Gerhart Hauptmann
Die Atriden-Tetralogie
Gerhart Hauptmann

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Dritter Akt

Dieser Akt spielt am Morgen des folgenden Tages. Noch ist Nacht. Die Mondscheibe steht voll am Himmel.

Im Pronaos brennen der Artemis zu Ehren Fackeln. Dort ist auch ein steinernes Relief aufgestellt, auf dem Artemis und Apoll in einem mit Hirschen bespannten Wagen zu sehen sind.

Erster Auftritt

Proros und Aiakos sitzen auf den Treppenstufen in stillem Gespräch.

Proros
O Aiakos, wir wurden wertgehalten,
in Götternähe Großes zu erleben,
wie wenige.

Aiakos
                    O Proros, du hast recht.
Ein Jahrmarkt ist's ja täglich rings um uns,
wo Schuldbeladne in die Tempel drängen
und Ablaß suchen. Wahrlich aber, nicht
bei jedem bebt Parnaß und Helikon
und dröhnt von des Kroniden Wort der Himmel.

Proros
Was haben wir erblickt mit unsern Augen?! –
Unfaßbares drang schmerzend uns ins Ohr!
Geschleudert von den Mächten – willenlos,
entehrt – die schmachgehetzte Atreustochter,
zertreten wie Orest, Mykenes Fürst,
ihr Bruder! Nein, nicht Pyrkons heiliger Ruf
war fähig, Freude über uns zu schütten!
Und unsres Gotteshauses hartem Ernst,
ihm nur ein leises Lächeln abzulocken –
es hätten's selbst die Musen nicht vermocht!
Meint man, ein jeder von uns sei ein Ball,
kunstvoll im Spiel geworfen von den Göttern,
nun gar ein goldener, so irrt man sich –
vergib mir, Aiakos, ich bin noch jung
und drum so kühn noch, als ich töricht bin –:
viel eher sind wir wie ein blutiger Raub,
an dem sich eine Bracke müdeschüttelt.

Aiakos
Schweig, Frevler, fürchte selber das Gebiß,
von dem du sprichst! Hast du die Priesterin
genau betrachtet? Dieses Bild der Nacht:
ein Lächeln ist um ihren Mund geprägt,
ein regungsloses, das allwissend scheint.
Wie Mandeln, quellend, schräg geschlitzt und zwischen
den halbgeschloßnen Lidern wie erblindet
sind ihre Augen. Doch da kommt sie! Still!

Zweiter Auftritt

Zwei nonnenhafte Tempelfrauen der Artemis ziehen den Vorhang auseinander, so daß die Oberpriesterin, die eine brennende Fackel trägt, in den Pronaos treten kann, und schließen ihn, selbst in den Pronaos tretend, hinter ihr.

Proros und Aiakos haben sich, von der Priesterin unbemerkt, ehrfurchtsvoll ins Dunkel zurückgezogen, doch bleiben sie während des Folgenden beobachtend gegenwärtig.

Die Oberpriesterin, von ihren Nonnen mit demütig übereinandergelegten Armen gefolgt, schreitet bis zum Altar vor, an dem sie ihre Fackel befestigt.

Aiakos
Persephoneia ist es, die herauf
vom Hades stieg.

Proros
                            Und wenn nicht sie, so ist
es Hekate, die Mondesgöttin, selbst.

Aiakos
Hör, wie die Sterne gleichsam lauter singen
und blitzen – und das bleiche Mondgestirn
hat einen weiten Kreis um sich gezogen
gleich einer Glorie. Eosphoros
strahlt doppelt, dreifach heller jetzt als sonst.

Proros
Was aber ist es, was sich dort begibt?
Es hat ein Schwan sich an den Säulenknauf,
das Weihgeschenk von Argos, angeklammert.

Aiakos
Apollon bringt ihr seine Huldigung!
Jedoch sie opfert, glaubt allein zu sein.
Laß uns in Ehrfurcht ihre Andacht schonen.

Proros und Aiakos gehen ab.

Dritter Auftritt

Gegen Altar und Tempel gestellt und in den Anblick des Mondes verzückt, verbrennt die Artemispriesterin Weihrauch. Rechts und links von ihr knien die beiden Nonnen.

Oberpriesterin
Du meine Göttin! Meine Mutter! Du,
die gleichsam mich getötet und aufs neue
gebar, du blickst auf mich wie manche Nacht
und doch auch anders: anders ganz als sonst!
Das Erz, womit du meinen Geist erbaut,
will schmelzen, das Geheimnis, drin verwahrt,
verliert die Starrheit: gleichsam war es tot
wie ich. Nun regt sich's fast, als wollt' es leben.
O Göttin, mache mich nicht irr an dir!
Zwar weiß ich, daß du vielgestaltig bist,
auch unergründlich viel Gesichter trägst;
allein, ich bin nur eine Sterbliche:
laß es dabei bewenden, wie du mich
mit hartem Stempel furchtbar hast geprägt.
Ich war dein Werkzeug, Göttin, und mit einem Blick,
den du zu Stahl gehärtet, tat ich das,
was du mir anbefahlst. Ich opferte
auf deinem Altar Griechensöhne: Kinder
von Müttern meines Volks. Ich konnt' es tun
durch dich und weil ich – selbst ein halbes Kind –
dereinst wie sie geopfert ward: ich starb,
wie nur ein Opfer je, auf blutigem Altar.
Wie lebe ich trotzdem? und kam nach Tauris
trotzdem? Du weißt es, Göttin! Was ich weiß,
ist einzig dies: ich wurde neu geboren
in dir, durch dich und durch Kronions Macht –
weitab von dem, was Phoibos überglänzt –
in eine Nacht des kalten Hasses wider
die fürchterlich verderbte Menschenwelt.
Mutter, ich hatte keine andere je
als dich und will mich keiner sonst erinnern,
obwohl du mein Gedächtnis nicht getrübt,
vielmehr der Sehergabe mich gewürdigt.
Ich will sie weiter tragen! So erhalte mir
denn auch die Kraft, die übermenschlich sein muß,
damit der so Begabte nicht zerbricht.
So, Göttin, Mutter, führe mich zurück
in des Barbarenlandes fremde Wildnis –
und kann es nicht sein, sonst, wohin du willst:
nur fort von Menschen, Jahrmarktstreiben, Freuden,
die widerlich wie Kindsbrei sind, nur fort
in fernste Felsenklüfte, Wüstenein
und unauffindbar tiefe Einsamkeit!!
    Sie sinkt überwältigt am Altar zusammen.

Vierter Auftritt

Im Tempelhof erscheinen Elektra und Pylades. Elektra zeigt in ihrem ganzen Verhalten und in ihrem Äußeren, daß der furchtbare Paroxysmus vorüber ist. Trotzdem ist sie lebhaft erregt, bleich und von den Spuren der Erlebnisse gezeichnet.

Pylades
Orestes schläft im Gästehaus. Es ist
die erste Nacht seit Monden, glaube mir,
drin ihn der Schlaf erquickt. Der Helfergott
durchdringt ihn mit den Kräften der Genesung,
die deinem Bruder ganz zu schenken er
gewillt ist: wenn sein junger Strahl ihn weckt,
ist er gesund. – Nun aber denk an dich,
du Ruhelose, biet auch dich der Heilung dar,
die sich, ein Göttersegen, um dich drängt.
Um deinetwillen tu's und auch für mich:
denn du bist mein! – Es sind Gesandte da,
die vom Eurotas und Alpheios Botschaft
für deinen Bruder bringen. Sparta ist
verwaist, weil Menelaos nicht mehr lebt,
der neidische Bruder deines hohen Vaters.
Man bietet seinen Herrschersitz Orest –
und seine Königswürde bietet ihm
zugleich Arkadien. Die Theoren haben
dem großen Rat der Amphiktyonen sich
mit feierlichem Ernst dahin eröffnet,
sie wünschten Agamemnons Sohn und keinen
andren zum König. Welche Wendung! Sichtbar wird
der Götter gnädige Umsicht und ihr Walten
zum Wohl Orestens: Argos und Mykene
sind immer noch vom Blutgeruch erfüllt,
und Hadesschatten lassen sich ihr Recht,
dort schrecklich umzugehn des Nachts, nicht rauben.
Ein neues Leben fängt sich für Orest
sowohl in Sparta als Arkadien an
und mit der Götter Gunst verjüngtes Werden
des Atreusstamms. – Zwar meine Väterburgen
in Phokis öffnen uns die Pforten weit;
dort ziehn wir mit Orest ins neue Dasein,
bis eine Gattin sich zu ihm gesellt,
die seiner besser pflegt als seine Mutter.
Nun aber komm, Elektra, laß uns ruhn.

Elektra
Der Götter Walten spür' ich, Pylades,
und bin des froh. Orestes lebt! Berglasten,
die mich begruben, fielen von mir ab.
Ein Etwas aber blieb in mir zurück,
das nagt und nagt und bohrt in meiner Brust
wie eine schmerzhaft rätselhafte Frage,
die eine Antwort unnachsichtig sucht.
Sag mir, was ist es mit der Priesterin,
die ihr in Tauris raubtet? Graun befällt mich,
denk' ich daran, wie ich das Mordbeil schwang,
fluchwürdig, wider ihr geweihtes Haupt.
Als hätten Götter mich zurückgerissen,
so ist mir, von der allerärgsten Tat, die je
verübt ward selbst im blutigen Geschlecht
der Tantaliden. Hat mein Vater einst
die Tochter, Iphigenien, töten lassen
auf Rat des Thestorsohnes Kalchas, den
Mykene in die Welt gesetzt, so war es mir,
als wenn erst ich, zu blinder Wut verführt,
die Hand erhoben hätte, sie zu töten.

Pylades
Auch mir ging Iphigenie wiederum,
und näher als seit Jahren, durch den Sinn.
Und hättest du Orest gesehn, wie er –
du lagst in Ohnmacht – sich der Priesterin
mit rätselhaften Fragen nahte, nun:
auch er, dein Bruder, hat der Schwester wohl
gedacht, die Agamemnon hingegeben,
um so, auf Rat des Kalchas, seine Herrschaft
über ganz Hellas unerschütterlich zu machen. –

Elektra
Was regt sich dort? Still, Pylades, sie ist's!
Sie liegt in Andacht hingesunken. Still!
Laß mich geduldig harren, Pylades,
bis sich die Innigflehende erhebt.

Pylades
Mein Rat, Elektra, ist: sprich nicht mit ihr!
Du hast ihr furchtbar weh getan – vielleicht,
daß dich ihr Zorn darüber schmerzhaft trifft.

Elektra
Sie soll mir zürnen und danach vergeben,
ich könnte sonst nicht Ruhe finden, trotz
der guten Wendung, die sich um uns anbahnt.
Ist dir mein Leben lieb: laß mich allein.

Pylades
Ich tu's. Dein guter Dämon schütze dich.
    Er zieht sich zurück und geht ab.

Fünfter Auftritt

Die Oberpriesterin erhebt sich langsam. Sie dehnt sich, streckt die Arme aus, als habe sie um einen Entschluß gerungen und ihn nun durch die Gnade der Göttin gefaßt.

Es ist heller geworden, und die Fackeln verblassen.

Oberpriesterin
Vergib, Apoll, wenn mich dein wachsend Licht
nur schmerzt: Licht löscht das Licht! Mich aber nähren
allein der Hekate glückselige Fackeln. –
Nun kommt ins Dunkel, meine Mädchen, kommt.

Die beiden Nonnen erheben sich.

Elektra spricht schließlich, nachdem sie sich der Oberpriesterin mit schwankendem Entschluß genähert, diese an
Verzeih mir, Göttliche, wenn ich die Stille,
die heilige, deiner Opferstunde störe.
    Oberpriesterin scheint größer zu werden, blickt Elektra fremd und beinah abweisend an.
Ich habe dein Verzeihn, Ehrwürdige,
ich fühl's, auch nur für dies Vergehen nicht.
Nun aber komm' ich her, mit einer Schuld
beladen, die unendlich größer ist
und die nur dein Verzeihn,
wenn auch nicht tilgen kann,
so wenigstens mir lindern! – Kennst du mich?

Oberpriesterin
Erlaß mir diese Antwort, Fragerin,
und fahre fort.

Elektra
                          Fortfahren heißt bei mir
nur weiter fragen. Doch ich dränge nicht,
obgleich ich gern erführe, wer du bist. –
Du blickst mich an und schweigst: nun, sei es drum!
Allein, du mußt ertragen, zu erfahren,
daß ich die fluchbeladene Irre bin,
die wider dein geweihtes Haupt das Beil
erhob, um dich zu töten.

Oberpriesterin
                                        Und warum
geschah dies?

Elektra
                        Wahnsinn tuschelte mir zu,
du habest meinen Bruder hingeschlachtet.

Oberpriesterin
Wie aber heißt dein Bruder? frag' ich nun.

Elektra
Es ist der waffenglänzende Orest,
derselbe, der dich her aus Tauris brachte.

Oberpriesterin
So ist's. Nicht wenig fehlte, und ich wurde
die Beute schon von deines Bruders Schwert.

Elektra
Wie viele Schwerter zücken über uns
in jeder Stunde, jedem Augenblick!

Oberpriesterin
Auch dies ist wahr: ich weiß davon zu sagen.

Elektra sinkt nieder und umarmt der Priesterin Knie
Verzeih dem Bruder und verzeih auch mir!

Oberpriesterin legt unwillkürlich die Hand auf Elektrens Scheitel
Der Schwester wie dem Bruder sei verziehn.
    Sie hebt Elektra auf.

Elektra
Furchtbare, wieviel Güte wohnt in dir!
Wie sprachst du diese beiden Worte aus,
das eine: Schwester?! und das andre: Bruder?!
als wär' ich deine Schwester und mein Bruder
der deine.

Oberpriesterin
                  Tat ich das?

Elektra
                                      Und sieh: das ist's,
was im Gemüt mir – und wohl auch Orest
ein nie gekanntes, dumpfes Fragen weckt.

Oberpriesterin
Erkläre deutlicher mir, was du meinst.

Elektra
Du bist die fremdeste der Frauen mir
und doch auch wiederum so altvertraut
wie keine sonst in Hellas. Schwermut blickt,
gleichwie durch Fenster, dir aus beiden Augen.
Ein Seufzen ungestillter Sehnsucht ist,
wo du auch gehst und stehst, um dich verbreitet.
Du scheinst mir, Hohe, wie ein Schmerz, der wandelt –
nein, mehr: als wie der Schmerz der ganzen Welt.

Oberpriesterin
Zu wenig und zu viel ist, was du sagst.
Von zugemeßnen Schmerzen trägt die Welt
die kleinere Last, der einzelne die große.
Doch willst du, Danaide, mich vergleichen,
nenne mich lieber: einen Tod, der wandelt.

Elektra
Die hohen Weihen einer Priesterin
der Artemis durchdringt nicht leicht ein Mensch
des Alltags: selbst das königliche Haus,
dem ich entstamme, drin die Majestät
des Königs auch das Priestertum umschließt,
läßt mich in diesem Sinne unbelehrt.
Nur du, ein Teil der Göttin, der dein Tun
gewidmet ist, kannst mir dein Sein erschließen.

Oberpriesterin
Oh, bleib im Lichte und begehre nicht –
du Kranke, kaum geheilt – es zu durchdringen!
Und wenn du meinem Rate Güte zutraust,
die mehr als Weisheit ist, so höre den:
ersticke deinen Fürwitz und was sonst
dich immer anreizt, menschlich mir zu nahen –
und sieh so wenig mich, als du mich sahst,
eh man mich dem Barbarenvolk entriß.

Elektra
Sah ich dich nie vorher?

Oberpriesterin
                                        Das fragst du mich
vergebens. Denn nicht alle, die mich sahn
im Leben, sah auch ich.

Elektra
                                        So sahst auch du
mich niemals, wie du meinst?

Oberpriesterin
                                                  Ich wüßte nicht.

Elektra
Ich fürchte fast, es schleicht des Wahnsinns Wolf
aufs neue sich an mich, sein Opfer, an.
Wenn ich dem Ungeheuren Worte leihe,
das mir Erinnrung in die Seele flüstert,
als hätt' ich unter Veilchen und Narzissen
auf grünem Rasengrund mit dir gespielt:
ich ganz noch Kind und du die holdeste
der kaum erblühten Jungfraun in Mykene.
Du hießest damals: Iphigenie.
Wenn ich dich jagte und du vor mir flohst,
umgab dein goldfalb Haar wie eine Lohe
dir Haupt und Schultern. Oh, wie süß du warst!
Dich nur zu sehen war mir ein Gebet,
glückseliger Dank an alle Himmlischen.
Und wie dein Lachen perlte durch den Duft
der Gärten! Oh, ich hätte mich für dich,
um dir zu dienen, jauchzend töten lassen! –
Nun weißt du meinen ganzen Wahnwitz.

Oberpriesterin die flache Hand vor den Augen
                                                                Ja!

Elektra
Und ist es wirklich Wahnwitz?

Oberpriesterin
                                                  Ja! und ja!

Elektra
So sollst du wenigstens noch dies erfahren:
Als Pylades den Mord an dir verhütet,
fiel ich in Ohnmacht, wenig Augenblicke
war ich bewußtlos, mehr denn je im Schlaf.
Als ich erwachte, war ich aufgestiegen
aus meiner Kindheit fernster Gegenwart.
Ein Jüngling aber, schwarz und weiß beflügelt,
bog sich zu mir herab und raunte leis:
du hast im Schlaf mit ebender gespielt
auf deines Vaters Blumenanger, die
du eben mit dem Beile töten wolltest –
mit Iphigenien nämlich, deiner Schwester!

Oberpriesterin wie vorher
Halt ein!

Sie bebt wie ein Baum, den die schwerste Axt so im Kern getroffen hat, daß sein Fall unvermeidlich scheint. Dann nimmt sie die Hand von den Augen und wendet sich, eine leichenhafte Blässe im Gesicht, gegen Elektra.

                Das halbe Kind, mit dem du spieltest,
gleichwie ein bunter Falter mit dem andern,
es schüttelte die Locken, sprang umher,
fing und umfing dich, küßte heftig dich,
doch nur um das Entsetzen zu betäuben:
weil es ein Zufall ihr verraten hatte,
sie sei dem Tod geweiht. – Mein Wissen dank' ich,
wie du, allein dem Traum. Im Dienst des Vaters
stand Kalchas, Sohn des Thestor, in Mykene –
die Griechenflotte lag zu Aulis still –,
da träufelte der herrschbegierige Schurke
dem Vater diesen Höllenrat ins Ohr:
sofern er seine Tochter opfern würde
für der Hellenen Kriegszug gegen Troja,
es müsse ihm die Herrschaft über Hellas
auf immer sichern.

Elektra
                              Und wie nennst du wohl
des Herrschers Tochter?

Oberpriesterin
                                        Iphigenie!
Die Mutter, als der Gatte ihr's eröffnet,
schwor laut, sich lieber selber zu entleiben,
als dies zu dulden: und so dröhnte noch,
indes die Töchter draußen heiter spielten,
vom wilden Ehestreit das ganze Haus.

Elektra
Das tat es oft. Die Schwester Helenas
war herrschbegierig. Agamemnon gab
wohl etwa einmal nach: nie meine Mutter.

Oberpriesterin
Und doch ward sie besiegt in diesem Streit.
Sie trat aus des Palastes Tür heraus
damals und riß mich heiß in ihre Arme,
als wollte sie mich nie mehr von sich tun.
Und dennoch tat sie's.

Elektra
                                      Starr und starrer wird
mein Blick vor diesem Wunder, denn du bist
in Wahrheit Iphigenie.

Iphigenie
                                    Ich bin's!

Elektra
Ich fühl's. Und doch: wie soll das Wunder sich
mir klären?

Iphigenie
                      Einen Augenblick Geduld,
nicht mehr – es ist der letzte, den ich dir
zu geben habe: eisern ist der Kere Spruch.
Ward ich nun einmal, Schwester, dir enthüllt,
sollst du, bevor ich ewig von dir scheide,
wenn auch nicht wissen, so doch ahnen lernen
mein großes Schicksal.

Elektra
                                      Niemals wieder werden
Orest und ich dich von uns lassen, sei
wie immer auch umdüstert dein Geschick.

Iphigenie
Die Frist ist kurz, Elektra, höre zu:
Was jemand wissen kann von euch Geschwistern,
weiß ich, und mehr! Hellsichtiger als Apoll
weitaus ist Hekate. Er nur verhüllt die Nacht –
ihr ist sie bloß der ausgestirnte Mantel,
in dessen Faltenwurf auch Phoibos sitzt.
Erspare mir's, den Jammer, den du kennst,
dir als Beweis zu schildern. Als Orest,
in Waffen blitzend, jüngst nach Tauris kam,
ward ich in einem Doppelsinn versucht:
nicht schöner konnte Nireus sein von allen
Danaern, die vor Troja stritten, und
der Pfeil des Eros streifte meine Haut.
Doch bald errang die Rache wiederum
in mir den Sieg, der Rachedurst, der nie
zu Tauris mich verließ. Ich sah im Bruder
den Griechen, und ich haßte jeden! Nur
ein toter Grieche war ein guter mir.
Und überdies: Orestes hatte mir
die Mutter hingemeuchelt, unter Menschen
die einzige, die um mein Leben rang
und meinen Tod an meinem Mörder rächte.

Elektra
O Unglückselige, Unglückselige!

Iphigenie
                                                        Schweig!
Der Mordgeselle war in meiner Hand.
Ein Wort von mir – enthauptet lag er da:
doch als mir dieses Wort entschlüpfen wollte,
kam Blut aus meinem Mund statt seiner, weil ich
die Zunge mir zerbissen hatte. Ich
war feig und schwach! – Und also fing er mich,
stahl meiner Göttin Bild und mich dazu
und schleppte wider Willen uns nach Hellas.
Doch allgemach ward ich dieselbe wieder
wie je in Tauris' gnadenlosem Dienst,
und niemand wird mich fürderhin noch schwach sehn.

Elektra
Wie, Schwester, deut' ich solche Worte mir?

Iphigenie
Tu's, wie du willst.

Elektra
                              So hart formst du die Sprache,
Schwester, bei unsrem seligen Wiedersehn
nach bittrer Trennungsjahre langer Zeit,
anstatt daß du ans Herz mich drückst, wie ich
ans Herz dich reißen möchte.

Iphigenie
                                                An dein Herz,
das deinen Bruder antrieb – mit hetz, hetz!
faß, faß! wie eine Bracke angetrieben –,
die Mutter, meine Mutter, zu erwürgen?
    Elektra schreit auf.
Ja, kreische du, du fremdes Weib, des Schuld
durch seine Feigheit sich vertausendfacht!

Elektra verändert
Nicht weiter! Denn Erkennungszeichen sind
mir nun nicht mehr vonnöten: ja, du bist
geboren aus dem Fluch von Atreus' Haus,
du bist vollbürtig: doch so bin's auch ich.
Hochmütige, vermeine nicht, ich sei
ein wehrlos Täubchen. Klytämnestras Tochter
und Agamemnons bin auch ich, wie du;
so laß uns also, wie es üblich ist
im Stamm des Atreus, unsre Kräfte messen.

Iphigenie
Verzeih, ich tat dir unrecht und auch mir.
Nichts da von neuem Zwist, von neuem Streit:
das Lied ist aus! Nur dies ist zu beweisen,
bevor ich wiederum ins Dunkel schwinde,
woher ich kam.

Elektra gleichsam zerbrechend
                          Weh, weh, ihr Ewigen,
wie unersättlich ist doch euer Haß!
Kaum habt ihr euch zum Guten hingewandt,
schon fühlt ihr Reue. Iphigenie,
sei wieder, die du warst, umarme mich,
wie du als ältre Schwester oft getan!
Ja, statt zu züchtigen, erhebe mich,
du Unversöhnliche, auf deine Arme!
    Sie umarmt Iphigenie inbrünstig.

Iphigenie erschüttert, legt ihre Arme um Elektra und drückt einen Kuß auf ihren Scheitel
Elektra, meine süße kleine Schwester!

Iphigenie rinnen die Tränen aus den offenen Augen, während Elektra an ihrem Halse schluchzt. Nach einer Weile lösen sie sich voneinander.

Vergiß der Schwäche, die ich dir gezeigt,
indem ich dich geschmäht: der Priesterin
geziemet, wie der Göttin selbst, Verstehen.
So war mein Priestertum das rechte nicht
bis jetzt; ich kam hierher, um es zu lernen.

Elektra
Geliebte Schwester, nein, du kehrtest heim,
um neu, wie wir, das Leben zu beginnen
in dem entsühnten Argos unsrer Väter,
die allversöhnend-liebevolle Stunde
von Tag zu Tage gläubig zu genießen,
hilfreich zu sein im Aufbau des Zerstörten,
zu helfen, wo zu helfen ist, und wo
zu trösten immer manches übrigbleibt,
zu trösten. Mit mir schreitet Pylades,
der treuste Treue, künftig durch das Leben.
Und irgendwo blüht für Orestes schon
die Gattin, die ihm Kinder geben wird,
so wiederum erneuernd Atreus' Stamm.
Und dir gebührt – wer wagte dies zu leugnen? –
ein Herrscher über Hellas als Gemahl.

Iphigenie hatte wiederum die Hand vor die Augen gelegt und nimmt sie nun ab
Du meine Göttin, meine Mutter, nicht versage mir
in diesem schwersten Augenblick die Kraft,
das fernerhin zu sein in deinem Dienst,
wozu du mich gemacht! Schenk mir die Worte,
die meine arme Schwester ahnen lassen,
daß ich für ihre Welt verloren bin!
Elektra, o versuche zu verstehen,
was unabänderlich beschlossen ist!
Ich starb drei Tode:
Zu Aulis starb ich meinem Vater ab
wie meiner Mutter, und in meinem Tod
beschlossen, starben Elternhaus und Vaterland.
Wie ich nach Tauris kam, ein totes Leben,
die Götter wissen's: sie bestimmten, daß
man mich bewußtlos vom Altar entführte,
mich einer Ware gleich verschiffte und
mich noch bewußtlos Fiebernde zu Tauris
ans Land gesetzt: dies war mein erster Tod.
Den zweiten starb ich, als mich Priesterinnen
der Hekate in einen Sarg gelegt,
wo ich der Welt durch einen Schwur entsagte.
Dir sei es anvertraut: ich schwur beim Styx!
Die Göttin Hekate, die damals mir
in ihrer ganzen Majestät erschien,
verlangte diesen Göttereid von mir.
Und als ich dann die Eidesformeln sprach,
die grausigen: was wurde da aus mir! –
Ich schrie! ein jedes Teilchen meines Seins
an Haupt und Gliedern, schmerzhaft umgebildet,
ward fühlbar. Dann, bewußtlos, träumte mir,
ich sei im Hades, werde aufgenommen
im Kreis Persephoneiens und im Land
der Toten. Danach wacht' ich auf,
stieg aus dem Sarg und ward – die ich noch bin.
Was dies bedeutet, Schwester, dir eröffnen,
ist Unding: wisse nur, daß meine Wohnung
im Totenreich Persephoneiens ist.

Elektra
Nein, sprich nicht weiter! Denn es ist in mir
die Kraft, dich von den Toten zu erwecken,
den Leichenglanz aus deinem Blick zu nehmen,
die leisen Grabeshauche um dich her
durch salziges Meergestäube zu verjagen.
Zum Schweigen bring' ich deines Mantels Wimmern.
Du schielst! Gradaus ins Dasein wiederum
blickst du nach wenig Tagen meiner Kur.
Vertraue! Glaube! Lebe!

Iphigenie
                                        Meine nicht,
du wüßtest wahrhaft etwas von dem Stand,
in den die nächtige Göttin mich erhob.
Kaum noch berührt mein eisiger Fuß die Erde,
und dennoch bringt sein Tritt sogleich den Tod.
Allein, ich nütze eine letzte Frist,
dir nah zu sein, wie du zu sprechen und
zu denken. Höre dies: wenn Iphigenie
am hellen Tag Apollons wiederum
erscheint, was brächte sie dem Vaterstamm
anders als neues Unheil? Agamemnon
war also ein Betrüger, würde man
sogleich in Hellas allenthalben raunen,
er hat die Tochter nie geopfert und
das Volk der Griechen hinters Licht geführt.
Wie der Erzlügner dann den Tod erlitt,
war nur gerechte Strafe. So die Stimme
des Volkes! Und sie würde weiter laut
und lauter werden: dieses Atreushaus,
hieße es dann, sei durch und durch verfault
und müsse schmählich ausgerottet werden
mit allen seinen Wurzeln! Und man würde
dann jählings rufen: Stellt vor allem sie,
stellt Iphigenien, die Mörderin
so vieler Griechensöhne, vor Gericht!
Und nun begönne das Entsetzliche:
die so viel Tode litt, ihr blühte dann
der gräßlichste zuletzt: ein Tod der Schmach.
    Elektra will reden und vermag es nicht.
Daß du zu reden nicht vermagst, Elektra,
spricht deutlicher als Worte. Endlich hast
du mich verstanden. Nein, ich fürchte nicht
den wohlvertrauten Pfeil der Göttin, die
mir selbst so wohlvertraut ist: trifft er mich,
so macht er mich zu dem, was ich schon bin.
Ihr aber, denen noch das Leben lacht,
steigt ins verdiente Bad der Läuterung
und lebt beim Klang der heiligen Neun und dessen,
der Erd' und Himmeln seine Leier schlägt:
des Schwanengotts Apoll. Ein Schwanenlied
mag meinen letzten Augenblick umschmeicheln.
Und nun: Auf Nimmerwiedersehn! Leb wohl!

Iphigenie schreitet schnell und fest durch den Vorhang und verschwindet dahinter.

Sechster Auftritt

Elektra hatte die Sprache verloren. Sie ringt ohnmächtig die Hände. Sie ist der Davonschreitenden wie schlafwandelnd einige Schritte nachgegangen. Danach steht sie versteint.

Pylades tritt auf, blickt suchend umher, entdeckt Elektren und nähert sich ihr schnell. Er stutzt, als er ihren Zustand bemerkt, berührt dann vorsichtig ihre Schulter und fängt sie auf, als sie wiederum ohnmächtig zu werden droht. Elektra faßt sich sogleich wieder, vermag aber nicht zu sprechen, obgleich sie sich bemüht.

Pylades
Was ist geschehn, Elektra?

Elektra
                                            Nichts!

Pylades
                                                        Du sprachst
mit ihr?

Elektra
            Oh, schweige! Forsche weiter nicht!

Pylades
Den Wunsch dir zu erfüllen wird mir schwer,
Elektra! Denn was sie dir offenbart,
hat ein Gewicht, so scheint mir, das sich leichter
von zweien als von einem tragen läßt.

Elektra
So wisse denn . . . Doch nein und nimmermehr!
Es darf nicht sein! Und bitte, du Geliebter,
mit mir die Götter – heißer Inbrunst – Tag
und Nacht, daß nichts fortan mein Schweigen breche!
Nur eines wisse, Pylades: sie hat
mich klein gemacht! uns alle winzig klein!

Pylades
Wie das?

Elektra
                Nur dieses Wort noch: durch ein Opfer!
Damit das Übermenschliche mit seinem
erhabnen Werte nach Gebühr geehrt sei,
schweig' ich darüber wie ein sprachlos Tier.

Pylades
Oh, Heißgeliebte, lasse dich nicht wieder
ins Labyrinth des Wahns verlocken! Bade
im Morgenlichte, das uns überquillt,
am schwer erkämpften neuen, wahren Morgen,
der uns nun aufging. Atme dich gesund
im Licht von allem Wust, der uns beinah
erstickte. Denk der Fremden weiter nicht!
So tu' auch ich und halt' es als Gesetz.
Der Gott hat die Erinnyen verjagt! –
Was sie von wirren Ängsten über uns
geschüttelt aus den eklen Mantelfalten,
befleckt nicht weiter unsre Haut. Allein,
vielleicht, daß eine Schleppe, die sie nachziehn,
noch einen Augenblick uns unrein macht.
Genug damit!

Elektra
                        Wenn du, mein Pylades,
auf so bestimmte Weise dich gefaßt,
bin ich's, mehr als du wissen kannst, zufrieden.
Und also laß uns gehn.

Pylades
                                      's ist hohe Zeit.
Schon drängt das Volk sich draußen um den Tempel,
Einlaß begehrend, um nach Ruf und Los
den großen Sündenablaß zu empfangen.
Der Erstentsühnte aller wird Orest!

Elektra
Sag mir, wie ist mein Bruder aufgewacht
vom Schlaf?

Pylades
                    Gleich einem Knaben, den die Mutter
zu Bett gebracht am Abend. Wunderbar,
was er berichtet: Klytämnestra ist
ihm nachts erschienen, und mit eigener Hand
tat sie den Sühnelorbeer auf sein Kissen. –
Dort fand und griff er ihn mit beiden Händen.

Elektra
Ja, ja! So laß uns neu beginnen: ja!
Wir schenken gläubig uns zurück ans Leben.

Siebenter Auftritt

Es ist inzwischen ganz hell geworden. Nun füllt sich der Tempelhof mit Pilgern aller Art, zwischen denen Elektra und Pylades verschwinden.

Einige Augenblicke danach erscheint ein Zug von Kriegern ohne Waffen, an deren Spitze Orestes schreitet. Alle sind beinahe prunkhaft gekleidet. Man weicht aus, und der Zug ordnet sich in der Mitte des Hofes zu einer Gruppe, mit dem Gesicht gegen den Pronaos.

Musik.

Pyrkon, Proros und Aiakos in priesterlichem Prunk treten aus dem Vorhang.

Pyrkon entfaltet eine Pergamentrolle und liest
Fürst von Mykene, Argos und nunmehr,
durch Wahl und durch Bestätigung Apolls,
Arkadiens Herr und Spartas: Völkerhirt
nunmehr! Die dich begrüßt, die Gottesstadt,
tut es mit diesem Gruß von allen Städten
zuerst und heißt dich solcherart willkommen.

Er wendet sich gegen den Vorhang, der nun das Allerheiligste freigibt. Man sieht in der Mitte ein gewaltiges Tongefäß und rechts und links davon zwei Tempeldienerinnen in statuarischer Haltung. Jede trägt ein Wassergefäß auf der linken Schulter.

Jetzt schreiten Proros und Aiakos, rechts und links von Pyrkon, allein in das Tempelinnere. Proros nimmt einen Lorbeerkranz in Empfang, Aiakos Lorbeerzweige; damit nehmen sie Aufstellung.

Pyrkon, nun ebenfalls im Tempelinnern und hinter dem großen Tongefäß stehend.

Und nun: die pyläisch-delphische Amphiktyonie,
die in den alten und den neuen Würden
dich jetzt bestätigt hat, grüßt dich noch einmal
als in Arkadien, Sparta, Argos Herr!
Allein, der höchste Gruß ist dir erschollen
von Pythia: des Sonnengottes Stimme.
Tritt nahe vor ihn hin und sei entsühnt!

Orestes steigt feierlich unter allgemeinem Schweigen über die Stufen zum Pronaos und steht vor dem Weihgefäß still. Nun gießen die beiden Priesterinnen das Wasser aus ihren Gefäßen hinein.

Pyrkon fährt fort

Kastalisch Wasser, Pythos heilige Flut,
geweiht und Weihe spendend, Götterbergen
entronnen: diesen Wedel tauch' ich ein,
und wie ich dich damit besprenge, Fürst
und König, sprechen die Olympier dich
frei von jedweder Schuld und machen dich,
wie diese heiligen Wassertropfen, rein.

Orestes ist niedergekniet und wird mittels des Wedels von Pyrkon dreimal besprengt. Danach erhebt er sich und wendet sich gegen das Volk, das in Jubel ausbricht. Nun naht sich ihm Proros mit dem Lorbeerkranz und drückt ihn auf sein Haupt, fast zugleich Aiakos, der ihm einen Lorbeerzweig in die Hand legt. Diese Zeremonie steigert das Jauchzen des Volkes ins Frenetische.

Nach wenigen Sekunden wird der Tempelvorhang zugezogen, und das Volk entfernt sich nach und nach.

Achter Auftritt

Aiakos erscheint, in dem Bestreben gleichsam, im Pronaos und Tempelhof nach dem Rechten zu sehen.

Plötzlich stürzt, ebenfalls aus dem Tempelinnern, Proros auf ihn zu.

Proros
Furchtbares ist geschehn: die Priesterin
der Artemis, die mit dem Holzbild kam,
liegt in der Phädriadenschlucht zerschmettert!

Aiakos
Wer will dies wissen? Welcher neue Schlag!

Pyrkon erscheint vor dem Vorhang und gebietet Ruhe
Schweigt still, ihr Jünglinge! Hand auf den Mund!
Vollendet ist der Ring: geschehen ist
der Götter Ratschluß! – Wer die Priesterin
der Taurischen Selene wirklich war,
bleibt heiliges Geheimnis unsres Tempels.
Einst, wenn die höchsten Weihen dieses Orts
von euch durch unablässig treuen Dienst
errungen sind, eröffnet sich's auch euch.
Doch wer zum Opfer einmal ausersehen
von einer Gottheit – ob es auch so scheint,
er habe ihrem Spruche sich entwunden –:
die Moiren halten immer ihn im Blick
und bringen, wo er dann auch sich versteckt,
an den gemiednen Altar ihn zurück.
Der Spruch von Delphi, der allmächtige,
bestimmte dieser Priesterin dereinst
den Opfertod! Und Pythos hohen Spruch
vermochte selbst die Göttin nicht zu brechen,
Apollons bleiche Schwester Artemis!
So nahm die Heilig-Hehre ihren Weg,
die Priesterin, nun halb schon Gottheit, doch
zu uns: wo ihr die Kere, die willkommne,
den selbstgewählten Pfad zum Opfertode –
dem ewig-sühnenden – in Gnaden freigab.
Und so verharrt in Gottergebenheit
und Gottesfurcht, o Jünglinge, auch ihr!

 


 


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