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I.
Die Geister der Propheten sind den Propheten untertänig

1.

»Fünfzig Araber trinken einen Kaffee,« sagte der Schankwirt und drohte fluchend einer Schar burnusbekleideter Gäste, die sich rings um sein Lokal lagern wollten. »R–r–r––emchi! Seht ihr nicht, daß ich europäische Gäste habe? R–r–r––emchi! Berra.«

Dieser Ausruf war ausgesprochen unhöflich. Es ist der Schrei, mit dem die arabischen Eselstreiber, allerdings vergeblich, ihre Tiere anzufeuern versuchen. Aber die burnusbekleideten Kaffeehausgäste nahmen ihn ohne Erbitterung auf. Mit unerschütterlicher Würde, stumm, in schmutzigweiße Stoffalten gehüllt, die Arme über die Brust gekreuzt, verschwanden sie durch das Gras; sie glichen alttestamentarischen in Gesichte versunkenen Propheten. Der Gedanke, daß diese Gesichte nicht nur durch Koffeinvergiftung hervorgerufen waren, ließ nicht ab, an dem Gehirn des Schankwirts zu nagen. In seinem harten Kolonialfranzösisch versicherte er noch einmal seinen drei europäischen Gästen:

» Cingcangt arabes – ça boit ung café! Ung Café!«

Sein Gesicht war von Haß verzerrt. »Und hierher kommt nie wer anderer als Araber!«

Dem, der die Minimalanzahl der Tassen Kaffee, die verkauft werden mußten, wenn das Geschäft sich rentieren sollte, mit fünfzig multiplizierte, erschien seine Empörung ebenso berechtigt, wie seine Zukunftsaussichten düster. Ringsumher breitete die Einöde ihre unendliche Größe und Leere in die Mittagssonne aus. Meilenlange Dünungen von unkrautbewachsener Erde erhoben sich zu Wellenkämmen aus Stein; rechts und links streckten Millionen von Kaktuspflanzen ihre zackigen Blätter in Gesten von unförmiger flehentlicher Verzweiflung empor; nirgends war ein Haus zu sehen, nirgends stieg der Rauch aus einem Schornstein auf. Die Eisenbahn ging durch eine blühende Leere, und im Zentrum dieser Leere fixierte das Stationsgebäude von Ain Ghrasesia das Café mit einer Miene, als wollte es sagen:

Was in aller Welt machen wir eigentlich hier?

Der Cafetier erwachte aus seinen düsteren Gedanken. Er trug arabische Kniehosen, eine europäische Weste mit einem Schnallengurt am Rücken, Socken, die von Strumpfhaltern an seinen nackten Beinen festgehalten wurden, und gelbe arabische Pantoffel. Am Hals unter seinem aufgeknöpften Hemd guckte ein Kruzifix hervor, auf dem Kopfe hatte er einen mohammedanischen Fes, und hinter dem rechten Ohr eine rote Rose. Seine Sprache war ein unverdautes Gemisch aus Französisch, Maltesisch und Arabisch, an jene ungenießbaren Frikassees erinnernd, die in Tunis in den Restaurants mit Lokalfarbe serviert werden; er gehörte keiner Nation an und war bereit, alle Religionen abzuschwören.

»Was befehlen Sie, Messieurs?« fragte er geschäftig seine drei europäischen Gäste. Zwei von ihnen sahen sich ein wenig ähnlich. Sie hatten kurzgeschnittenen Schnurrbart, schwarzes Haar und lebhafte Augen; der dritte, der imponierend dick war, sah die Umgebung nicht mit demselben Interesse an. Er wischte sich unaufhörlich mit einem bunten Seidentuche die Stirne und murmelte viele Worte, die nicht durchwegs Segenssprüche waren. Seine Augen waren rund und klar wie Glaskugeln, mit lichtblauen Pupillen.

» Un bock!« rief er.

»Bier! Als ob es sich lohnte, das für die kommen zu lassen! Die trinken nichts anderes als Kaffee – wenn fünfzig beisammen sind, die eine Tasse teilen können. Vielleicht Limonade?«

Zwei der europäischen Gäste nickten bereitwillig. Der dritte rümpfte seine schweißglänzende Nase mit einem Ausdruck vernichtenden Abscheus. Dann resignierte er.

Das Café – wenn man eine Steinhütte mit Strohdach, Steinboden, zwei wackeligen Tischen und fünf Reklameaffichen für Absinth und Singers Nähmaschinen ein Café nennen kann – lag auf einer kleinen Anhöhe. Von dieser Anhöhe hatte man den freien Ausblick über hundert Quadratkilometer grüne und rote Wüste – rot, wo die Erde nackt lag, grün, wo sie jene Ernten trug, die Adams Aussaat gratis versprochen worden waren: Dornen und Disteln. Es war eine große Landschaft, eine imponierende Landschaft, eine erschreckende Landschaft; es war keine Landschaft, wo man sich auf Bier kaprizieren konnte.

Die verjagten Araber hatten sich in einem Halbkreis auf den Boden vor der Station niedergelassen. Sie warteten darauf, daß ein Zug im Laufe der Zeiten mit sechzehn Kilometer Geschwindigkeit in der Stunde in Ain Ghrasesia ankommen und etwas später, insofern es Gottes Wille war, mit derselben Geschwindigkeit von dort weiter seinen Weg suchen würde. Selbst kamen sie aus Kairouan, der heiligen Stadt, Mekka, Medina und Jerusalem ebenbürtig mit ihren dreihundertachtzig Moscheen und zahllosen Heiligengräbern. Eine Zweigbahn führt von Ain Ghrasesia zur Bequemlichkeit der Pilger hin. Ain Ghrasesia liegt an der Hauptlinie von der Küste zu der Wüste; da treffen sich die Züge, die von Henchir Souatir zur Küste und von Kala Srira zur Wüste gehen. Beide Züge hätten schon längst da sein sollen. Das waren sie aber nicht. Das hatte nichts zu bedeuten. Irgendwo unter dem schwindelerregenden leeren Himmel schlängelten sie sich durch die kaktusbewachsene Einöde auf Ain Ghrasesia zu. Mektub, so stand es geschrieben. Wenn die Zeit erfüllt war, würden sie kommen und gehen. Mektub, so stand es geschrieben. Was bedeutete diese Verspätung? Nichts, außer für ungeduldige Europäer, die nie an dem Orte, wo sie sich befinden, zufrieden sind und im Herzen von Tunis Bier bestellen.

Mit gekreuzten Beinen und ernsten Gesichtern beobachteten die Pilger zwei Stammesgenossen, die Khibbia spielten; ein Spiel, das an Dame erinnert, aber dessen Ingredienzien noch einfacher sind als seine Regeln. Es wird auf der bloßen Erde mit Feldsteinen und Ballen aus Kamelmist gespielt. Einige der Pilger hatten sich in ihre Burnusse eingerollt und schliefen in dem warmen Staub. Ein reicher Mann aus El Djef ließ murmelnd einen Rosenkranz, den er in dem heiligen Kairouan gekauft hatte, durch seine Finger gleiten. Der Rosenkranz war kostbar, Kugeln aus gelbem Bernstein wechselten mit Kugeln des dunkelbraunen, parfümierten Ambras, das aus dem Schweiße der gepeitschten Wildkatze gewonnen wird. Vier jüdische Geschäftsleute aus den Basars in Tunis waren aus weltlichen Gründen nach Kairouan gewallfahrtet. Kairouan ist die Stadt der Teppiche. Sie besichtigten gegenseitig ihre Teppiche, setzten gegenseitig ihre Einkäufe herab und sprachen mit acht Händen, emporgewandt wie Seerosenblätter, über die Preise, die sie die Touristen bezahlen lassen wollten.

Der Cafetier kam mit drei Gläsern aus dem Inneren des Hauses. Dunkle Gerüchte von den Anforderungen, die die Europäer an die Hygiene stellten, waren offenbar zu ihm gedrungen, denn er wusch das Innere der drei Gläser mit einer sehr zweifelhaft reinen Hand, bevor er die Limonade servierte. Der dicke Gast sah mit einem Abscheu um sich, den er unparteiisch zwischen dem Glase, dessen Inhalt und der Landschaft verteilte.

»Nicht wahr,« sagte einer seiner Freunde munter, »die schönste Landschaft auf der Welt gewinnt, wenn man ein Gasthaus in den Vordergrund stellt!«

»Ein Gasthaus? Nennen Sie das ein Gasthaus? Ich nenne es – Nein, ich will lieber nicht sagen, wie ich es nenne. Landschaft! Nennen Sie dies hier eine Landschaft? Was ist das für ein Land? Was tun wir hier?«

»Wir sind auf einer Lustreise,« sagte sein Freund erklärend.

»Lustreise,« rief der dicke Gast entsetzt. »Gütiger Vater im Himmel, ja das nenn' ich eine Lustreise!«

»Ueberdies«, fuhr sein erster Freund fort, »sind wir hier, um die Geschäfte zu machen, die sich bieten.«

»Aber nur,« schaltete sein zweiter Freund ein, »insofern diese Geschäfte ehrlich sind.«

»Geschäfte!« rief der dicke Gast und sah von der Horde bloßbeiniger Pilger über die Wüste hin. »Ich möchte den sehen, der hier Geschäfte machen kann! Und noch dazu ehrliche!«

»Sie haben recht,« schloß sein erster Freund. »Die Geschäftsmöglichkeiten sind nicht groß, und daher müssen wir unsere Reise als eine Lustreise rubrizieren.«

Der dicke Gast nahm das Limonadenglas, wie um es auszutrinken, stellte es nieder und rief den Cafetier:

»Hören Sie,« sagte er mit stark englischem Akzent. »Wie lange dauert es, bis dieser elende Zug kommt?«

»Welcher Zug, Monsieur?«

»Der nach – wie heißt der Ort? – unten an der Wüste?«

»Henchir Souatir?«

»Ja, mir scheint, so heißt er. Wie lange dauert es, bis er kommt?«

»Er hätte schon vor einer Stunde da sein sollen. Niemand kann wissen, wann er kommt, Monsieur.«

Der dicke Gast warf einen Blick auf seine Freunde, der die Worte unterstrich: Niemand kann wissen.

»Und wie lange dauert die Reise nach Henchir Souatir?«

»Fünfzehn Stunden oder so. Es ist verschieden. Die Bahn ist ja hauptsächlich für die Eingeborenen.«

Der dicke Gast sah seine Freunde mit einem Blick an, der die Worte fünfzehn Stunden gleichsam in Sperrschrift setzte.

»Und ist die Landschaft die ganze Zeit ebenso schön wie die hier?«

»Nein, Monsieur, zum Schluß fährt man durch die reine Wüste.«

»Und wenn man diese fünfzehn Stunden Reise zurückgelegt und die Wüste hinter sich hat und in Henchir Souatir angelangt ist – ist dann dort ein Restaurant?«

»Ja, Monsieur.«

»Und gibt es dort etwas zu trinken? Ein menschliches Getränk, nicht Kaffee und Limonade? Sagen Sie mir, gibt es das?«

»Nein, Monsieur.«

Der dicke Gast blieb starr und stumm sitzen wie eine Statue. Der Cafetier wendete sich an seine Freunde.

»Aber reisen Sie wirklich nach Henchir Souatir, Messieurs?« fragte er mißtrauisch.

»Nein, wir reisen weiter. Wir reisen, soweit die Eisenbahn geht. Nach einer Oase im Inneren der Sahara.«

»Tozeur?«

»Ja, Tozeur. Und ist es weit von Henchir Souatir nach Tozeur?«

»Nein, Monsieur, nicht besonders weit. Nur sieben Stunden – wenn der Zug sich nicht in Metlaoui verspätet.«

Der dicke Gast zuckte in seiner Gelähmtheit zusammen. Er nahm die Limonade, spülte sich damit den Mund, spuckte sie aus und stellte das Glas auf den Steintisch, so daß es klirrte. Er war im Begriff, Dinge zu sagen, die ihm am Herzen lagen, als sich etwas ereignete, das seinen Gedanken eine andere Richtung gab.

2.

Ein Bündel tauchte in der Nähe ihres Tisches auf – ein einstmals weißes Bündel, aus dem ein rasierter Kopf mit Turban und zwei lange, nackte Beine hervorragten. Zwei fanatische Raubvogelaugen brannten zu beiden Seiten einer Nase, die krumm und scharf wie ein Säbel war. Das Gesicht war lederbraun, mit hervorspringenden Backenknochen, die so frei von Fleisch waren, als ob die Geier sie schon abgenagt hätten. Die untere Gesichtspartie wurde von einem struppigen Philosophenbart verdeckt. Wenn der Mann ein mohammedanischer Philosoph war, so glich sein Kostüm am ehesten einer zerrissenen Auflage seiner gesammelten Werke – einer Auflage, die sich sehnte, wieder in die Papiermühle einzugehen. Eine solche Fetzensammlung konnte keiner der anderen Pilger aufweisen. Nun breitete er ein gelbweißrotes Teppichstück auf dem Boden aus, warf sich vornüber und begann seine Gebete zu verrichten. Von seinem Beispiel angesteckt, begannen auch die Pilger und Kaufleute ihre Gebete zu verrichten. Sie warfen sich an der Stelle nieder, wo sie sich gerade befanden – einige mitten im Eingang zum Bahnhof, andere zwischen den Eisenbahnschienen – und Ain Ghrasesia widerhallte in der Mittagssonne von Allahs Lob. Dann war die Andacht vorbei. Der Araber in dem Fetzenbündel erhob zum letztenmal seinen Kopf von dem Teppich, setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den Boden und fixierte die Europäer. Aus irgendeinem Geheimfach seines Kostüms zog er einen Sack hervor und leerte ihn auf dem Gebetteppich aus. Die drei Europäer verfolgten sein Vorhaben mit Interesse. Nun zeichnete er Pentagramme und andere Figuren in den Sand und murmelte etwas in sich hinein.

»Ist das ein Wahrsager?«

»Ja, ja, Monsieur,« rief der Cafetier. »Das ist ein Marabou, ein Zauberer, ein se'h'h'ar, ein abscheulicher se'h'h'ar! Was willst du hier? Fort mir dir!, Berra! R–r–r–emchi!«

Der Marabou drehte langsam den Kopf, sah den Cafetier mit einem brennenden Blick an und begann eine Reihe arabischer Worte zu murmeln. Die arabische Sprache, die für Uneingeweihte immer wie ein Strom von Flüchen klingt, war in seinem Mund doppelt wirkungsvoll. Der Cafetier zuckte zusammen, als hätte er das Rasseln einer Klapperschlange gehört.

»Elâfou, elâfou,« stammelte er. »Gnade! Ich nehme alles zurück, was ich gesagt habe! Du bist mein Vetter! Du bist mein geehrtester Gast! Was wünschest du? Kaffee? Limonade? Es ist dein, ohne Bezahlung.«

Der Wahrsager machte eine verächtliche Gebärde, wendete sich seinem Teppich zu und strich das Pentagramm aus. Anstatt dessen zeichnete er eine Serie von Händen, studierte sie eine Zeitlang und strich auch sie aus. Dann schlug er den Blick zu den drei Europäern auf und stieß etwas hervor, was wie ein Strom von Flüchen klang.

»Was sagt er denn?« fragte der dicke Gast ungeduldig. »Warum spricht er denn nicht eine Sprache, die man verstehen kann? Uebersetze!«

Der Cafetier stand noch wie gelähmt von dem brennenden Flüchewind da, der eben über ihn hingestrichen war. Seine europäische Politur war von ihm abgefallen, wie Politur bei starkem Sonnenschein springt und abfällt. Als er nun sprach, hatte er vergessen, Sie zu sagen und duzte seine Gäste nach alttestamentarischer Manier.

»Was der Zauberer – was der Marabou sagt? Der heilige Mann sagt, daß er in deinem Schicksal lesen kann wie in einem offenen Buch, Monsieur! So sagt er!«

»Haha! So, so, das kann er! Was kostet es?«

Der Cafetier richtete eine scheue Frage an das Fetzenbündel.

»Es kostet, was du willst, Monsieur.«

»Ich gebe ihm fünf Franken. Sagt er etwas, was wahr ist, so bekommt er zehn Franken. Nun los!«

Der Araber in dem Fetzenbündel strich langsam den Sand ein, streute ihn wieder über den Teppich und schrieb eine neue Serie von Zeichen, von denen das eine aus dem anderen geboren zu werden schien. Unterdessen sprach er leise schnarrend mit sich selbst. Hie und da steckte er auch die Hand unter die Fetzen und kratzte sich heftig, ohne daß dies mit der Prophezeiung in Zusammenhang stand. Endlich war er fertig. Er teilte das Resultat dem Cafetier in einem Strom von Worten mit, deren Hs und Ds wie Pistolenschüsse klangen und deren Ks krachten wie zerreißende Tempelvorhänge.

»Der heilige Mann«, sagte der Cafetier zitternd, »hat seinen Geist zu Rate gezogen und der Geist hat geantwortet. Dies hat der Geist gesagt: Ihr seid drei Freunde aus Europa.«

Der korpulente Gast schlug sich auf die Knie, so daß es dröhnte.

»Bravo! Bravo!« rief er. »Die größte Enthüllung des Jahrhunderts! Welch unvergleichlicher Zauberer! Wir sind drei Freunde aus Europa! Das hätte uns kein anderer sagen können. Kann er noch mehr sagen? Werden wir heiraten? Werden wir viele Kinder haben?«

»Monsieur,« sagte der Cafetier vorwurfsvoll, »du scherzest. Hüte dich, den heiligen Mann mit deinem Scherz zu reizen! Er ist ein mächtiger se'h'h'ar. Dies hat sein Geist ihm fernerhin offenbart: Ihr seid aus Europa, aber ihr seid nicht aus demselben Lande in Europa!«

»Bravo! Immer scharfsinniger und scharfsinniger! Kein anderer hätte das erraten können! Kann er vielleicht noch tiefer eindringen? Kann er vielleicht am Ende gar sagen, aus welchem Lande ich bin?«

»Du, Monsieur, sagt der Geist, bist aus dem Lande, wo das Gold alles bedeutet und alle Laute von dem Klingen des Goldes übertönt werden. So sagt der Geist.«

Der dicke Gast verstummte plötzlich. Er heftete seine porzellanblauen Pupillen auf den Marabou, der dasaß, die Beine unerschütterlich gekreuzt und den Teppich vor sich aufgerollt, wie ein Dokument zur Sache. Die zwei Freunde des dicken Gastes brachen in ein Gelächter aus.

»Nun, Graham? Paßt die Beschreibung auf Ihr liebes England? Das Land, wo das Gold alles bedeutet und alle Laute von dem Klingen des Goldes übertönt werden. Vernunft, Gefühle und das Ganze! Nicht übel! Es sieht aus, als hatten Sie sich das nicht erwartet!«

»Ein Zufall!« knurrte Graham nur. »Eine Keckheit! Alle sind heutzutage gegen England keck. Hören Sie mal! Wenn der Geist sagen kann, woher ich bin, dann kann er wohl auch sagen, woher dieser Herr ist?«

Der Cafetier wartete nur auf ein Zeichen, um fortzufahren.

»Auch dies hat der Geist seinem Herrn, dem Zauberer – dem Marabou mitgeteilt. Du, Monsieur, sagt der Geist, bist aus dem Lande, wo die Trommel alles bedeutet und alle Laute von dem Lärm der Trommel übertönt werden. So sagt der Geist!«

Er schwieg, ebenso die drei Europäer, bis Mr. Graham die Hand krachend auf das Knie fallen ließ.

»Haha, Lavertisse! Paßt die Beschreibung auf Ihr liebes Frankreich? Das Land, wo alle Laute von dem Lärm der Trommel übertönt werden, Vernunft, Gefühle und das Ganze! Nicht übel! Es sieht aus, als hätten Sie sich das nicht erwartet.«

Monsieur Lavertisse antwortete nicht direkt.

»Und der dritte von uns?« fragte er den Cafetier. »Was weiß der Geist von ihm?«

Der Cafetier, der die Wirkung seiner Uebersetzung befriedigt beobachtet hatte, gab sich einen Ruck.

»Der dritte von euch, Monsieur? Von ihm sagt der Geist: Er ist aus dem Lande, das den weißen Schlummer schläft.«

Eine Pause entstand, Monsieur Lavertisse sah den dritten Herrn der Gesellschaft mit emporgezogenen Augenbrauen an, und nur Graham betrachtete ihn mit gummiballartig aufgeblasenen Wangen.

In ihrer nicht überwältigenden Kenntnis von Schweden spielte die Vorstellung seines Winterschnees eine dominierende Rolle. Aber daß mitten im Herzen von Tunis ein lederbrauner Marabou mit geschorenem Kopf und Raubvogelaugen eine Ahnung von Ländern haben sollte, die einen Winterschlaf schliefen, und Personen namhaft machen konnte, die wirklich aus solchen Ländern kamen – das war so offenbar unwahrscheinlich, daß man sich in den Arm kneifen mußte, um zu glauben, daß man wach war. Ja, man war wach. Ringsumher, soweit das Auge reichte, dehnte sich eine afrikanische Einöde, über der die Luft in der Mittagssonne kochte; auf dem Boden saß ein schmutziges Fetzenbündel, ein rotweißgelbes Teppichstück vor sich; und ein Renegat mit einem Kruzifix unter dem Hemd, einem Fes auf dem Kopf und einer Rose hinter dem Ohr, war bereit, noch mehr von den Enthüllungen des Fetzenbündels zu übersetzen.

»Was sagen Sie zu ihm, Professor?«

Philipp Collin strich sich den Schnurrbart.

»Er ist besser als der Schlangenbeschwörer in Kairouan,« sagte er. »Daß Graham ein Engländer ist, konnte er ja erraten. Und daß Lavertisse ein Franzose ist, kann ein Blinder sehen. Aber wie er auf die Idee kommen konnte, daß ich – bah, all dies ist ja nur Geschwätz! Er setzt Worte zusammen, die gut klingen und die unser Freund, der Abtrünnige hier, mehr oder weniger getreu übersetzt. Wir bilden uns ein, daß sie etwas bedeuten und reißen vor Staunen über unsere eigenen Auslegungen Ohren und Augen auf! Rückt man ihm auf den Leib, so bedeuten sie gar nichts! Cafetier! Frage den mächtigen Zauberer, was er mit dem, was er sagte, gemeint hat! Frage ihn, ob es überhaupt etwas bedeutet?«

Der Cafetier stellte seine Fragen. Der Marabou schüttelte düster den Kopf und murmelte irgend etwas.

»Er sagt,« erklärte der Cafetier, »daß die Geister der Propheten den Propheten untertänig sind, aber nur bis zu einem gewissen Grade. Sie legen ihre eigenen Antworten nicht aus. So sagt der heilige Mann!«

Philipp Collin brach in ein schallendes Gelächter aus.

»Haha! Da hören Sie, Lavertisse! Er sieht, daß er mit seinen drei anderen Antworten Effekt gemacht hat und hat nun Angst, sich ihn zu verscherzen! Armer se'h'h'ar! Es ist ganz recht von dir, vorsichtig zu sein. Aber du hast dir einen mühsamen und, nach deinem Kostüm zu schließen, nicht sehr lohnenden Beruf gewählt. Geben Sie ihm für jeden von uns fünf Franken, Graham! Er hat seine Sache ja so gut gemacht, als er konnte.«

Mr. Graham zog drei Fünffrankenscheine aus der Tasche und warf sie dem Fetzenbündel hin. Zur Belohnung bekam er einen Blick von wahrhaft majestätischer Verachtung aus den leuchtenden Raubvogelaugen. Ein Wortstrom donnerte los, in dem die Vokale in Lawinen von rasselnden D und Kh untergingen. Es klang, als wenn Jona Ninive verfluchte. Aber als der Cafetier zu übersetzen begann, verschwanden die verachteten Fünffrankennoten hastig in einer der Falten der weißgelben Fetzen.

»Er sagt,« übersetzte der Cafetier zitternd, »der Geist des mächtigen Zauberers sagt, daß ihr wohl aus den Ländern seid, die der Geist genannt hat, aber es ist lange her, seit ihr sie besucht habt. Wenig Freude erwartet euch, wenn ihr sie besucht, sagt der Geist. Du, Monsieur, sagt er, der du aus dem Lande bist, das den weißen Schlummer schläft, bist aller Toren Vater. Dein ganzes Leben lang hast du nur nach dem getrachtet, was andere besaßen, und alles, was du erreicht hast, ist, das zu verlieren, was du selbst besaßest. Und wie du bist, so sind deine Freunde, und wie es dir ergangen ist, ist es deinen Freunden ergangen. Eure Länder sehnen sich nach euch, wie die Falle sich nach dem Schakal sehnt, sagt der Geist. Der Geist sagt dies, auf daß ihr erkennet, daß er alles weiß. Die Geister der Propheten sind den Propheten untertänig.«

Der Marabou fixierte mit lodernden Augen seine Spötter. Die Haut über seinen Backenknochen brannte dunkel. Seine sehnigen Finger öffneten sich und schlossen sich, wie um Steine zu heben und zu steinigen, wenn die ungläubigen Hunde noch einmal lachen sollten. Aber er brauchte kein Lachen zu befürchten. Nach der Uebersetzung des Cafetiers herrschte eine ganze Minute eine lautlose Stille. Dann schlug nur Graham mit einem dumpfen Aufklatschen die Hand auf das Knie.

»Nun will ich aber verdammt sein!«

Monsieur Lavertisse, dessen Augenbrauen den Haaransatz tangierten, schöpfte tief Atem und sagte:

»Das ist besser als Bertillons System.«

Philipp Collin schwieg und sah den Araber an, der regungslos wie eine Statue dasaß. Als er sah, daß seine Worte nicht mit Lachen aufgenommen wurden, löste sich die Spannung in seinem lederbraunen Gesicht und ein Schleier breitete sich über die Raubvogelaugen. Der Cafetier sah ihn mit einem Ausdruck abergläubischer Ehrfurcht an. Ringsumher lag Afrika mit erschreckenden roten Wüsten, mit Bergen, die keinen anderen Bergen glichen, mit Wäldern aus Kakteen, die an dem Boden festgewachsenen Verdammten glichen, und einer Luft, die von Sonnenglut und Aberglauben vibrierte.

Philipp Collin zuckte die Achsel.

»Sie haben ganz recht, Graham: ich will verdammt sein. Er sagt mir, daß ich aller Toren Vater bin. Das ist wahr, als poetische Umschreibung. Er sagt, daß ich mein Leben lang nach dem getrachtet habe, was andere besaßen, und damit geendet habe, alles zu verlieren, was ich selbst gesammelt habe. Das ist leider auch als Prosa wahr. Schließlich sagt er mir, daß, wenn ich nach Hause in mein Vaterland reise und es in seinem weißen Schlummer störe, es mir ergehen wird wie dem Schakal, wenn er in der Falle eine Visite macht. Dasselbe gilt von euch. Sie haben recht, Lavertisse: das ist besser als Bertillons System. Gar nicht davon zu reden, um wieviel einfacher und billiger!«

Er wendete sich an den Cafetier.

»Hör' einmal, mein guter Mann! Das waren aber recht ungewöhnliche und indiskrete Prophezeiungen, die du da übersetzt hast. Hast du sie verstanden?«

»Nein, Monsieur.«

»Das freut mich. Ich sehe, daß du allen anderen Uebersetzern gleichst. Aber sage mir eines: wer ist der Herr mit dem Teppich und dem vom Zahn der Zeit gezeichneten Kostüm?«

»Ich habe es dir schon gesagt, Monsieur. Er ist ein mächtiger se'h'h'ar, ein Zauberer. Nie habe ich jemanden so fluchen gehört, wie er mich verfluchte, als ich ihn fortjagen wollte.«

»Aber du kennst ihn nicht?«

»Nein, Monsieur. Ich glaube, daß er aus der Wüste kommt. Warte – jetzt spricht er abermals zu dir.«

Der Marabou hatte einige letzte Figuren in den Sand gezeichnet. Er murmelte einige Worte mit sanfterem Tonfall als früher und versank dann in Schweigen. Der Cafetier übersetzte:

»Ferner sagt der heilige Mann: Sage ihnen, daß ihre Torheit, die keine Grenzen kennt, sie binnen kurzem in eine große Gefahr von ganz neuer Art stürzen wird. Der Monat, der jetzt kommt, wird entscheiden, ob sie das Morgenrot nach einer langen Nacht sehen, oder in eine noch längere eingehen werden. Dies sagt der heilige Mann.«

Der heilige Mann wartete das Ende der Uebersetzung ab, um den Sand von seinem Teppich abzustreichen und ihn zusammenzurollen. Er sah die drei Freunde mit einer Miene an, die sagte:

»Das war die Konsultation. Darf ich um das Honorar bitten!«

3.

Die Pfefferbäume vor der Station rauschten in einer schwülen Mittagsbrise; die Pilger schliefen auf den Boden hingelagert: in weiter Ferne zeichnete sich eine Anzahl gewölbter Kuppeln von dem nebligen Horizont ab. Es waren die Rücken einer Schar weidender Kamele, und die Kuppeln waren demütig klein, denn die Kamele gehörten dem Aermsten alles Armen an, einem umherirrenden Beduinenstamm.

Mr. Graham setzte sich mit einem entschlossenen Ausdruck auf.

»Ich will mir diesen Teppich ansehen,« sagte er zu dem Cafetier. »Hier ist die Bezahlung für seine Prophezeiungen, aber ich will mir diesen Teppich ansehen.«

Er reichte für den Marabou zwanzig Franken hin. Der Marabou akzeptierte sie mit einer majestätischen Gebärde. Aber als er Mr. Grahams Wunsch zu hören bekam, schüttelte er den Kopf.

»Warum willst du den Teppich sehen, Monsieur?« fragte der Cafetier.

Mr. Graham erklärte es seinen Freunden auf englisch.

»Mit dem Teppich macht er es! Ich bin davon überzeugt. Man hat doch schon von solchen afrikanischen Zauberern gehört. Er hat es in dem Sand auf dem Teppich gelesen. Kann er es lesen, so kann ein anderer es auch lesen. Das paßt mir nicht. Ich will diesen Teppich kaufen.«

Philipp Collin lachte.

»Sie glauben, daß die prophetische Kraft im Teppich steckt?« sagte er. »Sie glauben, daß es ein Teppich aus Tausendundeiner Nacht ist, mit dazugehörigem Geist, und Sie wollen ihn kaufen! Ich hoffe wirklich, daß Sie ihn kriegen, es wäre doch spannend, einen arabischen Djinn in seinen Diensten zu haben.«

Mr. Graham antwortete nicht darauf. Er gab dem Cafetier in entschiedenem Ton seine Wünsche kund. Aber die Antwort, die er von dem Marabou erhielt, war nicht sehr ermutigend.

»Er sagt: Wenn du diesen Teppich kaufst, machst du ein schlechtes Geschäft.«

»Wie kann er sagen, daß ich ein schlechtes Geschäft mache, wenn er gar nicht weiß, wieviel ich ihm zu geben gedenke? Frage ihn das!«

»Er sagt: Du machst ein schlechtes Geschäft, welchen Preis immer du für diesen Teppich bezahlst.«

»Das nenn' ich einmal Ehrlichkeit! Sage ihm das.«

»Er sagt: Es ist nicht Ehrlichkeit. Aber es wird ein schlechtes Geschäft für dich sein, Monsieur, diesen Teppich zu kaufen, weil er sich nicht kaufen läßt.«

»Er läßt sich nicht kaufen?«

»Nein, sagt er, dieser Teppich läßt sich nicht kaufen. Auch nicht, wenn er verkauft wird.«

Mr. Grahams porzellanblaue Augen bekamen einen grüblerischen Ausdruck.

»Er läßt sich nicht kaufen, auch nicht, wenn er verkauft wird,« wiederholte er ein Mal ums andere. »Können Sie mir diesen Rebus erklären, Lavertisse? Oder Sie, Professor? Er läßt sich nicht kaufen, auch nicht, wenn – – –«

Der Magier unterbrach ihn. Mit einer leiernden Stimme, die der des Scheiks glich, wenn er die Kinder in den Moscheen unterrichtet, begann er einen Spruch oder Vers aus dem Koran herzusagen, in dem drei oder vier Worte unaufhörlich wiederkehrten. Eines von ihnen klang wie serqa, ein anderes wie h'ila, ein drittes wie kedba. Der Cafetier lauschte mit Ehrfurcht. Endlich hörte die Litanei auf, und er übersetzte:

»Dies sagt der heilige Mann: Mit List, nicht mit Gewalt; mit Diebstahl, nicht mit Kauf; mit Lüge, nicht mit Wahrheit, so ist es gewesen, so wird es verbleiben. So wird er kommen, so wird er gehen. Das ist alles, was der heilige Mann sagt!«

»Ja, so, so ist es?« sagte Mr. Graham und kratzte sich den Kopf. »Ja, so, so ist es?«

Er sah seine Freunde an, wie um sie um eine Erklärung zu bitten. Der Marabou begann eine neue Litanei, die sich übersetzt als eine leichte Variation der Vorhergehenden herausstellte.

»Mit Lüge, nicht mit Wahrheit; mit Diebstahl, nicht mit Kauf; mit List, nicht mit Gewalt. So ist er erworben, so wird er erworben werden. Die Geister der Propheten sind den Propheten untertänig.«

Mr. Graham wurde ungeduldig.

»Was redet er da für einen Blödsinn zusammen? Ich gebe ihm fünfzig Franken für seinen alten abgewetzten Teppich. Sag' ihm das!«

Eine dritte Litanei folgte.

»Monsieur,« sagte der Cafetier, »er bittet dich, wohl zu bedenken, was er dir sagt: mit serqa, nicht mit chera; mit h'ila, nicht mit zour; mit kedba, nicht mit haqq. Der Teppich läßt sich nicht kaufen. Außerdem ist fünfzig Franken zu wenig.«

»Haha, jetzt fangen wir an, miteinander ins reine zu kommen. Er läßt sich nicht kaufen, aber fünfzig Franken ist zu wenig. Ich finde, es ist zu viel, aber ich will den Teppich haben. Ich gebe hundert. Sag' ihm das!«

»Monsieur,« sagte der Cafetier, »er sagt zum dritten Male, daß du aller Toren Vater bist, wenn du den Teppich zu kaufen trachtest. Er läßt sich nicht kaufen, auch wenn er verkauft wird. Mit List, nicht mit Gewalt, mit Lüge, nicht mit Wahrheit, mit Diebstahl, nicht mit Kauf, so ist er erworben worden, so wird er erworben werden, so ist es gewesen, so wird es verbleiben. Außerdem ist hundert Franken zu wenig.«

»Ach so?« sagte Mr. Graham satirisch. »Jetzt biete ich ihm hundertfünfzig Franken und nicht einen Centime mehr. Das ist das letzte Angebot. Sag' ihm das und frage ihn, ob der Teppich dann mein ist?«

Der Marabou schüttelte lange seinen geschorenen Kopf. Es erwies sich, daß er sagte: »Hundertfünfzig Franken ist gut, und ich nehme sie. Aber was das betrifft, daß der Teppich dein ist, o du Befehlshaber aller Toren, so ist das ausgeschlossen. Er läßt sich nicht kaufen. Er wird rasch zu mir zurückkehren. Aber hundertfünfzig Franken ist gut. Ich nehme sie!«

Mr. Graham sah wirklich verdonnert aus.

»Was meint er damit, daß der Teppich zu ihm zurückkehren wird?«

»Er wird zurückkehren.«

»Bedeutet das, daß er ihn zu stehlen gedenkt?«

»Nein, sagt er, sein Geist wird ihn zurückbringen.«

»Ohne daß er dem Geist hilft?«

»Ja.«

»Will er, daß ich das glauben soll?«

»Er sagt noch einmal ja.«

»Er will, daß ich glauben soll, daß der Teppich mit Hilfe eines Geistes aus meinem Koffer verschwindet?«

»Zum drittenmal sagt er: Ja, aber dies ist ermüdende Rede.«

»Dann sage ich nur, wenn er das tut, will ich von ebensoviel Geistern besessen sein, als in dem Teppich stecken. Verstehst du? Sag' ihm das!«

»Er sagt: Hundertfünfzig Franken ist gut; er nimmt sie.«

Mr. Graham sah den Marabou an, dessen lederbraunes Gesicht in der Sonne schimmerte, zerknittert wie Pergament und unergründlich wie ein Koranspruch. Dann spuckte er auf Afrikas Erde, zog drei Fünfzigfrankennoten heraus, nahm den Teppich in Empfang und begann seinen Erwerb genau zu besichtigen: Es war ein meterlanger Teppich, gelbweißrot wie die Wüste, in Zickzackbändern gewebt – ein gewöhnlicher Mergoum, ohne andere Charakteristika als jene, die sich durch das Alter und viele Kniefälle ergeben. Mr. Graham rollte ihn zusammen und steckte ihn mit einem herausfordernden Blick auf den Marabou unter seinen starken Arm.

»Verschwindet er aus meinem Besitz, will ich meinen eigenen Kopf essen! Verstehst du? I'll eat my head! Sag' ihm das!«

»Gekauft ein Teppich samt Djinn,« sagte Philipp Collin. »Und da kommt der Zug!«

Zehn Minuten später verließ ein weißlackierter Zug Ain Ghrasesia in der Richtung der Wüste. Unter einem schwindelerregenden leeren Himmel breitete sich eine unendliche grünende Einöde aus. Mitten in dieser Einöde fixierte der Bahnhof in Ain Ghrasesia das Café mit einer Miene, die sagte: Was in aller Welt tun wir hier? Und in dem Café grübelte ein maltesischer Renegat mit einem Kruzifix unter dem Hemd, einem Fes auf dem Kopfe und einer Rose hinterm Ohr, darüber nach, daß er jetzt nicht einmal arabische Gäste erwarten konnte, bis der nächste Zug kam.

4.

Davon, wie der Zug schüttelnd und rüttelnd durch die Nacht kroch, von dieser Nacht, die schwarz war wie Samt und voll von Fledermäusen, die bösen Geistern glichen; von den gelben Sternen am Himmel, die wie die Augen ägyptischer Tiergottheiten brannten; von Mr. Grahams glücklichem Ankauf eines kleinen Fäßchens Palmenwein in Hadjeb-el-Aioun; von einer einsamen Orgie am offenen Fenster mit besagtem Fäßchen, von Pfefferbäumen an der Station, die im Takt zu seinen Gedanken rauschten; von burnusverhüllten Gestalten, die bei dem Lichte einer Stationslaterne sichtbar wurden und in der Dunkelheit verschwanden; von der Uhr, die ging und ging; von einem schweren Kopf, der tiefer und tiefer auf eine stark gewölbte Brust sank – von all diesen Dingen soll hier nicht mehr als dies erzählt werden. Möge sich ein von barmherziger Hand gewobener Schleier darüber breiten, geheimnisvoll und dunkel wie die afrikanische Nacht. Nur so viel sei gesagt, daß es drei Uhr nachts war, als Mr. Graham in das Coupé taumelte, wo Philipp Collin und Lavertisse – wenn auch unberechtigterweise – den Schlaf des Gerechten schliefen.

Was Mr. Graham zu erzählen hatte, war, daß er kurz vorher mit eigenen Augen gesehen hatte, wie sein neu erworbener Teppich sich von der Bank erhob und zum Fenster hinausschwamm. Wenn das Licht nicht angezündet gewesen wäre und wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte – ja das Palmenweinfäßchen war leer –, hätte er sich geweigert zu glauben, daß es wahr sei, aber so –

Philipp Collin und Lavertisse ersuchten ihn fluchend, in sein Coupé zu gehen und sich niederzulegen. Mr. Graham ging in sein Coupé, aber er legte sich nicht nieder. Die ganze Nacht suchte er seinen Teppich mit Lärm und Getöse. Aber als die Palmen Tozeurs sich aus dem Wüstensand erhoben und der Zug nach einer vierundzwanzigstündigen Fahrt innehielt, war dieser Teppich so spurlos verschwunden, als hätte ihn Mr. Graham nie einem afrikanischen Marabou abgekauft und einhundertfünfzig Franken für ihn bezahlt.


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