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Vierter Akt

Das gleiche Zimmer im Hause Flamms wie im zweiten Akt. Ein Sonnabendnachmittag zu Anfang des Monats September. Am Rollschreibtisch sitzt Flamm über Rechnungen. Nicht weit von der Flurtür steht Streckmann.

Flamm. Demnach hätten Sie also noch zweihundertundsechs Mark und dreißig Pfennige zu bekommen.

Streckmann. Jawohl, Herr Flamm.

Flamm. Was war denn an der Maschine los? Einen Vormittag haben Sie doch feiern missen.

Streckmann. Ich hatte Termin auf'n Landgericht. Die Maschine is ganz in Ordnung gewesen.

Flamm. War das in der Sache mit ... mit dem Keil?

Streckmann. Ja. Und außerdem hatt' mich doch Bernd verklagt, ich soll doch die Tochter beleidigt haben.

Flamm hat aus einem besonderen Fach Geld genommen und zählt es auf den großen Tisch. Hier sind also zweihundert ... zweihundertsechs Mark und finfzig ... bekam' ich noch zwanzig Pfennig.

Streckmann streicht das Geld ein und legt dagegen zwanzig Pfennige auf den Tisch. Da soll ich'm Herrn Oberamtmann sagen: gegen Mitte Dezember wärsch wieder so weit.

Flamm. Zwei Tage! Sagen wir, Anfang Dezember. Da mecht' ich die große Scheuer leer mach'n.

Streckmann. Anfang Dezember. Jawohl, Herr Flamm. – Adje!

Flamm. Adjee, Streckmann! – Sagen Sie mal: wie wird's denn nu werden mit Ihrer Geschichte?

Streckmann bleibt stehen, zuckt mit den Achseln. Da wird woll ni gar viel werden, Herr Flamm.

Flamm. Wieso?

Streckmann. Ma wird halt dran glooben missen.

Flamm. Was 'ne Kleinigkeit manchmal für Folgen hat. – Wie kamt ihr denn eigentlich so an'nander?

Streckmann. Ich bin mer reen gar nischt mehr bewußt! Ich bin damals ... Ich muß sein reen kullrig gewest! ... Aber ich kann mich an gar nischt nich mehr erinnern.

Flamm. Der Buchbinder gilt doch für äußerst friedfertig.

Streckmann. Mit mir fängt a immer Händel an! Aber sunster wie ausgelescht is mer das! – Ich weeß bloß, se sein ieber mich hergefalln, grade als wie zwee reißnige Welfe! Ich dachte, 's wär mer ans Leben gehn! Wenn ich das dahier nich gedacht hätte, da wär' mer die Hand o ni ausgerutscht.

Flamm. Und das Auge war nich mehr zu retten?

Streckmann. Nein! 's tutt een leed. Und ... Nu, es is ni zu ändern! Schuld an dem Unglick bin ich nich!

Flamm. So 'ne Sache is an sich beese genug! Wenn erst das Gericht eingreift, wird se noch schlimmer! Hauptsächlich tut mir das Mädel leid.

Streckmann. Mir schlottert's Zeug ock am Leibe rum, so is mir de Sache zu Herzen gegangen. Was Schlaf is, Herr Leutnant, das weeß ich ni mehr. Ich hab' o im Grunde mit Augusten nischt! Mir is ebens ... reen wie nich gegenwärtig!

Flamm. Sie sollten doch mal zu Bernd riebergehn. Wenn Sie die Tochter beleidigt haben und auch gar nich recht bei sich gewesen sind, so kennten Sie doch das ganz einfach zuricknehm.

Streckmann. Das geht mich nischt an! Das is seine Sache! Wenn a freilich wißte, wonaus das geht, da tät' a woll seine Klage zuricknehm! das mißt'n freilich'n andrer sagen, daß a dem Mädel kein Dienst tutt damit. Aso is! Adjes, Herr Leutnant!

Flamm. Adieu! Streckmann ab.

Flamm, für sich, erregt. Wenn man so'm Kerl an die Gurgel könnte!

Frau Flamm wird aus der Jagdkammer von dem Hausmädchen hereingeschoben.

Frau Flamm. Was brummelste denn da wieder, Flamm? Auf ihren Wink entfernt sich das Mädchen. Haste Ärger gehabt?

Flamm. Ja, danke, es geht!

Frau Flamm. War das nich Streckmann?

Flamm. Der schöne Streckmann! – Das war der schöne Streckmann, jawohl!

Frau Flamm. Wie steht's d'nn nu eigentlich damit, Flamm? Habt ihr ni ieber Keil gered't?

Flamm, kritzelnd. I, was, ich hab' Rechnereien im Kopf!

Frau Flamm. Steer' ich dich etwa, Christel?

Flamm. Nee! Du mußt dich bloß etwas ruhig verhalten.

Frau Flamm. Wenn ich sonst nischt nich kann: da bürg' ich für mich.

Stillschweigen.

Flamm, aufbrausend. Himmelkreuzschockschwerebrett nicht noch mal! Manchmal mechte man bloß in die Jagdkammer laufen und so'n lausigen Kerl einfach niederknalln! Das wär' bloß'n Spaß, so was zu verantwort'n.

Frau Flamm. Nee, Christel, was du een erschrickst dahier!

Flamm. Ich kann nischt dafier! Ich bin selber erschrocken! – – So gemein is der Mensch, Mutter, sag' ich dir, so unter aller Kanallje nichtswirdig ... ich sage, so kann er wenigstens sein! ... daß einem Kerl wie mir, der seinen Tabak verträgt, sich manchmal de Därme im Leibe umwenden. In der Sache lernt unsereiner nich aus. Man kann alle vier Fakultäten verschluckt haben, Hanfstricke und Kieselsteine verdauen, aber so was ... in Niederträchtigkeiten kommt man ieber Propädeutik nich raus!

Frau Flamm. Was hat dich d'nn wieder so aufgebracht?

Flamm, wieder schreibend. Ich spreche nur so ganz im allgemeinen.

Frau Flamm. Ich dachte, das hing' mit dem Streckmann zusamm! Nämlich, Christel, mich tutt die Geschichte nich loslass'n! Und wenn dirsch amal mehr gelegen wird sein, da mecht' ich mich wirklich amal mit dir aussprechen.

Flamm. Mit mir? Was geht mich denn Streckmann an?

Frau Flamm. Wenno Streckmann nich grade: der Mann janich! Aber doch d'r alte Bernd und o Bernd Rose. – Sieh amal: was das Mädel betrifft, das is a 'ne bitterernste Geschichte! Und wenn ich ni aso gefesselt wär', da wär' ich schonn längst amal bei 'ner gewesen. Blicken lassen tutt se sich nich.

Flamm. Du? Bei der Rose? Was willst du denn dort?

Frau Flamm. Nu heer amal zu, Christel. Sieh amal an, es is ja nich so bloß de erschte beste! Ich muß halt amal doch zum Rechten sehn.

Flamm. Na ja, Mutter! Tu, was de nich lassen kannst! Du wirst bei dem Mädel bloß schwerlich was ausrichten.

Frau Flamm. Wie denn, Christel? Wie meenste denn das?

Flamm. Man soll sich in fremde Sachen nich einmischen! Man hat doch bloß Ärger und Undank davon.

Frau Flamm. Wenn schonn! An Ärger muß ma vertragen! Und Undank is eemal der Welt Lohn! Und was gerade die Bernd Rose anbetrifft, ich weeß ni, mir is das halt immer gewesen, halb und halb, als war' se mei Kind. Sieh ock, Christel, solange ich denken kann ... wie Vater noch Oberferster war, da wusch ihre Mutter schonn bei uns im Hause. Hernach uff'm Kirchhof an Kurtels Grab, da seh' ich das Mädel noch stehn wie heute, wenn ich o selber mehr tot wie lebendig war. Außer mir und dir, das kann ich dir sagen, is keener wie die so untreestlich gewest.

Flamm. Meinswegen! Was haste denn aber fer Absichten? Ich kann m'r dabei gar nischt denken, Kind!

Frau Flamm. Erscht will ich jetzt erseht amal neugierig sein.

Flamm. Wieso?

Frau Flamm. Wegen nischt und wieder nischt! Ich meng' mich ja o sonst nich in deine Sachen. Aber jetzt ... nu mecht' ich amal doch Bescheid wiss'n! was hat's denn mit dir in der letzten Zeit?

Flamm. Mit mir? Ich denke, du red'st von der Bernd Rose?

Frau Flamm. Jetze red' ich ebens amal von dir.

Flamm. Das kannst du dir aber ersparen, Mutter! Meine Angelegenheiten kümmern dich nicht.

Frau Flamm. Das sagst du aso! Das is leichte gesagt! Aber wenn man so sitzt, wie ich sitzen muß, und sieht, wie a Mensch immer unruhig is, und weeß, daß a nachts ni schlafen tutt, und heert'n in eenem Biegen seufzen, und's is zufälligerweise d'r eegne Mann, da macht ma sich halt ebens seine Gedanken.

Flamm. Nee, Mutter, du bist woll ganz verrickt. Du willst mich woll ganz und gar lächerlich machen! Seufzen! Da mißt' ich ja blödsinnig sein. Was d'nn noch? Ich bin doch keen Schneidergeselle!

Frau Flamm. Nee, Christel, aso entwischt du mir nich.

Flamm. Mutter, was bezweckst du denn nu damit? Du willst mich woll öden? Was? Willst mich woll langweiln? Aus dem Hause rausgraulen? Oder so was? – Da kannst du's weiß Gott gar nich schlauer anfangen.

Frau Flamm. Ich bleibe dabei, du verheimlichst mir was!

Flamm, achselzuckend. Wenn du meinst! Nu dann wer ich dir wohl was verheimlichen! – Nimm aber mal an, Mutter, daß es so is ... Du kennst mich! In der Hinsicht kennst du mich doch! ... Da mag sich die ganze Welt auf'n Kopp stelln, da kriegt keiner auch noch nich mal so viel raus! Er schnippt mit den Fingern. Ärger hat jeder genug in der Welt! Gestern hab' ich'n Brauknecht missen rausschmeißen, vorgestern hab' ich'n Brenner zum Teufel gejagt. Und schließlich, ganz abgesehen davon, so'n Leben, wie man's hier führen muß, is wirklich ausreichend fade genug, einen anständigen Menschen spleenig zu machen.

Frau Flamm. Such d'r doch Umgang! Fahr in de Stadt!

Flamm. Richtig! Im Roß mit den Rössern Skat dreschen oder mit'n Herrn Landrat auf Stelzen gehn! Gott bewahre, die Scherze habe ich dick! Das kann mich noch nich vor de Haustüre locken! Hätt' man nich noch das bißchen Jagd und könnte sich nich seine Knarre mal umhäng, da ... Seemann mißt' man geworden sein!

Frau Flamm. Na siehst es, da hast es! Das sag' ich ja! Du bist ebens ganz von Grund aus verwechselt! Bis vor zwee, drei Monaten warste vergniegt, hast Veegel geschossen und ausgebalgt, hast botanisiert und Eier gesammelt und gesungen a lieben langen Tag. 's war ane Freude, dich anzusehn, und jetzt biste uff eemal wie ausgewechselt.

Flamm. Wenn uns wenigstens Kurtel geblieben wär'!

Frau Flamm. Wie wärsch denn, wenn mir a Kind täten annehmen?

Flamm. Jetzt uff eemal!? Nee, Mutter. Jetzt mag ich nich! Frieher hast du dich nicht kenn entschließen; heute is der Moment ooch bei mir verpaßt.

Frau Flamm, 's is leichte gesagt, a Kind ins Haus nehm! Erscht kommt's een natierlich vor wie a Verrat! Mir kam's wie Verrat am Kurtel vor, bloß ock aus d'r Ferne so a Gedanke. Asu war mir's ... wie soll ich denn sagen, Flamm! Als wenn ma da Jungen nu gänzlich ausstieße, aus'm Haus, aus'm Stiebel und Bettel raus und ni zuletzt o aus unsen Herzen. – Hauptsächlich aber: wo gleich a Kind hernehmen, wo ma hoffen kann, daß ma Freude erlebt. – Aber laß das amal uff sich beruhn! Nu wolln w'r amal uff de Rose zurickgreifen! Und ob de denn weeßt, Flamm, was mit ihr los is!

Flamm. Ja nu ... Ja freilich! ... Weshalb denn nich? – Streckmann hat ihren Lebenswandel verdächtigt, und das leid't der alte Bernd eben nich. 's is freilich 'ne Dummheit, klagbar zu werden. De Kosten trägt immer die Frau zuletzt.

Frau Flamm. Ich hab' a paar Briefe an de Rose geschrieben und hab' m'r das Mädel herbestellt. Wahrhaftig in ihrer Lage, Flamm, die kann jetzt wahrhaftig nich aus und nicht ein wiss'n!

Flamm. Wieso?

Frau Flamm. Weil Streckmann im Rechte is!

Flamm, stutzig, dumm. Was, Mutter? Du mußt dich deutlich ausdrücken.

Frau Flamm. Aber, Christel, nich gleich wieder jähzornig sein! Ich hab' d'r die Sache bis jetzt verheimlicht, weil ich weeß, wie du in den Sachen bist; erinner dich ock an die kleene Magd, die de Knall und Fall hast aus'n Hause geschmissen, und a Täschner, den de gepriegelt hast! – Das Mädel hat m'r a Bekenntnis gemacht vor langer Zeit schonn vor ieber acht Wochen, und da is se nich bloß mehr de Rose Bernd ... sondern es kommt ooch a zweetes Wesen in Frage ... halt ebens das, was unterwegens is ... Flamm haste verstanden!? ... Verstehste mich?

Flamm, gepreßt. Nee! Nich so ganz, Mutter, offengestanden. Ich hab' neemlich ... hier neemlich ... heut neemlich ... jetzt ... mir steigt jetzt manchmal das Blut so zu Kopfe. Das is wie so'n ... scheußlich ... Schwindelanfall! ... Aber ja ... aber nee ... ich muß doch woll Luft schepfen. 's is weiter nichts, Mutter, beunruhige dich nich.

Frau Flamm, mit der Brille. Wo willst denn du mit dei Patronentasche hin?

Flamm. Gar nichts. Was mach' ich denn mit der Patronentasche? Er schleudert die Patronentasche fort, die er unwillkürlich in die Hände bekommen hat. Man weiß von nichts! Man erfährt von nichts! Und da wird eenem manchmal ganz blöde zumute. Da fühlt man sich manchmal ganz fremd in der Welt.

Frau Flamm, mißtrauisch. Nu sag amal, Christel, was heeßt denn das?

Flamm. Nichts, Mutter! Gar nichts! Durchaus weiter nichts! Mir is auch schon wieder ganz frei im Kopfe! Aber manchmal kommt so'n Gefühl ieber mich, so 'ne Angst, ich weeß nich, mit einem Male, als wenn nirgend was Festes mehr unter mir war' und man sollte sich gleich's Genick abstirzen.

Frau Flamm. Du red'st ja seltsame Sachen dahier. Es wird an die Tür gepocht. Wer pocht denn? – Herein!

August, noch unsichtbar. Ich bin's bloß, Frau Flamm! Flamm schnell in die Jagdkammer.

Frau Flamm. Ach Sie sein's, Herr Keil. Sie kenn immer eintreten.

Keil August wird ganz sichtbar; er ist bleicher als früher, auch abgezehrter und trägt eine dunkle Brille. Das linke Auge ist mit einem schwarzen Verband bedeckt.

August. Ich soll um Entschuldigung bitten, Frau Leutnant! Gut'n Tag, Frau Leutnant!

Frau Flamm. Scheen Dank, Herr Keil.

August. Meine Braut hat Termin uff'n Landgericht, Frau Leutnant, sonst war' se selber gekomm. Vielleicht kommt se aber am Abend noch!

Frau Flamm, 's is mer lieb, daß ich Ihn wenigstens amal zu sehn kriege. Wie geht's Ihn denn iebrigens? Setzen Sie sich!

August. Gottes Wege sein wunderbar! Und wie a een heimsucht, darf man nicht murren. Im Gegenteil, ma soll sich freun. Und sehn Se, Frau Flamm, so geht mirsch beinah jetze. Mir is recht! Um so besser, je schlimmer's kommt. Um so mehr wächst der Schatz in der Ewigkeit.

Frau Flamm, schwer aufatmend. Ich winschte, Se hätten recht, Herr Keil. – Hat Rose denn meine Briefe gekriegt?

August. Se hat m'r se o zu lesen gegeben. Und ich hab' ihr o ganz bestimmt gesagt: 's ging' nich. Sie mißte jetzt zu Ihn gehn.

Frau Flamm. Ich muß Ihn sagen, 's wundert mich, Keil, daß se nach all den letzten Geschichten noch nich amal zu mir gefunden hat. Daß ma Anteil nimmt, das weeß se ja doch.

August. Se is ebens reen scheu in a letzten Zeit'n. Und Frau Leutnant, wenn ich was sagen derf: Sie sollten er das nich übelnehm: erschtlich hatte se immer mit mir zu tun, weil ich doch sehr aner Pflege bedurfte – und se hat sich an Gotteslohn um mich verdient! Und dann, seit se der Mensch aso gräßlich beschimpft hat, da wagt se sich kaum aus d'r Stube raus.

Frau Flamm. Ich nehm's er o weiter nich iebel, Keil! Wie geht's er denn sonst? Was treibt se denn so?

August. O jee, nee ... das is ... was sag' ich d'nn glei ... wie se heut um a elf uffs Gerichte sollte – das war Ihn a richtiger Tanz dahier! Reen war das, Frau Flamm ... ma konnte fast Angst kriegen, aso eigentiemlich hat se gered't. – Erscht wollde se ieberhaupt nich gehn, dann meente se, daß se mich wollte mitnehm, uff de letzte war se dann fort wie a Licht und schrieg mer zu, daß ich nich sollte nachkomm. Manchmal hat se geflennt a ganzen Tag! – Man macht sich natierlich seine Gedanken.

Frau Flamm. Was denn für welche?

August. So allerhand! Erschtlich, daß mich das Unglick betroffen hat! Das hat se mir mehrmal ausgesprochen! Das schneid'r woll sehr in de Seele dahier! Und o was a Vater Bernd betrifft und daß a sich's hat so zu Herzen genomm.

Frau Flamm. Mir sein ja hier unter uns, Herr Keil. Warum solln wir denn nich amal deutlich reden: is Ihn das nie durch a Kopp gegangen ... ich meene mit Streckmann die Geschichte ... Ihn oder'n Vater Bernd vielleicht? Daß daran etwa kennte was Wahres sein.

August. Ich mach' mir dadrieber keene Gedank'n.

Frau Flamm. Das is recht! Das tadle ich durchaus weiter nich! Ma kann manchmal wirklich nischt Besseres tun, als wie a Strauß a Kopp in a Sand steck'n. Fer an Vater aber geheert sich das nich.

August. Nu, Frau Flamm, was a alten Bernd anbetrifft, aso himmelweit is der von solchen Gedanken, daß da irgendwas kennte nich richtig sein ... aso felsenfest in der Sache dahier: der ließ sich d'rfier beede Hände abhacken. A is aso strenge, das gloobt eener nich. D'r Herr Leutnant Flamm is o bei'm gewest und hat'n wolln von d'r Klage abbringen ...

Frau Flamm, erregt. Wer is bei'm gewest?

August. D'r Herr Leutnant!

Frau Flamm. Mei Mann?

August. Jawohl! A hat lange mit'm gered't. Sehn Se, mir – ich hab' zwar a Auge verloren! –, mir liegt nischte dran, daß der Streckmann bestraft wird! Mein is das Gerichte, spricht ja der Herr! Aber Vater, der is ni verseehnlich zu kriegen, a spricht: Verlangt all's, aber das nich von mir!

Frau Flamm. Mei Mann is beim alten Bernd gewest?

August. Ja, wie a die Vorladung hatte bekommen.

Frau Flamm. Was fier 'ne Vorladung war denn das?

August. Halt o vor a Untersuchungsrichter.

Frau Flamm, erregter. D'r alte Bernd?

August. D'r Herr Leutnant Flamm.

Frau Flamm. Ja, is denn mei Mann auch vernommen worden? Was hat denn der mit der Sache zu tun?

August. A is auch vernommen worden, jawoll.

Frau Flamm, erschüttert. So!? – Das is mir ganz neu! Davon wußt' ich nichts! Auch daß Christel beim alten Bernd is gewesen! – Wo bloß meine Odekolonje is! – Nee, August, da gehn Se ock nach Hause jetzt! Ich bin jetzt a bissel ... ich weeß nich, wie! An besondern Rat kann ich Ihn so ni mehr geben! Mir is was sehr in de Glieder gefahren. Gehn Se nach Hause, und tun Se's abwarten. Wenn Se aber das Mädel liebhan dahier, da ... sehn Se uff mich, ich kann a Lied sing'n! – Wenn eemal a Mensch so geartet is – 's is nu a Mann, dem de Weiber nachlaufen, oder's kann o meinsweg'n a Weibsbild sein, dem de Männer wie nerrsch uff a Hacken liegen –, da heeßt's dulden! dulden! geduldig sein. Ich hab' zwelf Jahre lang so gelebt. Sie hält die Hand vor die Augen und sieht durch die Finger. Und wenn ich ieberhaupt noch was sehn wollte, da hab' ich mußt durch de Finger sehn.

August. Ich kann das halt nimmermehr glooben, Frau Flamm!

Frau Flamm. Ja, ob Sie mir das glooben oder nich; dad'rnach wird nich gefragt im Leben, 's geht mer wie Ihn; ich begreif's ooch fast ni; mir miss'n halt sehn, wie mir uns damit abfinden. – Ich hab' Rosen a Versprechen gegeben! Ma verspricht manchmal leichte, und halten is schwer! Nu all's, was in meinen Kräften steht. – Adje! – Ich kann Ihn ja freilich nich zumuten ... D'r Himmel muß ebens gnädig sein.
August ergreift bewegt die dargebotene Hand der Frau Flamm und entfernt sich dann schweigend.
Frau Flamm lehnt den Kopf weit im Stuhl zurück, blickt versonnen gen Himmel und seufzt zweimal schwer. – Flamm kommt herein, sehr bleich, wirft Seitenblicke auf Frau Flamm und fängt an, leise zu pfeifen, während er den Bücherschrank öffnet und angelegentlich etwas zu suchen scheint.
Ja, ja, du pfeifst eben auf alles, Flamm! Und – das hätt' ich dir doch nich zugetraut. – Flamm kehrt sich um, schweigt, sieht sie gerade an, hebt beide Hände ein wenig, beide Achseln sehr hoch und läßt alles wiederum schlaff heruntersinken, während er einfach und ohne Verlegenheit mehr nachdenklich als beschämt zu Boden blickt. Ihr macht euch das eben leichte, ihr Männer. – – Was soll d'nn nu werden?

Flamm, die Bewegung wie vorher, nur schwächer. Das weiß ich nich. – Ich will jetzt amal vollständig ruhig bleiben. Ich will mal erzählen, wie das kam. – Vielleicht kannst du mich da etwas milder beurteilen. Wo nich ... na, dann tu' ich mir eben sehr leid.

Frau Flamm. So an Leichtsinn kann ma nich milde beurteilen.

Flamm. Leichtsinn? Bloß Leichtsinn war das wohl nich! Was is dir denn aber lieber, Mutter, wenn's a Leichtsinn oder wenn's ernster is –? –

Frau Flamm. Grade so a'm Mädel die Zukunft zersteeren, wo mir hier ... wo ma alle Verantwortung hat! Wo ma se hat ins Haus gezogen! Wo se haben a blindes Vertrauen gehabt! – Oh, nee, 's is zum ei de Erde sink'n! Als hätt' man's reen heimlich druff angelegt.

Flamm. Bist du fertig, Mutter?

Frau Flamm. Noch lange nich!

Flamm. Nu, da kann ich ja noch a bissel wart'n!

Frau Flamm. Christel, was hab' ich dir damals gesagt, da du rausgerickt kamst und du woll'st mich heiraten?

Flamm. Was?

Frau Flamm. Ich bin viel zu alt fer dich. A Weib kann sechzehn Jahre jinger sein, aber ni drei oder vier Jahre älter. Hätt'st du mir ock gefolgt dahier.

Flamm. Sind das nich recht mießige Sachen, jetz von solchen alten Geschichten zu reden? Haben wir jetz gar nichts Wichtigeres zu tun? – Ich kann mir nich helfen, mir scheint's so, Mutter. – Davon, was mit Rose eigentlich is, hab' ich bis heut keine Ahnung gehabt. Sonst hätt' ich natierlich doch anders gehandelt. Nu heißt's sehn, ob was nachzuholen is. Und eben aus diesem Grunde, Mutter, wollt' ich dich bitten, nich kleinlich zu sein, und wollte zunächst den Versuch mal machen, ob du für den Fall wohl'n Verständnis kriegst. So lange ... bis zu dem Augenblick, wo es hieß, der Veitstänzer soll Rose heiraten, ist alles in allen Ehren gewest. Wie das aber feststand, hernach war's aus. Kann sein, meine Begriffe verwirren sich. Ich hatte das Mädel aufwachsen sehn ... es hing was von der Liebe zu Kurtel dran. Erstlich wollt' ich sie nur von dem Unglück zurickhalten, und schließlich, ganz plötzlich mal, wie das so is ... das hat ja schon Plato so richtig geschrieben von den zwei Rossen, im »Phaidros« steht's: da ging eben der schlechte Gaul mit mir durch, und da sind eben alle Dämme gebrochen.

Längeres Stillschweigen.

Frau Flamm. Du hast ja recht scheene Geschichten erzählt – und sogar mit gelehrten Sachen durchflochten –, danach tut ihr dann immer im Rechte sein! A armes Weib mag dann sehn, wo se hinkommt! – Womöglich hast du se bloß glicklich gemacht und hast dich dabei selber noch uffgeopfert ... Fer so was gibt's keene Entschuldigung.

Flamm. Gut, Mutter, also vertagen wir das! Erinner dich aber, wie Kurtel starb, da konnt' ich das Mädel nich sehn mehr im Hause. Wer hat se gehalten und hergelockt?

Frau Flamm. Weil's ebens ni sollte zu tot um uns werden! Um meinetwillen braucht' ich se nich.

Flamm. Und ich hab' nischt gesagt um deinetwillen.

Frau Flamm. Schade für jede Träne dahier, die eens etwa sollte um euch vergissen! Deine Reden kannst d'r ersparen, Flamm.

Das Hausmädchen bringt den Kaffee herein.

Das Hausmädchen. De Bernd Rose is in d'r Kiche draußen.

Frau Flamm. Komm, Mädel! Schieb mich! Faß amal an! Zu Flamm. Du kannst mich ja helfen beiseite dricken. Irgendwo wird woll fer mich ane Kammer noch sein! Ich bin ni im Wege! Hernach kannst se ja reinrufen.

Flamm, zum Hausmädchen, streng. Das Mädel soll wart'n 'n Augenblick. Das Hausmädchen ab. Mutter, du mußt mit ihr reden a Wort! Ich kann nich! Mir sind de Hände gebunden.

Frau Flamm. Was soll ich d'nn mit'r reden, Flamm?

Flamm. Mutter, du weißt das besser wie ich! Du weißt das selbst ... du hast selber gesagt ... bloß jetzt nich erbärmlich um's Himmels will'n! So darf sie nich von der Schwelle gehn.

Frau Flamm. Ich kann ihr die Schuhe nich putzen, Flamm!

Flamm. Das sollst du auch nich! Davon is nich die Rede! Aber du hast se herbestellt. – Du kannst dich so nich verändern plötzlich, daß du alles Erbarmen und Mitleid vergißt. Was hast du vorher zu mir gesagt? – So is das Mädel zugrunde gerichtet! Und wenn das Mädel zugrunde geht ... fer so 'ne Kanallje hältst du mich nich, daß ich dann noch mechte mei Leben fristen. Entweder–oder, vergiß das nich.

Frau Flamm. Na, Christel ... wert seid ihr das freilich ni, jedennoch im Grunde: was will ma machen!? 's Herz blutt een! 's is unsere eegene Schuld. Warum tutt man sich immer wieder was weismachen, wo ma alt genug is und verständig is, und sitt a Wald vor a Bäumen nich. Ock darieber, Christel, täusch dich ni ... 's is gutt! Meinswegen! Ich rede mit ihr! Ni um deinetwillen, sondern weil's richtig is! Aber bild d'r nich ein, ich kennte jetz ganzmachen, was du verbrochen und was du zerbrochen hast. – Ihr Männer seid wie de Kinder dahier ...

Das Hausmädchen kommt wieder.

Das Hausmädchen. Sie will ni mehr wart'n!

Frau Flamm. Schick se rein!

Das Hausmädchen ab.

Flamm. Verständig, Mutter, auf Ehrenwort ...

Frau Flamm. Du brauchst's ni geben! Da brauchst's ni brechen.

Flamm ab. Frau Flamm seufzt, nimmt die Häkelei auf. Darnach tritt Bernd Rose ein.

Rose, im Sonntagsstaat, aufgedonnert, von verfallenen Gesichtszügen, im Auge einen krankhaften Glanz. Gut'n Tag, Madam.

Frau Flamm. Setz dich! Gut'n Tag! Nu, Rose, ich hab' dich hergebeten ... Was wir damals mitnander gesprochen haben, das wird dir woll noch in Erinnerung sein. Inzwischen hat sich ja manches geändert! ... In vieler Beziehung jedenfalls! ... Nu, da wollt' ich erscht recht mit dir amal sprechen. Du sagt'st zwar damals, ich kennt' d'r nich helfen: du wollt'st alles alleene durchfechten dahier! Heute is m'r ja o manches klargeworden. Damals dei sonderbares Verhalten und daß de von mir keene Hilfe wollt'st haben. – Wie de aber selber willst durchkommen, das seh' ich noch nich. Komm, trink ane Tasse Kaffee mit! Rose nimmt in der Nähe des Kaffeetisches auf einer Stuhlecke Platz. August war eben hier bei mir! Wenn ich wie du gewesen wär', Mädel, ich hätt's längst gewagt und'm de Wahrheit gesagt. Ihr scharf in die Augen sehend. Jetzt darf ich d'r dazu nich amal mehr raten. Hab' ich nicht recht?

Rose. Ach, warum denn, Madam?

Frau Flamm, 's is ja wahr, je älter a Mensch eemal wird, um so weniger kann a de Menschheet begreifen! A jedes is uff de Welt gekomm uff de nämliche Art und Weise dahier, aber dadavon darf ni de Rede sein. – Wodurch se doch alle leben dahier, vom Kaiser und Erzbischof angefangen bis runter zum Pferdejungen dahier, das kenn se gar nich genug gemein machen. Und wo ock a Storch ieber a Schornstein fliegt, da is de Verwirrung riesengroß. Da reißen se aus nach allen Richtungen. Aso a Gast kommt niemals zupaß.

Rose. Ach, Madam, das war' längst ins reene gebracht, wenn so a Verbrecher und Schurke dahier ... aso a Liegner, wie Streckmann is ...

Frau Flamm. Nee, Mädel, da begreif ich dich nich. Wie kannst du bloß sagen, der Mann tut liegen? Ma sieht dirsch doch fast schonn von außen an.

Rose. A liegt! A liegt! Ich weeß eben ni andersch.

Frau Flamm. In welcher Art liegt er denn aber da?

Rose. Ei jeder Art und ei jeder Richtung.

Frau Flamm. Du scheinst mir nich ganz bei d'r Sache zu sein! Wen haste denn vor dir? Besinn dich a wing! – Erschtlich hast du mir all's ja hinlänglich gestand'n, und außerdem weeß ich jetzt mehr als das, auch das, was du mir verschwiegen hast.

Rose, fröstelnd, zitternd, verstockt. Und wenn Se mich totschlagen, ich weeß weiter nischt.

Frau Flamm. So?! – Ach! – Das sein deine Springe jetzt!? Nach der Richtung hätt' ich dich andersch beurteilt. Das kommt mir doch unerwartet dahier! – Hoffentlich, wenn de vernommen worden bist, haste da a wing weniger konfuse gesprochen.

Rose. Da hab' ich o ock das gleiche gesagt.

Frau Flamm. Mädel, komm zu Verstande dahier! Du red'st ja hier hellen Unsinn zusammen; aso schwindelt man doch vorm Richter nich! Heer amal zu, was ich sagen tu'! Trink an Schluck Kaffee, du brauchst nee erschrecken! 's verfolgt dich ja keener, und ich fress' dich o nich! – Du hast zwar an mir ni zum besten gehandelt, das kann keener weiter behaupt'n dahier! Hätt'ste mir wingsten damals de Wahrheet gesagt, vielleicht hätt' ma da leichter an Ausweg g'fund'n, was jetzt ane schwere Sache is. Jedennoch, mer wolln nich mießig sein und wolln o heut noch ane Rettung versuchen! Irgendwo kann's vielleicht noch meeglich sein. Nu also ... hauptsächlich ... so viel is gewiß ... und da kannst de dich o dadruff ganz fest verlassen ... keene Not sollt ihr niemals nich leiden dahier! – Ooch wenn Vater sollte de Hand von dir abziehen und August vielleicht seiner Wege gehn! Fer dich und o fer dei Kind wird gesorgt sein.

Rose. Ich weeß halt ni – was Sie meenen, Madam.

Frau Flamm. Na, Mädel, da sag' ich dirsch uff a Kopp druff: wenn du das ni weeßt und vergessen hast, da hast du ganz einfach a beeses Gewissen! Da hast du noch andre Sachen gebahnt! Und wenn du noch a Geheimnis hast, da hängt das mit nischt wie mit dem Streckmann zusammen; da is das der Kerl, der dich unglicklich macht.

Rose, heftig. Nee, wie kenn Sie aso was denn denken, Madam! Das sagen Sie ... nee, ach, um Gottes willn ... wie hab' ich ock das um Ihn verdient! ... Wenn das bloß mei Kurtel ... mei liebes Kind ... Sie ringt die Hände hysterisch vor dem Bilde des Knaben.

Frau Flamm. Rose, ock das nich, das bitt' ich dich! Kann sein, daß du o was um mich verdient hast! Dadrieber streiten wir jetzt aber nich. Du bist ja aso verändert dahier ... das is ja schonn gar nich mehr zu begreifen, wie du dich aso sehr verändert hast.

Rose. Warum hat mich mei Mutterle ni geholt! Se sagte, ich hol' dich nach, wenn ich sterbe.

Frau Flamm. Jetzt komm zu Verstände, Mädel, du lebst. Was hast du?

Rose. Mit Streckmann ha ich nischt! Der Lump hat's Blaue vom Himmel gelogen.

Frau Flamm. Was hat a gelogen? Hat er's beschworen?

Rose. Ob a's schweert oder nich, mir is das gleichgiltig.

Frau Flamm. Hast du o missen schweeren?

Rose. Das weeß ich nich. – – – Ma is doch kee schlechter Mensch dahier! ... Suster hätt' ich ja a Verbrechen begangen! ... Daß August sei Auge hat verloren, das hat ma ... das hoa ich ni angestift! ... 's verfolgt een vorher o Tag und Nacht ... was der Mann fer Schmerzen hat missen leiden ... suster mißt' a mich ja oaspein dahier. Nu hält ma immer a Arm ei de Hieh, ma will immer was aus'm Feuer rett'n ... da brechen se een alle Knoch'n entzwee. Flamm erregt herein.

Flamm. Wer zerbricht dir de Knochen? Sieh Mutter doch an! Im Gegenteil, wir wolln dich rett'n.

Rose. Das is jetzt zu spät! Das geht jetzt ni mehr!

Flamm. Was heeßt das?

Rose. Nischte! – Ich kann ni mehr warten. Adje! Ich will meiner Wege gehn.

Flamm. Hierbleiben!! Nich von de Stelle geriehrt!! Ich hab' an der Tiere alles geheert, und jetzt will ich die ganze Wahrheit wiss'n.

Rose. Ich sag' ja die Wahrheet!

Flamm. Mit Streckmann die!

Rose, 's is nischt zwischen uns gewest, a liegt!

Flamm. Sagt a, daß zwischen euch was gewest ist! –?

Rose. Ich sag' weiter nischte, als daß a liegt!

Flamm. Hat a de Liege beschworen? Rose schweigt. Flamm, Rose scharf und lange betrachtend, hernach. Nu, Mutter, da nimm mir nur alles nich übel, verzeih mir nur, was du verzeihen kannst! – Von der Sache weiß ich nu klipp und klar, daß sie mich nu auch ganz und gar nichts mehr angeht! Ich lache drieber! Ich niese drauf.

Frau Flamm, zu Rose. Hast du denn alles ganz abgeleugnet?

Rose. – – –

Flamm. Ich habe natierlich die Wahrheit gesagt. Und Streckmann liegt auch nich in solchen Momenten! Auf Meineid steht Zuchthaus, da liegt einer nich!

Frau Flamm. Mädel, du hast nich die Wahrheit gesagt? Du hast unterm Eide womöglich gelogen? – Hast du denn gar keine Ahnung davon, was du damit getan und begangen hast? – Wie kommt dir denn so ein unsinniger Gedanke? – Wie kommst du auf so was?

Rose, gebrochen, schreit heraus. Ich hoa mich geschaamt!

Frau Flamm. Aber Rose ...

Flamm. Schade fer jedes Wort! Weshalb hätt'st du a Richter angelogen?

Rose. Ich hoa mich geschaamt!!! Ich hoa mich geschaamt!

Flamm. Und mich? Und Mutter? Und August dahier? Weshalb hast du uns alle mitnander beschwindelt? Und wahrscheinlich o Streckmann zu guter Letzt, und mit wem du sonst noch dei Gestecke hast ... Ja, ja, du hast a treuherzig Gesichte, aber dennoch, du hast dich mit Recht geschaamt!

Rose. A hat mich verfolgt und gehetzt wie a Hund.

Flamm, lachend. Nu was denn, ihr Weiber macht uns zu Hunden. Heute der, morgen der, 's is bitter genug! – Tutt ihr, was ihr wollt jetzt! Macht, was d'r wollt! – Wenn ich noch an Finger riehr' in der Sache, da such' ich mir selber an Strick dahier und hau' mer den um meine Eselsohren, bis ich de Hand vor a Augen ni seh'! Rose starrt Flamm groß und entsetzt an.

Frau Flamm. Es bleibt dabei, Rose, was ich gesagt habe: es wird immer gesorgt sein für euch zwei.

Rose, wie vorher und mechanisch flüsternd. Ich hoa mich geschaamt! – Ich hoa mich geschaamt!

Frau Flamm. Heerst du, Rose?
Rose schnell ab.
Rose! – Das Mädel is fort! – Da mecht' ma an Engel im Himmel bitten ...

Flamm, in Grund erschüttert, bricht in verhaltenes Schluchzen aus. Gott verzeih' mir's, Mutter ... ich kann nich anders.


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