Gerhart Hauptmann
Die Atriden-Tetralogie
Gerhart Hauptmann

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Erster Akt

Erster Auftritt

Magische Morgendämmerung.

Seltsame, gedämpfte Laute dringen von überallher: Tempelpauken, tubaartiger Klang, gleichsam hergehauchte Akkorde von Saiteninstrumenten, dazu mitunter Gesang von Knabenstimmen. Alles fast unwirklich hörbar.

Pyrkon, Proros, Aiakos, drei Priester des Apoll, davon Pyrkon der Oberpriester, haben am Altar auf der Terrasse die Zeremonien eines Rauchopfers beendet.

Nachdem diese feierlich abgebrochen sind, gehen sie in ungezwungener Haltung auf der Terrasse langsam hin und her.

Pyrkon
Von allen Göttern sind die Musen doch
die unermüdlichsten! So früh es ist,
sie machen Delphis rote Felsen tönen.

Proros
Ehrwürdigster, Parnassos' Gipfel ist
uns nah genug und auch der Helikon
nicht fern.

Aiakos
                  Wer lebte gerne ohne diese Neun
wohl in der Welt?

Pyrkon
                            Kein Mensch! Vielleicht das Tier!

Proros
Es ist ein wunderliches Wesen heut
im heiligen Bezirk und um ihn her.

Aiakos
Von Krisa bis herauf nach Pytho herrscht
seltsame Unruh'.

Pyrkon
                            Schiffe sind, so heißt's,
im Hafen eingelaufen.

Aiakos
                                    Ihrer drei.

Proros
Wem stehen sie wohl zu?

Pyrkon
                                            Die Bauart deutet
auf Argolis. Doch wie auch immer sich's
verhalten mag: einstweilen forschet nicht!
Vielleicht, daß durch der Oberen Beschluß
der Tag uns Großes bringt.

Er entfernt sich seitlich durch die Vorhalle. Proros und Aiakos haben sich verbeugt.

Zweiter Auftritt

Sie machen es sich nun, auf der Terrasse sitzend, bequem.

Proros
                                            Er hat die Nacht
durchwacht, der Hochehrwürdige, ich lag,
gewärtig seines Rufs, vor seiner Tür,
doch rief er nicht. Ich hört' ihn flüstern, ihn,
mir schien, mit Götterboten leise sich
beraten; endlich aber schlief er ein –
und fuhr empor, als jenes Schüttern dann
den Götterberg bewegte, das wir alle
deutlich gespürt.

Aiakos
                            Kein Fest ist nah, und doch
von Pilgern wimmelt's auf den Tempelsteigen.
Thyiaden, von der Erde ausgespien,
umtanzen Iakchos' Säulen. Rohes Volk,
verhungert und verlumpt, ist eingeströmt
und macht den Tempelwächtern arge Mühsal.
Und wie begreift sich dieses Dämmerlicht,
das alles, Erd' und Himmel, Mensch und Tier,
ins Niegesehne ändert? Höre, Proros:
unwiderstehlich zog es mich zum Strand,
um mir die Bangnis einer bangen Nacht
in salziger Meereswoge abzuspülen;
nie sah ich seine Fläche so wie heut
im Purpur, den der Tagesgott vorauswarf,
wie jenes Drachen Schuppenhaut erzucken
metallisch vielfach, den der Gott erschlug.

Proros
So viel hab' ich verstanden an der Tür
des Gottberufnen, der Sibyllas Sprüche
hellwissend deutet: Zeichen lassen hoffen,
daß endlich sich der Atreuskinder Schicksal
zum Lichte kehre.

Aiakos
                              Herrlicher Orest,
Bild deines gottgewaltigen Vaters, Siegers
von Ilion, Agamemnons! aller Griechen
allmächtiger Herr dereinst! Es lag auf ihm
die Pflicht, den Mord des Unvergleichlichen
zu rächen an der Mörderin, seiner Mutter!
Er tat das Übermenschliche, tat's auf Befehl
des Gottes. Doch es hefteten sogleich
die fürchterlichen Namenlosen sich
an seine Spur, des Grauns Geburten und
die tausendfach das Graun gebären: Rüden,
die, wie sie nie ermüden in der Jagd,
ihr Wild doch niemals schlagen und nur quälen –
nach Götterratschluß. So geschah's auch hier.

Proros
Selbst der am heiligen See von Delos einst
geborene Sohn Kronions und der Leto,
der Pythontöter, als er jenes Untier
erlegt, bedurfte aller Sühnungen,
um rein zu werden, die den Ewigen
allein der Göttervater geben kann.
Nun gar der Mensch, der Blutschuld auf sich lud
und so der Uranionen heilige Satzung
verletzte! Gnädig ihm die Sühnungen
aufzuerlegen, ist Apoll befugt.
Und so erriet ich aus Gesprächen, die
im Kreis der Oberen hin und wider gingen,
welch unerfüllbar-schweren Auftrag man
dem Rächer seines Vaters auferlegt:
nämlich das Bild der Göttin Artemis
zu Tauris den Barbaren zu entwenden.
Dort herrscht sie blutig, heißt's, als Hekate
mit Schlangenhaaren, Hunds- und Löwenkopf,
verstört der Menschen Sinn! Stygische Hunde
winseln um sie, die, was man opfert ihr,
wütend zerreißen, Tier und Mensch, auch Griechen,
die eine fürchterliche Priesterin
am Altar darbringt! Soll man sagen, daß
die Göttin, von dem Griechenvolk beleidigt,
ihm zürnt? Apollon ist ihr Bruder! Will
er sie zur Heimkehr zwingen mit Gewalt?
Auch im Geschlecht der Uranionen regt
sich Eris anders nicht als wie bei uns;
doch wehe, wehe dem, der wie Orest
gar von den Moiren ausersehen ist,
sich schlichtend einzudrängen zwischen zwei
Geschwistergötter, die veruneint hadern:
die Todesgöttin und den Herrn des Lichts.

Dritter Auftritt

Einige ärmlich gekleidete Gestalten überqueren den Tempelhof, aus ihnen löst sich vermummt Elektra. Sie bewegt sich scheu, hastig und wirr. Sie gelangt zu dem ersten Weihwasserbecken, faßt hinein und besprengt sich, das gleiche tut sie bei dem zweiten.

Alsdann hockt sie sich irgendwo nieder.

Die magische Beleuchtung ist unverändert.

Elektra
Wie schrecklich ist es hier! Wie hallen hier
furchtbar die Felsen! Stechend gleißt's in mir
und, schien es, stürzte schreiend seinen Glanz
in meines Sehens Sehen, das mir fast
ertaubte. Unbegreiflich ist, o Loxias,
das Grausen deiner Gottheit, schauerlich,
mehr als die tückisch murrende, die Nacht
der Styx und ihre wälzenden Gewässer.
Erstarrt' ich je vor Kälte so wie hier,
sei's selbst im Eisesgräberhauch der Mordnacht?
Und dennoch steh' ich ganz in Flammen, brenne! –
würd' ich zu Asche doch! – allein, ich stehe
in Flammenqual, die unverlöschlich ist
vom Anbeginn der Welt. Wer bin ich wohl?
Elektra, sagt man, Agamemnons Tochter,
des Tantaliden! Tantalide selbst,
ein Ding verborgen schleppend, das ich bald
küsse in Heimlichkeit, bald laut verfluche.
Ich werf es von mir, doch es kehrt zurück
der blutbeschmierte Wegwurf jedesmal.
Was ist es denn? Ein Beil! mit Doppelschneide!
Doch jedem, der es anfaßt, sträubt vor Grausen
das Haar sich. So geschah's dem Greise, der
mühsam sich Reisig brach und dem ich's gab,
damit es seine Mühe ihm erleichtre.
Und nun: dort ist dein Altar, Loxias!
Der Spalte Dunst
verwirrt das schon Verwirrte. Herrscher du
im heiligen Delphi, das Parnassos krönt!
Ich biete mich dir an als Priesterin,
allein im Wahnsinn sehend und allwissend! –
Schenk mir noch mehr davon: Allwissenheit
durch dich, betäube mich durch deinen Rauch
und zeige mir die Morde dieser Erde
in der Entrückung deiner Gotteskraft
grell und erbarmungslos: nicht einer bleibe
der Sterblichen mir fernerhin verhüllt.
Zu schwer erträgt sich einer: gib mir mehr!
Orest erschlug die Mutter mit dem Beil!
Sie war auch meine, seine Mutter, war
das Weib, in dessen Schoß er wurde und
das ihn zur Welt gebar. Er schlug sie tot!
schlug des zum Dank – und wenig fehlte, heißt's,
daß die Geburt Orestens schon das Leben
ihr nahm! – ihr mit der Axt ins Angesicht.
Nimm hin das Beil, Apollon, denn er tat's
auf dein Geheiß!
    Sie legt das Beil auf den unteren AItar.
                            Verfluchter Bruder! Oh,
geliebter Bruder! Oh! Geliebt, verflucht!
Verflucht, geliebt!

Elektra ist lauter und lauter geworden und hat die Aufmerksamkeit von Proros und Aiakos auf sich gelenkt. Jetzt erhebt sich Proros und schreitet auf sie zu.

Proros
Was hast du hier zu suchen, widerliches,
entmenschtes Weib?

Elektra
                                    Entmenscht? Mag sein: vergottet
durch die Erinnyen! Ist ihr Grauen,
das gräßlich-unaussprechliche, doch nicht
im Menschlichen zu finden. Und ich bin
ganz Grausen. Wiederhole nun dein Wort,
Milchbart im Priesterkleid, und zittre bis ins Mark
vor der Entmenschten! Keinen Tropfen Blut
birgt sie in sich, der ihr noch zugehört
und nicht den Rachegöttern. Du bist blind!
Hinter den Bildern deines Gottes siehst
du nicht die Schlangenhaarigen: nimm wahr
mein scheußliches, mein göttliches Gefolge!
Nenn mich ein Opfer meinethalb, so nahmen
und so zerrissen mich die Himmlischen
und können sich nicht sättigen an mir,
mit Raubtierzähnen wütend. Also bin ich,
wie du mich nanntest, Milchbart, widerlich –
doch grade darum göttlich und so: heilig!

Proros
Sprich ruhig und sprich klar! Mag sein, daß ich
mich übereilte. Irgend etwas ist,
ich spür' es nun, im Raum des Tempels, stumm
und hörbar, das kein irdisch Auge sieht
und dennoch ist! Wo kommst du her?
Sag reine Wahrheit in Apollons Haus!

Elektra
Komm' ich von Argos oder nicht? Stieg ich
aus meines Vaters, meiner Mutter Grab?
Heißt irgendeines Herrschers Burg Mykene?
Heißt dieser Herrscher Agamemnon? Ließ
er seine Tochter schlachten, sie Selenen
für guten Segelwind zur Fahrt nach Troja
hinwürgen als ihr Opfer? Eines nur
ist's, was ich weiß: hier meine Füße sind
zwei Klumpen Blut und Eiter. Götterwege
und Steige waren's, die ich ziellos lief,
wo spitze Steine von den Sohlen mir
das Schuhwerk wie mit Zähnen rissen. Ich
hing bald an Klippen schwindelnd, wie mir scheint,
lief barfuß, blutend, übers Eis, versank
bis an die Brust im Schnee . . .

Proros
                                                  Genug, genug!
Und was erwartest du am heiligen Orte
zu Delphi?

Elektra
                    Sie! Die Todesgöttin! Sie –
wen sonst als sie?

Proros
                              Nun, Hilfeflehende,
Verwirrte – denn als beides schätz' ich dich –,
sollen dich Tempeldienerinnen erst
ins Bad und dann zur Ruhe bringen. Du
wirst ausruhn und hernach mit klarem Sinn
uns dein Anliegen künden: ob dich Zufall
hierher verschlug ins höchste Heiligtum
von Hellas – ja, der Welt – und was, sofern
es anders ist, du hier zu finden hoffst.

Elektra flüchtet gegen eine Tempeltür, die verschlossen ist
Mord! Mord! Ihr wollt mich morden: Bäder sind
Mordhöhlen, blutiger Schaum! Die Göttin will
mich auf der Schlachtbank sehn wie meine Schwester!
    Sie wirft sich vor dem Priester nieder
Erbarmen! Habt Erbarmen! Mörder, schlachte
mich nicht: sind meine Hände doch
nicht blutbesudelt! Meine Hände nicht!
Ob meine Brust auch – nein, ich leugn' es nicht –
an Klytämnestras Tode, meiner Mutter,
reichlichen Teil hat.

Proros
                                Fürchte nichts!

Elektra
                                                          Könnt' ich
Orest entsühnen, der das blutige Amt,
das heilige, zu vollziehen auserwählt war,
Orest, den Herrscher von Mykene – könnt' ich's,
wie gerne stürb' ich Iphigeniens,
der Schwester, Tod für meines Bruders Leben:
denn ohne ihn ist Atreus' Stamm dahin.

Proros
Was sprichst du da von einer Schwester, und
wie nanntest du sie?

Elektra
                                  Iphigenie!
Wer kennt sie nicht in Hellas, die ein Vater –
er war auch meiner – ihrer Mutter nahm
und auf dem Holzstoß niedermachen ließ,
um gute Fahrt für seine Räuberschiffe
von Artemis sich einzuhandeln! Hier,
furchtbare Göttin, steh' ich: nimm auch mich –
und schenk Orest Gesundheit und das Leben!
Nein! Nein! Er darf nicht sterben oder gar
gestorben sein! Magst du mein Opfer nicht –
wie eine Geiß spräng' ich empor den Holzstoß –,
so gönne Loxias mir seinen Pfeil!

Proros
Ich will den Oberpriester rufen, Fremde;
die Namen, die du nanntest, schrecken mich.
Mit halbem Ohr war ich dabei, als jüngst –
entschwanden Wochen seither oder Jahre?
ich weiß es nicht – ein Rasender erschien.
War es ein Jüngling oder nur ein Schatten,
entflohn der Nacht des Hades? Offen stand
sein Mund, und zwischen seinen blauen Lippen
drang, wie mir's vorkam, schwarzer Rauch hervor.
Die Worte spie der Schreckliche mit Grausen,
so schien mir, von sich, so, als wär' es Unflat,
die Augen drangen ihm aus seinem Kopf,
es pfiff aus seinem Halse: niemals, sprach
hernach der Oberpriester, habe er
je einen Sterblichen so unterm Fluch
der gnadenlosen Götter leiden sehn.

Elektra
Das war Orest, mein Bruder.

Proros
                                              Doch ein andrer
war mit ihm.

Elektra
                      Pylades!

Proros
                                      Ich las den Namen
im Tempelbuch – dort hieß es: Strophios,
der König, war sein Vater, seine Mutter
sei Agamemnons Schwester.

Elektra
                                                Und so ist's.

Elektra wird bewußtlos und sinkt um.

Vierter Auftritt

Pyrkon erscheint. Die drei Priester bemühen sich um Elektra und betten die Ohnmächtige auf eine Marmorbank.

Dann treten sie ein wenig zurück zur Beratung.

Pyrkon
Ich lauschte. Mit Bestimmtheit kann ich euch
nun sagen, wer sie ist: Elektra ist's!
Ihr Kommen ward für heut vorausgesagt.

Aiakos
Oh, wie erschüttert solche Gegenwart,
ganz anders, als Gerüchte tun! Und doch
liegt der Atriden Schicksal über Hellas
wie ein Gewölk des unteren, schwarzen Zeus.

Pyrkon
Sie ist's! Man sagt, sie liebe ihren Bruder
Orest mehr als sich selbst, die Erde samt
den Göttern! Und so frevelt sie an ihnen,
an sich und an der Welt. Kommt, Aiakos
und Proros, laßt sie schlummern: nun befreit
von diesem fürchterlichen Doppelbeil,
das nur Apollons Strahl reinbrennen kann,
des Altar es nun trägt. Die Traumlast wird
ihr das erleichtern. –
                                  Hört denn, Jünglinge:
es ist die Zeit nun da, euch einzuweihen.
Ihr, meine nächsten zwei, durch mich geprüft,
bestandet ihr in Reinheit vor dem Gott.
So darf ich euch ins Allerheiligste
des Planes führen, den sein Wille uns
durch der Sibylle Mund dereinst erschloß.
Der Auftrag, den der Pythontöter einst
dem Pelopsenkel gab, an seiner Mutter
den Mord des Gatten, seines hohen Vaters,
zu rächen, ward erfüllt! Doch er zerbrach
den Täter. Proros, du hast ihn erblickt,
wie du berichtetest, in unserm Tempel.
Im hohen Rat der Priester ward nunmehr
erwogen, ob Orest zu helfen sei,
und der Beschluß gefaßt, mit Opfern und
Gebet den Tagesherrscher zu erweichen.
Der Gott – er sei gelobt! – blieb uns nicht stumm
Die Dunstbegeisterte erließ dies Wort:
Der Muttermörder rüste Schiffe aus
und führe sie nach Tauris, wo Barbaren
am Altar einer grausen Hekate
Gefangene, Griechen, ohne Gnade opfern.
Ob diese Göttin wirklich Artemis,
Apollons Schwester, ist: wer will's entscheiden?
Gelüst' es niemand, sich in die Geheimnisse
der Uranionen einzudrängen! Man
verehrt von ihr ein uralt-heilig Bild,
drei Spannen hoch, nicht mehr! Es hat drei Köpfe
Pferd, Hund und Löwe, wie es ein Gerücht
zu wissen vorgibt. Seine Herkunft ist
nicht irdisch, sagen die Barbaren, denn
es fiel vom Himmel in den Tempel, samt
der Priesterin, die seinen Dienst versieht.
Genug: Oresten hat nun Loxias
geboten, beides, Bild und Priesterin,
und sei es mit Gewalt, herbeizuschaffen,
um so vom Fluch des Mords sich zu befrein.

Proros
Ich schweige. Scheues Schweigen ist allein
am Platz im Rätselreich der Gottheit.

Pyrkon
                                                            Ja!
Doch ruft uns nun der Dienst. Noch eins: was jene
Schiffe, die ihre Anker ausgeworfen
zu Krisa unten, anbelangt, so ist
ein seltsamliches Wesen um sie her.
Delphine, sagt das Volk, umkreisen sie
furchtlos. Am Strande drängen sich
Rudel von Hirschen, und vor allem dies
ist sonderbar: Selenens Scheibe glänzt
und übergießt den Hafen ganz mit Licht;
sie will, so scheint's, dem Sonnenlicht nicht weichen.
Im Schiffspatron und allen Seinigen
erblickt das Krisavolk Unsterbliche.
Macht euch auf Ungewöhnliches gefaßt!

Die drei Priester entfernen sich seitlich durch die Säulenhalle.

Fünfter Auftritt

Man hört Hundegebell.

Ein ungeschlachter Mensch, verwahrlost und vermummt, mit wüstem, schneeweißem Haarwuchs, erscheint. Er trägt ein Ruder und hat einen Mantel umgeschlagen, blickt sich mißtrauisch um, schleicht sodann wie verfolgt erst an das eine, dann an das zweite Weihwasserbecken. Schließlich legt er das Ruder auf den gleichen Altar wie Elektra das Doppelbeil. Der Mensch nennt sich Theron und ist in Wahrheit Orestes.

Theron (Orestes)
Wo bin ich hier? Wie ist mir alles doch
bekannt und unbekannt zugleich: so ist's
nun wohl mit jedem Dinge in der Welt.
Allein, hier stehn Bekannt und Unbekannt –
Zwerg und Gigant – einander gegenüber.
Dies ist ein Altar, seh' ich recht, wenn ohne
Blutströme irgendeiner möglich ist.
Doch trieft er augenblicks von Purpur nicht,
so trägt er doch zum mindesten ein Mordbeil.
Verfluchtes Beil! Ich seh' es überall,
es blüht als ewiger Schemen mir im Haupt,
tropfend von einer – meiner – Mutter Blut!
Nein, es ist wirklich! Dieses Beil, ich kenn's
allzu genau: verfluchter, treuer Hund,
den ich vergeblich immer von mir trete,
mit Steinen scheuche! Dike, sinnest du
dir unermüdlich neue Tücke aus,
als ob du niemand sonst zu foltern hättest
auf dieser finstem Wahnsinnswelt als mich?
    Das Gebell schweigt.
Hier ist ein Ruder, und ich leg' es zu dem Beil.
Warum? Ich sehe etwa überall
um mich den Sühnetempel des Apoll:
gleichviel, wohin ich spreche in die Luft,
wo immer her der Herr der Winde bläst –
wer nirgend wohnt, ist überall zu Haus.
    Er hat das Ruder auf den Altar gelegt.
Als hätt' ich eine Reise hinter mir
auf stürmischen Gewässern, ist mir fast,
als Schiffspatron. Mag sein, ich trug ein Schwert!
Vielleicht auch träumt' ich. Wüste Träume handeln
von Dingen oft, die außermenschlich sind:
von Göttern, Ungeheuern, brüllenden
Giganten, Weiberraub, erzwungener
Vermischung. Einerlei! denn Wahrheit ist
nur Traum! und Traum ist Wahrheit! Sei's genug!
    Elektra seufzt im Schlaf tief auf.
So seufzt die Welt! – Ist hier noch außer mir
ein Sterblicher, und will er seine Torheit –
ich bin bereit! – mit meinem Jammer messen?

Elektra im Halbschlaf
Was raunt hier? Eine Stimme aus der Nacht?

Theron (Orestes)
Ja! Auf die Welt des Lichts ist kein Verlaß.

Elektra
Das klingt, als spräch's die Stimme meines Bruders.

Theron (Orestes)
Wenn er der obern Welt den Hades vorzieht,
so ist er auch der meine.

Elektra
                                        Ausgeburt
des Traumes! Stimme, rede, sprich nur fort!

Theron (Orestes)
So laß uns Träume ineinandermischen,
ich gebe gern dir meine Hälfte hin,
die tödlich-bleierne: vielleicht, daß ich
aufatme, von der halben Last befreit.
Allein, du wachst, du öffnest deine Augen!

Elektra
Auch deine sind geöffnet, und du träumst!

Theron (Orestes)
Liegst du im Tempelschlaf? Ist dies ein Tempel?

Elektra
Von vielen Tempeln ist mein Traum erfüllt,
die zwischen roten Felsen bunt erglänzen.

Theron (Orestes)
So bist du eine Priesterin
des Gottes, der im heiligen Delphi herrscht,
und augenblicks betäubt vom Dunst der Kluft?

Elektra
Betäubt, das bin ich, doch von Gram und Not.

Theron (Orestes)
Was grämt dich so? Und sag mir deine Not!

Elektra
Laß ab! Erhoffe niemals Antwort, Traum,
auf diese Frage! Zung' und Lippe, die
ihr willig dienten, würden gleich zu Stein.
So viel erfahre, Traum: ich trage Blutschuld.

Theron (Orestes)
Auch ich! So sind wir denn durch Blut verwandt.

Elektra
Doch meine Schuld, mein Bruder, übertrifft
die deine.

Theron (Orestes)
                  Und zudem bin ich entsühnt.

Elektra
Durch wen entsühnt?

Theron (Orestes)
                                    Durch Loxias!

Elektra
                                                            Mein Bruder,
des Schuld die meine, nicht die seine, ist
zweimal entsühnt: zu Delphi und Athen;
landflüchtig trotzdem irrt er auf der Erde.

Theron (Orestes)
Ist dies dein Traum nun, oder ist's der meine?
Wie aber heißt der Gottbetrogene denn?

Elektra
Es ist der Tantalidensproß Orest.

Theron (Orestes)
Orest? Orest? Wo hört' ich diesen Namen?
Doch schweig, Unselige, träume weiter nicht!
denn etwas, wie ein süßlicher Geruch
von Würmerspeise, breitet sich sogleich
um mich und macht mich taumelnd. Nein, ich will
mit deinem Traum nicht teilen! Nochmals nein,
behalt den deinen ganz!

Elektra
                                        Orestes ist
mit Sühnelorbeer doppelt längst bekränzt.

Theron (Orestes)
Mag sein, auch ich! Ich heiße Theron, bin
ein Steuermann, in Brot und Lohn bei einem
Phönizier. Allein, mir drückt dein Traum
die Brust, macht meine Glieder regungslos
und preßt mir Hilferufe aus beinahe,
als wär' ich selbst Orestes.

Elektra
                                            Grauser Traum
und Traumbild, grausenhafter noch als du!
Verstricke mich nicht weiter.

Theron (Orestes)
                                              Wär' ich selber
nur nicht in deines Traumes Netz verstrickt
wie in des Hinkers kaltes Erz! Verjage,
verfluchter Traum, die eklen Vetteln mir,
die um uns schnarchend hocken, schwarz von Haut,
triefäugig und mit schmutzverklebtem Haar,
in schwarzen Mänteln, scheußlich tropfenden
von blutiger Jauche: Mißgeburten sind's,
nicht Mann, nicht Weib, nicht Tier, nicht Mensch, aus Aas
gebildet, nicht aus Fleisch, im Erebos
und großgesäugt von jedem Gift des Abgrunds.
Weh! neben jeder schläft ein Höllenhund;
geweckt: ein Würger, den selbst Götter fürchten.

Elektra erwacht, sie fährt wild empor.

Elektra vom Anblick des Theron entsetzt, den sie jetzt erst zu bemerken scheint
Wer bist du, Fürchterlicher?

Theron (Orestes)
                                            Und wer du?

Elektra
Du blickst mich an mit Augen, drin die Wut
des Blutdursts lauert.

Theron (Orestes)
                                  Und nicht minder du!
Aus solchen Augen schöpft man Mut zur Tat.

Elektra
Ich habe unbefleckte Hände.

Theron (Orestes)
                                              Das
mag sein: doch bist du trotzdem blutbefleckt.

Elektra
Du lügst!

Theron (Orestes)
                Ich tat's im schwersten Augenblick,
tat's bei dem Opfer meiner grausen Bluttat,
nur um so sichrer meinen Schlag zu tun:
doch hierin gleich' ich ganz den ewigen Göttern.

Elektra
Dem Gott vor allen, der Orest betrog.

Hundegebell erneut.

Theron (Orestes)
Weib, siehst du die Unnennbaren um uns,
die schnarchend einen Augenblick verschnaufen
mit ihrer Meute? Einen Augenblick –
so fallen sie mit Hussaho uns an
und reißen uns in Stücke: Faß, pack an!
Faß, faß! Pack an! Faß, faß, pack an, pack an!

Elektra
Die Angst erwürgt mich.

Theron (Orestes)
                                        Sie erwürgt auch mich,
doch leb' ich, leb' ich! Wisse: Muttermord
macht uns unsterblich.

Elektra
                                    Uns?

Theron (Orestes)
                                              Ja, dich und mich!
Und dies bestätigt – sieh! – der Mutter Schatten.

Elektra
Der Mutter? Deiner Mutter – meiner nicht!

Theron (Orestes)
Nicht meiner Mutter: deiner! denn du trägst
an dir das brandige Mal des Muttermords.

Es wird der durchsichtige Schatten Klytämnestras sichtbar. Er nähert sich Elektren: eine hohe königliche Frau, deren Antlitz blutüberströmt ist.

Elektra
Am Körper nicht, vielleicht wohl an der Seele.
Oh, Mutter!

Theron (Orestes)
                    Mutter, Mutter, oh, laß ab!
Laß ab von mir, o Mutter! Mögen die
von Mensch und Gott Verfluchten lieber mich
mit ihren Martern martern, ihren Doggen,
den schwarzen, Pest und Feuer atmenden,
lebend zum Fraß mich geben, als daß du
den Tod nicht schmeckst und immer wieder mich
mit einem bittren Klageblick besuchst.
    Das Hundegebell reißt ab. Die Erscheinung verschwindet.
Ein süßer Hauch von Mutterliebe hat
mich angeweht.

Elektra
                          Auch mich.

Theron (Orestes)
                                              So laß uns nun,
Schutzflehende, des Altars uns erinnern!

Elektra
So sei's! Komm näher, Fremder – nein, nicht Fremder,
das Unglück selbst nennt seinen Bruder dich.
Komm, Bruder! denn ich bin's, ich bin das Unglück.

Theron (Orestes)
Bist du verflucht, bist du geächtet? Sei
gesegnet mir, Geschenk des Himmels, Schwester!

Elektra
Ja, ich erkenn's: du bist vom rechten Schlag,
ein wahrer Mensch, die andern sind nur Puppen
des Glücks, der ewigen Götter Tändelwerk.
Ich war nie Kind.

Theron (Orestes)
                            Und doch, wir beide wissen's,
bist du von einem Elternpaar gezeugt.
Wer war dein Vater?

Elektra
                                  Wenn er mit der Braue mir
nur winkte, schwand ich hin, wie in der Sonne
ein brennend Wachslicht: Licht und Wachs zugleich.
Er winkte mit der Braue, und es folgte
ihm zitternd Hellas – der Kronide hatte
nicht größre Macht, so schien's –, allein, für Hellas
war ihm kein Opfer je zu groß; er legte
um seinetwillen, seiner Ehre willen,
die eigene Tochter, Iphigenien,
auf den Altar der Todesgöttin. Oh,
er ehrte wie kein anderer die Götter.

Theron (Orestes)
Er lebt nicht mehr?

Elektra
                                Nein, Agamemnon traf –
er starb durch Meuchelmord – ein schwer Geschick.

Theron (Orestes)
Erlag er der Blutrache?

Elektra
                                        Rächt die Mutter
den Tod der Tochter: wie dann nennst du das?

Theron (Orestes)
Blutschuld ist leider meiner Brust vertraut
wie Atem. Doch für eine solche Tat
gibt es kein menschlich Wort. Ich hörte nie
von Agamemnon.

Elektra
                              Nun, dann hast du nicht . . .
nicht einmal blind und taub und stumm, gelebt.
Doch lügst du, denn du schielst bei diesem Worte.

Theron (Orestes)
Sofern ich schiele, schielt mein eines Auge
nach deiner Schönheit.

Elektra
                                      Hebe dich hinweg,
Unsinniger, mit deinem geilen Blick!

Theron (Orestes)
Doch sagtest du, ich sei vom rechten Schlag:
ein wahrer Mensch.

Elektra
                                Es war ein Irrtum, denn
du bist, ich seh's, nur Wegwurf.

Theron (Orestes)
                                                  Du hast recht.
Drum nanntest du mich auch des Unglücks Bruder
mit Recht und so auch deinen, denn du seist
das Unglück. Also tu nicht spröde, Weib!
Anfang und Ende alles Jammers ist
doch Eros!

Elektra
                    Hilfe!

Sechster Auftritt

Durch den mittleren Vorhang treten die drei Priester, und zwar in der Weise, daß Proros und Aiakos ihn für Pyrkon mit den Händen trennen, ihm den Vortritt lassend. Alle drei stehen dann vor dem geschlossenen Vorhang: Pyrkon in der Mitte.

Pyrkon
Was für ein Lärm? Was geht hier vor?
    Zu Theron
                                                              Wer bist du?

Theron (Orestes)
Ich frage dich: wer du? Wer du? Wer du?

Pyrkon
Weißt du nicht, wer ich bin, so weißt du auch
nicht, wo du bist.

Theron (Orestes)
                            So sage mir auch das.

Pyrkon
Verworren sprichst du, so verworren scheint
dein Antlitz. Du bist krank und hast vielleicht
den Freund, den Arzt, den Helfergott gesucht?

Theron (Orestes)
Wie alle Sterblichen! Du sagst es. Ja!
Denn ewig Suchen ist ja Menschenlos.

Pyrkon
Nicht unrecht hast du, viele Kränze hängen
im Heiligtum des Helfergotts Apoll
von solchen, deren Übel er getilgt,
und viele Pilger warten vor den Türen,
behaftet mit Gebresten aller Art,
die Heilung suchen.

Theron (Orestes)
                                Der Heilbringer? – Sagt,
wo weilet dieser Gott?

Pyrkon
                                      Auf dem Parnaß,
und seine Heiligtümer sind in Delphi.

Theron (Orestes)
Dies sei die Stätte auch der Sühnungen,
sagt ein Gerücht.

Pyrkon
                              Dann ist es ein Gerücht,
daß heilige Götter den Olymp bewohnen?
Und nun, Ungrieche, Unmensch, packe dich
aus dieses Tempels heiligem Bezirk
und fernehin aus Pythos ganzem Umkreis!
Du ekle Speise der Erinnyen,
pack dich!

Theron (Orestes) bricht in ein gräßliches Lachen aus
                  Willkommener Ruf – so altgewohnt
der nie verstummt, wo ich auch immer bin,
ob ihm Athene Schweigen auch gebot
sowie Apoll.

Pyrkon
                    Trat dir der Gottverlassene
zu nahe, Fürstin?

Theron (Orestes)
                            Nennst du Fürstin sie,
so bleibt sie gottverlassen doch wie ich.
    Er will gehen.

Pyrkon
Was ist's mit diesem Ruder? Eh du gehst –
was soll's auf Gottes Altar?

Theron (Orestes)
                                            Mir befahl
ein Schiffsherr, auf den nächsten Altar es
als Dank zu legen für gelungne Fahrt.

Pyrkon
Von welcher Fahrt denn ist er heimgekehrt?

Theron (Orestes)
Vom Lande Tauris, das am Pontos liegt.

Pyrkon
Und warst du Rudersklave dieses Schiffsherrn?

Theron (Orestes)
Der letzte, der verachtetste: ich war's!

Pyrkon
Weißt du wohl etwas von dem Tempeldienst,
den man im Tempel der Barbaren übt?

Theron (Orestes)
Als Priesterin der blutigen Göttin waltet
ein übermenschlich grauenvolles Weib.
Die Fürchterliche spricht in Griechenlauten.
Gleichviel: ein Opfertier, ein Griechensohn,
versteinten Herzens würgt sie beide ab.

Pyrkon
Wie heißt der König dieses Landes?

Theron (Orestes)
                                                            Thoas.
Ihn kommt wohl weibisch Mitleid eher an
als seine Priesterin, dies Bild von Erz.
In ihrem Schlachthaus herrscht sie unbeschränkt,
blutgieriger, gnadenloser als die Göttin.

Pyrkon
Ja, mancher glaubt, sie sei die Göttin selbst.

Elektra
Von dieser Priesterin hat mir geträumt.

Pyrkon
Dazu, o Fürstin, hast du reichlich Grund.
Wie sehr du Stand und Wesen auch vor mir
verbirgst: ich weiß, daß du Elektra bist,
und heiße dich im Heiligtum willkommen.

Elektra
Wie Balsam ist dein Gruß mir, heiliger Mann,
und Hauche süßer Hoffnung wehen plötzlich
um mich – geweckt wovon? Ich weiß es nicht.

Theron (Orestes)
Wahnsinnige, wenn du Elektra bist,
so nimm es für gewiß: des Priesters Gruß,
der milder Sühne Atem um dich hauchte
und der Versöhnung nahen Trost, er log!
Orest, dein Bruder, wisse, lebt nicht mehr.
Er ist verblutet unterm Mordstahl der
Barbarenpriesterin und Pylades,
sein Freund, nach ihm, wie er.

Elektra
Du lügst!

Theron (Orestes)
                Und das warum?

Elektra
                                            Um dich zu rächen
dafür, daß ich als Wegwurf dich erkannt.

Theron (Orestes)
Wenn Fürst Orest mir nun den Auftrag gab,
Mykene, Tiryns, Argos zu besuchen,
um dort den Seinigen zu berichten, daß
er im verfluchten Leben nicht mehr weilt?

Elektra
Du lügst! Du lügst!

Theron (Orestes) schäumend, stampft mit den Füßen
                                Orest ist tot, ist tot!
Verflucht, wer seinem Grab sich naht! Verflucht,
wer widerspricht! Wer auch nur seinen Namen
noch nennt: er sei verdammt, er sei verflucht!

Er rast davon und verschwindet in einer der mündenden Tempelstraßen.

Elektra
Ich beiße mir die Zunge eher ab,
als daß ich spreche! Eh ersticke ich,
als daß ein Schrei sich aus der Brust mir reißt.
Sofern ich dann veratme, sterb' ich nicht
der Fackelträgerin als Opfer hin –
nein: ihm, nur ihm, dem Lügengott Apoll!

Pyrkon
Furchtbar ist freilich, was ans Ohr uns drang.
Es scheint beinah den Seher zu entwurzeln,
der nur vom lebenden Orestes weiß
und seiner nahe harrenden Erlösung.
Doch wenn die Kere zu dem Menschen kommt,
so überrascht sie, scheint es, selbst die Götter.

Elektra
Verruchter Priester, schwarzverlogene Brut,
voran du, Pythia, auf dem goldnen Dreifuß,
hier lag mein armer Bruder hingestreckt,
Orestes, vor dem Altar eures Gottes.
Er nahm nicht Trank noch Speise zu sich, frei-
gesprochen zwar vom Blutgericht Athens
und jener Göttin, die, mit Helm und Schild,
mit Speer und Männerblick begabt, ihn löste
von aller Blutschuld, doch trotzdem verfolgt,
so nach wie vor, von den Erinnyen.
Da fiel der Spruch der Pythia:
»Raube das Bild der Göttin Artemis
zu Tauris, das dereinst vom Himmel fiel,
geleit es, führ es an Apollons Altar!«
Er hat gehorsam das Gelübd' befolgt
und starb wie Iphigenie, seine Schwester:
ein Fraß der Hekate! Säh' ich ihr Bild,
mit diesem Beile würd' ich es zerschmettern.

Sie hat das Beil wieder vom Altar gerissen und stürmt durch eine der mündenden Straßen davon.

Pyrkon
Schreckliche Frevlerin! Jedoch ein Weiberherz
mag immerhin an dieser jähen Wendung
zum Hoffnungslosen brechen: hab' ich selbst
doch Not, dem neuen Sturm zu widerstehn.
Orestes tot? Unmöglich! Kann das Wort
und heilige Ahnen dieser Rätselstunden
doch nie und nimmer Trug und Irrtum sein!
Bringt sie zu Pflegerinnen und zu Ärzten!

Proros und Aiakos gehen ab, in Befolgung des Befehls.


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