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V. Die neueste Entwicklung des Freimaurerbundes

Die französische Revolution hatte die geheimen politischen Vereine in den Vorder- und die Freimaurerei in den Hintergrund gedrängt. Die letztere hatte mit ihren allgemein humanen Grundsätzen und mit ihrer Antipathie gegen heftige Leidenschaften und wilde Thaten, in einer Zeit nichts zu thun, in welcher Blut in Strömen floß, erst auf den Schaffotten, dann auf den Schlachtfeldern, und zuletzt ein Regiment der Finsternis die Völker drückte. Die Freimaurerei hatte aber vom Geiste der Geschichte die große Aufgabe zugewiesen erhalten, die Zeit vom Erwachen bis zum Austoben der politischen Leidenschaften zur Überwindung der Verirrungen, in welche sie während des 18. Jahrhunderts gefallen, und zur Gewinnung eines vernünftigern und zeitgemäßen Bodens für ihr Wirken zu benützen. Und sie hat diese Frist nicht unbenützt verstreichen lassen. Nachdem die politischen Vereine ihre Bedeutung dadurch verloren hatten, daß die Völker im Jahre 1848 selbst wieder auf den Schauplatz der Geschichte traten, da zeigte es sich, daß der Bund ein wesentlich anderer geworden war. Im 18. Jahrhundert hatten denselben beinahe nur vornehme Herren und etwa noch berühmte Schriftsteller gebildet, – jetzt bestand sein Heerhaufe aus Männern der Arbeit; früher hatten die sogenannten höheren Grade mit Templerspielerei und Rosenkreuzerwahn ihn beherrscht; jetzt waren dieselben, wenn auch nicht verschwunden, doch von jeder Oberleitung entfernt und von der Großzahl als Spielerei belächelt: früher hatte in Bezug auf die Geschichte des Bundes die krasseste Unwissenheit geherrscht; jetzt erforschte man diese und kam ihr überall auf die Spur; früher hatte man keine Idee davon gehabt, daß sich der Bund den Bedürfnissen der Zeit anpassen und dem Fortschritte huldigen könnte; jetzt brach sich diese Überzeugung immer weiter Bahn und ist endlich auf dem Wege zum Siege begriffen.

Nachdem die Rosenkreuzer und ihre hirnverbrannten Gesinnungsgenossen in den verdienten allgemeinen Mißkredit geraten, und nachdem ihr Gegenpol, der Illuminatenbund, reaktionärer Gewalt erlegen, begannen die Maurer, wie wir bereits an dem Versuche eines »Deutschen Maurerbundes« und an der Gründung des »Eklektischen Bundes« gesehen haben, über die wahre, von allen Phantastereien entfernte Aufgabe der Freimaurerei nachzudenken, und auf diese Weise die in alle Welt hinaus gesprengten Trümmer des alten Bundes wieder zu sammeln. Dies führte zu allererst zur bessern Erforschung der Geschichte des Bundes, welche bisher aus lauter haltlosen Märchen und Fabeln bestanden hatte, gleich der ältesten Geschichte aller übrigen religiösen und philosophischen Systeme. Auf diesem Forscherwege fand man kein größeres Hindernis, als die sogenannten höheren Grade; ihre Entstehung und Berechtigung wurde daher ein Gegenstand eifriger Untersuchung, und die Resultate der letztern, wie nicht anders zu erwarten, der erste Anstoß zur Abschaffung jener Auswüchse.

Diese Bemühungen gingen von einigen geistig hervorragenden Männern aus, welche eine Zierde des Freimaurerbundes, wie nicht minder der bürgerlichen Gesellschaft, der Kunst und der Wissenschaft am Anfange unseres Jahrhunderts genannt werden können. Der Erste unter ihnen, Ignaz Aurel Feßler, geb. 1756 in Ungarn, wurde in Wien Kapuziner, entdeckte aber im Klosterleben seiner Umgebung solche schauderhafte Zustände, daß er es verließ; obschon durch Kaiser Josefs Gunst zum Professor in Lemberg ernannt, war er doch vor der Wut der Mönche über seine freisinnigen Schriften so wenig sicher, daß er nach Preußen floh und dort zum Protestantismus übertrat. In Berlin gelangte er bald an die Spitze der Loge Royal-York, die sich unter ihm zur Großloge entwickelte, wurde aber von unverständigen Brüdern mit Undank belohnt und folgte 1810 einem Rufe nach Rußland, wo er in der reformierten Kirche hohe Stellungen einnahm und 1839 starb. Er war der Erste, welcher den Hochgraden zu Leibe ging, sie jedoch noch nicht gänzlich abschaffte, sondern durch von ihm ausgearbeitete »Erkenntnisstufen« ersetzte, in welchen die Unsterblichkeit und die sittliche Weltordnung in ansprechenden und erhebenden Bildern zur Anschauung kommen. Feßlers Freund, Bundes- und Leidensgenosse im Ankämpfen gegen eingerostete Vorurteile war einer der größten deutschen Philosophen, Johann Gottlieb Fichte, geb. 1769 zu Rammenau in der Lausitz als Kind armer Webersleute. Als Professor in Jena und Berlin wirkte er mit Kraft für selbständiges Denken und zugleich für die Liebe zu dem von den Franzosen unterdrückten deutschen Vaterlande, kurz nach dessen Befreiung, 18l4, er und seine edle Gattin, als Opfer hingebender Sorge in den Kriegslazarethen, starben, ohne die nachfolgende schmachvolle Reaktion zu erleben. Fichte führte mit Feßler, gegen dessen Phantasien er sich kühl und kritisch verhielt, tiefsinnige Korrespondenzen über Freimaurerei und hielt Vorträge über dieselbe; an seinem Beispiele können daher heutige Gelehrte ersehen, daß es nicht unter ihrer Würde wäre, dem Bunde anzugehören. Ja, der von der Welt vielfach mißverstandene Fichte hatte sogar den Plan, den Bund zum Organe seiner philosophischen Lehre und so zu einer Art pythagoreischer Gesellschaft zu gestalten. – Ein Koryphäe der Kunst und, wie die Vorigen, ein vorzüglicher Mensch, wirkte für echte Maurerei in Friedrich Ludwig Schröder, dem großen Dramatiker, geb. in Schwerin 1744, gest. in Hamburg 1816. Mit Lessing befreundet und durch Bode dem Bunde zugeführt, ging er einen Schritt weiter als Feßler, indem er sich nicht begnügte, die Hochgrade umzugestalten, sondern geradezu auf deren Abschaffung lossteuerte, wie nicht minder auf eine demokratische Logenverfassung und auf die Herstellung einer wahren Geschichte des Bundes, ohne jedoch die Geheimhaltung der maurerischen Eigentümlichkeiten preisgeben zu wollen. Im Sinne dieser Ideen reformierte er die englische Provinzialloge von Hamburg, welche sich unter seiner Leitung zur Großloge erhob, nach den ältesten und einfachsten maurerischen Formen arbeitet und keinen Würdigen aus Rücksichten auf Religion und Abstammung ausschließt. Schröder gründete auch den maurerischen » Engbund,« welcher in Hamburg seinen Sitz und in den besten deutschen Logen seine Mitglieder hat, dessen Zweck in der wissenschaftlichen Erforschung der maurerischen Geschichte und Formen besteht und durch regelmäßige Korrespondenzen verfolgt wird. Im Süden Deutschlands vertrat einen ähnlichen Standpunkt wie Schröder, in hartem Kampfe mit den Hochgraden, der Arzt Gottlieb von Wedekind, welcher 1805 den Mut hatte, aus einer Loge in Mainz zu treten, weil sie beschlossen, keinen Feind Napoleons aufzunehmen, und ebenso 1823 als Meister vom Stuhl in Darmstadt abdankte, weil ein hessischer Prinz dort höhere Grade einführen wollte. Seine Schriften sind kernig und klar. Er wünschte in den Logen Schulen der Beredsamkeit emporwachsen zu sehen. Geboren 1761 in Göttingen, starb er 1831 in Darmstadt. Die dritte Stufe nach Feßler und Schröder erstieg im Streben nach maurerischem Fortschritte der geistvolle Philosoph Karl Christian Friedrich Krause, der vielleicht weniger seiner schwer verständlichen Sprache wegen, als deshalb, weil er nicht das Glück hatte, Professor zu werden, in der Berühmtheit hinter Fichte, Schelling und Hegel zurückgeblieben ist. Geboren 1781 in Eisenberg (Altenburg), gestorben 1833 in München, gelang es dem eigentümlichen Manne niemals, über die Stufe des Privatdozenten hinauf zu kommen. Unbefriedigt durch die bloße Polemik gegen die Hochgrade und die geschichtliche Forschung innerhalb der Logenwände, verlangte er frischweg Aufhebung des Geheimnisses und Erweiterung des Maurerbundes zu einem Menschheitsbunde, um die Wiedergeburt der Menschheit und die Rückkehr zu ihrem Urbilde herbeizuführen, sie zu ihrer wahren Bestimmung, als einer Einheit in Gott, hinzuleiten. Aber seine Veröffentlichung der »drei ältesten Kunsturkunden der Freimaurerbrüderschaft« zog sogar ihm und seinem ihn unterstützenden gleichgesinnten Freunde, dem tüchtigen Schriftsteller Friedrich Moßdorf, den Ausschluß aus der Loge zu; das war der Lohn für sein ideales, die Menschheit liebend umfassendes Streben, und man bewies ihm damit schlagend, daß die Menschheit noch lange nicht reif sei, die wahrhaft göttliche Idee zu fassen, die ihm nicht etwa nur die Menschheit der Erde, sondern das gesamte Weltall in einem unendlichen Verbande allwaltender Liebe umschlang. Ein Strebens- und Schicksalsgenosse Krause's war auch Friedrich Heldmann, geboren l776, Professor in Aarau und Bern, gestorben l838 in Darmstadt, dessen erster Versuch einer vollständigen Geschichte des Bundes unter dem Titel »die drei ältesten geschichtlichen Denkmale der deutschen Freimaurerbrüderschaft« (1819) auch ihn nötigte, die Loge zu verlassen, weil er die übertriebene Geheimniskrämerei der am alten Hängenden angetastet hatte. Die Bestrebungen der Brüder Krause, Moßdorf und Heldmann vervollständigte Johann Georg Kloß, Arzt in Frankfurt (1787–1854), welcher endlich in seinen historischen und bibliographischen Werken den deutschen Maurern unwiderleglich zeigte, was Wahrheit sei, woher der Bund stamme, und daß er nichts mit Rittertum und Mystik zu schaffen habe.

Diesen Begründern des maurerischen Fortschrittes der Neuzeit, lauter untadelhaften, herrlichen Menschen, welche nach den Unbilden, die ihnen zu ihrer Lebzeit Kurzsichtige zufügten, im Bunde hochgeehrt sind, könnten wir noch eine lange Reihe anderer edler Persönlichkeiten folgen lassen, welche die Logen zierten; aber ihre Aufzählung würde zu weit führen. Wir erwähnen nur, daß der Dichter Wieland, welcher zu seiner Blütezeit den Bund mit Mißtrauen angesehen hatte, von dieser Richtung zurückkam und im Alter von 75 Jahren sich noch aufnehmen ließ, daß der treffliche Gottfried Körner, der Freund Schillers und Vater des frühe hingeschiedenen Dichters und Freiheitskämpfers Theodor, der große Marschall Vorwärts, Leberecht Blücher, der Dichter und Historiker Herder und der Volksschriftsteller Heinrich Zschokke thätige Mitglieder des Bundes in der Periode seiner Wiedererhebung aus den Banden der Verirrung waren.

Die unvergänglichsten poetischen Denkmale hat demselben jedoch der unsterbliche Bruder Goethe gegründet, dessen »Wilhelm Meister« vorzugsweise ein Maurer-Roman, wie sein Faust, als Menschheitsdrama, auch ein Maurerdrama genannt werden kann. »Wilhelm Meisters Lehrjahre« nehmen den erwähnten Charakter da an, wo sie aufhören, ein Theaterroman zu sein, und die »Wanderjahre« entwickeln die maurerischen Anklänge noch weiter. Goethe führt uns nämlich in diesen beiden Teilen seines unvollendeten biographischen Romans in die Geheimnisse einer Gesellschaft ein, welche er bald »den Bund,« bald »das Band« nennt, und welcher er eine doppelte Aufgabe zuweist: Landeskultur und Jugendbildung. Zwei Stellen, welche diese Gesellschaft betreffen, sind vor allen anderen als freimaurerische Muster-Aussprüche hervorzuheben, der »Lehrbrief,« welchen Wilhelm bei seiner Aufnahme in den Bund erhält, und die Auseinandersetzung der Bundeszwecke, wie sie Lenardo in seiner Rede zum Besten giebt.

Jener lautet: »Das Leben ist kurz, die Kunst lang, das Urteil schwierig, die Gelegenheit flüchtig. Handeln ist leicht, denken schwer; nach dem Gedachten handeln unbequem. Aller Anfang ist heiter und spannt die Erwartung. Der Knabe staunt, der Eindruck bestimmt ihn; er lernt spielend, der Ernst überrascht ihn. Selten wird das Treffliche gefunden, seltener geschätzt. Die Höhe reizt uns, nicht die Stufen; den Gipfel im Auge wandeln wir gerne in der Ebene. Nur ein Teil der Kunst kann gelehrt werden, der Künstler braucht sie ganz. Wer sie halb kennt, ist immer irre und redet viel; wer sie ganz besitzt, mag nur handeln und redet selten oder spät. Jene haben keine Geheimnisse und keine Kraft; ihre Lehre ist wie gebackenes Brot, schmackhaft und sättigend für einen Tag; aber Mehl kann man nicht säen und die Saatfrüchte sollen nicht vermahlen werden. Die Worte sind gut, sie sind aber nicht das Beste. Der Geist, aus dem wir handeln, ist es. Wer blos mit Zeichen wirkt, hält den Schüler zurück. Des echten Weisen Lehre schließt den Sinn auf; denn wo die Worte fehlen, spricht die That. Der echte Schüler lernt aus dem Bekannten das Unbekannte entwickeln und nähert sich dem Meister.«

Die Bundeszwecke sodann werden folgendermaßen zusammengefaßt: »So ist denn allen bekannt, wie und auf welche Weise unser Bund geschlossen und gegründet sei; niemand sehen wir unter uns, der nicht zweckmäßig seine Thätigkeit jeden Augenblick üben könnte, der nicht versichert wäre, daß er überall, wohin Zufall, Neigung, ja Leidenschaft ihn führen könnte, sich immer wohl empfohlen, aufgenommen und gefördert, ja von Unglücksfällen möglichst wieder hergestellt finden werde. Drei Pflichten sodann haben wir auf's strengste übernommen: jeden Gottesdienst in Ehren zu halten, – ferner alle Regierungsformen gelten zu lassen, und schließlich: die Sittlichkeit ohne Pedanterie und Strenge zu üben und zu fördern, wie es die Ehrfurcht von uns selbst verlangt.«

Zwar hat die Erscheinung des »Bundes« in Wilhelm Meisters Lehr- und Wanderjahren etwas durchaus Mystisches und verbindet auf sonderbare, ja bizarre Weise die Mysteriensucht und die »unbekannten Oberen« des 18. mit der praktischen Thatkraft des 19. Jahrhunderts. Für unsern gegenwärtigen Geschmack entschieden antiquiert und keines Eindruckes mehr fähig sind die Aufnahmeceremonien in den Lehrjahren und die Organisation der Bundesschulanstalt, vom Bildersaal des Lehrgebäudes bis zu den Feldarbeiten und Marktszenen in den Wanderjahren.

Ein moderneres Seitenstück zu Wilhelm Meister, das sich von dem Nebelhaften dieses Werkes frei hält, und klare Ereignisse, wie nicht minder plastische Persönlichkeiten schildert, auch lokale, nationale und historische Färbung hat, aber dennoch nicht in die Wirklichkeit, sondern in das Reich der Phantasie greift, sind Karl Gutzkow's »Ritter vom Geiste.« Der Dichter geht von der Voraussetzung aus, daß der Freimaurerbund nicht den Beruf habe, für die Zukunft zu wirken; er wirft demselben Lauheit gegen die bewegenden Fragen der Zeit und zu große Ergebenheit an den materiellen Genuß vor, was freilich nur einen Teil des Bundes trifft, – und regt daher die Gründung eines neuen Ordens an, der ein Programm freisinniger Grundsätze aufstellen und nach Kräften für dessen Verwirklichung arbeiten solle. Die »Ritter vom Geiste« knüpfen an die geistlichen Ritterorden an, jedoch mit ausschließlichem Bezug auf die Bedürfnisse der Neuzeit. Aus der Gestalt des Kreuzes der in Preußen protestantisch gewordenen Johanniter, dessen Enden vierblättrigem Klee ähnlich sind, nehmen sie diese selten vorkommende Pflanzenform, als Symbol edler Charaktere, zum Zeichen ihres Bundes an und werfen sich mit Macht in die brausenden Wogen des von politischen und sozialistischen Stürmen gepeitschten Meeres der Gegenwart, – ohne jedoch von bitteren Enttäuschungen verschont zu bleiben.

Aus dem Reiche der Phantasie hat Gustav Kühne das nebelhafte Element in die historische Wirklichkeit überzutragen versucht in seinen » Freimaurern,« welches Werk, obschon viele herrliche Gedanken darin verstreut sind, von dem Bunde nur ein unhistorisches Zerrbild liefert, und in eine Zeit, welche mit ihren auf einander platzenden Gegensätzen herrlichen Stoff zu pikanten Darstellungen wirklicher Zustände geboten hätte, eine Hexenküche niemals dagewesener Verhältnisse hinein zwängt. Mit Kühne teilt die beinahe vollständige Unmöglichkeit, freimaurerische Verhältnisse zu schildern, ohne dem Bunde selbst anzugehören, Max Ring. In seinen » Rosenkreuzern und Illuminaten« vermeidet er zwar den eben gerügten größten Fehler seines nächsten Vorgängers, indem er die wirklichen Parteien des 18. Jahrhunderts mit den wirklichen Personen, welche sie führten und – anführten (Schrepfer, Gugomos u. s. w.), auf die Szene bringt, die er jedoch, in auffallender Unkenntnis der wirklichen Verhältnisse, auf die lächerlichste Weise untereinanderwirft und verwechselt, was bei genauerm Studium der Geschichte und des Wesens der Freimaurerei leicht zu verhüten gewesen wäre. Andere Erzeugnisse der Romanliteratur, welche die geheimen Gesellschaften zum Gegenstande haben, sind nicht wert, erwähnt zu werden.

Die durch Feßler, Fichte, Schröder, Krause, Heldmann, Kloß u. a. angeregten fortschrittlichen Bestrebungen im Maurerbunde gelangten nicht ohne schwere, harte Kämpfe zu allgemeinerer Anerkennung. Aber ferne davon, sich hierdurch abschrecken zu lassen, haben in unserer Gegenwart neue Kämpfer nicht nur dieselben wieder aufgegriffen, sondern noch in bedeutendem Maße erweitert. Ihr Ringen gilt: 1. einer reinern Lehrart, befreit von mystischen Phantastereien, 2. einer freiern Logenverfassung, nach welcher die einzelnen Logen nicht mehr unter despotischem Diktat und drückender Vormundschaft der Großlogen ständen, 3. einer humanern Auffassung der Maurerei, welche z. B. die Ausschließung der Juden verpönt, 4. einer Beschränkung der Geheimhaltung auf das Notwendigste, 5. völliger Abschaffung der Hochgrade und Verminderung der bisherigen Vorrechte der Meister gegenüber Gesellen und Lehrlingen, 6. einer Vereinfachung der Ceremonien und Unterordnung derselben unter die geistige Arbeit, und 7. einer größern Einheit im Bunde, womöglich einer Vereinigung aller Logen der Erde zu einer Universal-Großloge mit freier Verfassung.

Für eine reinere Lehre und für Vereinfachung der Ceremonien hat besonders Oswald Marbach (geb. 1810), Professor in Leipzig, in seinen »Katechismusreden,« »Arbeiten am rohen Steine« u. s. w. gewirkt, – Schriften, welche freisinnigen und nicht konfessionell beschränkten Menschen ganz gut als Erbauungsbücher dienen könnten. Für dieselben Ziele, und zugleich für Verminderung der Geheimnissucht arbeitete in ähnlicher Weise Rudolf Seydel (geb. 1835), Professor der Philosophie in Leipzig, dessen »Reden über Freimaurerei an denkende Nichtmaurer« den Werken Marbachs an die Seite gestellt werden dürfen, und der zum ersten Male das große Wort frei aussprach: »Der Maurerbund sei kein Geheimbund mehr.« Für volkstümliche Darstellung der Bundesziele wirkte viel August B. Cramer (geb. 1826). Josef Gabriel Findel (geb. 1828), Buchhändler in Leipzig, war es, der die erste vollständige und kritische »Geschichte der Freimaurerei« schrieb (2. Aufl. Leipzig 1866) und 1858 die freisinnige maurerische Zeitschrift »Die Bauhütte« gründete. Der im Jahre 1861 gegründete » Verein deutscher (d. h. deutsch sprechender) Maurer« hat den Zweck, in freierer und unabhängigerer Weise, als der zu sehr von Geheimnis umgebene »Engbund,« 1. die maurerische Wissenschaft, d. h. die Geschichte, Rechtskunde, Symbolik und Lehre der Freimaurerei zu fördern, und 2. unter den Maurern gegenseitige Verständigung über alles, was zum Gedeihen des Bundes beitragen kann, anzubahnen und unter ihnen die Bande der Freundschaft und Bruderliebe enger zu knüpfen und zu befestigen. Jährlich hält er freie, zwanglose Wanderversammlungen, und 1867 hat er von Worms aus ein »Manifest an alle Großlogen des Erdenrundes« erlassen, in welchem er denselben ein von ihm entworfenes und durchberatenes »Allgemeines Grundgesetz des Freimaurerbundes« zur Annahme empfahl. Dieses Grundgesetz wäre dazu geeignet, eine wohlthätige Einheit im Bunde herbeizuführen. Nach dem Muster des Vereins deutscher Maurer hat sich in New-York ein »Verein deutsch-amerikanischer Maurer« gebildet.

Die Reformbestrebungen im Bunde fanden einstweilen in dem erwähnten Grundgesetze und dessen allmählicher Annahme in bereits mehreren Logen ihren Abschluß, und man scheint allgemein der Meinung zu sein, der Freimaurerbund könne seine Eigentümlichkeiten nicht aufgeben, ohne etwas anderes zu werden, als was er seiner Bestimmung nach sein soll. Er ist nun einmal eine historische Erscheinung, deren charakteristische Merkmale in symbolisch aufgefaßtem Bauen und in der Nichtberücksichtigung aller speziellen sozialen, religiösen und politischen, nicht allgemein humanen, Verhältnisse bestehen, und in welchem die Grundsätzlichkeit der Werkthätigkeit vorangeht, ohne letztere zu beeinträchtigen. Daß diese Kennzeichen des Bundes noch nicht aufgehört haben, zeitgemäß zu sein, zeigt das beständige Wachsen desselben, während nirgends im Entferntesten eine Abnahme zu bemerken ist. In allen Ländern, wo das politische Regiment, das den Bund einst unterdrückte, fällt, steht derselbe sofort wieder in imposanter Stärke da. So hat er sich z. B. in Italien seit dem Sturze der alten Regierungen (1860) schon zu einer Phalanx von 170 bis 180 Logen mit über 12 000 Mitgliedern erhoben.

In Ungarn hat er, seitdem dieses Land eine eigene Verfassung (von 1867) besitzt, festen Boden gefaßt. Die beiden Großlogen des Landes, eine für die alte Maurerei und eine für die Hochgrade, welche zusammen 45 Logen zählen, haben sich neulich vereinigt. Auch in Spanien ist die Maurerei seit der Vertreibung Isabella's und ihres sauberen Hofes (1868) rasch aufgeblüht und soll weit über hundert Logen besitzen, welche sich jedoch noch nicht unter einheitlicher Leitung konsolidiert haben.

Auch in den Ländern, in welchen der Bund schon längere Zeit besteht, vermehrt er sich fortwährend. In den Jahren 1868 bis 1879 allein ist die Zahl der Logen von 8000 auf 15 000 gestiegen und muß jetzt weit stärker sein; es fehlen jedoch darüber bei dem Mangel gemeinsamer Einrichtungen zuverlässige und vollständige Angaben. Denn statt größerer Einheit, steuert der Bund, wie alle Anzeichen lehren, immer größerer Zerklüftung zu. Wir sagen offen, daß wir dies nicht bedauern. Der Freimaurerbund hat niemals nach Macht und Weltherrschaft gestrebt, und weil in seinem Kreise von jeher jedes Diktat ausgeschlossen war, hat er auch je nach den verschiedenen Völkern, bei denen er vertreten ist, von einander abweichende Eigentümlichkeiten angenommen. Sowohl die Sympathieen als die Antipathieen zwischen den Nationen machten sich auch unter den ihnen angehörenden Freimaurern geltend. Seit dem Kriege von 1870 und 71 ist jeder Verkehr zwischen den deutschen und den französischen Freimaurern abgebrochen, und als der Großorient der letzteren im Jahre 1877 einen Artikel der Statuten, welcher den Glauben an Gott und Unsterblichkeit vorschrieb, durch einen solchen ersetzte, welcher allgemeine Gewissensfreiheit verkündete, brachen auch die britischen und mehrere amerikanische Großlogen den Verkehr mit Frankreich ab. Diese Zerklüftung kann indessen dazu beitragen, daß sich die Freimaurerei in einzelnen Ländern mehr befestigt und einen klareren nationalen Charakter statt eines verschwommenen kosmopolitischen annimmt. Als ideale Brüderschaft aber wird der Freimaurerbund voraussichtlich fortdauern, so lange es Menschen giebt, welche am Geheimnisvollen, an Symbolen und Ceremonien Gefallen, und in Verbindung damit Gelegenheit finden, Begeisterung für allgemeine Menschenliebe an den Tag zu legen, sowie stille Wohlthätigkeit und frohe Geselligkeit zu üben.


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