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Das Mährchen von Hassan von Baßra.

Ein ägyptischer Kaufmann, der zu Baßra etablirt war, hatte bey seinem Tode zwey Söhne hinterlassen, welche die kleine Erbschaft ihres Vaters zu gleichen Theilen theilten. Der eine von ihnen arbeitete in Bronze, und der andre war von Profession ein Goldschmidt.

Dieser Leztere, mit Namen Hassan, saß eines Tages in seinem Laden; ein Perser gieng vorbey, welcher stehen blieb, um den jungen Menschen zu betrachten, wie er da saß, und ein altes Buch in der Hand hielt, während alle Vorübergehenden seine Schönheit bewunderten.

Gegen Abend, als der Haufe sich zerstreute, näherte sich der Perser und sagte: Mein Kind, ihr seyd ein junger Mensch von großer Hoffnung. Ihr habt keinen Vater, und ich habe keine Kinder. Ich verstehe eine Kunst, die ihresgleichen nicht in der Welt hat. So viele Leute haben mich schon vergeblich gequält, daß ich sie ihnen lehren sollte, aber vermöge der besondern Zuneigung, die ich gegen euch fühle, bin ich entschlossen, euch darinn zu unterrichten, und euch dadurch diese Arbeit des Hämmerns zu ersparen. – Wann werdet ihr sie mich lehren? fragte Hassan. – Morgen, antwortete der Perser, will ich in eurer Gegenwart Kupfer in Gold verwandeln.

Der junge Mensch war voller Freude darüber, und erzählte die Sache seiner Mutter. Nehmt euch vor diesem Perser in Acht, sagte sie, das sind Leute, die sich mit der Alchymie beschäftigen, um ihren Nebenmenschen das Geld abzunehmen. – Aber meine Mutter, versezte Hassan, wir sind arm, und es wäre eine gar schlechte Speculation, wenn er auf unser Vermögen einen Anschlag gemacht hätte. Übrigens hat dieser Scheikh ganz das Ansehn eines reichen Mannes. – Die Mutter sagte nichts weiter, und der junge Mensch konnte diese Nacht vor Freude nicht schlafen. Gegen Morgen stand er sehr früh auf, um in den Laden zu gehn. Der Perser kam ebenfalls dahin. Hassan wollte ihm die Hand küssen, er gab es nicht zu. Macht den Schmelztiegel zurecht, sagte er, schafft glühende Kohlen, und bringt mir ein Stück Kupfer. – Hassan nahm ein Stück von einer alten Schüssel, schlug es in kleine Stücke, legte es in den Schmelztiegel, und bließ das Feuer an. Der Perser nahm aus seinem Turban ein kleines Papier, worinn sich ein Pulver befand. Er machte das Papier auf, warf eine halbe Drachme von dem Pulver in den Schmelztiegel, wo das Kupfer in dem nämlichen Augenblick in das reinste Gold verwandelt wurde. Hassan war außer sich vor Freude, er wollte die Hand des Persers mit Küssen bedecken, allein dieser gab es nicht zu. Geht, sagte er zu Hassan, und sezt dieses Gold in Geld um. Hassan gieng damit auf den Markt, und das erste Gebot, das man ihm für sein Stück Gold that, war 10.000 Dukaten. Endlich bekam er 15 000 mit denen er äußerst fröhlich zu seiner Mutter nach Hause zurückkehrte. Diese war ganz erstaunt. Großer Gott, sagte sie, es ist keine Macht und Gewalt, außer bey dem großen Gott! – Hassan nahm hierauf einen großen kupfernen Kessel, und begab sich nach der Butike, wo der Perser war. Macht mir Gold daraus, sagte er zu ihm. – Ihr seyd nicht bey Sinnen, erwiederte der Perser, wollt ihr an einem Tage zweymal auf dem Markt erscheinen, um die Aufmerksamkeit der Leute zu erregen, und euch einen übeln Handel zuzuziehn. Wenn ihr diese Operation des Jahrs einmal macht, so muß euch das genügen. – Ihr habt Recht, sagte Hassan, aber lehrt mich doch auch diese Kunst! – Gott ist groß, antwortete der Perser lächelnd, ihr seyd ein Thor, mein Kind. Ist das eine Kunst, die man auf Straßen und Kreuzwegen lehrt, damit die liebe Polizey davon Notiz nimmt, und unser Wissen zum Gegenstand ihrer Habsucht macht? Wenn ihr es lernen wollt, mein Kind, so folgt mir nach Hause.

Hassan schloß die Butike, und fieng an, hinter dem Perser herzugehn. Allein unterwegs erinnerte er sich wieder an die Worte seiner Mutter, tausend Gedanken durchkreuzten seine Seele, und er blieb zulezt stehen, ohne zu wissen, was er that. Ihr seyd ein Thor, sagte der Perser, ich will euer Bestes, und ihr bedenkt euch noch; aber wenn ihr das lieber wollt, so will ich euch meine Kunst in eurer Wohnung lehren. – Das wird besser seyn, sagte Hassan. – Nun gut, so führt mich also hin, erwiederte der Perser. – Hassan führte ihn also nach seinem Hause, wo er seine Mutter von der Veranlassung dieses Besuchs benachrichtigte. Diese machte ihrem Gast ein Bett zurecht, und Hassan gieng aus, um etwas zu essen zu holen. Hier, sagte er, hier ist Salz und Brod, eßt davon, und bedenkt, daß Gott diejenigen streng bestraft, welche die Rechte mißbrauchen, die Brod und Salz geben. – Ihr habt Recht, antwortete der Perser lächelnd, Salz und Brod sind unschätzbare Dinge. – Sie aßen also zusammen davon. Geht, und holt und etwas Konfekt, sagte dann der Perser. – Hassan gieng, und holte welches in einer benachbarten Butike, und sie aßen davon. Bringt mir jezt, sprach der Perser, den nöthigen Zubehör. Kaum hatte Hassan diese Worte gehört, als er fortlief wie eine Stute, die im Frühjahr auf die Wiese geht, um den nöthigen Apparat zu holen. – Bey den Rechten des Salzes und Brodes, sagte der Perser, wenn ich euch nicht so sehr liebte, als ich euch liebe, mein Kind, so würde ich euch nie diese köstliche Kunst lehren. Seht hier dieses schwarze Pulver. Wenn ihr eine halbe Drachme davon zu zehn Drachmen Kupfer thut, so ist das gerade das rechte Verhältniß, um aus dem Kupfer reines Gold zu machen. Als Hassan sähe, daß es ein gelbes Pulver war, so fragte er, wie es heiße, und wo man es fände. – Junger Mensch, sagte der Perser, macht doch erst einen Versuch, ehe ihr weiter fragt. – Hassan zerbrach auf der Stelle eine kupferne Schale, legte die Stücke davon in einen Schmelztiegel, und verwandelte sie in Gold. Während er diese Operation vornahm, und vor Freude darüber ganz außer sich war, legte der Perser ein Opiat von Bilsenkraut oder Nepenthe auf ein Stück Konfekt, das er dem jungen Menschen darreichte. Dieser nahm es, ohne an etwas Arges dabey zu denken, da es aus der Hand seines Wohlthäters und zweyten Vaters kam.

Das Nepenthe that auf der Stelle seine Wirkung, und da Hassan des Gebrauchs seiner Sinne beraubt war, sagte der Perser: Ah! Arabischer Hund, seit länger als einem Jahre habe ich dir aufgelauert. Jezt sollst du mir nicht entwischen. – Indem er dieses sagte, knebelte er ihm Hände und Füße, legte ihn mit allem Gold und Silber, was als Produkt der beyden chemischen Operationen im Hause war, in einen Kasten, rief hierauf einem Lastträger, und ließ den Kasten an das Ufer des Meers tragen. Hier befand sich ein Fahrzeug, das völlig fertig war, um unter Segel zu gehn. Der Schiffskapitän, der ausdrücklich gewartet hatte, ließ den Kasten einschiffen, die Anker lichten, und ein günstiger Wind schwellte die Segel an.

Als indessen Hassan's Mutter gewahr wurde, daß ihr Sohn sammt seinen Habseligkeiten verschwunden sey, brach sie in ein klägliches Jammergeschrey aus. Sie weinte die ganze Nacht, ohne ein Auge zuzuthun. Gegen Morgen kamen ihre Nachbarn, und befragten sie um die Ursache ihres Kummers. Sie erzählte sie ihnen, und gieng dann aus, und suchte in allen Häusern Nachricht von ihrem Sohne einzuziehn.

In einem dieser Häuser sah sie an der Mauer folgende Zeilen angeschrieben:

»Eine Truggestalt kommt während der Nacht, und irrt um mein Bett; aber wenn ich sie in meine Arme schliessen will, finde ich das Haus verlassen, und die Zeit des Besuchs entfernt.

Ach, sagte sie schluchzend, ach, mein Kind, das Haus ist verlassen, und die Zeit, wo ich dich sehen werde, ist entfernt. Vergebens bemühten sich die Nachbarn, sie zu trösten, ihr Schmerz machte sie untröstlich. Mitten im Hause errichtete sie ein Grabmahl, auf welches sie Hassan's Namen und den Tag schrieb, wo er verschwunden war, und hier weinte sie Tag und Nacht.

Der Perser, der den jungen Hassan entführt hatte, hieß Behram. Es war ein verwünschter Magier und großer Alchymist, der allen Moslims einen ewigen Haß geschworen hatte, und alle Jahre seinen schwarzen Planen einen von ihnen hinopferte. Das Fahrzeug hatte mit einem sehr günstigen Wind die Anker gelichtet. Jezt vertrieb der Perser die Wirkung des Opiats mit Weinessig und einem Wurm, den er dem Hassan vor die Nase hielt. Als dieser die Augen öffnete, und sich mitten auf dem Meere am Bord eines Fahrzeugs erblickte, da sah er ein, daß ihn das Unglück betroffen, wovor ihn seine Mutter gewarnt hatte. Er sprach sogleich bey sich selbst, was jeder andre bey einer ähnlichen Gelegenheit mit Vortheil sagen kann: Es ist keine Macht und Gewalt außer bey Gott. Ich kehre zu ihm zurück. Ich bitte ihn um Kraft und Stärke in meinen Leiden. Hierauf wandte er sich an den Magier, und sagte zu ihm mit einem sehr unterwürfigen Ton: Was soll das bedeuten, mein Vater? Wie erfüllt ihr die Versprechungen, die ihr mir bey dem Brod und Salz, das wir zusammen gegessen haben, gemacht habt? – Hund! antwortete ihm der Magier, da kommst du mir eben recht, daß du mich an das Brod und Salz erinnerst, mich, der ich schon 999 Jungen, wie du bist, geopfert habe, du bist bestimmt, das 1000 voll zu machen. Hierauf ließ er ihn losbinden, um ihn ein wenig trinken zu lassen. – Beym Feuer und beym Licht, fuhr er fort, ich glaubte nicht, daß du in meine Netze fallen würdest, aber Dank sey es dem Feuer, ich habe dich, und du sollst es näher besehen, als dir lieb seyn wird. – Verrathet die heilige Gastfreundschaftlichkeit, die Rechte des Salzes und Brodes nicht, sagte Hassan. Statt aller Antwort gab ihm der Magier eine Ohrfeige, daß ihm die Zähne wackelten. Hierauf ließ er ein großes Feuer machen. Wenn du es anbetest, wie ich es anbete, sagte er zu Hassan, so will ich dir die Hälfte meines Vermögens und meine Tochter zur Frau geben. – Wehe dir, sprach Hassan, du bist ein Magier, der dem großen Gott, dem Schöpfer des Tages und der Nacht, zum Trotz das Feuer anbetet. Welche abscheuliche Religion! – Der Perser verrichtete seine Andacht, und befahl dann, daß man den Hassan mit dem Gesicht auf die Erde legen, und ihn mit Schlägen zudecken sollte. Vergeblich schrie Hassan um Hülfe, es war niemand da, der ihm hätte zu Hülfe kommen können. Er nahm alle seine Gedult und Ergebung zusammen, und befahl sich Gott. Der Magier ließ ihm Wasser in's Gesicht spritzen, und gab ihm hierauf etwas zu essen. Und so quälte er ihn die drey Monate lang, während welcher das Fahrzeug immer auf dem Meere war, unaufhörlich fort.

Nach Verlauf dreyer Monate erhob sich ein schrecklicher Sturm, und das wüthende Meer drohte das Fahrzeug in seine Wellen zu begraben. Der Kapitän und die Schiffsmannschaft, die in diesem Sturm die Hand Gottes sahen, der die drey Monate lang von dem Magier an diesem armen Jungen ausgeübten Grausamkeiten bestrafte, der Kapitän und die Schiffsmannschaft fiengen an, die Sklaven des Magiers in's Meer zu werfen. Als dieser sah, daß jezt sein eignes Leben auf dem Spiele stehe, veränderte er seine Sprache und sein Betragen gegen Hassan. Er ließ ihn entfesseln und kleiden, und versprach ihm, daß er ihn in sein Land zurückführen wolle. Gehet, mein Kind, sprach er, dieß alles war zu eurem Besten, und ich habe blos eure Gedult auf die Probe stellen wollen, durch die ihr euch ein großes Verdienst im Himmel erworben habt. Der Kapitän und die Schiffsmannschaft freuten sich über das veränderte Betragen des Persers, und der Sturm legte sich nach und nach.

Wo reisen wir hin? fragte Hassan. – Nach dem Wolkenberge, antwortete der Perser, wo sich das Elixir befindet, auf dem das Wesen der Alchymie beruht. Hassan glaubte es ganz treuherzig, und war ruhig. –

So schifften sie noch drey ganze Monate lang. Als diese verflossen waren, ankerte das Fahrzeug vor einer Küste, die blos in einer unfruchtbaren Wüste bestand, deren Sand verschiedene Farben hatte. Siehe, da sind wir ja an unserm Ziele, sprach der Magier, wir wollen uns ausschiffen. Von jezt an also giengen sie in der Wüste, und der Perser zog eine kleine Trommel, und eine mit talismanischen Charakteren beschriebene Tafel aus der Tasche. Hierauf fieng er an, die Trommel zu rühren, und sogleich fieng der Staub an, sich von allen Seiten zu erheben. Hassan erbleichte, und bereute es schon, daß er dem Perser ans Land gefolgt war. – Fürchtet nichts, sprach der Magier, wenn ich eurer nicht bedürfte, so würde ich euch nicht haben aus dem Schiffe steigen lassen. Ihr sollt bald sehen, was dieser Staub uns für einen Vortheil verschaffen wird. – Die Staubwolke hellte sich auf, und es erschienen drey Pferde; das eine davon bestieg der Perser, das zweyte Hassan, und das dritte wurde mit ihren Lebensmitteln beladen. Nachdem sie sieben Tage lang in der Wüste fortgereist waren, kamen sie an einen Dom, der auf vier goldenen Säulen ruhte. Sie stiegen hier ab, um sich zu erfrischen. Werden wir nicht in diesen Pavillon hineintreten? fragte Hassan. Nein, wenns euch gefällig ist, antwortete der Perser, er wird von meinen Feinden, den Dämonen und Teufeln bewohnt, deren Geschichte ich euch einmal erzählen muß, aber jezt laßt uns abreisen. Er rührte die Trommel, die Pferde eilten herbey, und so reisten sie wieder sieben Tage fort.

Was seht ihr? fragte der Perser den jungen Hassan am achten Tage. – Ich sehe, antwortete dieser, eine ungeheure Wolke, die sich von Morgen nach Abend ausbreitet. – Es ist keine Wolke, sagte der Perser, sondern vielmehr ein Berg, dessen Gipfel weit über die Region der Wolken erhaben ist. Das ist das Ziel unsrer Reise, dessentwegen ich euch mitgenommen habe. – Diese Worte schienen dem jungen Hassan eine böse Vorbedeutung zu seyn. Belehrt mich doch, sagte er, ich beschwöre euch, warum habt ihr mich hieher geführt? – Der Alchymist, antwortete der Perser, hat zu seinen Operationen eines Krautes nöthig, das blos auf diesem Berg in der über den Wolken erhabenen Region wächst. Dieses Kraut ist es, das ihr mir suchen sollt. – Ja! sagte Hassan mit einem unterwürfigen Ton, aber er verzweifelte, und gab sein Leben verloren. Mit Schmerz dachte er an seine Mutter und sein Vaterland, und so oft er daran dachte, fleng er an bitterlich zu weinen.

Als sie an dem Fuß des Berges angekommen waren, stiegen sie ab. Hier, sagte der Perser, hier wohnen die Dschinnen, Guls und Dämonen. Hierauf umarmte er den jungen Hassan, und sprach zu ihm: Behaltet wegen dessen, was zwischen uns vorgefallen ist, keinen Groll gegen mich im Herzen, mein Kind, und versprecht mir, daß ihr dasjenige, was ich euch sagen werde, getreulich ausführen wollt. Hassan versprach es. – Der Perser zog hierauf Mehl aus seinem Sack, zerrieb es, und machte drey kleine Brode daraus, hierauf rief er durch den Schall der Trommel die Pferde herbey, wovon er eins schlachtete und opferte.

Jezt mein Kind, sagte er, steckt euch in diese Haut, und ich will sie dann zusammennähen. Die Vögel werden kommen, euch in die Höhe heben, und euch auf der Ebene auf dem Gipfel des Berges niederlegen. Wenn ihr dort angelangt seyd, so schneidet die Haut mit diesem Messer auf. Die Vögel werden davon fliegen, und ihr werdet dann vom Gipfel des Berges herab mit mir reden, und ich werde euch dann sagen, was ihr zu thun habt.

Hierauf nähte er den jungen Hassan wirklich in die Haut ein, und gab ihm statt aller andern Lebensmittel drey Brode und einen Krug Wasser mit. Ein Vogel Rokh kam herbey, hob ihn auf, und sezte ihn auf der Spitze des Bergs nieder. Hier kroch Hassan aus seiner Haut hervor, und rief dem Magier zu, der vor Freude tanzte, als er ihn glücklich angekommen sah. Was seht ihr da oben? fragte der Perser. – Ich sehe nichts, antwortete Hassan, als eine große Anzahl Holzbündel. – Nun gut, versezte der Magier, das ist es gerade, was ich will, nehmt sechs von diesen Reißbündeln, und werft mir sie herunter, mein Kind, mein lieber Hassan! Dieser warf sie herunter, allein, kaum hatte sie der Magier in Empfang genommen, als er schrie: Jezt Hund, leb oder stirb, wie du Lust hast, ich habe, was ich brauche, und ich bekümmere mich den Henker nicht mehr um dich. Indem er dieses sagte, entfernte er sich. – Es ist keine Macht und Gewalt, außer bey Gott! sprach der arme Hassan, und dann ergab er sich gedultig in das Schicksal, das ihm die göttliche Vorsehung bestimmt haben könnte.

Er fieng jezt an auf der Ebene, welche den Gipfel des Berges bekränzte, umherzugehn, und da er an dem entgegengesezten Rande angekommen war, erblickte er das Meer, dessen Wellen diese Seite des Gebirgs bespülten. War es Verzweiflung oder war es Vertrauen – kurz Hassan stürzte sich ins Meer, und überließ sein Schicksal der Willkür der Wellen, die ihn sehr leicht forttrugen, da er ein guter Schwimmer war. Nachdem er auf diese Weise lange fortgeschwommen war – die Geschichte bemerkt nicht, wie viel Stunden oder Tage – so landete er an einem unbekannten Lande. Er fieng an hier umher zu gehn, und kam an den nämlichen Palast, wo er mit dem Magier zu Pferde vorbeygekommen war, und wo dieser sich geweigert hatte, hinein zu gehn, indem er sagte, daß er von seinen Feinden bewohnt sey. – Bey Gott! sagte Hassan, ich muß hier hereingehn, vielleicht finde ich hier einigen Trost in meinem Unglück.

Er trat hinein, denn die Thür war offen. Im Vorhof sah er auf einem Sopha zwey Mädchen sizen, welche Schach spielten. Die eine drehte den Kopf um, und da sie den jungen Hassan erblickte, stieß sie ein Freudengeschrey aus, und sagte: Ach, das ist er, den der Magier Behram dieses Jahr entführt hat. – Ja, Madam, sprach Hassan, ich bin dieser arme junge Mensch. – Ich nehme hiemit Gott zum Zeugen, meine Schwester, sagte die jüngere zur älteren, daß ich diesen jungen Menschen als meinen Bruder annehme, und mit ihm Freude und Leid theilen will. – Hierauf umarmte sie ihn, nahm ihn bey der Hand, und führte ihn in das Innere des Palastes, wo sie ihn vor allen Dingen seine Lumpen mit prächtigen Kleidern vertauschen ließ. Dann sezten sich die beyden Schwestern mit ihm zu Tische, und baten ihn, daß er ihnen seine Geschichte erzählen möchte, indem sie ihm dagegen ihre eigene Geschichte zu erzählen versprachen, damit er lerne, sich ein andermal besser vor diesem abscheulichen Magier in Acht zu nehmen. Hassan befriedigte ihre Wünsche, und nach einigen Ausrufungen, in welchen die beyden Mädchen dem Magier den Tod schwuren, fieng die jüngere folgendermaßen ihre Geschichte zu erzählen an.

Ihr müßt wissen, mein Bruder, daß wir Prinzessinnen sind, und daß unser Vater ein mächtiger König unter den Dschinnen ist, der über zahlreiche Völker von Mareds und andere Dschinnen herrscht. Der Himmel hat ihm sieben Töchter aus einer einzigen Ehe geschenkt, aber aus einer sonderbaren Kaprice, die in meinen Augen höchst tadelnswerth ist, schwur er einen theuren Eid, daß er niemals eine von seinen Töchtern verheyrathen würde. Er versammelte seine Wesire, und fragte sie, ob sie nicht einen Ort kennten, der zwar angebaut sey, aber weder von Menschen, noch von Dschinnen viel besucht werde, und der auf diese Weise also zum Aufenthalt für seine sieben Prinzessinnen dienen könne. – Der Ort, den ihr sucht, ist gefunden, antworteten die Wesire. Es ist das Wolkengebirg, das einst von einem der ersten Dschinnen bewohnt wurde, der zu dem Hof des Königs Salomo gehörte: Seit jener Zeit ist es wüste und verlassen geblieben, aber es giebt dort Holz und Früchte im Überfluß, auch köstliches Wasser, das frisch wie Eis, und süß wie Honig ist. – Sogleich schickte uns unser Vater unter einer starken Bedeckung hieher. Unsere fünf andern Schwestern sind in diesem Augenblicke auf der Jagd, und durchstreifen die Felder, und wir bitten Gott Tag und Nacht, daß er uns einen Mann herschicke, der uns Gesellschaft leiste. Ihr seyd uns zu einer sehr glücklichen Stunde gekommen, mein Bruder, und ihr könnt jezt vollkommen ruhig seyn. – Zu diesen schmeichelhaften Worten fügte sie noch eine Anzahl reicher Stoffe, womit sie ihm ein Geschenk machte.

Bald darauf kamen die fünf andern Schwestern an, die ebenfalls entzückt waren, ein menschliches Wesen zu sehen, und ihn auf eine äußerst zuvorkommende Weise aufnahmen. Und so blieb denn Hassan bey ihnen, indem er sie zu ihren Jagdparthieen und Spaziergängen begleitete, und bey dem guten Leben, das er führte, zusehends fett wurde. Dazu sezte er sich alle Tage immer mehr bey den sieben Prinzessinnen in Gunst. Sie ließen sich mehr als einmal seine Geschichte erzählen, und so oft als sie hörten, daß der Magier auf die Frage, von wem dieser Palast bewohnt werde, Dämonen und Teufel als die Bewohner desselben genannt hatte, schwuren sie stets von neuem diese Beleidigung durch den Tod des Magiers zu rächen.

So war ein Jahr verflossen, als Hassan einst des Morgens den Magier Behram erblickte, der einen jungen Menschen vor sich her jagte, und ihn auf tausenderley Art marterte und quälte. Meine Schwestern, sagte Hassan zu den sieben Prinzessinnen, helft mir diesen jungen Menschen befreyen, und den Magier tödten. Das wird euch in dieser und in jener Welt als ein großes Verdienst angerechnet werden. – Sehr gern, erwiederten die sieben Prinzessinnen, und griffen zu den Waffen. Sie bewaffneten sich von Kopf bis zu Fuß, und gaben dem jungen Hassan ebenfalls eine vollständige Waffenrüstung und ein schönes Pferd. So sprengten sie mit ihm dem Magier nach, und kamen gerade in dem Augenblick an, wo er den jungen Menschen in die Haut einnähen wollte. Hassan fiel über ihn her, und schrie: Ach, Bösewicht, abscheulicher Magier, Sklave des Feuers, Auswurf der Finsterniß, endlich habe ich dich. – Wer hat euch denn befreyt, mein Kind? sagte der Magier. – Derjenige, der dich in diesem Augenblick mir überläßt, antwortete Hassan, dich gotteslästerlichen Verräther an Brod und Salz, und indem er diese Worte sprach, hieb er ihm den Kopf ab, daß er weit wegflog. – Die Prinzessinnen, die bis dahin von fern Zuschauerinnen gewesen waren, eilten jezt herbey, um dem jungen Hassan über seinen Muth und unerschrockenes Betragen ihr Kompliment zu machen. Hierauf kehrten sie in den Palast zurück. Auf einmal wurden sie eine große Staubwolke gewahr. Versteckt euch, sagten die Prinzessinnen zu Hassan, in dem Kabinet des Gartens, denn wir wissen nicht, was diese Staubwolke bedeuten mag. – Bald klärte sie sich auf, und die Vorsicht der Prinzessinnen war gerechtfertigt, denn es war ein fliegendes Korps von Dschinnen, das von ihrem Vater abgeschickt war. – Die Prinzessinnen sollten abgeholt werden, um gewissen Festen beyzuwohnen, die er fremden Königen geben wollte. Sie begaben sich in das Kabinet, wo Hassan war, machten ihm ihre Abreise bekannt, und baten ihn, ihre Rückkehr in dem Palast zu erwarten, als dessen unumschränkten Herrn er sich ansehen dürfe. Hier sind die Schlüssel, sprach die jüngste, aber ich beschwöre dich bey allem, was dir heilig ist, öffne die Thüre nicht, die ich dir zeigen werde.

Hassan versprach es ihr, sie nahmen von ihm Abschied, und er versank über ihre Abwesenheit in eine tiefe Melancholie. Er versuchte sich durch die Jagd zu zerstreuen, und durchstreifte auch zuweilen den Palast, dessen Schönheiten und Schätze er bewunderte. Allein bald war ihm alles gleichgültig geworden, in Vergleichung mit jener Thüre, die zu öffnen man ihm untersagt hatte. Ich muß wissen, sagte er, was darinn ist, und sollte es auch der Tod selbst seyn. Er öffnete also das Gemach, und sah nichts darinn, als eine Leiter, auf welcher man zur Terrasse des Palastes hinaufstieg. Ach, sagte er, also um mich des Vergnügens einer schönen Aussicht zu berauben, hat man mir den Eingang untersagt. – Er stieg die Leiter hinauf zur Terrasse, die ganz wie ein Garten bepflanzt war, und eine köstliche Aussicht gewährte. Hierauf fieng er an, in diesen ungeheuren Gärten spazieren zu gehn, und kam zulezt an einen Pavillon, dessen Mauern ein Mosaik von den schönsten Edelsteinen, Rubinen, Smaragden und Ballassen war. Mitten in dem Pavillon war ein Wasserbassin, und neben demselben ein Thron von Aloeholz, der kürzlich in Gold gearbeitet, und mit andern kostbaren Zierrathen geschmückt war. Eine große Anzahl Vögel flatterte rund umher, und sang in verschiednen Tönen das Lob Gottes. Hassan war ganz unbeweglich vor Erstaunen, als er alle diese Wunder der Terrasse betrachtete. Da sah er zehn Vögel, die von fern her ihren Flug auf den Pavillon zu nahmen. Hassan, der sich fürchtete, verrathen zu werden, versteckte sich so gut, als er konnte, hinter ein Bosket von Bäumen, um zu sehen, was geschehen würde. Er sah, daß sich unter diesen Vögeln einer befand, dem alle übrigen gehorchten, und Respekt bezeigten. Sie ließen sich neben dem Bassin nieder, legten ihre Federn ab, und er sah – o Wunder – zehn junge Mädchen von überirdischer Schönheit, die in das Wasser stiegen, um sich zu baden. Eine unter ihnen hielt alle die übrigen in einer ehrfurchtsvollen Entfernung, und beym Anblick dieser Schönheit verlor der arme Hassan den Kopf. Ach, sagte er, jezt begreife ich, warum meine gute Schwester mir verbot, jene Thür zu öffnen. Meine Ruhe ist auf ewig dahin.

Die Mädchen stiegen hierauf aus dem Bade, und Hassan, dessen Augen nur auf die Schönste unter den Schönen geheftet waren, erblickte jezt Reize, die ihn vollends um den wenigen Verstand brachten, den er noch haben mochte. Er sah – Ach – was sah er nicht! – und selbst das Hemd von grünem Marly-Flor, das sie hierauf anzog, entzog ihm nichts. Hier konnte man sagen, was ein Dichter gesagt hat:

»Ein Mädchen, von deren Wangen die Sonne ihre Strahlen entlehnt, kam zu mir in einem grünen Hemde. Sie glich einem blühenden Rosenstock, mit dem die Zephyre nur allein das Recht haben, zu spielen.«

Als die Mädchen ihre Kleider wieder angelegt hatten, fiengen sie an, unter einander zu scherzen und zu plaudern. Hassan verwandte kein Auge von der Schönsten der Schönen, deren Schönheit selbst über seine Einbildungskraft gieng. Einen Mund sah er, der wie das Siegel Salomo's gebildet war, Haare, lang und schwarz, wie eine stürmische Winternacht. Die Augen wetteiferten mit den Augen der Gaselle, ihren Wangen gegenüber verschwand die Farbe der Anemonen. Ihre Zähne waren Perlen in einer Korallenmuschel, und ihr Busen zeigte zwey Orangen, die die Farbe und Dichtheit eines blanc manger hatten. Ihre zarte und anmuthige Taille, die einem Zweige des Baums Ban glich, ruhte auf Hüften, deren Fülle und Weiße noch die des Straußes übertraf. Hier sah man, wie der Dichter sagt:

»Eine weiße und runde Hand wie Wachs mit Honig gemischt, Augen schwarz und durchdringender wie ein indisches Schwerdt. Man wagte es, ihre Wangen mit der Rose zu vergleichen, allein sie ward darüber unwillig. Gleicht, sagte sie, die Farbe der Rose der meinigen? Sollte der Granatapfel es wagen, sich mit den Äpfeln meines Busens zu vergleichen? Im Garten sind Rosen und Granatäpfel für diejenigen, die sie verlangen. Allein wer sollte es wagen, die Rosen und Granatäpfel meines Gartens zu begehren?«

So brachte sie noch einige Stunden spielend und plaudernd mit ihren Gespielinnen zu, aber der Abend näherte sich.

Königstöchter, sagte sie zu ihren Gespielinnen, es ist Zeit, daß wir unsre Kleider wieder anlegen. – Hierauf nahmen sie ihre Gewänder von Federn, und flogen davon, während der arme Hassan ihnen ganz bestürzt nachsah. Thränen entströmten seinen Augen, und er hauchte die Heftigkeit seiner Leidenschaft in folgenden Worten aus:

Wie wird der Schlaf wieder meine Augen schließen können, seit sie dich nicht mehr sehen. Kann ich Ruhe finden, seit du von mir entfernt bist? Aber nein! komm Schlaf, senke dich auf meine Augenlieder, vielleicht werde ich das Glück haben, sie wenigstens im Traum zu sehen.

Hierauf stieg er auf der Leiter wieder in das verbotne Gemach hinab, dessen Thür er verschloß, und blieb dann, ohne zu essen und zu trinken, in einem Meer von Träumereyen versunken. Die Nacht brachte er mit Seufzen zu, und improvisirte von Zeit zu Zeit, was ihm seine Leidenschaft eingab.

Mit dem Aufgang der Sonne stieg er wieder auf die Terrasse, und blieb bis gegen Abend in dem Pavillon, und wartete, daß die Vögel wieder kommen sollten. Als er seine Erwartung getäuscht sah, fiel er aus Übermaß des Schmerzens in Ohnmacht, und brachte auch noch diese Nacht ohne Essen, Trinken und Schlafen zu. Er befand sich in jener Trunkenheit der Leidenschaft, die ein Dichter beschreibt, wenn er sagt:

»Ach, wann wird er mir leuchten, der Tag, wo du durch deine Rückkehr das Feuer löschen wirst, das meine Eingeweide verzehrt? Jener glückliche Tag, wo wir uns einander umschlingen werden, wo meine Wange an der deinen ruhen wird!

Wer wagt es, zu sagen, daß die Liebe ihre Süßigkeiten hat? – Ach, ihre Bitterkeiten sind herber, als die Myrthe.«

So verzehrte sich Hassan in der Hitze einer vergeblichen Leidenschaft für eine Unbekannte, bis die sieben Prinzessinnen zurückkehrten. Auf einmal erschienen sie eines Tages, stiegen im Palaste ab, und legten ihre Waffen ab. Blos die Jüngste eilte, ihren Bruder aufzusuchen, ehe sie ihre Rüstung ablegte. Sie fand ihn in einem einsamen Kabinet. Er war ganz verändert, und der Mangel an Nahrung, und das Übermaß der Leidenschaft hatten ihn dahin gebracht, daß er nur noch in Haut und Knochen hieng. Sie wurde sehr gerührt, als sie ihn in diesem kläglichen Zustande erblickte. Was fehlt euch, mein Bruder, sagte sie, was ist euch begegnet, öffnet euer Herz einer Schwester, die bereit ist, sich aufzuopfern, um euch zu helfen. Hassan improvisirte hierauf in folgenden Worten, die alle Augenblicke durch Schluchzen unterbrochen wurden:

»Nehmt euch in Acht! Erkennt ihr nicht an diesen Kennzeichen den Tod oder die Leidenschaft? Seht ihr nicht die Symptome der tödtlichen Blässe und der Erschöpfung der Lebensgeister? Haben der Tod und die heftigen Leidenschaften das nicht im menschlichen Leben mit einander gemein, daß man anfängt, davon zu sprechen, und mit tiefen Betrachtungen schließt?«

Was soll das heißen, mein Bruder, sagte die Prinzessinn, daß ihr Verse macht? Sonst spracht ihr ja nur in Prosa mit mir. Was ist euch denn begegnet? Ich beschwöre euch bey der Heiligkeit der Bande, die uns vereinigen, sagt es mir.

Hassans Thränen flössen in Strömen. Ach meine Schwester, sagte er, was kann es helfen, daß ich es euch sage? Ihr werdet mich doch sterben lassen. – Nein, mein Bruder, erwiederte die Prinzessin, ich werde euch helfen, und sollte es mir auch mein Leben kosten. Sprecht nur. Hierauf erzählte er ihr, was er in dem Pavillon gesehen hatte, und wie er seit dieser Zeit über zehn Tage zugebracht habe, ohne zu essen oder zu trinken. Die Prinzessinn wurde von seiner Erzählung und seinen Thränen gerührt, sie empfand Mitleid mit seiner Verzweiflung. Mein Bruder, sagte sie, beruhigt euch, ich will mich bemühen, euch zu retten, und sollte es auch mit Aufopferung meiner selbst seyn. Aber ihr müßt mir das unverbrüchlichste Stillschweigen versprechen. Wenn meine Schwestern euch fragen, ob ihr die verbotne Thür geöffnet habt, so sagt nein, und versichert, ihr seyd in der Einsamkeit dieses Palastes vor Sehnsucht, sie zurückkehren zu sehen, beynahe verschmachtet. – Hierauf verließ sie ihn, und gieng mit thränenden Augen zu ihren Schwestern. Mein armer Bruder, sagte sie, ist recht krank, seit zehn Tagen hat er nichts gegessen. Eure Abwesenheit ist es, die ihn in Verzweiflung gebracht hat. Wir haben ihn allein ohne Freund, ohne Gefährten gelassen, der arme junge Mensch hat Langeweile gehabt, und Vater und Mutter sind ihm eingefallen. Man muß Mitleiden mit ihm haben. Die Prinzessinnen eilten sogleich herbey, um ihren Bruder zu trösten. Sie bemühten sich, ihn durch ihre Gegenwart wieder zu beleben, und erzählten ihm alles Sonderbare und Merkwürdige, was sie am Hofe ihres Vaters gesehen hatten. Einen ganzen Monat besuchten sie ihn auf diese Weise alle Tage, ohne daß sein Leiden abnahm, und sie weinten darüber recht herzlich. Nach Verlauf dieses Monats verließen sie eines Tages den Palast, um auf die Jagd zu gehen. Die Jüngste allein erbot sich, zu Hause zu bleiben, um die Krankenwache zu besorgen, und ihre Schwestern dankten ihr sehr für ihre Aufmerksamkeit für ihren Gast. Als sie weit vom Palast weg waren, sagte die Jüngste zu Hassan: Zeigt mir jezt den Ort, wo ihr eure Schöne gesehen habt. Hassan bemühte sich, sich nach dem verbotenen Gemache hinzuschleppen; allein er hatte die Kräfte nicht dazu. Seine Schwester war genöthigt, ihn Hockesalz auf dem Rücken zu tragen, und so mit ihm auf der Leiter zur Terrasse hinaufzusteigen. In welchem von diesen Pavillons, fragte sie jezt, habt ihr sie gesehen, denn jeder gehört einer andern Prinzessinn, die von Zeit zu Zeit hieher kommt, um frische Luft zu schöpfen. – Hassan zeigte ihr denjenigen, wo er sich versteckt gehalten hatte. – Mein Gott! rief sie, indem sie ganz blaß wurde, dieser da ist es also? – Warum verändert ihr die Farbe? fragte Hassan. – Ach, Unglücklicher, sagte sie, dieses Lustbad gehört der Tochter des Königs der Könige über die Dschinnen, der über unermeßliche Länder herrscht, und eine Menge von Königen unter seinen Befehlen hat. Mein Vater selbst ist nur einer seiner Lieutenants und Vasallen. Ein ganzes Jahr braucht man, um von hier nach seinen Staaten zu reisen, und noch überdieß sind sie von einem Flusse umgeben, den weder Menschen noch Dschinnen je überschreiten können. Er hat sieben Prinzessinnen, und seine Leibwache besteht aus 25 000 Fräuleins, wovon eine jede, wenn sie bewaffnet auszieht, ein Corps von 1000 in Schlachtordnung gestellten Männern auseinandersprengt. Die sieben Prinzessinnen sind alle vortrefflich zu Pferde, aber die Jüngste, der dieser Pavillon angehört, übertrifft sie alle an Tapferkeit, Schlauheit, in der Kriegskunst und der Kunst der Magie. Die Mädchen, die ihr bey ihr gesehn habt, sind Töchter von Großen des Reichs, und die Federngewänder, die sie vor euren Augen ablegten, gehören zu der Zauber-Garderobe der Dschinnen. Das einzige Mittel, das ihr in Händen habt, euch ihrer Person zu bemächtigen, besteht darin, daß ihr ihr dieses Gewand wegnehmt. Wartet also hier, bis sie wiederkommt, denn sie kommt mit jedem Neumond. Versteckt euch gut, und nehmt, während sie im Bade ist, ihre Kleider, und versteckt sie. Ihre Gespielinnen werden ihre eignen Federgewänder wieder anziehen und fortfliegen. Gebt ihr ihr Gewand durchaus nicht wieder, oder ihr seyd verloren. Ergreift sie bey den Haaren und zieht sie zu euch. Sie wird euch gehorchen, aber hütet euch, ihr ihr Federngewand wieder zu geben.

Hassan fühlte, wie diese Worte ihm das Leben wieder gaben. Er umarmte seine Schwester, und dankte ihr für ihre Güte. Sie stiegen auf der Leiter wieder in den Palast hinab, und kehrten den Tag darauf, wo gerade der Neumond einfiel, wieder auf die Terrasse zurück. Die Vögel kamen an, zogen ihre Federgewänder aus, und stiegen in das Bassin. Während sie hier plauderten und lachten, war Hassan glücklich genug, das Gewand der Schönsten der Schönen zu entwenden, ohne bemerkt zu werden. Als sie es beym Heraussteigen aus dem Bad nicht wieder fand, stieß sie ein lautes Geschrey aus, und zerschlug sich das Gesicht und den Busen. Ihre Gespielinnen suchten, bis es stockfinstre Nacht war, und dann flogen sie davon, und ließen sie allein auf der Terrasse. Sogleich zwang sich Hassan, muthig zu seyn, stürzte aus seinem Versteck hervor, ergriff die Schöne bey den Haaren, schleppte sie mit sich fort bis in sein Zimmer, und schloß sie hier ein, ohne auf ihr Geschrey und ihre Verzweiflung zu achten. Hierauf eilte er fort, um seine Schwester von dem glücklichen Ausgang der Unternehmung zu benachrichtigen. Diese begab sich sogleich in das Kabinet, und warf sich der Prinzessinn zu Füßen, um ihr ihren Respekt zu bezeugen. Auf diese Art also, sagte die Schöne der Schönen, auf diese Art also behandeln die Kinder der Menschen die Töchter der Könige? Du kennst die Macht meines Vaters, du weißt, daß die Könige der Dschinnen seine Vasallen sind, und daß er unzählige Legionen Geister und Dämonen beherrscht, und ihr kleinen Unverschämten wagt es, Männer aufzunehmen, um die Töchter eures Gebieters zu verrathen. Wie hat dieser Mann den Weg zu meinem Pavillon gefunden?

Hassans Schwester erzählte hierauf umständlich die Leiden ihres Bruders, und zwar in Ausdrücken, die genau abgewogen und geschickt waren, das Herz der Schönen zu rühren, die daraus wohl sah, daß sie für diesen Augenblick jedem Plane zur Flucht entsagen müsse. Hassans Schwester brachte ihr zu ihrer Bedeckung die schönsten Kleider, und hierauf auch zu essen, und bemühte sich, sie mit allerley schönen Worten zu trösten. Allein sie that diese ganze Nacht hindurch nichts als weinen. Gegen Morgen beruhigte sie sich ein wenig, und sagte: Ich sehe wohl, daß es mir auf der Stirn geschrieben stand, daß ich von meinem Vater und meiner Familie getrennt seyn sollte; ich muß mich in die Beschlüsse des Schicksals ergeben. Hassans Schwester hörte nicht auf, in diesem Geiste ihr ferner zuzureden, und dieß gelang ihr so gut, daß die Thränen der Prinzessinn nicht mehr flössen, und daß sie ihren Entschluß gefaßt zu haben schien. Da rief Hassans Schwester ihren Bruder. Jezt geh zu deiner Schönen, sagte sie zu ihm. Küsse ihr ehrfurchtsvoll die Hände und Füße, und dann die Stirn, und sprich zu ihr: Leben meiner Seele, Vergnügen meiner Augen, beruhigt euch über euer Schicksal. Ich habe euch nicht aus einer bösen Absicht entführt, sondern einzig deßwegen, um euer getreuer Sklave zu seyn, wie meine Schwester eure gehorsame Dienerinn ist. Ich habe keine andre Absicht, als euch in allen Züchten und Ehren zu heurathen, und euch nach Bagdad zu führen, wo ich euch Sklavinnen kaufen, und eine Wohnung verschaffen will, wie es sich für euern Stand schickt. Bagdad ist ein gar schönes Land, die Bewohner desselben sind die besten Leute von der Welt.

Hassan war eben damit beschäftigt, diese Lektion Wort für Wort bey der Schönen der Schönen zu wiederholen, die ihm nichts darauf antwortete, als man an der Thür klopfte. Es waren die Prinzessinnen, welche von der Jagd zurückkehrten. Hassan gieng ihnen entgegen, und sie waren entzückt darüber, ihn bey so guter Gesundheit zu sehn. Hierauf giengen sie, eine jede in ihr Zimmer, machten ihre Toilette, und befahlen darauf, daß man den Ertrag ihrer Jagd herbeybringen sollte. Es waren Gasellen, Füchse, Hasen, Stiere und wilde Kühe ohne Zahl. Hassan schlachtete sie, und besorgte die Küche. Die Prinzessinnen schämten sich, als sie dieses sahen. Mein Bruder, sagten sie, es ist höchst unschicklich, daß wir euch so viel Unruhe machen. Hassan, von ihrer Güte gerührt, antwortete durch Thränen. – Was bedeuten diese Thränen? sagten die Prinzessinnen, und wer kann die Freude dieses Tages stören? Wollt ihr in den Schoos eurer Familie zurückkehren? So sprecht doch! Ihr seyd ja unser Bruder! – Hassan schwieg, aber die jüngste der Prinzessinnen nahm für ihn das Wort. Er ist eine Beute der Raserey der Leidenschaft, sagte sie, verzeiht ihm, wenn er weint. – Jezt drangen die Prinzessinnen in ihn, daß er ihnen seine Empfindungen vertrauen sollte. Hassan bat die jüngste, statt seiner zu reden, und dieß that sie, indem sie ihren Schwestern Hassans Abentheuer von Anfang bis zu Ende erzählte. Die Prinzessinnen begaben sich sogleich in das Kabinet, wo die Schöne der Schönen war, und küßten vor ihr die Erde. Große Prinzessinn, sagten sie zu ihr, euer Abentheuer ist sehr sonderbar, wir schwören euch bey dem großen Gott, daß wir nichts davon gewußt haben. Dieser junge Mann ist indessen eurer Güte nicht unwürdig. Aber Gott verhüte, daß er etwas verlangen sollte, was gegen eure Ehre und gegen euren Ruhm wäre. Er hat das Federngewand verbrannt, es ist also ganz unmöglich, es wieder zu bekommen. – So trösteten sie sie nach und nach, und brachten sie endlich zu dem Entschluß, den Hassan zu heurathen. Eine allgemeine Freude herrschte an dem Hochzeitstage, und Hassan, der am Ziel aller seiner Wünsche war, drückte die Empfindung seines Glücks auf folgende Weise in Versen aus:

»Aus welchem köstlichem Gemisch hat dich die Natur gebildet; die Hälfte deines Leibes ist von Rubinen, das Drittel ist von Perlen, das Fünftel von Muskus, und das Sechstel von Ambra.

Weder unter den Töchtern Evens, noch unter den Schönheiten, welche den himmlischen Wohnort bevölkern, ist eine, die mit dir verglichen werden könnte.

Willst du mich tödten, – du brauchst dich nur zu entfernen; willst du mich in's Leben zurückrufen, – nähere dich mir.

Zierde der Welt! Gegenstand meiner Wünsche! Wer kann ruhig bleiben, wenn er dir in's Gesicht blickt?«

Nun wohlan, sagten die sieben Prinzessinnen zu der Schönen der Schönen, werdet ihr uns nun noch deßhalb tadeln, daß wir euch einen Menschen hiehergebracht haben, der die Sprache der Götter so schön spricht? – So? erwiederte sie, macht er Verse? – Ja, antworteten die Prinzessinnen, er macht ihrer tausend, worin eben dieselbe Stärke des Ausdrucks herrscht, ohne daß es ihm etwas kostet. – Dieses Verdienst Hassan's gewann ihm endlich das Herz der Schönen der Schönen. Sie brachten Beyde vierzig Tage zusammen in den Genüssen zu, die das Glück einer wechselseitigen Liebe gewährt. Die sieben Prinzessinnen bemühten sich, jeden Tag in ihre Vergnügungen neue Abwechslungen zu bringen, und ihnen den Aufenthalt im Palast so angenehm zu machen, als es ihnen nur möglich war. Nach Verlauf der vierzig Tage sah Hassan im Traum seine Mutter, die ihm Vorwürfe macht, daß er sie vergessen, während sie selbst Tag und Nacht bey dem Grabmahl weine, daß sie ihm in ihrem Hause errichtet habe. Hassan wachte mit thränenden Augen auf. Als daher die sieben Prinzessinnen kamen, ihm den guten Morgen zu wünschen, so fragten sie die Schöne der Schönen, was ihrem Gemahl fehle? Ich weiß es nicht, sagte sie, aber ich will ihn darum befragen. Hassan erzählte seinen Traum, und seine Thränen flossen noch einmal so stark. Wir wollen euch nicht daran verhindern, wieder nach Hause zurück zu kehren, sagten die sieben Prinzessinnen, wenn ihr uns nur nicht vergeßt. Wir verlangen blos, daß ihr alle Jahre einmal kommt, und uns besucht. Hierauf machten sie sogleich Vorbereitungen zur Reise, und machten für Hassan's Gemahlin eine prächtige Ausstattung zurecht. Beym Schall der Trommel eilten von allen Punkten des Horizonts Pferde herbey. Die Prinzessinnen ließen sie mit Lebensmitteln und Geräthe beladen, und begleiteten die Karavane drey Tage lang, während welcher man einen Weg von drey Monaten zurücklegte.

Der Abschied war rührend, vorzüglich von Seiten der jüngsten, die über die Abreise ihres Bruders heiße Thränen weinte, und ihm zum Andenken die Trommel des Magiers gab, die er nur zu schlagen brauchte, um Pferde zu bekommen, so oft er nämlich auf den Gedanken käme, in den Palast zurückkehren zu wollen.

Hassan und seine Gemahlinn reisten Tag und Nacht über Berge und Thäler, Felder und Wüsten, bis sie bey vollkommner Gesundheit in der Stadt Basra ankamen, wo Hassan's Mutter lebte. An der Thüre hörte er, daß sie weinte, und mit trauernder Stimme seine Abwesenheit beklagte. Da kamen ihm die Thränen in die Augen, er klopfte an die Thür, seine Mutter öffnete sie, und er stürzte in ihre Arme. Nach den ersten Ergießungen der Zärtlichkeit erzählte Hassan seiner Mutter seine Abentheuer, und stellte ihr seine Gemahlinn vor. Gott sey gelobt, sagte die Mutter, der euch so glücklich und in so guter Gesellschaft zurück geführt hat. Mein Sohn, sagte sie dann zu ihm: es ist unmöglich, daß wir mit den vielen Reichthümern, die ihr mitgebracht habt, ferner in Basra leben können, wo wir als arme Leute bekannt sind, und wo wir in den Verdacht der Alchymie kommen würden. Es ist besser, wir gehn nach Bagdad, und leben dort ruhig unter dem Schatten des Schutzes des Chalifen. – Ihr habt Recht, sprach Hassan, und gieng auf der Stelle aus, um ein Fahrzeug zu miethen, auf welches er alle seine Schätze lud, und worauf er sich mit seiner ganzen Familie einschiffte.

Als Hassan zu Bagdad ankam, stieg er anfangs in einem Kahn oder Karavanserei ab. Allein den Tag darauf wandte er sich an einen Makler des Platzes, und kaufte ein großes und schönes Haus, das ehemals einem Wesir gehört hatte, und möblirte es sehr geschmackvoll aus. Hier lebte er mit seiner Gattinn drey ganzer Jahre lang sehr ruhig; sie gebar ihm während dieser Zeit zwey Kinder, wovon er das eine Nasir, und das andre Mansur nannte. Nach Verlauf dieser Zeit erinnerte er sich an seine sieben Schwestern, und fühlte eine heftige Neigung, sie wieder zu sehn. Er ließ eine Menge von Lebensmitteln und die schönsten Stoffe einkaufen, die man in der Stadt Bagdad finden konnte. Hierauf theilte er sein Reiseprojekt seiner Mutter mit. Alles, was ich euch während meiner Abwesenheit empfehle, meine Mutter, sagte er, ist, daß ihr das Federngewand meiner Frau, das ich an dem und dem Orte im Hause vergraben habe, gut bewahrt. In dem Augenblick, wo meine Frau sich dieses Gewandes bemächtigen könnte, würde sie mit ihren Kindern davon fliegen. Bewahrt es also wohl, und überhaupt darf sich meine Frau weder vor der Thür, noch am Fenster, noch auf der Terrasse sehen lassen, denn ich fürchte sogar die Luft, die ihre Kleider berührt, und ich würde mir das Leben nehmen, wenn ich das Unglück haben sollte, sie zu verlieren. – Gott behüte, erwiederte die Mutter, bin ich denn so einfältig, mein Sohn, daß du nöthig hast, mir so etwas zu empfehlen. Gehe mein Sohn, reise immerhin, du sollst deine Frau so wieder finden, wie du sie gelassen hast, aber bleibe nicht zu lange von Hause weg. – Hierauf rührte Hassan die Trommel, die Pferde erschienen, man belud sie, Hassan nahm von seiner Mutter und von seiner Gattinn Abschied, und nachdem er manches Thal und manchen Berg hinter sich gelassen, kam er am eilften Tage nach seiner Abreise in dem Palast der sieben Prinzessinnen an. Die jüngste Schwester hatte über seine Ankunft eine außerordentliche Freude. Sie behieng den ganzen Palast mit Blumenguirlanden, und drey ganzer Monate lang sah man hier nichts als Feste, Fischereyen und Jagdparthieen.

Unterdessen dachte seine Frau, die unglücklicherweise seine lezte Unterhaltung mit seiner Mutter gehört hatte, Tag und Nacht auf Mittel, ihr Federngewand wieder zu bekommen. Dank sey dem Himmel, sagte sie den Tag nach der Abreise ihres Mannes, drey Jahre lang bin ich nun schon hier, und bin noch in kein Bad gekommen, ich muß schlechterdings in's Bad gehn. – Meine Tochter, erwiederte die Schwiegermutter, wir sind hier fremd, und dein Mann ist abwesend. Es wäre unter diesen Umständen nicht klug, sich aus dem Hause zu wagen. Wir wollen hier lieber ein warmes Bad zurecht machen lassen, meine Tochter, und ich will dich selbst waschen. – O, versezte die Schöne der Schönen, selbst eine Magd würde einen solchen Vorschlag nicht verdauen, und lieber das Haus verlassen, als sich zu einer solchen Sklaverey verdammt sehen. Ihr wißt, meine Mutter, daß alle diese Besorgnisse der Männer lächerlich sind, und daß eine Frau, die sie hintergehen will, doch trotz aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen ihren Zweck erreicht. – Hierauf fieng sie an zu weinen. Da Hassan's Mutter sah, daß sie ihrer Tochter das Bad schicklicherweise nicht versagen konnte, so gab sie endlich ihre Einwilligung, und begleitete sie dahin. Alle Weiber, die gerade zu derselben Zeit auch im Bade waren, wurden von der Schönheit dieser Fremden ganz verblendet. Der Ruf ihrer Schönheit verbreitete sich bald in der ganzen Nachbarschaft, und in kurzer Zeit war das Bad voll von Weibern, die die Neugierde herbeylockte, dieses Wunder von Schönheit zu sehen. Unter ihnen befand sich auch eine Sklavinn des Chalifen, mit Namen Tohfetolavad, die gerade vorbeygieng, und als sie diese Menge Weiber an der Thür des Bades sah, ebenfalls hineingieng, um zu sehen, was es da Neues gebe. Sie näherte sich der Schönen der Schönen, und konnte die Augen gar nicht von ihr wegwenden. Diese stieg jezt aus der Badewanne, begab sich in das Ankleidezimmer, und legte ihre Kleider an, die nur dazu dienten, ihre Schönheit noch mehr zu erheben. Lob sey Gott, sagten die über ihre Schönheit ganz verduzten Weiber, Lob sey Gott, der so schöne Geschöpfe geschaffen hat.

Tohfetolavad verließ zugleich mit ihr das Badehaus, und folgte ihr, um ihre Wohnung zu erforschen, und dann beschleunigte sie ihre Schritte, um in den Palast zu ihrer Gebieterinn, der Prinzessinn Sobeide, der Gemahlinn und Cousine des Chalifen Harun Raschid zurückzukehren. Als sie hier angelangt war, küßte sie die Erde vor der Prinzessinn, und da diese sie fragte, warum sie so lange ausgeblieben sey, so ließ sie sich in eine so umständliche Beschreibung der übernatürlichen Schönheit ein, die sie so eben im Bade gesehen hätte, und die von zwey Kindern begleitet gewesen sey, deren Schönheit dem aufgehenden Mond gleiche. Ich fürchte, sagte sie zu ihr, wenn der Chalife mit dieser Schönheit Bekanntschaft macht, so wird er sie um jeden Preis besitzen wollen, und ihren Mann tödten lassen. Ihr Gemahl ist ein Kaufmann, mit Namen Hassan von Basra, und er wohnt in dem alten Palast der Wesire mit den zwey Thüren, wovon die eine nach der Stadt, die andre nach dem Flusse zugeht. – Wie? sagte Sobeide, du hältst sie also für so schön, daß sie den Chalifen dahin bringen könnte, die Gesetze der Gerechtigkeit zu verletzen, und ihrem Mann nach dem Leben zu trachten? Ist sie denn ein solches Wunder von Schönheit? ich muß sie sehen, aber ich sage dir zum voraus, daß ich dir den Kopf abschlagen lasse, wenn ich sie nicht so schön finde, als du mir sie beschrieben hast. Bedenke also wohl, was du sagst. Im Serail des Chalifen befinden sich 360 Sklavinnen, für jeden Tag im Jahr eine; behauptest du, daß unter ihnen keine einzige sey, die mit ihr an Schönheit verglichen werden könne? – Keine, antwortete die Sklavinn, sie hat ihresgleichen nicht, weder in Bagdad, noch in Dilem, noch in ganz Persien, kurz, Gott hat nichts geschaffen, das mit ihrer Schönheit wetteifern könnte.

Sobeide verlor bey diesen Worten die Geduld. Sie ließ Mesrur, den Obersten der Verschnittenen, und Vorsteher des Harems kommen. Gehe, sagte sie zu ihm, auf der Stelle in den alten Pallast der Wesire mit den zwey Thüren, wovon die eine nach der Stadt, die andre nach dem Flusse zugeht, und bringe mir die Frau vom Hause mit ihren beyden Kindern und der Alten, die bey ihr ist. – Ich verstehe und gehorche, sprach Mesrur, indem er die Erde küßte. Er gieng also nach der Wohnung Hassan's und klopfte an der Thüre an. – Wer ist da? rief es von innen heraus. – Mesrur, der Diener des Chalifen, war die Antwort. – Man öffnete die Thür, und nachdem Mesrur Hassan's Mutter gegrüßt hatte, sprach er: Die Prinzessinn Sobeide, Cassems Tochter und Gemahlin des Beherrschers der Gläubigen, Harun Raschid, des Sohn des Abbas, des Vetters des Propheten, dem Gott gnädig und barmherzig seyn wolle, befiehlt, daß ihr euch mit eurer Schwiegertochter und ihren beyden Kindern in den Palast verfügt. – Herr, antwortete Hassan's Mutter, wir sind hier fremd, mein Sohn ist verreist, und hat seiner Frau verboten, während seiner Abwesenheit auszugehen. Ich fürchte, diese Schönheit kostet meinem Sohn noch den Kopf, sagt mir doch die lautere reine Wahrheit, ich bitte euch. – Fürchtet nichts, erwiederte Mesrur, die Prinzessinn will eure Schwiegertochter blos deshalb sehn, um sich mit ihren eignen Augen zu überzeugen, daß das Gerücht nichts zu ihrer Schönheit hinzugesezt hat. Das ist nicht der erste Auftrag dieser Art, den ich erhalten habe, und ich werde euch, wenn es Gott gefällt, frisch und gesund wieder nach Hause geleiten.

Da jeder Widerstand hier vergeblich seyn würde, so kleideten sich Hassan's Mutter und ihre Schwiegertochter an, und folgten Mesrur, der sie zur Prinzessinn Sobeide führte. Entschleyert euch, sagte sie: Hassan's Gattinn schlug den Schleyer zurück, und Sobeide wurde vom Glanz ihrer Schönheit ganz verblendet. Der ganze Saal schien gleichsam von den Strahlen ihres Gesichts erleuchtet zu werden, und allen Sklavinnen verdrehte ihr Anblick den Kopf. Sobeide ließ sie neben sich auf ihr Ruhebett setzen, befahl, daß man das Gemach mit Blumenguirlanden schmücken sollte, und ließ reiche Stoffe und Perlenschnuren herbeybringen, womit sie der Schönen der Schönen ein Geschenk machte. Ihr gefallt mir, sagte sie zu ihr, und ich sehe, daß man gar nichts übertrieben hat, als man mir eure Schönheit schilderte. Aber worinn bestehen eure Talente, und in welcher Kunst zeichnet ihr euch aus? – Ich verstehe, antwortete sie, nur eine einzige, ganz sonderbare Kunst, und diese besteht darinn, daß ich tausend lustige Streiche ausführe, wenn ich mein Federngewand anlege. – Wo ist denn dieses Kleid? sagte Sobeide. – Bey meiner Mutter, antwortete die Schöne der Schönen. – Gute alte Frau, fuhr Sobeide fort, indem sie sich an Hassan's Mutter wandte, holt uns doch dieses Kleid, damit wir wissen, auf welche Weise es eure Schwiegertochter zu benutzen versteht. – Sie weiß nicht, was sie spricht, erwiederte die Alte; hat man wohl jemals von einem Kleide von Federn gehört. Nur die Vögel haben solche Kleider. – Ich schwöre es euch bey meinem Leben, sagte Hassan's Gattinn, dieses Kleid ist in unserm Hause in einem Kasten unter der Erde vergraben. – Hier, meine gute alte Frau, sprach Sobeide, indem sie Hassan's Mutter ein Halsband von Perlen um den Hals legte, das alles übertraf, was die Kaiser von Griechenland und Persien jemals an Perlen besessen haben, holt uns das Federnkleid. Hassan's Mutter schwur dagegen, daß sie niemals etwas davon gehört habe. Da gerieth Sobeide in Zorn, rief Mesrur, in Hassan's Hause das Federngewand aufzusuchen, das unter der Erde vergraben sey. Mesrur nahm den Schlüssel, um den Befehl der Prinzessinn zu vollziehen, und die Alte weinte aus Reue, daß sie jemals ihre Einwilligung dazu gegeben, daß ihre Schwiegertochter in's Bad gieng.

Mesrur brachte das Federnkleid, die Schöne der Schönen legte es an, und da sie fand, daß es ihr eben so gut paßte wie sonst, so fieng sie an, zum großen Erstaunen des Hofs, im Zimmer umherzufliegen. Hierauf nahm sie ihre beyden Kinder unter den Arm, und flog nach dem Dach des Palastes zu. Hier hielt sie auf einer Spitze des Giebels still, und fieng an, die Prinzessinn und ihre Schwiegermutter in Versen anzureden, um von ihnen Abschied zu nehmen. Wollt ihr denn nicht wieder herunter kommen? fragte Sobeide. Prinzessinn, antwortete sie, ich sage euch für eure Güte den größten Dank, und dann wandte sie sich an Hassans Mutter. Es thut mir eures Sohns wegen leid, sagte sie zu ihr, die Tage der Trennung werden ihm schwer auf's Herz drücken, aber wenn er sie verkürzen will, so braucht er nur auf die Inseln Wakwak zu kommen. Hierauf erhob sie ihren Flug, und verschwand gar bald mit ihren Kindern in den Wolken.

Hassan's Mutter zerfleischte sich das Gesicht, und wollte vor Schmerz in Ohnmacht fallen. Wenn ihr mir es vorher gesagt hättet, sprach die Prinzessinn, daß sie einen solchen Gebrauch von ihrem Kleide machen würde, so würde ich ihr es nie gegeben haben, aber wie konnte ich wissen, daß sie eine Dschinne sey. Müßt ihr mir nicht Recht geben? – Ja, erwiederte die Alte, die Schuld liegt an mir, und hierauf kehrte sie noch heftiger weinend in ihr Haus zurück, wo sie drey Gräber errichtete, bey denen sie Tag und Nacht jammerte. O mein Sohn, rief sie, dein Bild wird stets vor meinen Augen stehn, und dein Name schwebt immer auf meinen Lippen. Die Liebe, die ich für dich fühle, rinnt in meinen Gebeinen, wie der Regen auf den Zweigen der Bäume rinnt. Meine Brust ist beklemmt. Wann wird das Wiedersehn meinen Schmerz lindern? O Gott der Barmherzigkeit, habe Mitleid mit meinen Leiden.

Unterdessen schickte sich Hassan, nachdem er drey Monate bey den sieben Prinzessinnen zugebracht hatte, zur Rückkehr an. Sie beschenkten ihn mit zehn Kameellasten, wovon fünf Gold und fünf Silber enthielten, und er mußte versprechen, bald wieder zu kommen, um sie zu besuchen. Jede von den sieben Schwestern umarmte ihn, und bezeugte ihm mit ein Paar zärtlichen Worten, die sie improvisirte, wie leid ihr seine Abreise thue. Hassan antwortete ihnen auf gleiche Weise:

»Meine Thränen fließen in Strömen am Tage der Abreise. Es sind Perlen, und ich biete euch ganze Halsbänder davon an. Wie soll ich mich den Armen der Freundschaft entreißen, ich habe nicht die Kraft, fest in den Steigbügeln zu sitzen, und die Zügel zu lenken. Mein Körper reist ab, mein Geist bleibt hier. Bey Gott! bey Gott! Von dem, was man liebt, getrennt zu werden, das heißt die Seele vom Körper getrennt sehen.«

Hassan kam glücklich zu Bagdad in seinem Hause an. Aber er hatte Mühe, seine Mutter wieder zu erkennen. Vom vielen Fasten, Wachen und Weinen ganz ausgemergelt, war sie so klein geworden, wie ein Zahnstocher. Wo ist meine Frau, und wo sind meine Kinder? fragte Hassan. Die Mutter antwortete nur durch Schluchzen; Hassan durchsuchte sogleich das ganze Haus, und da er an die Stelle kam, wo der Kasten vergraben gewesen war, sähe er, daß er nicht mehr da war. Da überblickte er auf einmal den ganzen Umfang seines Elends; ganz sinnlos rannte er wie ein Unsinniger mit dem Degen in der Hand auf seine Mutter los, und drohte, sie auf der Stelle zu durchbohren, wenn sie ihm nicht die Wahrheit gestände. Die Alte erzählte hierauf alles, was vorgefallen war, von dem Besuche des Bades an bis auf die lezten Worte der Schönen der Schönen, als sie auf der Giebelspitze des Pallastes ihren Gemahl auf die Inseln Wakwak bestellte.

Hassan stieß hierauf einen schrecklichen Schrey aus, und fiel in eine Ohnmacht, die bis zum Untergang der Sonne dauerte. Da kam er wieder zu sich, und kroch und wandte sich auf der Erde wie eine Schlange. Gegen Mitternacht wurde er ein wenig ruhiger. Siehe, siehe, rief er, wohin mich deine Flucht gebracht hat! Kennst du die Quaalen der Trennung? Weißt du, daß sie schlimmer sind als der Tod, der nur ein Kinderspiel in Vergleichung mit meinen Leiden ist? Hierauf fieng er noch einmal an, das Haus wie ein Unsinniger zu durchstreifen, und so fuhr er fünf Tage hintereinander fort, ohne daß seine Mutter ihn dahin bringen konnte, die geringste Nahrung zu sich zu nehmen. Kein Schlaf kam in seine Augen, allein wenn von Zeit zu Zeit die Ermattung ihm die Augenlieder schloß, glaubte er seine Gemahlinn traurig und weinend, wie er selbst, vor sich zu sehn. Ach, rief er dann, dein Bild verläßt mich nicht einen Augenblick. Es bleibt in meinem Herzen, und wenn ich die Augen schließe, so thue ich es nur, um dich zu sehn.

Mit vieler Mühe brachte ihn seine Mutter jezt dahin, daß er etwas Nahrung zu sich nahm, aber er brachte über einen Monat in einer Art von Geistesverwirrung zu. Erst nach Verlauf eines Monats entflammte die Idee, daß er seine Schwestern besuchen müsse, wie ein Blitzstrahl seine Seele. Er rührte die Trommel, die Pferde eilten herbey, und er machte sich auf den Weg, indem er seiner Mutter das Haus empfahl, aus welchem er alles wegnahm, was er seit seiner Verheurathung dahin gebracht hatte. Glücklich kam er in dem Palast des Wolken Gebürges an, und seine Schwestern konnten es ihm gar nicht lebhaft genug ausdrücken, wie sehr sie entzückt waren, ihn sobald wieder zu sehen. Ach, sagte er, ich bin krank, recht sehr krank, und gehe zu dem einzigen Arzt, der mich heilen kann. Ich wende mich an euch, um Nachricht von derjenigen zu bekommen, die ich liebe. Ich wende mich an die Winde, ich frage sie, ob sie mir nicht ihren Duft zuwehen können.

Indem er diese Worte improvisirte, stieß er einen lauten Schrey aus, und fiel zur Erde nieder. Die Prinzessinnen standen um ihn herum und weinten. Siebenmal versuchte er, aufzustehen, indem er die Quaalen seiner Leidenschaft in Versen aushauchte; siebenmal fiel er wieder auf die Erde. Endlich öffnete er nach einer langen Ohnmacht die Augen, und heftete sie auf seine sieben Schwestern, die ihn wieder zum Bewußtseyn gebracht hatten, indem sie ihn nicht nur mit Rosenwasser, sondern auch mit ihren Thränen benezten. Er erzählte ihnen seine Geschichte. Sie sahen sich lange stillschweigend untereinander an, und ließen die Köpfchen hängen. Endlich sagten sie alle zugleich: Erhebt eure Hand gen Himmel, denn weit leichter wird es euch seyn, in den Himmel hinaufzusteigen, als an den Ort zu kommen, wo sich eure Gattinn gegenwärtig aufhält. – Bey diesen Worten rannen Hassans Thränen wie ein Waldstrom, bis alle seine Kleider davon benezt waren.

Die sieben Schwestern wurden dadurch so gerührt, daß sie selbst jemanden bedurften, der sie tröstete. Beruhige dich, sagte die jüngste der Prinzesinnen zu Hassan. Schaffe dir einen Vorrath von Geduld an. Du kennst das Sprüchwort, welches sagt, daß Geduld der Schlüssel zum Trost ist. Fasse Muth, trockne deine Thränen, und bleibe bey uns, bis du wieder etwas ruhig bist. Ich will dann zusehn, was ich thun kann, um dich mit deiner Gattinn und deinen Kindern wieder zu vereinigen.

Hassan weinte indessen immer fort, und seine Schwester bemühte sich jezt, durch Liebkosungen und gute Worte seinen Schmerz zu lindern. Allein es gelang ihr nicht, sie fühlte sich selbst zu sehr von allen diesen Scenen angegriffen, um länger bey ihrem Bruder bleiben zu können; sie entfernte sich also, und gieng in das Gemach ihrer Schwestern. Sie beschwor sie, mit ihr auf Mittel zu denken, wie ihr Bruder den Weg nach den Inseln Wakwak finden könnte, und alle versprachen ihr, das Unmögliche zu versuchen. Allein mehr als ein Jahr verfloß, ohne daß sie ein Mittel fanden, dem Hassan zu helfen, der indeß unaufhörlich fortweinte.

Die sieben Schwestern hatten einen Onkel von väterlicher Seite, der sie regelmäßig jedes Jahr einmal besuchte. Sein Name war Abdol-Rodus, und die älteste unter den sieben Schwestern war vorzugsweise seine Favorite. Das lezte Mal, als er seinen Besuch machte, hatte er ihr einen mit Weihrauch angefüllten Beutel gegeben, und dabey gesagt, daß sie nur ein wenig von diesem Weihrauch in's Feuer zu werfen brauche, wenn sie sich in einem Fall befände, wo sie Beystand nöthig zu haben glaubte. Erst nachdem sich die Prinzessinnen in Planen und Projekten ganz erschöpft hatten, gerieth die älteste von ihnen auf die Idee, daß ihr Onkel vielleicht den armen Hassan aus seiner Verlegenheit reissen könne. Sie warf Weihrauch in's Feuer, und rief dabey ihren Onkel. Sogleich sah sie von fern eine Staubwolke sich erheben, und bald darauf erschien Abdol-Rodus, der auf einem weißen Elephanten ritt. So eben, sagte er, habe ich den Duft des Weihrauchs gerochen, den ich euch gegeben habe. Was ist zu euren Diensten, meine Nichte? Die Älteste erzählte ihm hierauf Hassan's Geschichte, den er schon von einer vortheilhaften Seite kannte, denn seine Nichte hatte ihm früher einmal erzählt, wie er den Magier getödtet habe.

Abdol-Rodus neigte das Haupt zur Erde, zeichnete mit seinen Fingern einige Figuren auf den Boden, und nachdem er lange Zeit geschwiegen hatte, sagte er: Euer Liebling quält sich vergeblich, es ist unmöglich, daß er auf die Inseln Wakwak komme. – Als die sieben Schwestern diese Worte hörten, riefen sie Hassan herbey. Höret, sagten sie zu ihm, was euch unser Onkel räth. – Mein Kind, sprach Abdol-Rodus zu Hassan, quält euch nicht mehr vergeblich. Es ist ganz unmöglich, daß ihr auf die Inseln Wakwak kommt, und wenn die fliegende Kavallerie der Dschinnen und die sieben Planeten euch zu Befehle ständen. Es ist unmöglich, sage ich euch. Zwischen euch und diesen Inseln sind sieben Thäler, sieben Meere und sieben Berge. Wie wollt ihr diese passiren? Gebt euren Vorsatz auf, und geht wieder nach Hause, das ist klüger. – Bey diesen Worten stieß Hassan einen lauten Schrey aus, und fiel in Ohnmacht. Die sieben Schwestern schluchzten laut, und die jüngste zerriß ihre Kleider, und gab sich Ohrfeigen. Diese Scene rührte den alten Onkel, er empfand Mitleid mit seinen Nichten und mit Hassan. – Still mit dem Wehklagen, sagte er, faßt wieder Muth, Hassan, mit Gottes Hülfe will ich eurer Sache eine bessere Wendung geben. Steht auf und folgt mir. Hassan stand wie neugestärkt mit frischen Kräften auf. Abdol-Rodus ließ ihn hinter sich auf den Elephanten sitzen, der drey Tage und drey Nächte lang mit der Schnelligkeit des Blitzes forteilte. So kamen sie an einen blauen Berg, wo alle Gegenstände in der Runde herum blau waren. Mitten in diesem Berge war eine Grotte, deren Eingang eine Thür von blauem Stahle verschloß. Der Scheikh Abdol-Rodus klopfte an dieser Thür an. Sie öffnete sich, und es kam ein Sklave von einer schwarzblauen Farbe heraus, der in der einen Hand einen blau angelaufenen Damaszenerdegen, und in der andern ein Schild von derselben Farbe hielt. Der Scheikh schlug ihm mit unglaublicher Geschwindigkeit seine Waffen aus der Hand, und trat mit Hassan in die Grotte, deren Thür der Sklave hinter ihnen wieder zuschloß. Hierauf giengen sie etwa eine Meile in einem sehr geräumigen Gange fort, an dessen Ende sie auf zwey große bronzene Thüren traten. Abdol-Rodus öffnete die eine, und sagte zu Hassan, er möchte so lange auf der Schwelle sitzen bleiben, bis er wieder käme. Eine Stunde darauf kehrte der Scheikh mit einem schwarzen und mit Sattel und Zeug versehenen Pferde zurück, welches Hassan besteigen mußte. Hierauf öffnete er eine zweyte Thür, und holte ein ähnliches Reitpferd für sich selbst heraus. Jezt, sagte der Scheikh, als sie wieder außerhalb der Grotte waren, jezt mein Kind, nehmt dieses Buch in die Hand, und reitet, wohin euer Pferd euch trägt. Es wird vor einer Grotte stille bleiben, die dieser Grotte ähnlich ist; steigt dann vom Pferde, bindet die Zügel an den Sattelknopf, und laßt es allein in die Grotte hineingehn. Nach Verlauf von fünf Tagen wird ein schwarzer Greis herauskommen, der ganz schwarz gekleidet, und überall schwarz ist, ausgenommen an seinem langen weißen Barte, der ihm bis auf die Knie herabhängt. Küßt ihm die Hände, legt den Saum seines Kleides auf euer Haupt, und bemüht euch, ihn für euch einzunehmen, denn er allein kann euch helfen. Gebt ihm dieses Buch, er wird es nehmen, ohne ein Wort zu sagen, und in die Grotte zurückkehren. Wartet dann auf ihn an der Thür wieder fünf Tage, ohne die Geduld zu verlieren. Sollte aber während dieser Zeit einer von seinen Sklaven herauskommen, so seyd auf eurer Huth, denn er wird kommen, um euch zu tödten. Es ist eine gefährliche Unternehmung, mein Kind, ich sage es euch zum voraus, und ihr thätet vielleicht besser, wenn ihr zu meinen Nichten zurückkehrtet, die sich bemühen werden, euch zu trösten.

Hassan antwortete auf diese Vorstellungen mit einer Tirade in Versen, deren Inhalt darauf hinauslief, daß er sich lieber tausendmal in Todesgefahr begeben, als noch länger die Quaalen der Trennung tragen wolle. Als der Scheikh sah, daß es unmöglich war, den jungen Hassan von seinem Vorsatz abzubringen, so fuhr er auf folgende Weise fort, ihn zu belehren.

Die Inseln, welche Wakwak heißen, mein Kind, sind sieben Inseln, welche von Amazonen, Dschinnen und Dämonen aller Art bewohnt werden. Noch Niemand ist von diesen Inseln wieder zurückgekommen, deshalb beschwöre ich dich noch einmal, mein Kind, kehre wieder nach Hause zurück. Deine Gattinn ist die Tochter es Königs dieser sieben Inseln. Welche Wahrscheinlichkeit ist nun aber wohl da, daß du sie jemals ihrem sie bewachenden Vater entreißen wirst? Nein, mein Kind, gieb diesen Vorsatz auf, Gott wird dir vielleicht einen andern Trost in dieser Welt bereiten. – Ich kann nicht, versezte Hassan, ich kann meiner Frau und meinen Kindern nicht entsagen, und sollte ich in tausend Kochstückchen gehackt werden. – So seyd ihr also fest entschlossen, abzureisen? fragte Abdol-Rodus. – Ja, antwortete Hassan, und ich empfehle mich blos eurem Gebet. – Hierauf improvisirte er folgendermaßen:

»O du, meine Gattinn, du bist das Ziel aller meiner Wünsche und aller meiner Anstrengungen. Du bleibst beständig in meinem Herzen, und doch bist du weit entfernt von mir. Ach, durch deine Liebe reich, bin ich doch so arm und so sehr zu beklagen. Die Nacht bringe ich damit zu, daß ich die Sterne zähle und weide, wie der Hirt seine Heerde zählt. O Wind, wenn du von ungefähr bey ihr vorübergehst, bringe ihr meine Seufzer, und schildre ihr den Kummer, der mich verzehrt.«

Mein Kind, sprach der Scheikh, habt ihr nicht eine Mutter, die um euch weint, so lange ihr abwesend seyd? Kehrt zu ihr zurück, um sie zu trösten. – Ach, ich kann ohne meine Gemahlinn nicht zu ihr zurückkehren, rief Hassan mit einer Stimme, die durch Mark und Bein drang. – Nun wenn dem also ist, sprach der Scheikh, so geht in Gottes Namen. Hier ist das Buch, das ich euch gleichsam als Adresse an Ali, den Vater der Federn, mitgebe, der mein alter Freund und Herr ist, und dem alle Dschinnen aus Furcht und Hochachtung gehorchen. – Hassan nahm hierauf von Abdol-Rodus Abschied, und ließ 10 ganzer Tage lang sein Pferd gehn, wohin es wollte. Endlich kam er an ein großes schwarzes Gebürg, das sich von Osten nach Westen zog. Als er sich diesem Gebürge näherte, fieng sein Pferd an zu wiehern, und sogleich eilten von allen Seiten junge Schwarze ohne Zahl herbey, die das Ansehn hatten, als ob sie seinem Pferde den Weg vertreten wollten. Hassan fürchtete sich vor ihnen, allein er sezte seinen Ritt bis an die Thür der Grotte fort, die ihm der Scheikh Abdol-Rodus bezeichnet hatte. Hier stieg er ab, band die Zügel des Pferdes an den Sattelknopf, ließ das Pferd in die Grotte hineingehn, und sezte sich auf die Thürschwelle, wie der Scheikh ihm befohlen hatte. Fünf Tage blieb er so in den tiefsten Gram versunken sitzen, und improvisirte von Zeit zu Zeit:

»Wie soll ich die Wunden meines Herzens heilen, wenn es entflieht? wie soll ich meine Augen schließen, wenn unaufhörlich Thränenströme aus ihnen herabrinnen? Trennung! Traurigkeit! Sehnsucht! Entfernung vom Vaterland und allem, was man liebt! Wie kann ich so vielen Leiden widerstehen, die mich auf einmal niederdrücken?«

So hauchte Hassan die Thöne seines Schmerzens aus, als der Scheikh Ali, der Vater der Federn, der Sohn des Balkis, aus der Grotte kam. Er war von Kopf bis zu den Füßen ganz schwarz, ausgenommen sein langer weißer Bart. Hassan warf sich zu seinen Füßen, und überlieferte ihm das Buch, welches Abdol-Rodus ihm gegeben hatte. Der Vater der Federn nahm das Buch, ohne ein Wort zu sagen, und gieng wieder in die Grotte. Hassan weinte während der folgenden fünf Tage noch heftiger als jemals. Er sagte:

»Meine Augen gleichen den Quellen von Flüssen; die Quelle der Thränen ist für mich das Wasser der Jugend.

Die Vögel, gerührt durch meinen Schmerz, weinen mit mir, die wilden Thiere, die Wolken des Himmels weinen. Ich weine, wenn die Sonne hinter diesen Sandhügeln hinabsinkt, und wenn sie aufgeht, sehe ich im Thau der Morgenröthe meine Thränen.«

Siehe, da kam am Morgen des sechsten Tages der Scheikh, der Vater der Federn, aus der Grotte zurück, aber dießmal war er ganz weiß gekleidet. Er gab dem Hassan ein Zeichen, daß er ihm folgen sollte, und dieser folgte ihm vor Freude weinend nach. Nachdem sie bis gegen Mittag hingegangen waren, kamen sie an eine große gewölbte Vorhalle, wo der Scheikh eine stählerne Thür öffnete. Sie führte zu einer Gallerie, deren Fußboden aus Steinen von verschiedenen Farben bestand, und aus dieser Gallerie kamen sie auf einen Platz, der wie ein Garten mit allen Arten von Bäumen bepflanzt war, auf welchem verschiedene Vögel nisteten. In den vier Ecken dieses ungeheuren Platzes standen vier Pavillons, und in jedem Pavillon war ein Wasserbassin, in dessen Mitte ein goldener Löwe lag. Neben jedem Bassin war ein Sopha, auf welchem ein ehrwürdiger Greis saß, vor welchem sich ein ungeheurer Haufe Bücher mit einem goldenen Weihrauchfasse befand. Neben jedem dieser Greise war eine Anzahl Scheikhs, die in diesen Büchern lasen. Als der Vater der Federn hereintrat, stand die ganze Gesellschaft auf, um ihn zu begrüßen. Die vier Greise auf den vier Sopha's kamen, und sezten sich neben ihn, und als sie alle saßen, befahl der Vater der Federn dem Hassan, daß er dieser Versammlung von Weisen seine Geschichte erzählen sollte. Hassan weinte anfangs sehr, aber endlich hemmte er den Strom seiner Thränen, und erzählte seine Abentheuer von Anfange bis zu Ende. Die Scheikhs unterbrachen ihn nicht, aber als er mit seiner Erzählung fertig war, riefen sie alle auf einmal: Ach, das ist der junge Mann, der den Händen des Magiers Behram entgangen ist, und sich von dem Wolkengebürge gerettet hat, wo er sehr sonderbare Dinge gesehen haben muß. – So erzählt ihnen denn also, sagte der Vater der Federn, was ihr dort sonderbares gesehen habt. – Hierauf verbreitete sich Hassan sehr umständlich über sein Abentheuer auf dem Wolkengebürge zur großen Zufriedenheit der ganzen Versammlung. Als er mit seiner Erzählung zu Ende war, sagten die Scheikhs zum Vater der Federn: Verehrungswürdiger Vater, dieser junge Mann verdient Mitleiden, und vielleicht können wir etwas zur Befreiung seiner Gattinn beytragen. – Meine verehrungswürdigen Brüder, erwiederte der Vater der Federn, das ist eine große Sache, und ihr wißt besser, als ich, wie schwer es ist, an den Inseln Wakwak zu landen, und wie noch weit schwerer es ist, wieder von diesen Inseln weg zu kommen. Ihr kennt die Macht der Dämonen und Dschinnen, die sie bewachen. Wie soll Hassan bis zur ältesten Tochter ihres großen Königs durchdringen können? – Verehrungswürdiger Vater, erwiederten die Scheichs, dieser junge Mann ist durch euren Bruder Abdol-Rodus an euch empfohlen und ihr könnt nicht wohl umhin seiner Empfehlung Ehre zu machen. – Hassan warf sich zu seinen Füßen, legte den Saum seines Kleides auf sein Haupt und beschwur den Scheich, ihn mit seiner Gemahlinn und seinen Kindern wieder zu vereinigen. Alle Scheichs unterstüzten seine Bitten und baten den Vater der Federn, mit diesem armen jungen Menschen Mitleiden zu haben. – Ach, sagte der Vater der Federn, er weiß nicht, was er verlangt, der arme Hassan, aber kurz, ich will ihn unterstützen, so sehr ich kann. – Hassan küßte ihm und der ganzen Gesellschaft voller Freuden die Hände. Der Vater der Federn forderte hierauf Papier, Feder und Dinte, schrieb einen Brief, und händigte ihn dem jungen Hassan nebst einem Weihrauchfaß und Weihrauch ein. Wenn ihr, sagte er zu ihm, wenn ihr einmal in einer dringenden Noth seyd, so werft von diesem Weihrauch etwas ins Feuer und ruft mich, damit ich euch von der Gefahr, die euch droht, befreye. – Zu gleicher Zeit ließ er einen von den Isrits oder fliegenden Dschinnen rufen. Wie nennst du dich? fragte er ihn – Dehensch ben Faktas, war die Antwort. – Komm hieher. – Der Isrit neigte sein Ohr zum Munde des Scheichs, und dieser sagte ihm heimlich ein paar Worte. Der Isrit antwortete durch ein Kopfnicken. – Steigt, sagte jezt der Vater der Federn zu Hassan, steigt auf seinen Rücken, er wird euch bis in die Wolken hinauf tragen, aber hütet euch wohl, wenn ihr die Engel singen hört, in ihren Gesang mit einzustimmen. Ihr wärt in diesem Fall alle beyde unwiederbringlich verloren. Nein, sagte Hassan, ich will kein Wort sagen, sie können so viel singen, als sie wollen. – Am zweyten Tag, fuhr der Scheich der Federn fort, wird euch der Isrit in einem Lande absetzen, das weiß wie Kampher ist. Wenn ihr hier zehn Tage lang allein werdet fortgewandert seyn, so werdet ihr an die Thore einer Stadt kommen. Geht hinein, fragt nach dem König, händiget ihm diesen Brief ein, und thut was er euch sagen wird.

Hassan küßte dem Vater der Federn hierauf noch einmal die Hand, nahm von den versammelten Weisen Abschied, dankte ihnen für ihre Güte, und erhob sich dann auf dem Rücken des Isrit in die Lüfte. Dieser trug ihn in die Region der Wolken, wo er die Lobgesänge der Engel hörte, und den Tag darauf sezte er ihn in dem Lande ab, das weiß wie Kampher war. Von hier kam er nach einem 10tägigen Marsche an die Stadt, deren Könige er das Empfehlungsschreiben einhändigte, indem er die Erde zu seinen Füßen küßte. Führt diesen Fremdling in den Palast und bewirthet ihn gut, befahl der König, nachdem er den Brief gelesen, und über den Inhalt desselben nachgedacht hatte.

So wurde Hassan 3 Tage und 3 Nächte lang im Palaste vortrefflich bewirthet, und am vierten wieder zu dem Könige geführt. Mein Kind, sagte dieser zu ihm, wie mir der ehrwürdige Scheich, der Vater der Federn schreibt, so willst du in die Inseln dringen, die man die Inseln Wakwak nennt. Das erfodert manche Überlegung und Vorbereitung. Ich bin der König des Kampherlandes, und habe über unzählige Armeen zu befehlen, die mehr als einmal vergeblich versucht haben, an den Wakwak-Inseln zu landen. Indessen will ich, mein Kind, in Hinsicht auf die Empfehlung des Scheichs der Scheichs, des ehrwürdigen Vaters der Federn, das Unmögliche möglich zu machen suchen. Ich muß mich wohl gegen seine Wünsche gefällig bezeigen. In wenig Tagen werden hier Schiffe von den Inseln Wakwak ankommen. Wenn man dich fragt, wer du seyst, so gieb dich nur für meinen Schwiegersohn aus. Wenn du in den Wakwak-Inseln angelangt bist, wirst du das ganze Land mit Hütten oder Butiken bedeckt sehen. Setze dich in eine von diesen Butiken und warte bis es Nacht wird. Um diese Zeit werden die Amazonen kommen, denen diese Butiken gehören. Alles hängt nun davon ab, ob diejenige, die die Besitzerin der Butike ist, die du dir gerade ausgesucht hast, günstig gegen dich gesinnt ist, und sich dir gefällig bezeigt oder nicht. Im erstem Fall kann sie dich zu deiner Gemahlinn führen, und versteht sie sich nicht gutwillig dazu, so läufst du die größte Gefahr, bey dieser Unternehmung umzukommen und ich rathe dir, mein Kind, lieber jezt noch umzukehren, als dein Leben auf diese Weise aufs Spiel zu setzen. Dies ist alles, was ich für dich thun kann, das übrige steht in Gottes Hand, und ich empfehle dich seinem Schutze.

Es dauerte noch zwey Monate, ehe die Schiffe von den Wakwak-Inseln ankommen konnten, welche alle Jahre nur einmal zu kommen pflegten. Während dieser zwey Monate wurde Hassan als Gast des Königs prächtig bewirthet. Endlich kamen die Schiffe an. Sie waren mit einer großen Anzahl Menschen angefüllt, und legten sich in einer ziemlichen Entfernung vom Land vor Anker. Feluken waren damit beschäftigt, die Kaufmannswaaren nach der Stadt zu bringen und dagegen andre an Bord zu nehmen. Der König ließ einen der Schiffs-Kapitäne zu sich kommen, und bat ihn insgeheim, daß er doch diesen jungen Mann, seinen Schwiegersohn mit sich nehmen möchte, der sehr begierig sey, die Wakwak Inseln zu sehen. Der Schiffskapitän versprach es, und der König schärfte dem jungen Hassan noch einmal ein, daß er sein Geheimniß wohl bewahren möchte, wenn er nicht unwiederbringlich verloren seyn wolle. Hassan dankte dem König für seine Güte, und wurde in einem Kasten eingeschifft.

Nach einer Schiffahrt von zehn Tagen wurde Hassan ausgeschifft, und sezte sich in eine von den Butiken, mit denen er das ganze Land bedeckt sah. Gegen Abend hörte er ein großes Geräusch, wie wenn eine ganze Armee auf dem Marsche begriffen wäre. Und in der That war es eine Armee von Weibern, die alle mit smaragdenen Kürassen bewaffnet waren. Hassan warf sich derjenigen, die in die Butike trat, welche er sich ausgesucht hatte, zu Füßen, und benezte den Saum ihres Kleides mit seinen Thränen. Dame dieser Insel, sprach er, habt Mitleid mit einem Unglücklichen, der den Armen seines Weibes und seiner Kinder entrissen ist. Habt Mitleiden mit mir. Ihr werdet euch dadurch den Himmel verdienen. Wolltet ihr mich tödten, so würdet ihr nichts damit gewinnen als die Strafen der Hölle. Ich beschwöre euch bey dem großen Gott mich hier zu verstecken. – Die Amazone, die wie alle ihre Gefährtinnen in den smaragdenen Kürassen sich zu gleicher Zeit mit Krieg und Handel beschäftigte, wurde durch Hassans Thränen gerührt. Laßt nur eure Augen sich freuen und euer Herz sich beruhigen, sprach sie, haltet euch diese Nacht hier verborgen, morgen will ich zusehen, was bey der Sache zu thun ist.

Hassan brachte den ganzen folgenden Tag in der Butike mit Weinen zu. Gegen Abend brachte ihm die Dame einen Küraß, ein Schwerdt, eine Lanze und einen Helm, aber sie entfernte sich sogleich wieder. Hassan bewaffnete sich und blieb nun, nicht ohne den Namen Gottes oft anzurufen, in Erwartung der Dinge, die da kommen sollten. Auf einmal sah er Fackeln und Leuchten, die vor einer auf dem Marsch begriffenen Armee hergingen. Er mischte sich unter sie als wenn er dazu gehörte, und gegen Anbruch des Tages kam er im Lager an. Er versuchte an dem ihm angegebenen Zeichen, das Zelt der handelnden Amazone heraus zu finden, die ihn in ihrer Butike aufgenommen hatte und als er es ausfindig gemacht hatte, trat er hinein. Seine kriegerische Freundinn war schon da und beschäftigte sich eben damit, ihre Waffen abzulegen. Bis jezt hatte Hassan sie nur mit dem Helm auf dem Kopfe und herabgelassenem Visir gesehen. Als sie jezt das Visir aufhob wurde Hassan auf eine unangenehme Art überrascht, als er eine Alte vor sich sah, die ein Ungeheuer von Häßlichkeit war. Wie bist du hieher gekommen? fragte sie ihn. Hassan warf sich ihr zu Füßen, und um nicht genöthigt zu seyn ihr Gesicht zu sehen, bedeckte er das seinige mit dem untern Theil ihres Kleides, und flehte sie um Mitleiden an. Die Alte wurde durch sein demüthiges Betragen gerührt, und erlaubte ihm, ihr seine Geschichte zu erzählen, und er erzählte sie von Anfang bis zu Ende, ohne den kleinsten Umstand auszulassen. Tröstet euch, sagte sie, ihr seyd am Ziel eurer Wünsche. Ich will jezt die nöthigen Befehle ertheilen, versteckt euch indeß. – Hierauf klatschte die Alte in die Hände, die Ordonanzen erschienen und sie machte ihnen den Befehl bekannt, daß die ganze Armee sich an einen gewissen Ort hinbegeben solle, den sie ihr zum Versammlungsplatz bestimme. – Hassan sah aus diesem Befehle, daß sein gutes Glück ihn zur Oberbefehlshaberinn der Armee geführt hatte. Die Generalinn Schewahi ließ sich hierauf noch einmal Hassans Geschichte erzählen, und ermahnte ihn dabey, nichts zu sagen, was nicht reine und lautere Wahrheit sey. Hassan gehorchte und wiederholte die Erzählung seiner Abentheuer gerade so, wie er sie schon das erste Mal erzählt hatte. Gott sey gelobt, sagte sie, daß euer gutes Glück euch gerade zu mir und nicht zu einer andern geführt hat. Ihr wärt unwiederbringlich verloren gewesen. Ich sehe, daß ihr eure Frau und Kinder von Herzen liebt, und diese Treue und Anhänglichkeit hat euch gerettet, denn nur ihr habt ihr es zu verdanken, daß ihr Gnade vor meinen Augen gefunden habt. Aber eure Gemahlinn, mein Kind, befindet sich auf der siebenten Insel, die die größte ist und vorzugsweise Wakwak heißt. Sieben Monate braucht man um von hier dorthin zu kommen. Das erste Land, wohin ihr auf dieser Reise kommt, ist das sogenannte Land der Vögel, wo man vor dem Geräusch, welches die Vögel mit ihrem Gesang und dem Schlagen ihrer Flügel machen, sein eigenes Wort nicht hört. Wenn ihr eilf Tage mit der Reise durch dieses Land zugebracht habt, so kommt ihr in das Land der Thiere, ein furchtbarer Aufenthaltsort, wegen des Brüllens und Geschreys der wilden Thiere aller Art. Man reist hier 20 Tage lang, ehe man in das Land der Dschinnen kommt. Hier hört man nichts als ein schreckliches Geheul, man sieht hier nichts als Irrlichter und Rauchwolken, die dem Reisenden auf allen Seiten den Weg versperren zu wollen scheinen. Um hier durch zu kommen, bleibt ihm kein anderes Mittel übrig, als seinem Pferde die Augen zu verbinden, den Kopf auf den Sattel hängen zu lassen, und so drey Tage lang in vollem Gallop fort zu reiten. Dann kommt er an das Ufer eines großen Flusses, dessen Strom geradezu nach der Insel Wakwak führt. Diese Insel hat ihren Namen von einem Baum, welcher Früchte trägt, die Menschenköpfen gleichen. Allemal wenn die Sonne aufgeht, rufen diese Köpfe Wakwak! Gelobt sey Gott, der Urheber von allem diesem Triktrak! An diesem Geschrey merken wir allemal, wenn die Sonne aufgegangen ist. Gerade so ist es auch beym Untergang der Sonne. Übrigens sind die Bewohner dieser Insel wie hier, Weiber, die keine Männer unter sich dulden. Sie gehorchen dem großen König der Dschinnen, der über eine zahllose Armee von Dschinnen, Dämonen, Teufeln und Poltergeistern aller Art zu befehlen hat. Jezt überlegt, ob ihr nicht besser thätet, wenn ihr wieder umkehrtet, wie ihr gekommen seyd; aber wenn ihr nun einmal schlechterdings auf eurem Vorsatz beharrt, so will ich euch, so viel ich kann und vermag, beystehn, damit ihr euren Zweck erreicht, wenn es Gott gefällt. – Ach, sagte Hassan, da ist gar nichts zu bedenken, ich muß schlechterdings meine Gattinn wiedersehn. Und hierauf bedeckte er die Hände und Füße der alten Generalinn mit seinen Thränen und Küssen.

Den Tag darauf war alles zu seiner Abreise bereit, und die Mutter der Häßlichkeit machte sich mit ihm auf den Weg. Sie kamen auf die erste Insel, welches die Insel der Vögel war. Hassan wollte rasend werden über das Geräusch, das diese vielen Vögel mit ihrem Gesange und dem Schlagen ihrer Flügel machten. Er war ganz blaß vor Schrecken. Was wird es erst in der Insel der Thiere werden, sagte die Mutter der Häßlichkeit, wenn die Vögel euch schon ein solches Schrecken einjagen. Indessen kamen sie doch glücklich durch das Land der Thiere und das Land der Dschinnen, und langten glücklich am Ufer des Flusses an, wo die Mutter der Häßlichkeit für Hassan eine prächtige Butike oder Hütte errichten ließ, die aus Elfenbein bestand, und mit Gold und Perlen ausgelegt war. Diese Gegend war es, die die Generalinn der Armee zum Versammlungsplatz bestimmt hatte. Die Amazonen trafen in großer Anzahl ein, um sich zu baden, und da sie den jungen Hassan für eine Prinzessinn hielten, so legten sie ohne alle Umstände ihre Kleider ab, um sich im Flusse zu baden. Die Mutter der Häßlichkeit ließ den Armeebefehl bekannt machen, daß die ganze Armee sich baden sollte, indem sie hoffte, daß Hassans Gemahlinn sich vielleicht mit unter denen befinden möchte, welche sich badeten. Welche Schönheiten zeigten sich hier nicht Hassans Augen, allein er war gegen alles dieses unempfindlich, denn seine Gattinn war nicht dabey. Indessen glaubte er auf einen Augenblick, sie in einer Dame zu erkennen, die sich, begleitet von zehn Kammerfrauen und dreyßig Sklavinnen, dem Ufer des Flusses näherte. Diese Begleiterinnen trugen Kleider von einem bewundernswürdigen Gewebe, das ganz eine Arbeit der Dschinnen war. Ach, rief Hassan, wie lebhaft erinnert mich doch dieß alles an die zehn Vögel, die sich im Palast meiner Schwestern badeten. Sollte es nicht vielleicht zufälliger Weise eure Gemahlinn seyn? fragte die Mutter der Häßlichkeit. Ach nein, Madame, antwortete Hassan, unter allen diesen Schönheiten ist nicht eine einzige, die es verdiente, mit ihr verglichen zu werden. Aber so gebt mir doch Kennzeichen an, woran ich sie erkennen kann, fuhr die Alte fort. Da ich die Oberbefehlshaberinn der Wakwak-Inseln bin, so kenne ich alle Weiber und Mädchen, die hier sind, und ich muß doch endlich wohl eure Gemahlinn unter ihnen herausfinden. – Meine Gemahlinn, erwiederte Hassan, hat eine sehr zarte Taille, runde Wangen, einen erhabenen Busen, schwarze Haare, weiße Zähne, eine sanfte Stimme, ein Muttermaal auf der rechten Wange, und einen Fleck über dem Nabel. Ihr Gesicht strahlt wie der Vollmond, ihr Mund ist klein und lieblich, und klein und lieblich ist auch noch ihre – Basta! unterbrach ihn hier die Mutter der Häßlichkeit. Seyd ihr noch nicht mit ihrem Signalement fertig? – Ach, ich würde nie fertig werden, erwiederte Hassan, wenn ich alle ihre Schönheiten und geheimen Reize schildern wollte. Klein und lieblich ist auch noch ihr Fuß, aber ihr Hals ist lang, ihr Gesicht lächelnd, ihr Teint hat die Farbe der Anemone, ihre Brüste haben die Gestalt von Orangen, und gleichen an Farbe und Dichtheit einem blanc manger. Salomo's Siegel ist auf ihren Mund gedrückt, auf dem die Weisheit und das Vergnügen wohnt.

Ach Hassan, rief die Alte, nachdem sie diese Beschreibung gehört hatte, was sagt ihr mir da? Die Person, die ihr mir so eben beschrieben habt, ist die jüngste Tochter des großen Königs der sieben Inseln. Erwacht aus eurem Traume, geht nach Hause, mein Kind, stürzt euch nicht in ein sichres Verderben, und zieht nicht auch mich mit euch in den Abgrund. – Bey diesen Worten fiel Hassan auf's neue in Ohnmacht. Er weinte so heftig, daß alle seine Kleider mit seinen Thränen benezt waren. Wie? rief er in seiner Verzweiflung, wie? Ich soll zurückkehren, nachdem ich einmal so weit gekommen bin? Und ihr habt mir nicht selbst gesagt, daß ihr die Oberbefehlshaberinn der sieben Inseln seyd, und daß alle diese Mädchen unter euren Befehlen stehen. – Ja, mein Kind, sagte sie, wählt eine von diesen Amazonen, und ich will sie euch mit Vergnügen statt eurer Gemahlinn geben, aber steht von diesem thörichten Plane ab, der euch dem Könige in die Hände liefern wird. Kehrt zurück, denn sonst ist euer und mein Untergang unvermeidlich.

Hassan sezte diesen heilsamen Rathschlägen nur Thränen und neue Ausbrüche seiner Leidenschaft entgegen. Die Alte wurde von seinen Leiden gerührt, aber, sagte sie, was kann ich für euch thun? Wenn man entdeckt, daß ich euch habe an der Insel landen lassen, wo sich die Prinzessinn befindet, so ist es um mein Leben geschehen. Niemals würde sie mir es verzeihen, daß ich erlaubt habe, alle meine Kriegerinnen nackt in's Bad gehen zu sehen. – Hassan schwur, er habe nichts gesehen. – Nein, sagte sie, mein Kind, kehrt um, ich beschwöre euch, ich will euch mit den nöthigen Lebensmitteln versorgen, und euch eine Bedeckung mitgeben, aber entfernt euch. – Hassan umarmte ihre Knie, und wand sich zu ihren Füßen. Meine Wohlthäterinn, meine Gebieterinn, sagte er mit einem demüthig bittenden Ton, wie kann ich wieder umkehren, nachdem ich einmal so weit vorgedrungen bin? Wie kann ich den Rückweg antreten, ohne diejenige gesehen zu haben, derentwegen ich so weit hieher gekommen bin? Und vielleicht ist es gerade der Wille des Schicksals, daß ich sie wiederfinde, nachdem ich so viele Qualen erduldet habe. Zu diesen Bitten, die von Thränen begleitet wurden, fügte er noch einige Verse, die ihm die Leidenschaft eingab, von der er jezt hin und hergetrieben wurde. Kurz, er sagte so schöne Sachen, daß die alte Generalinn – man weiß nicht, ob durch seine Prosa oder seine Verse – von Grund des Herzens gerührt ihm versprach, alles zu versuchen, um ihn an das Ziel seiner Wünsche zu bringen. Hassan fühlte sich durch dieses Versprechen getröstet, und verplauderte den übrigen Theil des Tages mit der Mutter der Häßlichkeit.

Beym Anbruch der Nacht zerstreuten sich die Amazonen, indem ein Theil von ihnen in ihre Zelte gieng, während die übrigen den Palast in der Stadt besezten. Die Mutter der Häßlichkeit nahm den jungen Hassan mit sich, um ihn in die Stadt zu führen, und um ihn daselbst so lange zu verstecken, bis sie die Königinn dieser Insel, welche eine von den Prinzessinnen und Töchtern des großen Königs der Dschinnen war, von der Sache benachrichtigt haben würde, wiewohl sie selbst nicht wußte, welche von den Prinzessinnen die Königinn sey. Sie wußte blos ihren Namen, Nurol huda, das heißt, Licht der Erleuchtung. Die alte Generalinn verlangte eine Audienz, und erhielt sie. Die Königinn empfieng sie verschleyert, und verlangte den Bewegungsgrund zu wissen, der sie hieher geführt habe. Die Mutter der Häßlichkeit, die wohl wußte, daß sie sich und Hassan nur durch ein aufrichtiges Geständniß der Wahrheit zu retten hoffen durfte, erzählte auf's genauste seine Geschichte, und schilderte die Größe seiner Leidenschaft. – Während der Erzählung dieser Abentheuer gerieth die Königinn in den heftigsten Zorn. Infame Alte, sprach sie, schickt es sich für dich, Männer in die Wakwak-Inseln zu führen, fürchtest du meine Rache nicht, und beym Haupt meines Vaters, des großen Königs der Dschinnen, ich weiß nicht, was mich abhält, dich zur Ermunterung künftiger Reisenden und ihrer Wegweiser auf der Stelle hinrichten zu lassen. Man bringe mir den Augenblick den Verwegenen her, der es gewagt hat, in unsre Inseln zu dringen. – Die Mutter der Häßlichkeit gieng hierauf wieder zu Hassan, und sagte zu ihm, daß seine lezte Stunde jezt ohne Zweifel gekommen sey. Hassan empfahl sich Gott, und begleitete die alte Generalinn in den Palast. Die Königinn empfieng ihn, wie sie vorhin die Generalinn empfangen hatte, verschleyert. Sie fragte ihn um seinen Namen, um den Namen seiner Gattinn und seiner Kinder. – Königinn der Welt, sprach Hassan, euer Sklave heißt der arme Hassan von Basra, der wahre Name meiner Gattinn ist mir unbekannt, und was meine Kinder betrifft, so habe ich sie Nasur und Mansur genannt. Sie fragte ihn hierauf noch, wann er seine Gattinn zum lezten Male gesehen, und was sie gesagt habe, als sie sein Haus verließ. Hassan erzählte ihr alles von Punkt zu Punkt, und von Wort zu Wort. Das sind Mährchen, sagte die Königinn, wenn deine Gattinn dich hätte wieder sehen wollen, so würde sie nicht verfehlt haben, dir entgegen zu gehn. Hassan betheuerte mit den heiligsten Eidschwüren, daß seine Gattinn wirklich jene lezten Worte gesprochen. Nun gut, sprach die Königinn, ich höre die Stimme der Gnade, und ich will dir deine Gattinn wieder geben, wenn du sie unter den Damen dieser Insel wieder erkennst, unter denen sie sich nach deiner Angabe befinden soll. Aber wenn du sie nicht wieder findest, so lasse ich dich ohne alle weitere Umstände an den Thoren des Palastes aufhängen. – Bey dem großen Gott, bey dem alle Macht und Gewalt ist, erwiederte Hassan, ich bin es zufrieden.

Die Königinn befahl hierauf, daß man alle Damen der Stadt und des Palastes herbeyrufen sollte, allein Hassan fand unter der ganzen Anzahl seine Gemahlinn nicht. Die Königinn gerieth darüber in einen schrecklichen Zorn. Schleppt ihn auf's Schaffot, sagte sie, damit künftig den Reisenden, die sich durch Lügen in unsre Inseln einschleichen wollen, die Neugierde vergehe. – Hassan wurde demnach ergriffen, man knebelte ihm Hände und Füße zusammen, und das aus der Scheide gezogene Schwerdt erwartete nur das lezte entscheidende Wort, um Hassan's Kopf von seinem Körper zu trennen. Da warf sich die Mutter der Häßlichkeit zu den Füßen der Königinn. Große Königinn, sprach sie, laßt euch zu Gunsten dieses Fremden rühren, und schont sein Leben. Sein Tod würde ein ewiges Schandfleck in den Annalen eurer Regierung seyn, und das Gerücht würde unfehlbar eine Handlung, die den Rechten der Gastfreundschaft so zuwider ist, weiter verbreiten. Größer und eurer würdiger ist es, ihm zu verzeihen, in Hinsicht auf die Leidenschaft, die ihn zu dieser Verirrung gebracht hat, und Rücksicht auf die Liebe zu seinen Kindern, und auf sein Talent, zu improvisiren. Würde es nicht unendlich rühmlicher für euch seyn, wenn er überall, wo er hinkömmt, euren Ruhm verbreitet? Er würde sogar das Glück verdienen, euch von Angesicht zu Angesicht zu sehen, damit seine poetische Ader eurer Schönheit vollständige Gerechtigkeit wiederfahren lassen könnte. – Wer bin ich, und wer ist er, sprach die Königinn in einem muntern Ton, daß er nach der Ehre streben darf, mich ohne Schleyer zu sehn. – Und indem sie diese Worte sprach, entschleyerte sie sich. Bey diesem Anblick stieß Hassan einen so heftigen Schrey aus, daß der Palast einfallen wollte, und dann fiel er in Ohnmacht. Die alte Generalinn hatte alle mögliche Mühe, ihn wieder zu sich zu bringen. Was fehlt euch, mein Kind? sagte sie zu ihm. – Ach, antwortete er, die Königinn selbst ist meine Gemahlinn, oder sie gleicht ihr wenigstens wie ein Tropfen Wasser dem andern. – Der Mensch ist närrisch, sagte die Königinn. – Verzeiht ihm, erwiederte die Mutter der Häßlichkeit, die Leidenschaft hat ihn dazu gemacht. – Hierauf wandte sich die Königinn zu Hassan. Beruhigt euch, mein Lieber, sagte sie zu ihm, sammelt euch von eurer Verwirrung, und laßt euren Kummer fahren. – Gebieterin der Könige, sprach Hassan, euer Anblick ist es, der mich um meine Vernunft gebracht hat. Denn entweder seyd ihr meine Gemahlinn, oder ihr gleicht ihr vollkommen. – Und worin gleiche ich ihr denn, fragte die Königinn. – In der Schönheit der Taille, antwortete Hassan, in der Zartheit des Teints, in der Annehmlichkeit eurer Gestalt, in der Sanftheit eurer Worte. – Führt ihn wieder weg, sprach die Königinn zur Mutter der Häßlichkeit, bis er wieder bey Verstande ist. Wir wollen dann zusehn, was zu thun ist, und kommt dann wieder zu mir.

Die Mutter der Häßlichkeit führte also den jungen Hassan mit sich fort, empfahl ihn ihren Sklavinnen, und gieng wieder zur Königinn. Geht, sagte diese zu ihr, mit 1000 Pferden nach der Residenz meines Vaters, grüßt meine Schwester, Leuchte der Damen, und bittet sie, daß sie mir ihre beyden Kinder schickt, denn ich habe große Lust, sie zu sehen. Aber nehmt euch in Acht, ein Wort von Hassans Abentheuer fallen zu lassen. Sagt ihr auch, daß es mir ein großes Vergnügen machen würde, wenn ich sie selbst sehen könnte, aber auf jeden Fall, müßt ihr mit den Kindern vorausreisen. Wenn die Kinder dem Hassan wirklich gleichen, und er ihr Vater ist; so will ich mich keineswegs dagegen setzen, daß er meine Schwester wieder mit sich nimmt. Übrigens begreife ich sehr gut, wie er sich in meiner Person hat irren können, denn man hat mir immer gesagt, daß ich meiner jüngsten Schwester, Leuchte der Damen, so ähnlich sehe, wie ein Tropfen Wasser dem andern.

Als die Mutter der Häßlichkeit dem Hassan diese Unterredung mit der Prinzessinn erzählte, war er außer sich vor Freude. Er bedeckte die Hände und das Haupt der Alten mit Küssen. Sachte! Sachte! sprach sie, laßt mich erst meinen Auftrag ausrichten, und dann könnt ihr mir den Kopf küssen, so viel ihr Lust habt. Freut euch unterdessen, und thut euch etwas zu gute.

Hierauf nahm die Mutter der Häßlichkeit 1000 Pferde, und begab sich nach der Stadt, wo sich die Prinzessinn Leuchte der Damen aufhielt, und welche drey Tagereisen von der Stadt entfernt lag, deren Königinn die Prinzessinn Licht der Erleuchtung war. Sie richtete ihren Auftrag aus, und sprach von dem Verlangen, das ihre Schwester habe, die Prinzessinn sowohl als ihre Kinder wieder zu sehen. Meine Schwester hat Recht, sagte Leuchte der Damen, schon seit langer Zeit bin ich ihr einen Besuch schuldig. Und dann befahl sie auf der Stelle, daß man Zubereitungen zur Reise machen solle.

Der große König der Dschinnen gieng gerade auf den Terrassen seines Palastes spazieren, als er von hier aus Zelte auf dem Glacis der Stadt aufgeschlagen sah. Als man ihm sagte, daß es die Prinzessinn Leuchte der Damen sey, die bey ihrer altern Schwester Licht der Erleuchtung einen Besuch abzustatten gedenke, so befahl er, daß man ihr aus der Schatzkammer die reichsten Geschenke und alles, was sie etwa auf der Reise nöthig haben könne, mit auf den Weg geben solle. Der große König hatte, wie wir schon mehrmals zu bemerken Gelegenheit gehabt haben, sieben Prinzessinnen. Die älteste hieß Licht der Erleuchtung, die zweyte Morgenstern, die dritte DIE Wiederstehenden, die vierte Perlenzweig, die fünfte Herzenszwang, die sechste Adel des Geschlechts, und die siebente Leuchte der Damen. Diese leztere war Hassans Gemahlinn. Die Mutter der Häßlichkeit bat sie um Erlaubniß, mit ihren beiden Kindern vorausreisen zu dürfen, um auf diese Weise ihrer Schwester die angenehme Nachricht von ihrer Ankunft zu bringen. Bey diesem Vorschlag veränderte Leuchte der Damen die Farbe. Ich habe, sagte sie, bis jezt meine Kinder niemanden anvertraut, und selbst der Hauch des Zephyrs flößt mir für sie Besorgniß ein. – Ihr thut Recht, Prinzessinn, versezte die Alte, ihr thut Recht daran, daß ihr für eure Kinder Sorge tragt, aber wem vertraut ihr sie denn an? Es ist ja eure Schwester, der ihr sie anvertraut, und ich habe während der Reise Acht auf sie. Ich will über sie wachen wie über meine eignen Augen, es soll ihnen an nichts fehlen, ich will sie zu Bette bringen und ankleiden. Über diesen Punkt beruhigt euch also und seyd außer Sorgen. Eure Schwester möchte sie gern in zwey kleinen Kürassen sehn, die sie für sie gemacht hat. – Kurz die Mutter der Häßlichkeit sprach mit solcher Beredsamkeit, daß die Prinzessinn Leuchte der Damen ihr die Kinder anvertraute, nachdem sie sie gewaschen, und ihnen die Kürasse angelegt hatte, die ihre Tante, Licht der Erleuchtung, für sie hatte machen lassen. Diese hatte eine große Freude, als sie die Kinder sah, und sezte das eine auf das rechte, und das andere auf das linke Knie. Jezt, sagte sie, rufe man Hassan, sein Schicksal soll in einem Augenblick entschieden seyn. – Ja, sagte die Mutter der Häßlichkeit, aber im Fall es seine Kinder nicht wären, schickt ihr ihn doch unter Bedeckung wieder zurück? – Verwünschte Alte, sprach die Königinn, wirst du denn unaufhörlich die Parthie dieses verwegnen Fremdlings nehmen? Verlangst du, daß er ungestraft seinen Fuß auf diese Insel gesezt haben soll, wenn er sich einer Lüge schuldig gemacht hat, und daß er sich rühmen könne, bis in die Wakwaks-Inseln, in das Land der Magier, der Vögel, der Thiere und der Dschinnen gedrungen zu seyn? Nein! Ich schwöre bey Gott dem Schöpfer der Himmel, daß ich ihn ohne Gnade hinrichten lasse, wenn dieß nicht seine Kinder sind. Hierauf befahl sie zwanzig Mamluken, die Alte zu begleiten, und den jungen Menschen herzuführen.

Habe ich euch nicht gewarnt, sagte die Alte zu Hassan, als sie ihm den Befehl der Prinzessinn bekannt machte, habe ich euch nicht gerathen, lieber nach Hause zurückzukehren, als euch dem gewissen Tode auszusetzen, den euch diese übermächtige Despotinn geschworen hat. Jezt folgt mir.

Hassan gab sein Leben verloren, befahl sich Gott, und folgte der Alten und den zwanzig Mamluken, die ihn zur Königinn führten. Als er seine Kinder erblickte, stieß er einen lauten Schrey aus, und fiel auf die Erde. Die beyden Kinder, welche ihn erkannt hatten, sprangen von den Knieen der Königinn, liefen auf ihn zu und schrieen: Papa! Papa! Die Mutter der Häßlichkeit weinte, und eben so weinten Alle, die bey dieser Scene zugegen waren. Hassan schloß seine Kinder in seine Arme und improvisirte:

»Ach, seit ihr mich verlassen habt, hat mein Herz keine ruhige Stunde mehr gehabt; euer Bild, das mir in jeder Nacht erschien, versprach mir jedes Mal für den folgenden Tag das Glück, euch wieder zu sehn. So habe ich von einem Tag zum andern gelebt. Ach, seit ihr mich verlassen habt, ist kein Schlaf in meine Augen gekommen.«

Obgleich die Königinn die heiligste Versicherung gegeben hatte, daß sie Hassan seine Freyheit wieder geben wollte, wenn diese Kinder wirklich seine Kinder wären, so gerieth sie dennoch in heftigen Zorn, als sie sich jezt überzeugte, daß die Sache sich wirklich so verhalte. War es Eifersucht, oder war es Unwille darüber, daß ihre Schwester eine solche Mißheurath mit einem Menschen hatte schließen können, kurz, sie wollte Hassan nicht mehr sehn, und befahl, daß man ihn ihr aus den Augen schaffen sollte. Die Mutter der Häßlichkeit gerieth darüber in Verzweiflung, und der arme Hassan gieng fort, ohne zu wissen, wohin. Erde und Himmel schienen ihm zu eng für die Empfindungen, die in seiner Brust wogten. Er hatte seine Kinder gesehen, aber blos, um sie sich auf's neue entrissen zu sehn. Dieß war das erste Mal, daß er es bereute, in diese Inseln gekommen zu seyn. Er hauchte die Stürme seiner Leidenschaft in Versen aus, und seufzend und improvisirend gieng er auf den Fluß zu, der außerhalb der Stadt floß.

Mag er hingehn; wir wollen indessen sehn, wohin die Prinzessinn Leuchte der Damen gieng.

Gerade in dem Augenblick, als sie eben im Begriff war, abzureisen, kam einer von den Kammerherrn ihres Vaters, küßte die Erde zu ihren Füßen, und lud sie im Namen ihres Vaters ein, sich zu ihm zu begeben. Sie gieng hin, der König ließ sie neben sich setzen, und sagte zu ihr: Meine Tochter, ich habe diese Nacht einen Traum gehabt, der mir wegen deiner Reise Besorgnisse eingeflößt hat. – Was habt ihr denn also im Traum gesehn, mein Vater? fragte die Prinzessinn. – Ich trat, sprach der König, in eine Schatzkammer, deren Reichthümer alle vor meinen Augen ausgebreitet da lagen. Ich bewunderte sie alle, aber meine Blicke hafteten blos auf sieben Steinen. Ich wählte nur den kleinsten darunter aus, weil er der schönste war, und das schönste Feuer hatte. Mit diesem Edelstein in der Hand verließ ich die Schatzkammer, als ein Vogel von einer außerordentlichen Gattung, wie man ihn hier zu Lande noch gar nicht gesehen hat, auf einmal auf mich losstürzte, mir den Edelstein entriß, in sein Land flog, und mich, im größten Schmerz versunken, zurückließ. Als ich erwachte, ließ ich die Traumdeuter zusammenkommen, und sie sagten mir, die sieben Edelsteine bedeuteten meine sieben Töchter, wovon die jüngste mir mit Gewalt entführt werden würde. Meine väterliche Bekümmerniß, meine Tochter, ist also deiner Reise wegen sehr in Sorgen, und du würdest besser thun, wenn du deinen Besuch aufschöbest.

Leuchte der Damen dachte sogleich bey diesem Vorschlag an ihre Kinder, und ihre mütterliche Liebe erlaubte ihr nicht, sie noch länger in fremden Händen zu lassen. Sie war also entschlossen, abzureisen, und antwortete ihrem Vater: Großer König und mächtiger Herr, meine Schwester Licht der Erleuchtung hat meinetwegen ein Fest angestellt, und erwartet mich von Stunde zu Stunde. Schon seit vier Jahren bin ich ihr einen Besuch schuldig, und sie hat vollkommen Ursache, auf mich böse zu seyn. Ich werde höchstens einen Monat abwesend seyn, und nach Verlauf dieser Zeit wieder zurückkehren, wenn es Gott gefällt. Welcher Feind könnte übrigens bis in die Wakwaks-Inseln dringen? Wer könnte durch das weiße Land und über den schwarzen Berg zur Kampherinsel kommen? Wer könnte dann das Land der Magier, der Vögel, der Thiere und Dschinnen durchziehen, ohne tausendmal sein Leben zu verlieren? Faßt also Muth, mein Vater, und macht euch wegen des Besuchs, den ich bey meiner Schwester abstatten will, keinen Kummer. – Der König gab also wider Willen seine Einwilligung, gab seiner Tochter eine Bedeckung von 1000 Pferden mit, und gab ihr seinen Wunsch zu erkennen, daß sie nur einige Tage bey ihrer Schwester bleiben möchte. Sie versprach es, nahm Abschied, und reiste ab. Sie war in großer Unruhe wegen ihrer Kinder, auf die sie den Traum ihres Vaters anwandte. Als sie in dem Palast ihrer Schwester ankam, waren ihre Kinder der erste Gegenstand, der ihr in's Auge fiel. Sie weinten, und riefen nach ihrem Vater. Leuchte der Damen wurde durch ihre Thränen gerührt, und fühlte selbst ein Verlangen, ihren Gemahl nach einer so langen Abwesenheit wieder zu sehn. Sie suchte also die Thränen ihrer Kinder zu stillen, ob ihr gleich die nähere Veranlassung dieser Scene unbekannt war.

Als Licht der Erleuchtung diese Schwäche an ihrer Schwester bemerkte, gerieth sie in einen heftigen Zorn. Bis zur Ankunft der Kinder hatte sie nie glauben wollen, daß das böse Gerücht, welches ihrer Schwester zwey Kinder gab, die Wahrheit sage, und gerade, um die Sache aufzuklären, hatte sie die Mutter der Häßlichkeit mit dem Geschenk der beyden Kürasse abgesandt, um ihre Schwester über ihre wahren Gesinnungen zu täuschen, und Leuchte der Damen war unglücklicherweise, wie wir gesehen haben, in das Netz gefallen, das ihr ihre Schwester gestellt hatte. Jezt nahm Licht der Erleuchtung die Maske ab, und verhehlte es nicht länger, wie sehr sie über das Betragen ihrer Schwester entrüstet war. Sie überschüttete sie mit den heftigsten Vorwürfen. Niederträchtige, sagte sie zu ihr, von wem hast du diese Kinder? hast du ein liederliches Leben geführt, oder hast du es gewagt, dich ohne die Einwilligung deines Vaters und deiner Familie zu verheurathen? Im ersten Falle hast du den Tod verdient, und wenn wir den zweyten Fall annehmen, warum hast du deinen Mann verlassen, und ihm seine Kinder entrissen? Glaubst du, daß alles das verschwiegen bleiben, und deine Ehre dabey ungefährdet bleiben konnte? Dieser Schandfleck muß mit deinem Blute abgewaschen werden.

Hierauf befahl sie den Poltergeistern, daß sie die Prinzessinn fesseln, und bis auf's Blut peitschen sollten. Sie vollzogen diesen Befehl ohne alles Mitleid, und hiengen die Prinzessinn dabey bey den Haaren auf. Zu gleicher Zeit schrieb die Prinzessinn Licht der Erleuchtung an den König, um ihn von den Verirrungen ihrer Schwester zu benachrichtigen, die der ganzen Familie Schande machten, und zugleich meldete sie ihm Hassan's Ankunft, erzählte in ihrem Briefe alle seine Abentheuer, die List, deren sie sich bedient habe, um die Wahrheit herauszubekommen, und die Strafe, mit der sie einstweilen ihre unwürdige Schwester belegt habe, und bat zu gleicher Zeit den König um weitere Verhaltungsbefehle.

Als der König diesen Brief der Prinzessinn Licht der Erleuchtung las, gerieth er in Wuth. Er antwortete mit zwey Worten, daß er der Weisheit seiner ältesten Tochter die Bestrafung der jüngsten überlasse und daß sie ohne weitere Berathschlagungen hingerichtet werden müsse. Licht der Erleuchtung ließ demnach sogleich ihre Schwester kommen. Sie erschien mit Blut bedeckt und mit zerrissenem Haar. Gedemüthigt, gebeugt, mit Schande und Wunden bedeckt, verglich sie ihre gegenwärtige Lage mit dem Glück, das sie einst genoß, und vergoß bey dieser Vergleichung bittere Thränen. Die unerbittliche Prinzessinn, Licht der Erleuchtung, ließ eine hölzerne Leiter bringen, auf die sie ihre Schwester ausspannen, und ihr Kopf und Hände mit ihren Haaren festbinden ließ. Meine Schwester, rief Leuchte der Damen, mitten unter diesen Foltern, wenn ihr mit mir kein Mitleid habt, so habt es wenigstens mit meinen armen Kindern! – Diese Worte brachten die grausame Prinzessinn Licht der Erleuchtung noch mehr auf. Sie überhäufte sie aufs neue mit Schimpfreden, und sagte: daß Gott selbst denen nicht verzeihe, die das Verbrechen der verlezten Ehre verzeihen. – Meine Schwester, erwiederte Leuchte der Damen, ich bin vor Gott und Menschen unschuldig, ich habe die Gesetze der Ehre nicht verletzt und das Band der Ehe hat unsere Verbindung geheiligt. Erkundigt Euch genauer danach, und wenn ich nicht die Wahrheit sage, so will ich unter den grausamsten Qualen sterben.

Licht der Erleuchtung beantwortete diese demüthige Reden blos durch Schläge und Ohrfeigen, womit sie ihrer Schwester Gesicht entstellte. Ach, rief Leuchte der Damen improvisirend, habe ich gefehlt, so ist wenigstens eine lange Reue auf meinen Fehler gefolgt. Ich wasche meine Schuld mit meinem Blute und mit meinen Thränen ab, und ich bitte Euch wegen dessen, was ich gethan, um Verzeihung. – Diese Worte erbitterten die Prinzessinn Licht der Erleuchtung noch mehr. Entehrte, sagte sie zu ihrer Schwester, du hast noch die Unverschämtheit auf der Folter Verse machen zu wollen! Du wärst im Stande dich in Gegenwart deines Liebhabers noch deiner Schande und deines infamen Lebenswandels zu rühmen! Man gebe mir die stählerne Ruthe. Die grausame Prinzessinn Licht der Erleuchtung ergriff sie und schlug mit eigner Hand ihre Schwester so unbarmherzig auf alle Theile ihres Leibes, daß er zulezt nur eine große Wunde war. Dabey brüllte sie wie ein Tiger, indem sie ihre Schwester peitschte, die beynahe vor Schmerz vergieng.

Die Mutter der Häßlichkeit bemühte sich vergebens ihren Zorn zu besänftigen, indem sie sich ihr zu Füßen warf. Licht der Erleuchtung befahl den Sclaven, daß sie sie ergreifen, nackt ausziehen und sie so behandeln sollten, wie sie selbst ihre Schwester behandelt hatte.

Während Leuchte der Damen auf diese Weise alle Augenblicke unter den Händen ihrer Schwester, den Geist aufgeben wollte, war Hassan betrübt und wahnsinnig vor Schmerz zur Stadt hinaus gegangen, ohne zu wissen, wohin seine Füße ihn trugen. So kam er an einen Baum, an welchem er ein Papier mit einer Inschrift sah. Folgendes war ihr Inhalt:

»Laßt den Begebenheiten ihren natürlichen Lauf, ihr ändert sie doch nicht und wenn Unfälle über euch hereinstürmen, so überlaßt dem Schicksal die Sorge sie von eurem Haupte abzuwenden.«

Diese Lehre der Weisheit gab ihm neue Kräfte, er fuhr fort, allein wie bisher fort zu wandern, und fühlte nichts um sich her als den Hauch des Windes, an den er sich wandte, und zu ihm sagte:

»Wenn du über das Land hinstreichst, das meine Geliebten in sich schließt, so grüße sie in meinem Namen. Vielleicht athmen sie dich ein, und du erfrischest ihren glühenden Busen.«

Als er auf den Fluß zu gieng, begegnete er zwey kleinen Knaben, die Kinder von Magiern waren, und sich mit Fäusten schlugen. Vor ihnen lag eine Ruthe, die ein Talisman und mit magischen Karakteren bedeckt war, und eine lederne Mütze, auf welcher geheimnißvolle Worte und Zauberformeln geschrieben standen. Die Knaben stritten sich über den Besitz dieser Talismane. Hassan brachte sie erst aus einander, und dann fragte er sie um die Ursache ihres Streits. Zugleich erbot er sich ihr Schiedsrichter zu seyn, wenn sie ihm sagen wollten, wovon eigentlich unter ihnen die Rede sey. Die Knaben erzählten hierauf, ihr Vater, ein großer Magier, sey so eben gestorben, und habe ihnen statt aller Erbschaft diese Ruthe und diese Mütze hinterlassen, und jeder von ihnen wolle sich die Ruthe zueignen und dem andern die Mütze lassen. – Aber da sehe ich doch, sprach Hassan, gar keine Ursache zum Streite, die Ruthe ist ungefähr eben so viel werth als die Mütze, und die Mütze so viel als die Ruthe. – So denkt ihr, erwiederten die Kinder, weil ihr die Eigenschaften dieser Ruthe nicht kennt. – Nun gut, versetzte Hassan, so sagt mir, worinn sie bestehen. – Unser Vater, erzählten hierauf die Knaben, unser Vater, der so eben in einem Alter von 150 Jahren gestorben ist, war ein großer Magier, und führte mit Hülfe dieser Mütze und dieses Ringes unglaubliche Dinge aus. Denn die Mütze hat die Eigenschaft, daß sie jeden, der sie auf den Kopf sezt, unsichtbar macht. Und die Ruthe giebt jedem, der sie besitzt, die Oberherrschaft über sieben Arten von Dschinnen und Geistern. Er braucht nur damit auf die Erde zu schlagen und alle Könige der Erde gehorchen ihm blindlings.

Bey Gott, sagte Hassan bey sich selbst, dieß wäre ein Fund, dessen ich mich bedienen könnte, um meine Gattinn und meine Kinder zu befreyen. Der Himmel hat dieses Stück ausdrücklich für mich bestimmt. Meine Kinder, sprach er, damit ich die Ruthe einem von euch zusprechen könne, muß ich eure Kräfte kennen, denn es ist billig, daß sie dem stärksten gehört. Ich will einen Stein in die Luft schleudern, und wer mir ihn wieder bringt, soll die Ruthe haben. Die Knaben waren mit diesem Vorschlag zufrieden; Hassan schleuderte einen Stein, die Kinder liefen hinter drein, und Hassan sezte die Mütze auf den Kopf, um sich von der Wahrheit der Sache zu überzeugen. Einen Augenblick nachher kehrten die Knaben wieder zurück, und da sie ihren Schiedsrichter nicht sahen, so überhäuften sie einander mit Schimpfreden, und einer warf dem andern vor, daß er an dem Verlust der väterlichen Erbschaft Schuld sey.

Hassan gieng nun mit der Mütze auf dem Kopf und der Ruthe in der Hand, nach der Stadt zurück. Zuerst gieng er in das Zimmer der Mutter der Häßlichkeit, und fand sie daselbst angefesselt. Um zu probieren, ob er unsichtbar sey, ließ er ein gläsernes Gefäß fallen, das auf einem Schranke, über dem Kopfe der Mutter der Häßlichkeit stand. Diese glaubte, es sey ein von der Prinzessinn Licht der Erleuchtung abgeschickter Teufel, der diesen Lärm mache. Gott weiß, welches Schicksal mich erwartet, sagte sie, wenn sie die Schwester so behandelt, was soll es aus mir werden, die ich eine Fremde bin? Hierauf versuchte sie es den Teufel auszutreiben. Ich beschwöre dich, Satan, sagte sie, bey dem allmächtigen Namen Gottes und bey den Karakteren, die auf Salomo's des Sohnes Davids Ring gezeichnet sind, rede und antworte mir! – Ich bin kein Teufel, antwortete eine Stimme, ich bin der arme, unglückliche Flüchtling Hassan. Hierauf nahm Hassan die Mütze vom Kopf, ließ sich sehen, und gab sich der Alten zu erkennen. Wehe euch, rief die Mutter der Häßlichkeit, wie seyd ihr zurückgekommen, und was wollt ihr hier machen? Jene unmenschliche Despotinn läßt eure Gemahlinn unter den schrecklichsten Foltern sterben. Sie bereut es, daß sie euch wieder in Freyheit gesetzt hat, nach allen Seiten zu hat sie Geister abgeschickt und geschworen, euch so gut wie eure Kinder hinrichten zu lassen. Ein Zentner Gold ist der Preis, den sie auf euren Kopf gesezt hat. Fort also und rettet euch. – Hierauf erzählte sie ihm, mit thränenden Augen, die Behandlung, die ihr selbst widerfahren war. –

Wie? rief Hassan, ihr zweifelt ob ich meine Gattinn und meine Kinder den Händen dieser grausamen Mörderinn entreißen kann? – Sehet hieher. Hier ist eine Mütze und eine Ruthe, die der Himmel ausdrücklich für mich bestimmt hat. Steht mir mit eurem Rathe bey. – Gelobt sey Gott, sprach die Mutter der Häßlichkeit, Gelobt sey Gott, der die vermoderten Gebeine wieder belebt! Gott sey Dank, ich verzweifelte an der Rettung eurer Gemahlinn, eurer Kinder und an meiner eigenen Rettung, aber jezt glaube ich, daß wir Alle gerettet sind. Ich kenne diese Ruthe und diese Mütze. Sie gehörten dem Scheich, der mein Lehrer in der Magie war. Hundert und fünfzig Jahre hatte er darüber nachgedacht, wie er diese beyden Stücke verfertigen könnte, und als er sie fertig hatte, überraschte ihn der Tod. Da vermachte er sie seinen Kindern als ihr Erbtheil, und sagte ihnen zu gleicher Zeit voraus, daß dieser Schatz ihnen durch einen Fremden geraubt werden würde. Ich bin außer mir vor Freude, daß diese Sachen gerade in eure Hände gefallen sind, denn nun könnt ihr mit Erfolg an der Befreyung eurer Gattinn arbeiten. Was mich betrifft, so seyd unbekümmert. Ich werde auf der Stelle diese Insel verlassen, und mich in das Land der Magier begeben, bey denen ich die übrige Zeit meines Lebens zuzubringen gedenke. Ihr, mein Kind, setzt die Mütze auf den Kopf und nehmt die Ruthe in die Hand, begebt euch an den Ort, wo eure Gemahlinn eingeschlossen ist, klopft auf die Erde und sprecht: Erscheint ihr Geister im Namen dieser Schriftzüge! – Die Geister, welche die Diener des Ringes sind, werden dann thun, was ihr ihnen befehlen werdet.

Hassan begab sich demnach nach dem Gefängnisse und fand hier seine Gattinn mit den Haaren auf eine Leiter gespannt, und von Wunden zerfleischt, die Kinder spielten unter der Leiter, und Leuchte der Damen betrachtete sie mit einem hinsterbenden Blick, seufzte, und schluchzte. Beym Anblick dieses traurigen Schauspiels, verlor Hassan auf einige Augenblicke das Bewußtseyn. Dann nahm er die Mütze ab und ließ sich sehen. Die Kinder riefen: Papa! Papa! und liefen auf ihn zu und umarmten seine Kniee. Die Mutter wurde durch diesen Ausruf, der ihr das Herz brechen wollte, wieder munter, und strengte ihre äußersten Kräfte an, um den Kopf umzudrehen und zu sagen, wo seyd ihr, und wo ist euer Vater? Thränenströme rannen aus ihren Augen, sie vergaß auf einen Augenblick die Schmerzen der Tortur, um die schmerzhaften Empfindungen auszudrücken, die ihre Brust zerrissen. Wo ist euer Vater? sagte sie zu den Kindern und fuhr dann improvisirend fort:

»Der Mond ist untergegangen, die Nacht ist dunkel; o meine Augen, laßt eure Thränen reichlich fließen. Mein Geliebter ist entfernt; woher soll mir die Geduld kommen? Die Geduld und mein Herz sind mit ihm entflohen. O Flüchtling! Dein Bild ist in mein Herz gegraben; wann wird für mich die Stunde deiner Rückkehr schlagen? Rinnt, ihr Thränenbäche meiner Augen, ihr werdet doch das Feuer nicht auslöschen, das meine Eingeweide verzehrt. – Ach! Ist mein Geliebter wieder zu mir zurückgekehrt? Genug, genug sind meine Thränen geflossen.« –

Hassan konnte sich nicht enthalten auf sie loszustürzen. Ach rief sie, als sie ihn sah, wie bist Du hierher gekommen? Bist Du vom Himmel herabgestiegen oder aus der Erde gekommen? – Aber wie dem auch sey, jezt ist weder Zeit zu weinen noch zu reden. Das Schicksal hat beschlossen, die ewige Feder hat seine Beschlüsse aufgezeichnet und blind muß man sich ihnen unterwerfen. Kehre also um, wie du gekommen bist, ehe dich jemand bemerkt und ehe du, wie ich, das Schlachtopfer der schrecklichen Grausamkeit meiner Schwester wirst. – Ich bin gekommen, meine Geliebte, sprach Hassan, um dich zu befreyen, und um dich mit unsern Kindern trotz dieser gottlosen Schwester wieder nach Hause zurückzuführen. – Ach, sagte sie, nachdem sie einige Zeitlang geschwiegen hatte, hier ist an keine Befreyung zu denken. Entferne dich, wie du gekommen bist, und vergrößere meine Leiden nicht noch durch die deinigen. – Licht meiner Augen, erwiederte Hassan, ich werde nicht anders von hier weggehen als mit dir und in Begleitung meiner Kinder. – Und wie ist das möglich? fragte sie. – Mit Hülfe der Mütze und des Ringes, den du hier siehest. –

Als Hassan eben so mit seiner Gattinn sprach, trat die Königinn herein, und Hassan machte sich sogleich unsichtbar. Mit wem sprachst du so eben, Verruchte? fragte die Königinn die Leuchte der Damen. – Mit niemand als meinen Kindern, war die Antwort. – Da ergriff die Königinn eine Peitsche, um ihre Schwester zu peitschen, und Hassan mußte der traurige Zeuge dieser neuen Grausamkeit seyn. Endlich befahl Licht der Erleuchtung, daß man ihre Schwester an einen andern Ort hinbringen sollte. Hassan folgte ihr dahin und sobald als die Sklavinnen sich entfernt hatten, nahm er seine Mütze wieder ab. Bist du jezt Zeuge dieser unmenschlichen Behandlung gewesen? sagte seine Gattinn zu ihm. Und alles dieses leide ich, weil ich dich verlassen habe, weil ich ohne deine Erlaubniß aus dem Hause gegangen bin. O mein Gemahl, verschone mich mit Vorwürfen, die ich verdient habe, und wisse, daß eine Frau erst dann den Werth ihres Gemahls schätzen lernt. Ich bitte Euch um Verzeihung, so wie ich Gott bitte, daß er mir diese Sünde vergebe. – Bey diesen Worten brach ihrem Gatten das Herz. Ach rief er, meine theure Gattinn, die Schuld liegt nicht an dir, sondern an mir, der ich dich verlassen, und allein im Hause zurücklassen konnte. Geliebte meines Herzens, Licht meiner Augen, willst du mit mir und unsern Kindern in mein Land zurückkehren? – Ob ich will? rief sie, indem sie einen Strom von Thränen vergoß; aber nur Gott, der Herr der Himmel, kann dieses Wunder bewirken. Fort! fort! Kehre allein nach Hause zurück.

Die Sklavinnen, welche die Wache hatten, traten jezt herein, um zu sehen, mit wem Leuchte der Damen gesprochen hätte. Sie fanden sie weinend bey ihren Kindern, ohne sonst jemand zu sehen. Sie weinten mit der Prinzessinn und giengen dann mit Anbruch der Nacht wieder auf ihren Posten zurück. Da band Hassan seine Gattinn los, umarmte sie, und drückte sie an seinen Busen. O Übermaaß des Entzückens nach einer so langen Trennung!

Hierauf nahm Hassan das älteste seiner beyden Kinder bey der Hand, und Leuchte der Damen das jüngere, und so giengen sie glücklich durch die Wachen hindurch, ohne bemerkt zu werden, und bis sie an die Pforte des Palastes kamen, welche sie verschlossen fanden. Was ist da zu thun? sprach Hassan, da sind wir in einer neuen Verlegenheit. – Wir bemühen uns vergeblich, sagte Leuchte der Damen, wir sind nun einmal dazu verdammt, nie aus diesem Gefängnisse herauszukommen.

Während sie so mit einander sprachen, hörten sie eine Stimme, welche: Wer da? rief. Ich öffne euch die Thür nicht, wenn ihr mir nicht versprecht, was ich von euch verlange. – Hassan und seine Gattinn erschraken, weil sie glaubten entdeckt zu seyn. Sie schwiegen still und wollten sich wieder nach dem Gefängniß zurück schleichen. Warum schweigt ihr? sprach die Stimme. Da erkannten sie an dem Ton der Stimme, daß es die Mutter der Häßlichkeit war. Was wollt ihr, meine gute Mutter, sprach Hassan zu ihr, macht uns auf. – Bey Gott, sprach sie, ich mache euch nicht auf, wenn ihr mir nicht versprecht, daß ihr mich mit euch nehmen wollt, damit ich nicht dem Zorn dieser verruchten Königinn aufgeopfert werde. – Alles was ihr wollt, meine gute Mutter, antwortete Hassan und seine Gattinn. – Die Mutter der Häßlichkeit öffnete die Thür, und unsre Reisenden erstaunten sehr, als sie sie auf einem Besen sitzen sahen, von dem ein Strick herabhieng, der da, wo er die Erde berührte, sich in einen reißenden Strom verwandelte, der mit der größten Schnelligkeit hinrauschte. – Fürchtet euch nicht, sprach sie, ich verstehe vierzig Kapitel aus der höhern Magie, und das Geringste was in meiner Macht steht, ist, daß ich dieses ganze Land in ein Meer und alle Mädchen, die darin sind, in Fische verwandeln kann. Ich hätte mir schon lange diesen Spaß machen können, wenn ich mich nicht vor dem großen König der Dschinnen gefürchtet hätte, aber jezt will ich es darauf ankommen lassen, und ihr sollt Wunderdinge sehen.

Als sie zur Stadt hinaus gekommen waren, schlug Hassan mit seiner Ruthe auf die Erde, und rief die Geister, die ihr unterthänig waren. Sogleich spaltete sich die Erde und es erschienen sieben Genien. Sie sanken bis an die Knie in die Erde, so schwer waren sie, und mit ihren Köpfen berührten sie die Wolken. Dreymal warfen sie sich nieder und küßten die Erde, und dann sagten sie alle mit einer Stimme: Was beliebt euch, Herr und Gebieter? befehlt und wir werden gehorchen. Fordert und wir werden euren Willen vollstrecken. Wenn ihr es befehlt, so trocknen wir Meere aus, und versetzen Berge.

Hassan hatte eine große Freude als er sah, daß die Geister so fertig in Antworten, und so bereit zu gehorchen waren. Wer seyd ihr, sprach er, wie heißt ihr, und zu welchem Stamme gehört ihr? Denn ich weiß, daß ihr alle in Nationen, Stämme und Familien abgetheilt seyd. – Dreymal küßten sie hierauf die Erde, und antworteten mit einer Stimme: Wir sind sieben Könige, von denen ein jeder über sieben Stämme Dschinnen, d.i. Genien, Scheitans d.i. Satane, Mareds d.i. Mareudeuro, Aunes d.i. Faune, Guls d.i. Cyclopen, Ifrits d.i. Satyrn und Poltergeister aller Art regiert, die die Lüfte, die Meere, die Wüste und die Hölle bewohnen. Wir sind übrigens eure gehorsame Diener, und die Sklaven eines jeden, der Herr des Ringes ist, dem wir unterthänig sind.

Hassan, seine Gemahlinn und die Mutter der Häßlichkeit empfanden ein großes Vergnügen, als sie diese Auskunft erhielten. Ich möchte, sprach Hassan zu den sieben Genien, ich möchte gern die sieben mal sieben Stämme sehen, die euch unterworfen sind. – Wir besorgen, erwiederten sie, wir besorgen, euch, Herr, durch die unzählbare Menge unsrer Unterthanen, und durch die sonderbaren Gestalten, die ihr da sehen würdet, zu erschrecken. Ihr würdet da Körper ohne Köpfe, und Köpfe ohne Körper sehen, einige haben die Gestalt von Thieren, und andere die Gestalt von Ungeheuern. Ihr könnt sie mit Muße besehen, wann es euch beliebt, Herr, aber was habt ihr uns jezt zu befehlen? –

Ich befehle euch, sprach Hassan, daß ihr mich mit meiner Frau, meinen Kindern und dieser braven Frau, auf der Stelle nach der Stadt Bagdad tragt. Die Genien neigten einen Augenblick ihre Häupter ohne zu antworten. Warum neigt ihr eure Häupter? fragte sie Hassan. Sie erhoben sich wieder, und sagten mit einer Stimme: Herr und Gebieter, seit den Zeiten Salomon's, dieses großen Kaisers haben wir keinen Menschen weder auf dem Rücken noch auf den Händen getragen. Aber wir wollen euch Dschinnenpferde geben, die euch auf der Stelle in euer Land bringen sollen. – Wie weit ist es von hier bis nach Bagdad? fragte Hassan. – Ein Reuter, der scharf zureitet, braucht sieben Jahre zu dieser Reise. – Und wie geht es denn zu, daß ich in weniger als einem Jahre hierher gekommen bin. –

Das kommt daher, weil Gott die Herzen heiliger Männer zu euren Gunsten gestimmt hat, und mit ihrer Hülfe habt ihr einen weiten Weg in kurzer Zeit zurückgelegt. So habt ihr in Gesellschaft des heiligen Mannes, des Scheich Abdol-Rodus eine Reise, wozu man drey Jahre braucht, in dem Zeitraum von drei Tagen und mit dem ehrwürdigen Scheich, dem Vater der Federn, einen eben so weiten Weg in vier und zwanzig Stunden zurückgelegt. Aber das war eine besondere Gnade von Gott zu Gunsten dieser heiligen Männer. Denn der Vater der Federn stammt in gerader Linie von Assaf, dem Sohn des Berakhia, ab, der Salomo's Wesier war, und er kennt alle Namen Gottes. Ein Jahr braucht man, um von Bagdad bis nach dem Palast der sieben Prinzessinnen am Wolkengebirge, und sieben Jahre um von da bis hieher zu kommen. –

Gelobt sey Gott, sprach Hassan, der das leicht macht, was schwer ist, der das zusammen bringt, was entfernt ist, der mich meine Gattin und meine Kinder nach einer so langen Trennung hat wieder finden lassen. – Und in wie viel Zeit, fragte Hassan hierauf die Genien, werden die Dschinnenpferde uns nach Bagdad bringen. – In weniger als einem Jahre, antworteten die Genien, wenn es Gott gefällt, trotz der schrecklichen Hindernisse, die dabey zu überwinden sind, und trotz der furchtbaren Wüsten, durch die man auf dieser Reise passiren muß. Alles was wir für euch fürchten, ist die Rache des großen Königs dieser Inseln und seiner Magier, die euch unterwegs überfallen können. Aber derjenige, der euch frisch und gesund bis in dieses Land hat kommen lassen, kann euch eben so in das eurige zurückführen. Vertraut einzig auf Gott, und fürchtet nichts, wir sind immer zu euren Diensten bereit. – Empfangt dafür unsern Dank, erwiederte Hassan, und setzt jezt unsere Reitpferde in Stand.

Die sieben Genien stampften mit den Füßen auf die Erde, und sogleich sah man drey gesattelte und gezäumte Pferde herauskommen, die einen Sack mit Lebensmitteln und einen Schlauch voll Wasser trugen. Hassan bestieg das erste Pferd, und nahm das eine von seinen Kindern vor sich, seine Gattinn that dasselbe, und die Mutter der Häßlichkeit vertauschte den Besenstiel, worauf sie ritt, mit dem dritten Dschinnenpferde. So reisten sie diese Nacht und den ganzen folgenden Tag längs des Fußes einer Bergkette, und diese Zeit verstrich ihnen, indem sie sie verplauderten, auf eine angenehme Art. Auf einmal sah Hassan etwas vor sich, das einer ungeheuren Rauchsäule glich, welche zwischen Himmel und Erde schwebte. Hassan sprach sogleich einige Gebete aus dem Koran, um diesen Teufel zu beschwören. Als er näher kam, sah er, daß es ein ungeheurer Dämon war, dessen Kopf einem Dom, der Mund einer Höhle, die Zähne Pfeilern von Felsen, und die Füße ungeheuren Säulen glichen. Er warf sich vor Hassan nieder und sagte zu ihm: Fürchtet euch nicht; ich bin der Wächter dieser Halbinsel, welche die erste unter den Wakwak-Inseln ist. Ich gehöre zu den Rechtgläubigen, fürchte Gott, und hege schon seit langer Zeit den Wunsch, mich aus der Gesellschaft dieser Magier und Genien zu entfernen, und mich in ein abgelegenes Land zurückzuziehen, um daselbst in einer heiligen Einsamkeit zu leben. Jezt will ich euch begleiten, um euch zum Wegweiser dienen, bis ihr über die Gränze der sieben Wakwak-Inseln seyd. Fürchtet euch nicht, ich bin wenigstens ein eben so guter Muselmann als ihr.

Hassan freute sich sehr darüber, daß er in diesem Genius einen Begleiter haben sollte, und wünschte ihm alles Glück zu der Reise, die sie gemeinschaftlich machen wollten. Er plauderte mit ihm und seiner Gemahlinn über seine bisherigen Abentheuer, und die Pferde liefen wie der Blitz die ganze Nacht fort. Am folgenden Morgen frühstückten sie von dem Mundvorrath, den sie bey sich hatten, und sezten dann ihre Reise fort, indem sie immer dem Genius, der sie von einem Weg auf den andern, durch Wüsten und wilde Thäler längs des Meeres hinführte, folgten. Am 31sten Tage ihrer Reise erhob sich ein Staubwirbel hinter ihnen. Hassan erblaßte, als er das verwirrte Geschrei hörte, das aus dieser Staubwolke hervordrang. Worauf wartet ihr noch? sagte die Mutter der Häßlichkeit, das sind die Truppen von Wakwak, die uns verfolgen. Schlagt mit eurer Ruthe auf die Erde. – Hassan that es, die sieben Könige erschienen und küßten die Erde. Seyd ohne Furcht, sprachen sie, haltet hier auf diesem Berge still, während wir hier unten indessen für euch thätig seyn wollen. Denn wir wissen, daß das Recht auf eurer Seite ist.

Hassan machte also auf dem Berge Halt, und die Armee der Prinzessinn, Licht der Erleuchtung, bedeckte das ganze Land. Jezt fingen die Genien an, Feuer und Rauchwirbel auszuspeyen, welche die Feinde von allen Seiten einhüllten. Das Schwerdt wüthete, das Blut floß in Strömen, und erst die Nacht trennte die Streitenden. Die sieben Genien kamen, küßten vor Hassan die Erde, und statteten ihm Bericht von der Schlacht ab. Sie erzählten, wie sie eine ungeheure Anzahl Feinde getödtet, und mehr als 2000 Gefangene gemacht hätten.

Am folgenden Morgen erneuerte sich die Schlacht mit verdoppelter Wuth. Die Armee der sieben Inseln wurde in Stücke gehauen, und die Königinn, Licht der Erleuchtung, mit allen Generalen und Großen ihres Hofes zu Gefangenen gemacht. Noch an demselben Morgen stellten die Genien zwey Betten auf, die die Form von Thronen hatten, aus Elfenbein bestanden, und mit Gold ausgelegt waren. Diese Betten waren für Hassan und seine Gattinn und ein drittes Paradebett war für die Mutter der Häßlichkeit bestimmt. Dann wurden die Gefangenen herbeygeführt, und unter ihnen befand sich die Königinn mit gebundenen Händen und Füßen. Die alte Generalinn redete sie hierauf mit folgenden Worten an: Verruchte, abscheuliche Prinzessinn, ihr sollt an Pferdeschwänze gebunden, und am Ufer des Meeres hingeschleift werden, wo sich die Hunde um die Fetzen eures Fleisches reißen werden. Grausame Despotinn! Mußtest du deine Schwester, die sich in allen Ehren und Würden nach den göttlichen Satzungen und Verordnungen des Propheten verheyrathet hat, mußtest du sie so behandeln? Wozu sind die Weiber sonst geschaffen, als um die Männer zu heyrathen?

Hassan hatte indessen den Befehl gegeben, daß man alle Gefangene ohne Ausnahme tödten sollte. Licht der Erleuchtung erfüllte die Luft mit ihren Wehklagen, und flehte ihre Schwester um Mitleid an. Diese verzieh ihr, und legte bey ihrem Manne eine Fürbitte ein, um ihrer Schwester und den übrigen Gefangenen das Leben zu retten. Auf die Bitte seiner Gemahlinn gab ihnen Hassan die Freyheit. Leuchte der Damen stiftete auch Frieden zwischen ihrer Schwester und der alten Generalinn. Hassan verabschiedete die Armee der Dschinnen, und dankte ihnen für ihre Dienste, und die beiden Schwestern plauderten nun wieder mit einander, wie die besten Freundinnen.

Am folgenden Morgen ließ Hassan durch die Genien ein anderes gesatteltes Pferd für die Prinzessinn Licht der Erleuchtung bringen. Man nahm von einander Abschied. Die Königinn und die Generalinn reisten nach den sieben Inseln zurück, und Hassan sezte mit seiner Gemahlinn und seinen Kindern seine Reise weiter fort. Nachdem sie einen Monat auf diese Weise weiter gereist waren, kamen sie an eine große Stadt, die mit einem Gehölz umgeben war, wo sie Halt machten, um auszuruhen. Es zeigten sich einige Reuter, und Hassan erkannte unter ihnen den König der Kampher-Insel und des Landes der Vögel. Er stieg sogleich vom Pferde, so wie er Hassan erblickte, und bezeugte ihm seine Freude über seine glückliche Rückkehr. Hierauf führte er ihn in die Stadt, und drey Tage verstrichen hier unter Festen und Ergötzlichkeiten. Dann begleitete sie der König zehn Tagereisen weit, bis an die Grenzen seiner Staaten.

Nach Verlauf eines Monats kamen unsre Reisenden an eine große Grotte, mit einer vergoldeten Thür. Siehst du diese Grotte, meine Liebe? sprach Hassan zu seiner Gemahlinn. Dies ist der Wohnort des ehrwürdigen Scheichs, des Vaters der Federn, dem ich unendlich viel Dank schuldig bin. Denn er ist es, der mir die Bekanntschaft des Königs des Kampherlandes verschafft hat. In diesem Augenblick öffnete sich die Thür der Grotte, und der Vater der Federn trat heraus. Hassan stieg sogleich vom Pferde, und küßte ihm die Hände. Der Scheich bezeugte seine Freude über Hassans glückliche Rückkehr, und führte ihn in die Grotte, wo Hassan ihm alle seine Abentheuer von Punkt zu Punkt erzählte. Siehe da klopfte jemand an der Thür. Wer war es? – Es war der Scheich Abdol-Rodus, der auf einem Elephanten saß, welcher schwarz wie die Nacht war. Der Vater der Federn eilte herbey, um ihm vom Elephanten herunter zu helfen, und die beiden Scheichs umarmten sich. Abdol-Rodus bezeugte die größte Freude, als er Hassan wieder sah, und dieser mußte seine Geschichte noch einmal von vorn anfangen. Mein Kind, sprach der Scheich Abdol-Rodus, ich und dieser ehrwürdige Vater, wir haben dir die Mittel an die Hand gegeben, wie du bis in die Wakwak-Inseln dringen, und deine Gemahlinn retten könntest. Jezt da du deinen Zweck erreicht, und die Mütze und Ruthe nicht mehr nöthig hast, würdest du uns einen Gefallen thun, wenn du uns ein Geschenk damit machen wolltest. – Wiewohl Hassan im Grunde keine Lust hatte, diesen Schatz aus den Händen zu lassen, so schämte er sich doch auf der andern Seite, seinen Wohlthätern eine abschlägige Antwort zu geben. Mit Vergnügen, sprach er, nachdem er einen Augenblick geschwiegen hatte, aber ich fürchte noch immer die Rache des großen Königs der Dschinnen, meines Schwiegervaters. – Fürchtet euch nicht, antworteten ihm die Scheichs, wir wachen hier beständig auf den Vorposten, und stehen euch dafür, daß ihr ruhig seyn könnt. – Hassan, dem diese Worte Muth machten, gab also dem Vater der Federn die Mütze, und euch, sprach er zum Scheich Abdol-Rodus, euch gebe ich die Ruthe, wenn ihr mich nach Hause begleiten wollt. Die beiden Scheichs waren äußerst zufrieden und vergnügt, und man traf nun die nöthigen Vorbereitungsanstalten, um die Reise weiter fortzusetzen. Der Scheich Abdol-Rodus bestieg einen großen Elephanten, und ritt vor ihnen her, bis sie an bewohnte Länder kamen, wo Hassan bekannt war. Schon erblickte er das Wolkengebirge, und sah die grünen Dome des Palastes seiner Schwestern glänzen. Freut euch, sprach der Scheich Abdol-Rodus, diesen Abend sollt ihr in dem Palaste meiner Nichte schlafen.

Als sie sich dem Palaste näherten, kamen ihnen die sieben Schwestern entgegen. Seht, meine Nichten, rief ihnen der Scheich zu, seht ob ich nicht meine Sache gut gemacht habe. Hier bringe ich euch euren Bruder mit seiner Gemahlinn. Die sieben Prinzessinnen waren außer sich vor Freude. Sie wußten nicht, wen sie zuerst umarmen sollten, ob ihren Bruder oder seine Gattinn. Allen war dieser Tag gleichsam ein Festtag, aber vorzüglich der jüngsten, die vorzugsweise Hassans Schwester war, und sie weinte vor Freuden, als sie von dem Kummer sprach, den ihr die Abwesenheit ihres Bruder gemacht habe. Seit du mich verlassen hast, habe ich niemanden gesehn, in dem ich nicht auch deine Gestalt zu sehen geglaubt hätte, und wenn ich die Augen schloß, so sah ich auch dann dich noch, und es war als wenn du zwischen meinen Augenliedern und meinem Augapfel deine Wohnung aufgeschlagen hättest. – Meine Schwester, erwiederte Hassan, bey dieser ganzen Sache habe ich gegen niemanden größere Verbindlichkeiten als gegen dich. Du bist es, der ich meine Rettung verdanke. – Hierauf erzählte er ihr sehr umständlich alles, was ihm begegnet war, seit er den Palast verlassen hatte, wie er in Gefahr gewesen sey, seine Gattinn durch die Grausamkeit ihrer Schwester hingeopfert zu sehen, und wie er sich mit Hülfe der Mütze und Ruthe gerettet habe. Als er seine Erzählung geendigt hatte, drückte die jüngste der Schwestern die Prinzessinn Leuchte der Damen und ihre Kinder an ihren Busen. Große Prinzessinn, sprach sie zu ihr, empfandet ihr denn in eurem Herzen keine Regung des Mitleids, daß ihr euren Gemahl und eure Kinder so verlassen konntet? – Es war einmal der Wille des Schicksals, antwortete Leuchte der Damen lächelnd, und es giebt keine Süßigkeiten ohne Bitterkeiten.

Zehn Tage lang währten die Feste, die Gastmähler, die Spaziergänge. Endlich näherte sich der Tag der Abreise. Die Trennung wurde Hassan sowohl als den Prinzessinnen schwer, und vorzüglich der jüngsten. Abdol-Rodus nahm jezt Abschied von Hassan, und dankte ihm herzlich für das Geschenk, das er ihm mit der Ruthe gemacht habe. Die sieben Prinzessinnen begleiteten Hassan und seine Gemahlinn ein Stück Wegs. Dann reisten unsere Reisenden noch zwey Monate und zehn Tage, ehe sie in Bagdad ankamen. Hassan wollte nicht durch die große Thür in sein Haus gehen, sondern nahm einen Umweg und klopfte an einer verborgenen Thür an, die aufs Feld führte. Seine Mutter hatte der Kummer, den ihr die Abwesenheit ihres Sohnes verursachte, schon lange in eine Krankheit gestürzt. Sie konnte weder schlafen noch essen, sondern weinte Tag und Nacht, weil sie daran verzweifelte, daß ihr Sohn jemals zurückkehren werde Hassan hörte an der Thür, wie sie weinte und wehklagte. O meine Mutter! rief er, das Schicksal will seine Ungerechtigkeit wieder gut machen. Bey diesen Worten eilte die alte Mutter herbey, und wußte nicht, ob sie ihren Ohren trauen sollte, oder ob es eine bloße Täuschung sey. Sie öffnete die Thür, sah ihren Sohn mit seiner Gattinn und seinen Kindern, stieß einen lauten Schrey aus, und sank ohnmächtig zu Boden. Hassan rief sie durch seine Thränen ins Leben zurück und erwärmte sie in seinen Armen. Leuchte der Damen eilte herbey, um ihre Hände, Füße und das Haupt mit Küssen zu bedecken. Tochter des großen Königs, sprach Hassans Mutter zur Leuchte der Damen, verzeiht mir, wenn ich euch in meinen Urtheilen Unrecht gethan habe. Aber mein Sohn, fuhr sie fort, wie geht es zu, daß du so lange abwesend gewesen bist? – Hassan erzählte hierauf alle die sonderbaren und unglaublichen Dinge, die ihm seit dem Augenblick, wo er seine Mutter verlassen hatte, begegnet waren. – Es ist Schade, mein Sohn, sagte sie hierauf, daß du die Mütze und die Ruthe nicht behalten hast. Du hättest dir damit die ganze Erde unterwürfig machen können. Aber kurz, Gott sey gelobt, daß ich dich frisch und gesund mit deiner Frau und deinen Kindern wieder sehe.

Am folgenden Tag kaufte Hassan alles ein, was nöthig war, um den Palast, den er bewohnte, aufs prächtigste auszumeubliren, Kleider, Gefäße, Sklaven aller Art. So lebten sie zufrieden und vergnügt, und genossen das Leben und die Güter dieser Welt, bis sie vom Herrn der Königreiche und Herrschaften, dem ewig lebenden Gott, zum Genuß der ewigen Glückseligkeit berufen wurden.


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