben. Wenn ich fort bin, so nimm die Handsäge, schöpfe die Bottiche aus und vernichte sie samt den Krügen, daß, wenn ein Beamter vom Kadi kommt, er nichts mehr in der Färberei vorfindet.« Der Knabe erwiderte: »Ich schulde dem Meister vielen Dank und will etwas um Gottes willen thun.« Hierauf nahm sie die Sachen, lud sie auf den Esel und zog, von dem Schützer beschützt, zu ihrem Hause ab. Als sie bei ihrer Tochter Seinab eintrat, rief ihr diese entgegen: »Mein Herz war bei dir, meine Mutter; was für Streiche hast du ausgeübt?« Sie erwiderte: »Ich habe vier Personen begaunert: einen jungen Kaufmann, die Frau eines Schāwîsch, einen Färber und einen Eseltreiber und bringe dir all ihre Sachen auf dem Esel des Eseltreibers.« Da sagte ihre Tochter: »Ach, meine Mutter, du wirst jetzt nie mehr durch die Stadt gehen dürfen aus Furcht vor dem Schāwîsch, dessen Frau du ihrer Sachen beraubt hast, vor dem jungen Kaufmann, den du ausgezogen, vor dem Färber, aus dessen Färberei du die Sachen der Leute gestohlen hast, und vor dem Eseltreiber, dem Besitzer des Esels.« Sie versetzte jedoch: »Pah, meine Tochter, ich kehre mich um keinen von ihnen als um den Eseltreiber, der mich kennt.«

Was nun aber den Färbermeister anlangt, so hatte er das Fleischgericht mit Brot besorgt und ließ es von seinem Diener auf dem Kopf sich nachtragen. Auf seinem Wege kam er an seiner Färberei wieder vorüber, und, als er nun hier den Eseltreiber die Bottiche zerschlagen und in ihnen weder Zeug noch Flüssigkeit und die ganze Färberei in Trümmern daliegen sah, rief er dem Eseltreiber zu: »Laß deine Hand davon ab, Eseltreiber.« Da ließ der Eseltreiber seine Hand davon ab und rief: »Gelobt sei Gott für dein Wohlsein! O Meister, mein Herz war bei dir.« Da fragte er: »Weshalb? und was ist mir denn zugestoßen?« Der 72 Eseltreiber erwiderte: »Du bist bankerott geworden, und sie haben deine Insolvenzurkunde ausgefertigt.« – »Und wer hat dir das gesagt?« fragte der Färber. Der Eseltreiber erwiderte: »Deine Mutter sagte es mir und befahl mir die Gefäße zu zerschlagen und die Krüge auszuschöpfen, damit der Beamte nichts in der Färberei vorfände, wenn er käme.« Der Färber versetzte: »Gott verdamme mich, meine Mutter ist seit langer Zeit tot!« Dann schlug er sich vor die Brust mit der Hand und rief: »Ach um den Verlust meines Gutes und des Gutes der Leute!« während der Eseltreiber nun seinerseits auch zu weinen anhob und rief: »Ach um den Verlust meines Esels!« und zu dem Färber sagte: »Gieb mir meinen Esel wieder, den mir deine Mutter nahm.« Da packte der Färber den Eseltreiber und bearbeitete ihn mit der Faust, indem er dabei rief: »Schaff' mir das alte Weib her!« während der Eseltreiber schrie: »Schaff' du mir meinen Esel her!« bis sich das Volk in Menge um sie scharte –

Siebenhundertunddritte Nacht.

und einer von den Leuten sie fragte: »Was giebt's, Meister Mohammed?« worauf der Eseltreiber entgegnete: »Ich will euch die Geschichte erzählen.« Alsdann berichtete er ihm das Vorgefallene, indem er hinzusetzte: »Ich glaubte dem Meister einen guten Dienst zu erweisen, als er mich jedoch sah, schlug er sich an die Brust und schrie mich an: »Meine Mutter ist tot.« Ich aber verlange meinen Esel von ihm, da er mir diesen Streich gespielt hat, um mich um meinen Esel zu bringen.« Da sprachen die Leute: »Meister Mohammed, kennst du diese alte Frau, daß du sie mit der Obhut der Färberei und allem, was sich darin befand, betrautest?« Er versetzte: »Ich kenne sie nicht, doch wohnt sie seit heute mit ihrem Sohn und ihrer Tochter bei mir.« Nun sagte einer: »Nach meiner Meinung ist der Färber dem Eseltreiber für den Esel haftbar.« – »Und aus welchem Grunde?« fragte ein anderer. »Weil der 73 Eseltreiber,« versetzte er, »nur deshalb der Alten traute und ihr seinen Esel gab, weil er sah, daß der Färber sie mit der Obhut der Färberei und allem, was sich darin befand, betraut hatte.« Wieder ein anderer sagte: »Meister, da sie bei dir wohnt, bist du verpflichtet, ihm den Esel wieder zu beschaffen.« Hierauf machten sie sich nach seinem Hause auf, und das weitere von ihnen kommt noch.

Inzwischen wartete der junge Kaufmann, daß die Alte mit ihrer Tochter zu ihm käme, während die junge Frau ihrerseits wieder auf die Alte wartete, daß sie mit der Erlaubnis von seiten ihres ekstatischen Sohnes käme, des Adjunkts des Scheichs Abū el-Hamlât. Da sie jedoch nicht zu ihr zurückkehrte, erhob sie sich, selber den Scheich zu besuchen, und trat in den Saal ein, als mit einem Male der junge Kaufmann zu ihr sagte: »Komm her; wo ist deine Mutter, die mich hergebracht hat dich zu heiraten?« Sie versetzte: »Meine Mutter ist tot; du aber, bist du der Sohn der Alten, der Ekstatiker und Adjunkt des Scheichs Abū el-Hamlât?« Er versetzte: »Das ist nicht meine Mutter, das ist eine alte Gaunerin, die mir meine Sachen und tausend Dinare dazu abgeschwindelt hat.« Da sagte die junge Frau: »Und mich hat sie ebenfalls beschwindelt; sie brachte mich hierher, daß ich Abū el-Hamlât besuchte, und brachte mich dabei um meine Sachen.« Hierauf sagte er: »Ich halte mich wegen meiner Sachen und der tausend Dinare an dich,« während die junge Frau ihrerseits erklärte: »Und ich halte mich wegen meiner Sachen und meiner Schmuckstücke an dich; schaff' mir deshalb deine Mutter her.« Während sie aber noch miteinander stritten, trat der Färber bei ihnen ein und fragte sie, als er den jungen Kaufmann und die junge Frau entkleidet sah: »Sagt mir, wo eure Mutter ist.« Da erzählten ihm beide, was mit ihnen vorgefallen war, worauf der Färber rief: »Ach um den Verlust meines Gutes und des Gutes der Leute!« während der Eseltreiber klagte: »Ach um meinen Esel! Färber, schaff' mir meinen Esel wieder!« Alsdann 74 sagte der Färber: »Dieses alte Weib ist eine Gaunerin, kommt, daß ich die Thür verschließe.« Der junge Kaufmann erwiderte jedoch: »Es wäre eine Schande für dich, wenn wir in Sachen dein Haus betreten und es entkleidet verlassen.« Da kleidete der Färber beide und schickte die junge Frau nach Hause, von der wir nach der Heimkehr ihres Gatten von seiner Reise noch mehr hören werden. Der Färber aber verschloß die Färberei und sagte zum jungen Kaufmann: »Komm und laß uns nach der Alten suchen, daß wir sie dem Wâlī übergeben.« Hierauf begab er sich mit ihm und dem Eseltreiber zum Wâlī und führten alle drei Klage vor ihm, worauf der Wâlī sie fragte: »Was wollt ihr, ihr Leute?« Als sie ihm nun das Vorgefallene berichtet hatten, sagte er zu ihnen: »Wie viele alte Weiber giebt's nicht in der Stadt! Geht fort und sucht nach ihr, und, wenn ihr sie gepackt habt, so will ich sie schon zum Geständnis bringen.« Da suchten sie rings in der ganzen Stadt nach ihr, und es soll noch mehr von ihnen erzählt werden.

Inzwischen aber sagte die Alte, die verschlagene Delîle, zu ihrer Tochter Seinab: »Meine Tochter, ich habe einen neuen Streich vor.« Ihre Tochter entgegnete: »Meine Mutter, ich fürchte für dich.« Sie versetzte jedoch: »Ich bin wie Bohnenabfall, wasser- und feuerfest.« Hierauf erhob sie sich, kleidete sich wie eine Dienerin vornehmer Leute und ging hinaus, nach einem neuen Streich auslugend. Auf ihrem Wege kam sie auch an einer mit Zeug belegten Straße vorüber, in welcher Lampen aufgehängt waren, und in der sie Gesang und Tamburinwirbel hörte und eine Sklavin erblickte, die auf ihrer Schulter einen Knaben in silberverbrämten Hosen, hübschen Kleidern und sammetnem Mantel trug, der auf dem Haupt einen perlenbesetzten Tarbusch, und um den Nacken ein goldenes, mit Edelsteinen besetztes Halsband hatte. Jenes Haus aber gehörte dem Obmann der Kaufleute von Bagdad, und der Knabe war sein Sohn. Außerdem hatte er jedoch auch noch eine jungfräuliche Tochter, 75 die verlobt war, und sie feierten gerade an diesem Tage ihre Hochzeit. Bei ihrer Mutter befanden sich eine Anzahl Frauen und Sängerinnen, und, da der Knabe, so oft seine Mutter hinaufstieg oder herunterkam, sich an sie zu klammern pflegte, hatte sie die Sklavin gerufen und zu ihr gesagt: »Nimm deinen kleinen Herrn und spiel' mit ihm, bis die Gesellschaft aufbricht.« Als nun die verschlagene Delîle den Knaben auf der Schulter der Sklavin sah, trat sie herzu und fragte sie: »Was für ein Fest feiert heute deine Herrin?« Sie versetzte: »Sie feiert die Hochzeit ihrer Tochter, und die Sängerinnen sind bei ihr.« Da sprach sie bei sich: »O Delîle, du hast jetzt den Knaben der Sklavin abzulisten.«

Siebenhundertundvierte Nacht.

Dann rief sie: »O Schande! O Unglück!« und holte aus ihrer Tasche ein kleines rundes, einem Dinar ähnliches Stück Messing hervor, das sie der Sklavin, welche einfältig war, mit den Worten übergab: »Nimm diesen Dinar, geh zu deiner Herrin und sprich zu ihr: Umm el-Cheir freut sich mir dir; sie ist dir für deine Güte zu Dank verpflichtet und wird dich am Empfangstag mit ihren Töchtern besuchen, um den Putzweibern die üblichen Gaben zu schenken.« Die Sklavin antwortete ihr: »Meine Mutter, sobald mein kleiner Herr hier seine Mutter sieht, hängt er sich an sie.« Da sagte sie: »Gieb ihn mir, bis du fortgegangen und wieder zurückgekommen bist.« So nahm denn die Sklavin die Münze und ging ins Haus, während die Alte mit dem Knaben in eine Gasse ging, wo sie ihm den Schmuck und seine Sachen abnahm und hierbei bei sich sprach: »Delîle, das wäre erst ein feiner Streich, wenn du, wie du der Sklavin den Possen spieltest und ihr den Knaben fortnahmst, den Knaben nun für Stücker tausend verpfändetest!« Hierauf begab sie sich zum Bazar der Juweliere, wo sie einen jüdischen Goldschmied sah, vor dem ein Korb voll Schmucksachen stand. Da sprach sie bei sich: »Das wäre ein Streich, 76 wenn du diesen Juden leimtest, indem du einen Schmuck im Werte von tausend Dinaren von ihm nähmst und ihm dafür den Knaben als Pfand zurückließest!« Wie nun der Jude seine Augen hob und den Knaben bei der Alten sah, erkannte er in ihm den Sohn des Obmanns der Kaufleute. Der Jude war aber sehr reich, doch schwoll ihm stets der Neid, wenn er sah, daß sein Nachbar etwas verkaufte und er nicht. Er fragte deshalb die Alte: »Was wünschest du, meine Herrin?« Sie entgegnete: »Bist du Meister Azariah der Jude?« Sie hatte nämlich seinen Namen zuvor von andern erfragt. Er versetzte: »Ja.« Da sagte sie: »Die Schwester dieses Knaben, die Tochter des Obmanns der Kaufleute, ist Braut; sie feiert heute ihre Hochzeit, und da bedarf sie des Schmuckes. Gieb mir deshalb zwei Paar goldene Fußspangen, ein Paar goldene Armspangen, Perlenohrringe, einen Gurt, einen Dolch und einen Siegelring.« Und so nahm sie von ihm Sachen im Wert von tausend Dinaren und sprach zu ihm: »Ich will diese Sachen zur Auswahl mitnehmen; was ihnen gefällt, werden sie behalten, und ich will dir dann den Preis dafür bringen, während du so lange den Knaben bei dir behältst.« Der Jude versetzte: »Es sei so, wie du es willst.« Hierauf nahm sie den Schmuck und ging nach Hause, wo ihre Tochter sie fragte: »Was für einen Streich hast du ausgeführt?« Sie antwortete: »Ich habe den Sohn des Obmanns der Kaufleute genommen, ihn entkleidet und habe ihn dann bei einem Juden für Schmucksachen im Werte von tausend Dinaren verpfändet.« Da sagte ihre Tochter zu ihr: »Nun darfst du nicht mehr in der Stadt auf der Straße gehen.«

Inzwischen war die Sklavin zu ihrer Herrin ins Haus gegangen und hatte zu ihr gesagt: »Meine Herrin, Umm el-Cheir läßt dich grüßen und dir sagen, daß sie sich mit dir freut, und daß sie am Empfangstage dich mit ihren Töchtern besuchen wird, um die üblichen Geschenke zu geben.« Da fragte sie ihre Herrin: »Wo ist dein kleiner Herr?« 77 Die Sklavin versetzte: »Ich ließ ihn bei ihr, damit er sich nicht an dich hängt, und sie gab mir ein Geschenk für die Sängerinnen.« Da sagte sie zur Kapellmeisterrn: »Nimm dein Geschenk.« Als diese es nahm und fand, daß es ein Stück Messing war, schrie ihre Herrin: »Geh hinunter, Dirne, und schau nach deinem Herrn.« Da ging die Sklavin hinunter; als sie aber weder den Knaben noch die Alte fand, schrie sie laut und fiel auf ihr Gesicht zu Boden. Und so ward ihre Freude in Kummer verwandelt. Mit einem Male kam der Obmann der Kaufleute an, und seine Frau erzählte ihm das Vorgefallene, worauf er hinunterstieg nach dem Knaben zu suchen, während die andern Kaufleute sich ebenfalls auf die Suche begaben, bis der Obmann der Kaufleute seinen Knaben nach langem Suchen entkleidet im Laden des Juden sitzen sah. Da sagte er zu ihm: »Das ist mein Sohn.« Der Jude antwortete: »Jawohl.« Hierauf nahm er seinen Knaben, ohne in dem Übermaß seiner Freude nach seinen Sachen zu fragen, während sich der Jude angesichts dessen an den Kaufmann hing und rief: »Gott komme dem Chalifen wider dich zu Hilfe!« Da sagte der Kaufmann zu ihm: »Was fehlt dir, Jude?« Der Jude versetzte: »Die Alte holte von mir für deine Tochter einen Schmuck im Werte von tausend Dinaren und ließ diesen Knaben als Pfand bei mir. Hätte sie den Knaben nicht als Pfand bei mir gelassen, hätte ich ihr nicht die Schmucksachen gegeben und hätte ihr nicht getraut, da ich wußte, daß es dein Sohn war.« Der Kaufmann erwiderte: »Meine Tochter hat keinen Schmuck nötig; schaff mir die Kleider meines Sohnes her.« Da schrie der Jude und rief: »Zu Hilfe, ihr Moslems!« Und mit einem Male erschienen der Eseltreiber, der Färber und der junge Kaufmann auf ihrer Suche nach der Alten und fragten den Juden und den Kaufmann nach der Ursache ihres Gezänks. Als sie ihnen das Vorgefallene erzählten, sagten sie: »Das ist eine alte Gaunerin, die uns vor euch beschwindelt hat,« und erzählten ihnen, wie es ihnen mit ihr 78 ergangen war, worauf der Obmann der Kaufleute sagte: »Nun ich meinen Sohn gefunden habe, mögen seine Sachen sein Lösegeld sein; wenn ich aber die Alte finde, will ich sie schon von ihr einfordern.« Hierauf brachte der Obmann der Kaufleute seinen Knaben seiner Mutter, die erfreut war ihn wohlbehalten wiederzusehen. Der Jude aber fragte die drei: »Wohin geht ihr?« Sie antworteten: »Wir suchen nach ihr.« Da sagte er: »Nehmt mich mit euch,« und fragte sie: »Ist einer unter euch, der sie kennt?« Der Eseltreiber versetzte: »Ich kenne sie.« Hierauf meinte der Jude: »Wenn wir alle zusammen gehen, finden wir sie nicht, und sie entkommt uns; laßt daher einen jeden von uns einen andern Weg nehmen und uns bei dem Laden des Pilgersmanns Masûd, des maghribitischen Barbiers, wieder treffen.« So schlug denn jeder von ihnen einen andern Weg ein, als mit einem Male der Eseltreiber auf die Alte stieß, die gerade wieder ausgegangen war, um eine neue Gaunerei auszuführen. Da er sie erkannte, packte er sie und rief: »Wehe dir, treibst du dieses Geschäft schon lange?« Sie erwiderte: »Was giebt's?« Der Eseltreiber entgegnete: »Meinen Esel, gieb ihn her!« Da sagte sie: »Verhülle, was Gott verhüllt hat, mein Sohn! Suchst du deinen Esel und die Sachen der Leute?« Er versetzte: »Ich suche nur meinen Esel und weiter nichts.« Sie erwiderte: »Ich sah, daß du arm bist, und ließ den Esel unter der Obhut des maghribitischen Barbiers. Bleib abseits stehen, daß ich zu ihm gehe und ihm freundlich zurede ihn dir auszuhändigen.« Hierauf trat sie an den Maghribiten heran und küßte ihm weinend die Hand, so daß er sie fragte: »Was fehlt dir?« Sie erwiderte: »Mein Sohn, schau meinen Sohn, der dort steht. Er war krank und setzte sich der Luft aus, die seinen Verstand verstörte. Infolge dessen ruft er jetzt, da er zuvor Esel kaufte, wo er geht und steht und sitzt: »Mein Esel!« und ein Arzt sagte mir, nichts könne seinen getrübten Verstand wieder heilen als das Ausziehen von zwei Backzähnen und Brennen 79 auf beiden Schläfen. Nimm daher diesen Dinar, ruf' ihn und sprich zu ihm: »Dein Esel ist bei mir.« Der Maghribite erwiderte: »Ein Jahr lang will ich fasten, wenn ich ihm nicht seinen Esel in seine Hand gebe.« Nun hatte er zwei Gesellen bei sich, und so sprach er zu dem einen: »Geh und mach die Eisen warm.« Dann rief er den Eseltreiber, während die Alte ihres Weges ging. Als der Eseltreiber näher kam, sagte er zu ihm: »Der Esel ist bei mir, du Armer! Komm her und nimm ihn, bei meinem Leben, ich will ihn dir in deine Hand geben.« Alsdann nahm er ihn und führte ihn in einen dunkeln Raum, wo er ihn mit einem Fausthieb zu Boden schlug, worauf sie ihn zerrten und ihm Hände und Füße banden. Da erhob sich der Barbier, zog ihm zwei Backzähne aus, und brannte ihn auf jeder Schläfe, um ihn dann wieder loszulassen. Dann stand er auf und fragte ihn: »Maghribite, weshalb hast du mir dies angethan?« Der Barbier erwiderte: »Deine Mutter sagte mir, du seiest durch eine Erkältung bei einer Krankheit geistig verstört und riefest beim Gehen, Stehen und Sitzen nur immer: Mein Esel! Mein Esel! Und nun hast du deinen Esel in deiner Hand.« Da rief der Eseltreiber: »Gott straf dich dafür, daß du mir die Zähne ausgezogen hast!« worauf der Barbier entgegnete: »Deine Mutter hat es mir befohlen,« und ihm alle ihre Worte erzählte. Der Eseltreiber versetzte: »Gott peinige sie!« und ging, sich mit dem Maghribiten herumzankend, aus dem Laden. Als dieser aber wieder seinen Laden betrat, fand er nichts darin, da die Alte währenddem, daß der Maghribite mit dem Eseltreiber den Laden verlassen hatte, diesen völlig ausgeräumt hatte und dann zu ihrer Tochter gegangen war, der sie all ihre Erlebnisse und ihren Streich erzählte. Wie nun der Barbier seinen leeren Laden sah, packte er den Eseltreiber und schrie ihn an: »Schaff' mir deine Mutter her.« Der Eseltreiber versetzte: »Sie ist nicht meine Mutter; sie ist eine Gaunerin, die schon viele Leute beschwindelt und mir meinen Esel fortgenommen 80 hat.« Und siehe da! mit einem Male kamen der Färber, der Jude und der junge Kaufmann an. Als sie den Barbier den Eseltreiber festhalten und diesen auf beiden Schläfen gebrannt sahen, fragten sie ihn: »Was ist mit dir vorgefallen, Eseltreiber?« Da erzählten ihnen beide, der Eseltreiber sowohl wie der Barbier, ihre Geschichte, worauf sie zu dem Barbier sagten: »Diese alte Vettel ist eine Gaunerin, die uns ebenfalls beschwindelt hat,« und ihm ihre Geschichte erzählten. Da verschloß der Barbier seinen Laden und begab sich mit ihnen zum Haus des Wâlīs, zu dem sie sprachen: »Wir halten uns an dich wegen unserer Sache und unseres Geldes.« Der Wâlī versetzte: »Wie viele alte Weiber giebt's nicht in der Stadt! Kennt sie einer von euch?« Der Eseltreiber erwiderte: »Ich kenne sie; gieb mir jedoch zehn deiner Hatschiere mit.« Und so machte sich denn der Eseltreiber mit den Häschern des Wâlīs auf den Weg, gefolgt von den andern, und suchte die ganze Stadt nach ihr ab, bis er auf die alte Delîle stieß und sie mit den Häschern zu packen bekam. Dann kehrten sie mit ihr zum Wâlī zurück und stellten sich unter das Schloßfenster, bis der Wâlī herauskäme. Da aber die Häscher von dem langen Wachen mit dem Wâlī müde waren, schliefen sie ein, und nun stellte sich die Alte ebenfalls, als ob sie schliefe, worauf der Eseltreiber und seine Gefährten gleichfalls einschliefen. Dann stahl sie sich von ihnen fort und trat in den Harem des Wâlīs ein, wo sie seiner Frau die Hand küßte und sie fragte: »Wo ist der Wâlī?« Seine Frau antwortete ihr: »Er schläft; was wünschest du?« Sie versetzte: »Siehe, mein Mann ist ein Sklavenhändler und gab mir fünf Mamluken, die ich während seiner Abwesenheit auf einer Reise verkaufen sollte. Nun traf mich der Wâlī und kaufte sie für zwölfhundert Dinare von mir, indem er zu mir sagte: »Bringe sie zu mir.« Und so hab' ich sie gebracht.« 81

Siebenhundertundfünfte Nacht.

Nun hatte aber der Wâlī seiner Frau tausend Dinare gegeben und zu ihr gesagt: »Bewahre dieselben, damit wir dafür Mamluken kaufen.« Als sie daher diese Worte von der Alten vernahm, hielt sie dieselben für wahr und fragte sie: »Wo sind die Mamluken?« Die Alte erwiderte: »Meine Herrin, sie schlafen unter dem Fenster deines Schlosses.« Da schaute die Herrin aus dem Fenster, und, als sie dort den Maghribiten in der Tracht eines Mamluken und den jungen Kaufmann ebenfalls wie einen Mamluken und den Färber, den Eseltreiber und den Juden gleichfalls wie geschorene Mamluken erblickte, sagte sie: »Von diesen Mamluken ist jeder mehr als tausend Dinare wert,« und gab, die Kiste öffnend, der Alten tausend Dinare, indem sie dabei sprach: »Entferne dich jetzt, bis der Wâlī aufgestanden ist; wir wollen dir dann die zweihundert Dinare einhändigen.« Die Alte versetzte: »O meine Herrin, hundert Dinare davon sind für dich unter dem Scherbettkrug, aus dem du trinkst,Eine höfliche Form einen Backschisch zu geben. und die andern hundert bewahre für mich, bis ich wiederkomme.« Dann setzte sie hinzu: »Meine Herrin, laß mich aus der Privatthür hinaus.« Da ließ sie die Alte hinaus, und der Schützer verhüllte sie, so daß sie unbemerkt zu ihrer Tochter gelangte, die sie fragte: »Meine Mutter, was hast du ausgerichtet?« Sie erwiderte: »Meine Tochter, ich habe der Gattin des Wâlīs tausend Dinare abgegaunert, indem ich ihr die fünf, den Eseltreiber, den Juden, den Färber, den Barbier und den jungen Kaufmann als Mamluken verkaufte; jedoch, meine Tochter, kann mir keiner außer dem Eseltreiber gefährlich werden, da er mich kennt.« Ihre Tochter erwiderte: »O Mutter, bleib jetzt zu Hause sitzen und begnüg' dich mit dem, was du bisher ausgerichtet hast, denn nicht alleweil bleibt der Krug heil.« 82

Als nun der Wâlī aufgestanden war, sagte seine Frau zu ihm: »Ich gratuliere dir für die fünf Mamluken, die du von der Alten gekauft hast.« Da fragte er sie: »Welche Mamluken?« Sie versetzte: »Weshalb leugnest du es? So Gott will, können sie wie du Ämter bekleiden.« Der Wâlī entgegnete ihr jedoch: »Bei deines Hauptes Leben, ich habe keine Mamluken gekauft. Wer hat das gesagt?« Sie erwiderte: »Die alte Maklerin, von der du sie kauftest, und der du tausend Dinare als Kaufpreis und zweihundert als Maklergebühren versprachst.« Nun fragte er seine Frau: »Hast du ihr etwa das Geld gegeben?« Sie versetzte: »Ja, und ich sah die Mamluken mit meinen eigenen Augen, von denen jeder einen Anzug im Werte von tausend Dinaren anhatte. Infolge dessen schickte ich auch die Hauptleute der Wache hinaus sie zu bewachen.« Da ging der Wâlī hinunter und fragte die Hauptleute, als er den Juden, den Eseltreiber, den Maghribiten, den Färber und den jungen Kaufmann sah: »Hauptleute, wo sind die fünf Mamluken, die wir von der Alten für tausend Dinare kauften?« Sie versetzten: »Hier sind keine Mamluken, und wir sahen weiter niemand als diese fünf, welche die Alte zu packen bekommen und Hand an sie gelegt hatten. Wir schliefen dann ein, und sie stahl sich fort und ging in den Harem, aus dem hernach eine Sklavin zu uns kam und die uns fragte: »Sind die fünf Leute, welche die Alte brachte, bei euch?« worauf wir erwiderten: »Ja.« Da rief der Wâlī: »Bei Gott, das ist die größte Gaunerei!« Die fünf aber riefen: »Wir halten uns wegen unserer Sachen an dich;« worauf der Wâlī ihnen entgegnete: »Eure Herrin, die Alte, hat euch mir für tausend Dinare verkauft.« Da riefen sie: »Das ist nicht von Gott erlaubt, wir sind Freie und können nicht verkauft werden. Wir werden mit dir vor den Chalifen gehen.« Der Wâlī versetzte darauf: »Ihr allein habt der Alten den Weg zu meinem Hause gezeigt, und ich will euch pro Person für zweihundert Dinare auf die Galeeren verkaufen.« 83

Während sie noch miteinander hin und her stritten, kam der Emir Hasan Scharr et-Tarîk von seiner Reise zurück und traf seine Frau ohne Kleider an; als sie ihm den ganzen Vorfall erzählt hatte, erklärte er: »Ich halte mich an niemand anders als den Wâlī.« Dann begab er sich zu ihm und sagte zu ihm: »Läßt du die alten Weiber in der Stadt herumgehen und den Leuten ihr Gut abgaunern? Das ist deines Amtes, und wegen der Sachen meiner Frau halte ich mich an dich.« Hierauf fragte er die fünf: »Was habt ihr vorzubringen?« worauf sie ihm alles Vorgefallene erzählten. Da sagte er zu ihnen: »Euch ist Unrecht geschehen,« und, sich zum Wâlī wendend, sprach er: »Weshalb sperrst du sie ein?« Er erwiderte: »Nur diese fünf da haben der Alten den Weg zu meinem Hause gezeigt, daß sie mir tausend Dinare abschwindelte, indem sie sie meinem Harem verkaufte.« Da sprachen die fünf: »O Emir Hasan, du bist unser Sachwalter in diesem Streitfall.« Hierauf sagte der Wâlī zum Emir Hasan: »Ich stehe für die Sachen deiner Frau ein und will mich für die Alte verbürgen; wer aber von euch kennt sie?« Alle erwiderten: »Wir kennen sie; gieb uns zehn Hauptleute mit, dann wollen wir sie schon festnehmen.« Da gab er ihnen zehn Mann mit, und der Eseltreiber sagte zu ihnen: »Folgt mir, denn ich kenne sie mit blauen Auge.«Vielleicht im Sinne von blind. Und siehe, da kam auch die alte Delîle aus einer Gasse herangegangen, und sofort packten sie sie und führten sie nach dem Hause des Wâlīs. Als dieser sie sah, fragte er sie: »Wo sind die Sachen der Leute?« Sie erwiderte: »Ich habe sie weder genommen noch auch gesehen.« Da befahl er dem Kerkermeister: »Sperre sie bis morgen bei dir ein.« Der Kerkermeister erklärte jedoch: »Ich nehme sie nicht und sperre sie nicht ein, denn sie könnte mir ebenfalls einen Streich spielen, und ich müßte dann für sie einstehen.« Hierauf setzte sich der Wâlī aufs Pferd und zog, gefolgt von den 84 andern, mit der Alten hinaus zum Ufer des Tigris, wo er dem Henker befahl sie an ihrem Haar zu kreuzigen. Als der Henker sie an den Rollen hochgezogen hatte, betraute er zehn Mann mit der Wache über sie und ritt nach Hause. Wie nun aber die Finsternis hereinbrach und der Schlaf mit den Wächtern zu spielen begann, kam ein Beduine des Weges, der einen Mann zu seinem Freunde hatte sagen hören: »Gelobt sei Gott, daß du wohlbehalten bist, wo hast du so lange gesteckt?« Darauf hatte der andere geantwortet: »In Bagdad, wo ich Pfannkuchen mit Honig zum Frühstück aß.« Da sagte der Beduine: »Ich muß auch nach Bagdad gehen und dort Pfannkuchen mir Honig essen;« denn sein Leben lang hatte er weder Pfannkuchen gesehen, noch war er in Bagdad gewesen. Und so stieg er auf seinen Hengst und machte sich auf den Weg, indem er unterwegs bei sich sprach: »Pfannkuchen zu essen ist eine feine Sache; bei der Ehre der Araber, ich will nichts als Pfannkuchen mit Honig essen!«

Siebenhundertundsechste Nacht.

Als er nun an der Stelle vorüberkam, an welcher Delîle gekreuzigt war und sie erblickte, ritt er an sie heran und fragte sie: »Was bist du?« Da sie ihn aber mit sich von Pfannkuchen hatte reden hören, erwiderte sie: »Ich begebe mich in deinen Schutz, o Araberscheich!« Er versetzte: »Gott hat dich in Schutz genommen; jedoch, weshalb hat man dich gekreuzigt?« Sie entgegnete nun: »Ich habe einen Feind, einen Ölhändler, welcher Pfannkuchen backt, und ich hielt bei ihm an, etwas von ihm zu kaufen, als ich spucken mußte und mein Auswurf auf die Pfannkuchen fiel. Da verklagte er mich bei dem Gouverneur, und der Gouverneur befahl, mich zu kreuzigen, und sprach: »Ich entscheide dahin, daß ihr zehn Pfund Pfannkuchen mit Honig mitnehmt und ihr dieselben zum Essen gebt, wenn sie am Kreuz hängt. Ißt sie dieselben, so nehmt sie wieder ab, ißt sie sie jedoch nicht, so lasset sie hängen. Mir aber widersteht süßes Zeug.« Da 85 sagte der Beduine: »Bei der Ehre der Araber, ich kam von Lager nur deshalb her, um Pfannkuchen mit Honig zu essen. Ich will sie an deiner Stelle essen.« Sie versetzte: »Nur der kann sie essen, der an meiner Stelle hängt.« So fiel er in die Schlinge und band sie los, worauf sie ihn an ihrer Stelle festband, nachdem sie ihm noch seine Sachen ausgezogen hatte. Dann zog sie dieselben an, band sich seinen Turban um und ritt auf seinem Hengst zu ihrer Tochter fort, die sie fragte: »Wie siehst du aus?« Darauf erzählte sie ihr, wie sie gekreuzigt war, und was sich dann zwischen ihr und dem Beduinen zugetragen hatte.

Soviel, was die Alte anlangt; als nun aber von den Wachleuten einer erwachte, weckte er die andern, und sie bemerkten, daß es Tag geworden war. Da hob einer von ihnen seine Augen und rief: »Delîle,« worauf der Beduine antwortete: »Bei Gott, wir haben die Nacht über nichts gegessen! Habt ihr die Pfannkuchen mir dem Honig da?« Da sprachen sie: »Das ist ein Mann, ein Beduine;« und fragten ihn: »Beduine, wo ist Delîle, und wer hat sie losgebunden?« Er erwiderte: »Ich hab' es gethan; sie soll die Pfannkuchen mit Honig nicht wider ihren Willen essen, da sie dieselben nicht vertragen kann.« Hierauf merkten sie, daß der Beduine in seiner Unkenntnis von dem, was es mit ihr auf sich gehabt hatte, von ihr angeführt war, und sprachen zu einander: »Sollen wir fortlaufen oder hierbleiben und, was Gott uns verzeichnet hat, über uns kommen lassen?« Und siehe, da kam der Wâlī mit der Gesellschaft an, die von ihr begaunert war, und befahl den Wächtern: »Steht auf und bindet Delîle los.« Da rief der Beduine wieder: »Wir haben die ganze Nacht über nichts gegessen; habt ihr die Pfannkuchen mit Honig gebracht?« Nun hob der Wâlī seine Augen zum Kreuz und fragte die Wächter, als er dort einen Beduinen an Stelle der Alten hängen sah: »Was bedeutet das?« Sie versetzten: »Gnade, Herr!« Da sagte er: »Erzählt mir, was vorgefallen ist;« worauf sie erzählten: 86 »Wir hatten mit dir in der Nacht gewacht und sprachen deshalb: »Delîle ist gekreuzigt;« dann schliefen wir ein. Als wir aber wieder aufwachten, sahen wir den Beduinen am Kreuz hängen; und wir stehen zu deiner Verfügung.« Da sagte der Wâlī: »Leute, das ist aber eine Gaunerin! Gottes Gnade sei auf euch!« Hierauf banden sie den Beduinen los, der sich an den Wâlī hängte und rief: »Gott stehe dem Chalifen wider dich bei! Du hast mir für meinen Hengst und meine Kleider einzustehen.« Von dem Wâlī befragt, erzählte er ihm sodann seine ganze Geschichte, worauf der Wâlī ihn verwundert fragte: »Weshalb hast du sie denn losgebunden?« Der Beduine entgegnete: »Ich wußte nicht, daß sie eine Gaunerin wäre;« und nun hoben auch die andern wieder an: »Wir verlangen unsere Sachen von dir allein, Wâlī, denn wir übergaben sie dir, und sie war in deiner Hand; wir werden mit dir vor den Diwan des Chalifen gehen.«

Wie sich nun der Emir Hasan Scharr et-Tarīk in den Diwan begab, sah er mit einem Male den Wâlī, den Beduinen und die fünf andern ankommen und hörte sie sprechen: »Uns ist Unrecht geschehen.« Da fragte der Chalife: »Wer hat euch Unrecht angethan?« worauf jeder von ihnen vortrat und dem Chalifen seine Geschichte vortrug, bis zuletzt der Wâlī sprach: »O Fürst der Gläubigen, sie hat mich auch begaunert, indem sie mir diese fünf Leute für tausend Dinare verkaufte, wiewohl sie Freie sind.« Der Chalife versetzte: »Ich will euch alles, was ihr verloren habt, ersetzen,« und sprach zum Wâlī: »Du hast mir für die Alte einzustehen.« Der Wâlī schüttelte jedoch seinen Kragen und sagte: »Ich will nicht für sie einstehen, denn nachdem ich sie ans Kreuz gehängt hatte, beschwatzte sie diesen Beduinen, daß er sie losband, worauf sie ihn an ihrer Stelle aufhängte und ihm seinen Hengst und seine Kleider nahm.« Da fragte der Chalife: »Wen soll ich denn mit ihr betrauen, wenn nicht dich?« Der Wâlī entgegnete: »Betraue Ahmed ed-Danaf mit ihr, denn er erhält monatlich tausend Dinare und hat 87 einundvierzig Gefolgsmannen, von denen jeder hundert Dinare monatlich erhält.« So rief denn der Chalife: »Hauptmann Ahmed!« worauf derselbe erwiderte: »Zu Diensten, o Fürst der Gläubigen.« Und der Fürst der Gläubigen sprach zu ihm: »Ich beauftrage dich mir die Alte herbeizuschaffen.« Ahmed ed-Danaf entgegnete: »Ich bürge für sie.« Während nun der Chalife die fünf und den Beduinen bei sich zurückbehielt, –

Siebenhundertundsiebente Nacht.

stieg Ahmed ed-Danaf mit seinen Häschern hinunter in die Halle,Es ist ihre Kaserne gemeint. wobei sie zu einander sprachen: »Wie können wir sie festnehmen, wo es so viele alte Weiber in der Stadt giebt?« Einer von ihnen aber, Namens Alī Kitf el-Dschamal,Alī Kamelschulter. sagte zu Ahmed ed-Danaf: »Warum fragt ihr denn Hasan Schūmân um Rat? Ist denn Hasan Schūmân so eine wichtige Persönlichkeit?« Da entgegnete Hasan: »O Alī, warum behandelst du mich so geringschätzig? Bei dem höchsten Namen, ich will mich dieses Mal euch nicht anschließen!« Hierauf ging er erzürnt fort. Ahmed ed-Danaf aber sprach: »Ihr Burschen, jeder Korporal nehme zehn Mann zu sich und mache sich in einem andern Viertel auf die Suche nach Delîle.« Da machte sich Alī Kitf el-Dschamal mir zehn Mann auf und ebenso die andern Korporale und streiften mit ihrer Mannschaft jeder ein anderes Quartier ab, nachdem sie vor ihrem Aufbruch in einem bestimmten Viertel eine bestimmte Gasse als Rendezvous verabredet hatten. Als es nun in der Stadt ruchbar ward, daß Ahmed ed-Danaf es auf sich genommen hatte, die verschlagene Delîle festzunehmen, sagte Seinab zu ihrer Mutter: »Wenn du wirklich eine Gaunerin bist, so spiele Ahmed ed-Danaf und seinen Häschern einen Streich.« Sie erwiderte ihr: »Meine Tochter, ich fürchte mich allein vor Hasan Schūmân,« und Seinab 88 entgegnete: »Bei dem Leben meiner Stirnlocke, ich will dir die Sachen von allen einundvierzig Mann beschaffen!« Hierauf erhob sie sich und ging, nachdem sie sich angekleidet und verschleiert hatte, zu einem Drogisten, der einen Saal mit zwei Thüren hatte. Nachdem sie ihm den Salâm geboten hatte, gab sie ihm einen Dinar und sprach zu ihm: »Nimm diesen Dinar als DouceurDies die wörtliche Übersetzung. für deinen Saal und laß ihn mir bis zum Abend.« Da gab er ihr die Schlüssel, worauf sie wieder fortging und auf dem Esel des Eseltreibers Teppiche Polster u. s. w. brachte und den Saal einrichtete, indem sie auf jeden Līwân einen Tisch mir Speise und Wein setzte. Dann stellte sie sich mit entschleiertem Gesicht in die Thür, als mit einem Male Alī Kitf el-Dschamal mit seinen Leuten ankam. Da küßte sie ihm die Hand, und, als er sah, daß sie ein hübsches Mädchen war, gewann er sie lieb und fragte sie: »Was begehrst du?« Sie entgegnete: »Bist du Hauptmann Ahmed ed-Danaf?« Er versetzte: »Nein, doch gehöre ich zu seiner Mannschaft und heiße Alī Kitf el-Dschamal.« Nun fragte sie: »Wohin geht ihr?« Er erwiderte: »Wir durchstreifen die Stadt auf der Suche nach einer alten Gaunerin, welche der Leute Gut gestohlen hat, und wollen sie festnehmen; wer aber bist du und was treibst du?« Sie versetzte: »Mein Vater war ein Weinbudiker in Mossul, der mir bei seinem Tode ein großes Vermögen hinterließ. Aus Furcht vor den Machthabern kam ich hierher, und die Leute gaben mir auf meine Frage, wessen Schutz ich in Anspruch nehmen könnte, die Antwort: »Niemand anders als Ahmed ed-Danaf wird dich beschützen.« Da sprachen seine Häscher zu ihr: »Heute stehst du unter seinem Schutz,« worauf sie entgegnete: »Tröstet mich durch Einnahme eines Häppleins und eines Trunkes Wassers.« Als sie zusagten, führte sie sie herein und sie aßen und betranken sich, worauf sie ihnen Bendsch beibrachte und ihnen ihre Sachen auszog. Inzwischen 89 hatte Ahmed ed-Danaf ebenfalls die Runde gemacht und nach Delîle gesucht, ohne sie finden zu können; ebenso hatte er keinen von seinen Leuten gesehen, bis er zu dem Mädchen gelangte, das ihm die Hand küßte. Als er sie sah, gewann er sie lieb, sie aber fragte ihn: »Bist du Ahmed ed-Danaf?« Er erwiderte: »Ja; und wer bist du?« Sie antwortete: »Ich bin eine Fremde aus Mossul; mein Vater war daselbst ein Weinwirt, der mir bei seinem Tode ein großes Vermögen hinterließ. Aus Furcht vor den Machthabern kam ich hierher und machte diese Weinstube auf. Der Wâlī legte mir eine Steuer auf, ich möchte mich aber unter deinen Schutz begeben, denn du bist dessen, was der Wâlī von mir nehmen will, würdiger.« Da sagte Ahmed ed-Danaf: »Gieb ihm nichts, du bist mir willkommen;« worauf sie entgegnete: »Tröste doch mein Herz und iß von meinen Speisen.« Infolge dessen trat er ein und aß und trank Wein, bis er vor Trunkenheit umsank, worauf sie ihm Bendsch beibrachte und ihm seine Sachen nahm; dann lud sie alles auf das Pferd des Beduinen und den Esel des Eseltreibers, weckte Alī Kitf el-Dschamal auf und ging fort. Als dieser nun wach wurde und sich nackend vorfand und Ahmed ed-Danaf samt seiner Mannschaft von Bendsch betäubt daliegen sah, weckte er sie durch das Gegenmittel von Bendsch auf; als sie aber wieder zu sich kamen und sich nun allesamt nackend vorfanden, rief Ahmed ed-Danaf: »Ihr Burschen, was bedeutet das? Wir zogen auf der Suche nach ihr aus, um sie einzufangen, und da fing uns diese Dirne selber ein! Ach wie wird sich nun Hasan Schūmân über uns freuen! Jedoch wollen wir warten, bis die Dunkelheit hereinbricht und dann fortgehen.« Inzwischen fragte Hasan Schūmân den Wachehabenden: »Wo ist die Mannschaft?« Wie er aber gerade nach ihnen fragte, kamen sie nackend an, so daß er die Verse sprach:

»In ihrem Wollen sind wohl die Menschen gleich,
Jedoch im Erfolg unterscheiden sie sich.
Die einen sind weise, die andern thöricht,
Wie unter den Sternen die einen dunkel sind, die andern wie Perlen funkeln.« 90

Dann fragte er sie: »Wer hat euch diesen Streich gespielt und die Sachen ausgezogen?« Sie erwiderten: »Wir suchten nach einer Alten, und ein hübsches Mädchen zog uns aus.« Hasan Schūmân entgegnete: »Das war ausgezeichnet von ihr.« Da fragten sie ihn: »Kennst du sie, Hasan?« Er versetzte: »Ich kenne sie und die Alte.« Nun sagten sie: »Was sollen wir vor dem Chalifen sprechen?« Schūmân antwortete: »Danaf, schüttele deinen Kragen vor ihm, und, so er dich fragt: »Weshalb hast du sie nicht festgenommen?« So sprich: »Ich kenne sie nicht, aber betraue Hasan Schūmân mit ihr;« hat er dies dann gethan, so will ich sie festnehmen.« Hierauf gingen sie zur Ruhe; am andern Morgen aber stiegen sie zum Diwan des Chalifen hinauf und küßten die Erde vor ihm, worauf der Chalife sie fragte: »Wo ist die Alte, Hauptmann Ahmed?« Da schüttelte er seinen Kragen, und, als ihn nun der Chalife fragte, weshalb er dies thäte, antwortete er: »Ich kenne sie nicht, betraue jedoch Schūmân mit ihr, denn er kennt sie und ihre Tochter.« Hierauf sagte Hasan Schūmân: »Sie hat diese Streiche nicht ausgeübt, um sich das Gut der Leute anzueignen, sondern um ihre und ihrer Tochter Geschicklichkeit zu zeigen, damit du ihr ihres Gatten und ihrer Tochter ihres Vaters Gehalt weiter zahlst.« So legte Hasan Schūmân Fürbitte für sie ein und versprach sie zu bringen, wenn der Chalife ihr Leben verschonte, worauf der Chalife entgegnete: »Bei dem Leben meiner Ahnen, wenn sie den Leuten ihr Gut wieder giebt, so soll ihr auf deine Fürbitte hin Gnade zu teil werden.« Da sagte Hasan Schūmân: »Gieb mir ein Unterpfand, o Fürst der Gläubigen;« und der Chalife versetzte: »Auf deine Fürbitte hin,« und gab ihm das Tuch der Gnade, worauf Schūmân hinunterstieg und sich nach Delîles Haus begab. Hier angelangt. rief er nach ihr, doch antwortete ihm ihre Tochter Seinab. Da fragte er sie: »Wo ist deine Mutter?« Sie erwiderte: »Oben.« Nun sagte er: »Sag ihr, sie soll die Sachen der Leute mitnehmen und mir zum 91 Chalifen folgen; ich habe ihr das Tuch der Gnade gebracht. Kommt sie jedoch nicht in Güte, so hat sie sich allein Vorwürfe zu machen.« Da kam Delîle herunter und hing sich das Tuch um den Nacken; alsdann gab sie ihm die Sachen der Leute auf dem Esel des Eseltreibers und dem Pferd des Beduinen. Hasan sagte jedoch: »Nun fehlen noch die Sachen meines Meisters und die seiner Leute.« Sie erwiderte: »Bei dem höchsten Namen, ich habe sie nicht ausgezogen.« Hasan versetzte: »Du sprichst die Wahrheit; diesen Streich hat deine Tochter Seinab dir zu Gefallen ausgeführt.« Hierauf begab sie sich mit ihm in den Diwan des Chalifen, wo Hasan vortrat, die Sachen der Leute vor dem Chalifen ausbreitete und dann Delîle vorführte. Als der Chalife sie sah, befahl er sie aufs Blutleder zu werfen, worauf sie rief: »Ich begebe mich unter deinen Schutz, o Schūmân!« Da erhob sich Schūmân, küßte dem Chalifen die Hände und sprach: »Vergebung, du hast ihr das Unterpfand der Gnade gegeben.« Und nun sagte der Chalife: »So sei es dir zuliebe! Komm her, Alte, wie ist dein Name?« Sie versetzte: »Ich heiße Delîle.« Da sagte er: »Du bist in der That voll List und Verschlagenheit.« Und so kam es, daß Delîle die Verschlagene genannt wurde. Hierauf fragte er sie: »Weshalb hast du diese Streiche ausgeübt und unsere Herzen ermüdet?« Sie versetzte: »Ich habe es nicht gethan aus Gier nach dem Gut der Leute, sondern, als ich von Ahmed ed-Danafs und Hasan Schūmâns Streichen in Bagdad hörte, sprach ich: »Ich will es ebenso wie die beiden thun.« Und nun habe ich den Leuten ihre Sachen zurückerstattet.« Da erhob sich jedoch der Eseltreiber und sagte: »Gottes Gesetz sei zwischen mir und ihr; es genügte ihr nicht allein meinen Esel fortzunehmen, sondern sie brachte auch noch den maghribitischen Barbier über mich, daß er mir meine Backzähne auszog und mich auf beiden Schläfen brannte.« 92

Siebenhundertundachte Nacht.

Da befahl der Chalife dem Eseltreiber hundert Dinare und ebensoviel dem Färber zu geben und sprach zu dem letztern: »Geh und bau deine Färberei wieder auf.« Hierauf segneten beide den Chalifen und stiegen vom Schloß hinunter. Dann zog der Beduine mit seinen Sachen und seinem Hengst ab, indem er dabei sprach: »Das Betreten Bagdads und das Essen von Pfannkuchen mit Honig soll mir von nun an eine Sünde sein.« Und so nahmen alle ihre Sachen und gingen fort; der Chalife aber sprach zu Delîle: »Erbitte dir etwas von mir.« Da sprach sie: »Siehe, mein Vater war bei dir Briefmeister, und ich züchtete die Brieftauben; mein Gatte aber war Polizeihauptmann von Bagdad. Ich möchte nun das Amt meines Gatten bekleiden und meine Tochter das meines Vaters.« Der Chalife gewährte ihnen ihren Wunsch, und nun sprach sie zu ihm: »Ich erbitte mir noch von dir das Amt der Pförtnerin des Châns.« Der Chalife hatte nämlich einen Chân von drei Stockwerken zum Einkehren für die Kaufleute erbaut und vierzig Sklaven dem Chân zugewiesen, nebst vierzig Hunden, die der Chalife von dem Afghanenkönig, als er ihn absetzte, mitgebracht hatte. Er hatte für die Hunde Halsbänder machen lassen, und im Chân war ein Sklave, welcher für die andern Sklaven zu kochen und die Hunde mit Fleisch zu füttern hatte. Und so sprach denn der Chalife: »Delîle, ich will dir die Überwachungsorder des Châns ausstellen, und so etwas aus ihm abhanden kommt, so soll es von dir verlangt werden.« Sie versetzte: »Schön, laß jedoch meine Tochter in dem Gemach über dem Thor des Châns wohnen, denn dasselbe hat Dachterrassen, und Brieftauben lassen sich nur im Freien gut züchten.« Der Chalife gewährte ihr dies ebenfalls, und nun schaffte ihre Tochter alle ihre Sachen in das Gemach über dem Thor des Châns und ließ sich die vierzig Brieftauben des Chalifen übergeben; außerdem aber 93 hing sie bei sich im Obergemach die vierzig Anzüge samt dem Anzuge Ahmed ed-Danafs auf. Delîle die Verschlagene aber machte der Chalife zur Aufseherin über die vierzig Sklaven und befahl ihnen ihr gehorsam zu sein; sie selber erwählte sich zum Sitz den Platz hinter dem Thor des Châns, und Tag für Tag begab sie sich in den Diwan, falls er einen Brief irgendwohin schicken wollte, und verweilte daselbst bis zum Abend, während die vierzig Sklaven beim Chân auf Wache standen; und wenn die Nacht hereinbrach, löste sie die Hunde, daß sie den Chân während der Nacht bewachten.

Soviel von den Streichen der verschlagenen Delîle in Bagdad.

 


 


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