Unbekannte Autoren
Tausend und eine Nacht. Band I
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Wie es dem Esel und dem Ochsen mit dem Bauersmann erging.

»Wisse, meine Tochter, es war einmal ein Kaufmann, der besaß Hab und Gut und Vieh, und hatte Weib und Kinder; außerdem aber hatte ihm Gott, der Erhabene, auch die Kenntnis der Sprache der Tiere und Vögel verliehen. Dieser Kaufmann wohnte auf dem Lande und hatte bei sich im Stalle einen Esel und einen Ochsen.

Eines Tages kam der Ochs zum Platz des Esels und fand ihn gefegt und gesprengt; in der Krippe des Esels lag gesiebte Gerste und gesiebtes Häcksel, während der Esel selber gemächlich dalag, da ihn sein Herr nur zuzeiten, wenn er ein Geschäft zu besorgen hatte, bestieg und dann wieder heimkehrte. Da vernahm der Kaufmann, wie der Ochs zum Esel sagte: »Wohl bekomm's! Ich bin müde, du aber ruhst dich aus, hast gesiebte Gerste zu fressen und Diener, die dir aufwarten. Nur zuzeiten reitet dein Herr auf dir aus, ich aber muß fortwährend pflügen und mahlen.«

Der Esel antwortete darauf dem Ochsen: »Wenn du aufs Feld geführt wirst, und man dir das Joch auf den Nacken legt, dann wirf dich nieder und steh' nicht auf, auch wenn man dich schlagen sollte. Falls du aber aufstehen solltest, so wirf dich zum zweitenmal nieder; wenn man dich dann in den Stall zurückführt und dir Bohnen vorwirft, so friß sie nicht, als wärest du krank. Friß und sauf' nicht ein, zwei oder drei Tage lang, dann wirst du dich von der Plackerei und Schinderei erholen können.«

Der Kaufmann hörte aber ihr ganzes Zwiegespräch.

Als nun der Knecht dem Ochsen das Futter brachte, fraß er nur sehr wenig davon, und wie ihn der Knecht am andern Morgen wieder zum Pflügen holen wollte, fand er ihn krank. Da sagte der Kaufmann: »Nimm den Esel und pflüge an Stelle des Ochsen mit ihm den ganzen Tag.« Der Knecht ging darauf wieder zum Stall zurück, nahm den Esel an Stelle des Ochsen und pflügte mit ihm den ganzen Tag.

Als er des Abends heimkehrte, bedankte sich der Ochs bei dem Esel für seine Güte, durch welche er den ganzen Tag über hatte ruhen können. Der Esel gab ihm jedoch in bitterster Reue gar keine Antwort.

Am zweiten Tage kam der Bauer wieder, nahm den Esel und pflügte mit ihm bis zum Abend, so daß er mit zerschundenem Nacken und schachmatt nach Hause kam. Der Ochs betrachtete ihn aufmerksam, bedankte sich wieder bei ihm und lobte und pries ihn, der Esel aber sprach bei sich: »Ich saß in ungetrübtem Wohlleben und nur mein Übermut brachte mir Unheil.« Dann sagte er zum Ochsen: »Hör' zu, ich rate dir zum guten; ich vernahm, wie unser Herr sagte: Wenn der Ochs nicht aufsteht, so gebt ihn dem Metzger, daß er ihn schlachtet und aus seinem Leder eine Decke macht. Ich bin um dich besorgt und rate dir deshalb zum guten. Frieden sei mit dir!« Als der Ochs diese Worte vom Esel vernahm, dankte er ihm und sagte: »Morgen werde ich wieder mit ihnen ausgehen;« dann fraß er sein Futter bis auf den Rest und leckte selbst die Krippe aus.

Der Kaufmann aber, ihr Herr, hatte auch dieses ganze Zwiegespräch mit angehört und ging deshalb mit seiner Frau am andern Morgen in der Frühe in den Viehstall und setzte sich dort mit ihr nieder. Als nun der Knecht kam, um den Ochsen zu holen, und dieser seinen Herrn gewahrte, schüttelte er den Schwanz, ließ einen Wind streichen und sprang hin und her, worüber der Kaufmann so stark lachen mußte, daß er auf den Rücken fiel. Seine Frau fragte ihn deshalb: »Worüber lachst du?« Er antwortete: »Ich habe etwas gesehen und gehört, das ich aber nicht weiter sagen darf, da ich sonst sterben muß.« Sie entgegnete ihm: »Du mußt mir den Grund deines Lachens angeben, auch wenn du sterben solltest.« Er erwiderte: »Ich kann es nicht aus Furcht vor dem Tode.« Da sagte sie: »Du hast über mich und nichts anderes gelacht,« und drängte und quälte ihn in einem fort, bis sie ihn schwach machte, und er verwirrt wurde. Er ließ seine Kinder kommen, den Kadi und die Zeugen rufen, um sein Testament zu machen und ihr dann das Geheimnis mitzuteilen und aus Liebe zu ihr zu sterben, da sie seines Vaterbruders Tochter und die Mutter seiner Kinder war, und er auch schon hundertundzwanzig Jahre zählte.

Nachdem er nun seine ganze Familie und alle Nachbarn hatte zusammenrufen lassen, erzählte er ihnen seine Geschichte und sagte ihnen auch, daß er sterben müsse, wenn er mit irgend jemand über sein Geheimnis spräche. Da redeten alle Anwesenden auf sie ein: »Um Gott, steh von deinem Verlangen ab, daß dein Gatte, der Vater deiner Kinder, nicht stirbt.« Sie aber blieb dabei und sagte: »Ich höre nicht eher auf, bis er es mir gesagt hat, auch wenn er sterben muß.« Da ließen sie sie in Ruhe, der Kaufmann aber stand auf und begab sich in den Viehstall, um die Waschung zu vollziehen und dann zurückzukehren, es ihnen mitzuteilen und zu sterben.

Nun besaß der Kaufmann auch einen Hahn, der fünfzig Hennen unter sich hatte, und einen Hund. Da hörte er, wie der Hund den Hahn anrief, ihn schalt und sprach: »Du bist fröhlich, während unser Herr jetzt sterben muß?« Der Hahn entgegnete: »Warum denn?« worauf ihm der Hund die ganze Geschichte mitteilte. Darauf sagte der Hahn: »Bei Gott, unser Herr hat wenig Verstand. Ich habe fünfzig Frauen und stelle die eine zufrieden und erzürne die andere. Er aber hat nur eine einzige Frau und weiß sich nicht mit ihr zu helfen! Warum nimmt er sich denn nicht ein Paar Maulbeerknittel, geht in ihre Kammer und prügelt sie so lange, bis sie tot hinfällt oder bereut und ihn nach nichts mehr fragt?«

Als der Kaufmann dies Gespräch zwischen dem Hahn und dem Hund vernahm, kehrte ihm sein Verstand wieder, und er nahm sich vor sie durchzuprügeln. –

»Vielleicht,« sprach der Wesir zu seiner Tochter Schehersad, »verfahre ich mit dir ebenso wie der Kaufmann mit seiner Frau.« »Und was that er mit ihr?« fragte sie. Der Wesir antwortete: »Er begab sich zu ihr ins Zimmer, nachdem er sich einige Maulbeerknittel geschnitten und dieselben in der Kammer versteckt hatte, und sagte zu ihr: »Komm' in die Kammer, damit ich es dir sage, wo mich keiner sieht, und ich dann sterbe.« Als sie nun mit ihm in die Kammer betreten hatte, verriegelte er die Thür hinter sich und ihr und prügelte sie so lange, bis sie halb ohnmächtig hinfiel und schrie: »Ich bereue,« und ihm Hände und Füße küßte. Dann kamen beide wieder heraus, alle Anwesenden aber und ihre Familie freuten sich und lebten höchst glücklich bis zu ihrem Ende.

Als die Tochter des Wesirs diese Erzählung ihres Vaters vernommen hatte, antwortete sie: »Es geht nicht anders, es muß sein.« Da schmückte er sie bräutlich und begab sich zum König Schahriar, während sie inzwischen ihrer jüngern Schwester folgendes ans Herz legte: »Wenn ich mich zum König hinbegeben habe, werde ich nach dir schicken und dich holen lassen. Bist du dann zu mir gekommen, so sprich, wenn der König meiner nicht mehr bedarf: ›Schwester, erzähle mir doch eine merkwürdige Geschichte, daß wir dabei wachbleiben.‹ Dann erzähle ich dir eine Geschichte, worin, so Gott will, die Errettung liegen wird.«

Hierauf begab sich ihr Vater, der Wesir, mit ihr zum König, welcher bei ihrem Anblick erfreut sagte: »Hast du gebracht, was ich wünschte?« worauf der Wesir antwortete: »Ja.«

Als nun der König ihr Lager teilen wollte, begann sie zu weinen, so daß er sie fragte: »Was fehlt dir?« Sie antwortete ihm: »Ach, mein König, siehe, ich habe noch eine jüngere Schwester, von der ich gern Abschied nehmen möchte.« Darauf ließ sie der König holen, und als sie zu ihrer Schwester gekommen war, umarmte sie sie und setzte sich am Fußende des Lagers nieder.

Als nun der König mit Schehersad geruht hatte und sie sich zum Plaudern setzten, hub die jüngere Schwester zur älteren an: »Um Gott, meine Schwester, erzähl' uns doch eine Geschichte, daß wir dabei wach bleiben.« Schehersad antwortete: »Recht gern, wenn es mir dieser edle König gestattet.« Der König war hierüber erfreut, da er sich aufgeregt fühlte, und sagte zu ihr: »Erzähle.« So begann dann Schehersad in der ersten Nacht und erzählte:

 


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