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Das Mährchen von Alischar und Smaragdine.

Es war einmal in der Provinz Chorassan ein sehr reicher Kaufmann, dem noch in seinem 60sten Jahre ein Sohn gebohren wurde, den er Alischar nannte. Fünfzehn Jahre nachher starb der Vater, nicht ohne seinem Sohne auf dem Todtenbette noch viel heilsame Lehren gegeben zu haben, die mit moralischen und erbauliche Versen untermischt waren. Alischar ließ seinen Vater zur Erde bestatten, und bald darauf auch seine Mutter, und fieng dann an, in seiner Butike Handel zu treiben, wie es vorher sein Vater gemacht hatte. So verfloß ein ganzes Jahr, ohne daß er diesem vernünftigen Betragen untreu ward, allein nach einem Jahre und einigen Tagen stürzte er sich in die Gesellschaft von Buhlerinnen, mit denen er sein Vermögen durchbrachte, und zwar so schnell, daß alle Reichthümer der Erde für ihn nicht hingereicht hätten. Er wurde also gar bald genöthigt, seine Butike und seine Kleider zu verkaufen, und es blieb ihm nichts übrig als das Hemd, das er auf dem Leibe hatte. Da verschwanden auf einmal seine Träume von Glück, und die Vernunft brachte ihn gar bald auf traurige Betrachtungen. Da er nichts hatte, womit er nur den Hunger hätte stillen können, der ihn quälte, so irrte er in den Straßen umher, ohne daß ihn irgend einer von den Gefährten seiner ehemaligen Ausschweifungen unterstützte. Als er in diesem Zustande auf den großen Platz der Stadt kam, sah er einen Haufen Leute in einem Kreise stehen. Er näherte sich ihnen, um zu sehen, was hier vorgehe. Da sah er in der Mitte eine Sklavin von zierlichem Wuchse stehen. Ihre Wangen glichen der Rose, und ihre Bildung war so schön, daß man auf sie folgende Schilderung eines Dichters hätte anwenden können.

»Vollendet ist sie aus der Gießform der Schönheit hervorgegangen. Sie ist weder zu groß noch zu klein.

Das Fleisch rundet ihre Glieder in den schönsten Verhältnissen. Sie ist weder zu fett, noch zu mager.

Ihr Gesicht ist der Mond, ihre Taille ein zarter Zweig, ihr Athem haucht Muskus. Sie hat ihres Gleichen nicht.

Sie scheint aus Perlenwasser gebildet; indem es die Schönheit ihres Gesichtes zurückwirft, zeigt es auf jedem ihrer Glieder einen Mond.«

Kaum hatte Alischar sie erblickt, als er von heftiger Liebe zu ihr hingerissen wurde. Er wußte nicht, was er thun oder sagen sollte und blieb auf der Stelle, wo er war, unbeweglich stehen. Die Umstehenden, welche glaubten, daß er noch die Reichthümer seines Vaters besitze und noch nicht wußten, daß er alles durchgebracht hatte, zweifelten keinen Augenblick daran, daß er deßhalb hieher gekommen sey, um in der Auktion diese Sklavin zu erstehen. Der Ausrufer stellte sich also vor sie hin, und fieng die Versteigerung an, indem er auf die gewöhnliche Weise rief: Reiche Kaufleute! Großhändler! Leute von Stand und Würden! Was wollt ihr für diese brünnette Sklavin geben, die die Gebieterin des Mondes ist, Smaragdinchen heißt, und deren Ruf einer unberührten Perle gleicht? Sagt euer Gebot, groß und klein.

Zuerst wurden 525 Dukaten geboten. Da gieng gerade ein alter Mann mit Namen Baschidedden, der schielend, ungestaltet und sehr häßlich war, über den Markt, und trieb jenes erste Gebot bis auf 1000 Dukaten hinauf. Da hielt der Ausrufer einen Augenblick inne, aber alle die bisher mit geboten hatten, schwiegen still. Der Ausrufer fragte also den Herrn der Sklavin, ob er den Handel auf dieses Gebot zu schließen geneigt sey. Dieser bejahte es, aber, setzte er hinzu, unter der Bedingung, daß die Sklavin selbst mit ihrem neuen Herrn zufrieden ist, denn ich habe ihr versprochen, daß ich sie nur an einen solchen Herrn verkaufen will, dem sie selbst anzugehören Lust hat. Der Ausrufer befragte also die Sklavin deßhalb. So wie diese aber den Alten mit seiner scheußlichen Figur gesehen hatte, rief sie aus: Gott soll mich bewahren. Kennt ihr nicht folgende Stelle eines alten Dichters, welcher sagt:

»Ich hatte einen zahlreichen Hof, ich war angesehen und reich, aber meine Schöne erblickte meine grauen Haare. Da wandte sie sich von mir ab und entfloh. Ich schwöre es, sagte sie, bey demjenigen, der den Menschen aus dem Nichts hervorgezogen hat, die grauen Haare sind nicht dazu gemacht, um mir Genuß zu gewähren, denn bey Gott, da ist nichts, als feuchte Baumwolle.«

Ihr habt Recht, sagte der Ausrufer und der Herr der Sklavin, wir wollen zusehn, ob sich ein anderer Käufer findet. Da näherte sich ein Mann, der schon seine Jahre zählte, der aber, um noch jung zu scheinen, sich den Bart gefärbt hatte.

»Sage, improvisirte die Sklavin sogleich, sage dem, der sich den Bart gefärbt hat, daß ich das Falsche und Erborgte nicht liebe. Sich färben heißt sich verstellen, und ich liebe die Verstellung nicht.«

Da trat ein Dritter in die Reihe der Bietenden, aber unglücklicher Weise war er einäugig.

»Glaubt mir, improvisirte die Sklavin, und flieht den Einäugigen. Es taugt nichts in seiner Gesellschaft zu seyn, denn sonst würde ihn das eine Auge nimmermehr verlassen haben.«

So betrachtet also diesen, der so eben herkommt, um auch ein Gebot zu thun, sagte der Ausrufer. Es war ein Mann von kurzem, untersetztem Wuchse, dem der Bart bis auf die Kniee herabhieng.

Pfui! sagte die Sklavin, das ist der Mann, den der Dichter vor Augen gehabt hat, wenn er sagt:

»Der gütige Gott hat meinem Geliebten eine zu große Portion Bart verliehen. Dieser Bart gleicht einer Winternacht, lang, schwarz und kalt.«

So sehet denn also selbst zu, sagte der Ausrufer, wer unter allen Anwesenden das Glück hat, euch zu gefallen.

Hierauf ließ sie ihre Blicke frey unter den Umstehenden umherschweifen. Zuletzt blieben sie auf Alischar haften, von dessen Gestalt sie auf der Stelle hingerissen wurde.

Ausrufer, sagte sie, ich will niemanden angehören, als diesem schönen jungen Mann. Ach, er ist es ohne Zweifel, von dem der Dichter spricht, wenn er sagt:

»Unverständige werfen ihm die Leiden vor, die sein schönes Gesicht verursacht. Wenn sie sich dagegen sichern wollen, warum bedecken sie nicht mit einem Schleyer sein schönes Gesicht?

Das Wasser seines Mundes ist ein berauschendes Naß, seine Lippen hauchen Kampherdüfte aus, der Wächter des Paradieses hat ihn daraus verwiesen, aus Furcht, daß er die Huris verführe. Die Menschen tadeln ihn, aber der aufgehende Mond wird sein Vertheidiger.«

Als sie aufgehört hatte zu improvisieren, näherte sich ihr Herr dem jungen Alischar. Freund, sagte er zu ihm, ihr seht, welch ein Wunder von Schönheit, guter Erziehung und Beredsamkeit diese Sklavin ist, und wenn ihr diesen Schatz für 1000 Dukaten bekommt, so habt ihr wahrhaftig einen wohlfeilen Kauf gethan. Ich schwöre euch, daß sie den Koran auf 7 verschiedene Arten lieset, daß sie sich in siebenerley Arten von Handschrift auszeichnet, daß sie in Seide, Gold und Silber stickt, und daß euer Geld sich schon allein durch den Verkauf von Handarbeiten reichlich verzinsen wird. – O welches Glück, rief der Ausrufer, einen solchen Edelstein zu besitzen! Wie glücklich seyd ihr, sagte er dann zu Alischar, dem er zu gleicher Zeit die Hände küßte, wie glücklich seyd ihr, daß ihr euch auf eine so wohlfeile Art in den Besitz eines solchen Schatzes setzen könnt. Man sieht wohl, daß ihr ganz besonders vom Glück begünstigt seyd.

Alischar konnte nicht umhin zu lächeln, als er diese Worte hörte. Wie! sagte er bey sich selbst, ich bin heute noch nüchtern, und man behauptet, ich hätte Geld genug, um einen solchen Kauf zu thun? – Er neigte also sein Haupt und antwortete gar nichts, weil er sich schämte, die Unmöglichkeit zu gestehen, in der er sich befand, diesen Vorschlag anzunehmen.

Geschwind, sagte die schöne Sklavin, führt mich selbst zu dem jungen Manne; ich will mit ihm reden, und ihn dahin vermögen, mich zu kaufen, denn ich bin entschlossen, nur ihm anzugehören. – Der Ausrufer nahm sie also bei der Hand und führte sie zu Alischar. Geliebter meines Herzens, sprach sie zu ihm, wollt ihr mich nicht kaufen? Alischar schüttelte blos traurig den Kopf– statt zu sagen: Nein! – Aha, sagte sie, vielleicht findet ihr mich zu theuer. Wollt ihr mich für 900 Dukaten kaufen, fragte sie. – Nein! – Für 800? – Nein! – Für 700? – Nein! – Nein? – Und so kam sie bis auf 100 Dukaten, empfieng aber immer die nämliche Antwort. – Ich habe nicht 100 Dukaten in meinem Vermögen, antwortete endlich Alischar. – Fehlt noch viel daran? sagte sie, wir wollen einmal annehmen, ihr hättet 80; und hierauf fieng sie von neuem an, wieder von dieser Summe nachzulassen, bis Alischar sie auf einmal mit den Worten unterbrach: Meine Gebieterin, ich habe weder Gold noch Silber, nicht einen Dukaten, und nicht einmal einen Heller, ihr müßt euch einen andern Käufer suchen. – Thut, was ich euch sage, antwortete sie, faßt meine Hand, und umarmt mich von der Seite, dieß ist das Zeichen, daß der Handel geschlossen ist.

Alischar that, wie sie ihn geheißen hatte. Hierauf zog sie aus ihrer Tasche einen Beutel, den sie ihm in die Hand drückte. Hier, sagte sie, sind tausend Dukaten, bezahlt davon neunhundert meinem Herrn, und behaltet die übrigen hundert, damit wir die nothwendigsten Bedürfnisse zu kaufen im Stande sind. Alischar bezahlte die neunhundert Dukaten, und führte die Sklavin mit sich nach Hause. Hier war weder Bett, noch Sopha, noch Tisch, noch Schüssel mehr zu sehn. Die Sklavin schickte Alischarn auf der Stelle auf den Markt, um die unentbehrlichsten Möbeln mit dem übrigen Hausgeräthe einkaufen zu lassen. Alischar schaffte alles dieses herbey. Smaragdine brachte ein Zimmer und ein Bett in Ordnung, besorgte dann die Küche und brachte den Abend und die Nacht auf die entzückendste Weise in den Armen ihres neuen Herrn zu, der sie gränzenlos liebte.

Am folgenden Morgen machte sich Smaragdine sogleich an die Arbeit, um Tapeten und Vorhänge zu sticken. Sie stickte eine Art Teppich, auf welchem sie alle Arten von vierfüßigen Thieren nach der Natur so künstlich nachahmte, daß man glaubte, sie bewegten sich, und die Vögel so natürlich, daß man glaubte, sie singen zu hören. Zu dieser ganzen Arbeit brauchte sie nicht mehr als 8 Tage, und als diese verflossen waren, schickte sie ihren Mann auf den Markt, um den Teppich verkaufen zu lassen, dabey warnte sie ihn aber, wohl auf seiner Hut zu seyn, damit er nicht auf irgend eine Weise in eine oder die andre Schlinge fiele, die sie beyde wieder von einander trennen könnte. Alischar vollzog getreulich die Befehle seiner Gattin und so lebten sie einige Zeitlang von den Handarbeiten Smaragdines ganz ruhig fort, und ein ganzes Jahr war verflossen, ohne daß ihr Glück gestört worden wäre.

Eines Tages, als Alischar einen von den artigen Teppichen, welche Smaragdine verfertigte, auf den Markt trug, um ihn wie gewöhnlich zu verkaufen, traf er einen Christen an, der ihm 60 Dukaten dafür bot. Alischar, der einen geheimen Widerwillen gegen diesen Christen in sich fühlte, wollte dem Christen diesen Teppich nicht verkaufen, und forderte 65, dann 70 Dukaten, bis er zuletzt auf 100 stieg. Laßt ihm diesen Teppich, sagte der Ausrufer zu Alischar, was ist denn Böses dabey? Alischar folgte diesem Rath wider seine Neigung und nahm das Geld in Empfang. Indem er auf dem Wege nach Hause war, bemerkte er, daß der Christ ihm nachfolgte. Als er an der Thür seines Hauses angekommen war, hatte ihn der Christ schon erreicht, und bat ihn um die Gefälligkeit, daß er ihm etwas zu trinken geben möchte, indem er sagte, daß er vor Durst nicht weiter könne. Alischar, der sich einen ewigen Vorwurf daraus gemacht haben würde, wenn es ihm nicht zu trinken gegeben hätte, trat in das Haur, um einen Wasserkrug zu suchen. Wo bist du heute so lange geblieben, sagte Smaragdine zu ihm, ich hatte, ich weiß nicht, welche traurige Ahnung, daß wir getrennt werden würden, ich bin sehr froh, daß ich dich frisch und gesund wiedersehe, aber was willst du mit diesem Wasserkruge machen? – Ich eile Jemanden zu erfrischen, der Durst hat, antwortete Alischar, aber ich bin den Augenblick wieder bey dir, meine theure Smaragdine. – Er eilte also die Treppe hinab und traf den Christen, den er an der Hausthüre stehend verlassen hatte, im Vorhause sitzend an. – Was macht ihr da, elender Hund? rief er ihm zu. – Verzeiht, Herr, antwortete der Christ, ich konnte vor Ermüdung nicht mehr aufrecht stehn, ich war also gezwungen, mich irgendwo hinzusetzen. Alischar gab ihm hierauf zu trinken und wartete, daß er aufstehen sollte, um sich zu entfernen. Aber siehe da, er wich nicht von der Stelle. – Fort, rief ihm Alischar zu, auf der Stelle, sag ich. – Gebenedeyt, sprach der Christ, seyen diejenigen, die den Durstigen vor ihrer Thür einen Trunk Wasser nicht abschlagen und den Hungrigen den Bissen Brod nicht versagen. Jetzt ist mein Durst gelöscht, aber ich habe noch großen Hunger, gebt mir nur ein wenig Brod und Zwiebeln, mehr verlange ich nicht. – Packe dich, sage ich dir, versetzte Alischar, es ist nichts im Hause. – Erlaubt, Herr, hier sind 100 Dukaten, habt die Gewogenheit und kauft mir hier in der Nähe etwas Brod und Zwiebeln, ich werde euch unendlich dafür verbunden seyn. – Der Mensch ist toll, sagte Alischar bey sich selbst, aber warum sollte ich die 100 Dukaten nicht mitnehmen. – Eilt, Herr, sagte der Christ, ich bin vor Hunger fast des Todes, man weiß nicht, was das für eine Qual ist, wenn man sie nicht selbst erfahren hat. Wenn es auch nur eine Krume Brod, wenn es auch nur trocknes Mehl ist, ich kann mich nicht mehr von der Stelle bewegen. – So wartet denn ein wenig, sagte Alischar, indem er ausgieng, und vorher noch die Thür hinter sich zuschloß. Bald darauf kam er mit Gebratenem, Bakwerk, Honig, Benams und Brod wieder. Mein Gott, rief der Christ, als er ihn wiederkommen sah, das ist ja so viel, daß man 10 Menschen damit sättigen könnte, und doch bin ich nur allein hier, wenn ihr mir nicht etwa die Ehre erzeigen wollt, mit mir zu essen. – Iß nur immerhin allein, sagte Alischar. – Aber Herr, versetzte der Christ, wißt ihr nicht, daß die alten Weisen gesagt haben, daß derjenige, der nicht mit seinem Gast ißet, sicherlich ein Bastard ist. – Alischar, der über seine Geburt keinen Argwohn entstehen lassen wollte, fieng also an mit dem Christen zu essen. Hierauf nahm dieser eine Bename, schälte sie, schnitt sie von einander und legte sehr geschickt in die eine der beyden Hälften eine äußerst starke Dosis Nepenthe Bendsch oder Hyoscyamus ist eine schlaferregende Pflanze. Das Opiat, das man aus ihr bereitet, wurde von jeher in Ägypten häufig gebraucht, und wird es noch jetzt. Bendsch, das im Koptischen im Plurali Nibendsch hat, ist ohne Zweifel einerlei Pflanze mit dem Nepenthe, das bis jetzt den Erklärern Homers so viele Schwierigkeiten gemacht hat. Helena brachte bekanntlich das Nepenthe aus Ägypten und das Bendsch steht dort noch jetzt in dem Kredit, alle die wunderbaren Wirkungen hervorzubringen, die ihm Homer zuschreibt. Nun ist nur noch auszumachen, was die Wurzel Moly war. Anm. des franz. Übersetzers. von Kreta, das mit einer Portion Opium versetzt war, welche hingereicht haben würde, einen Elephanten einzuschläfern.

Um Gottes Barmherzigkeit willen, sprach hierauf der Christ, indem er diese eine Hälfte dem Alischar darreichte, nehmt diese köstliche Bename aus meinen Händen an. – Alischar wollte nicht unhöflich seyn, nahm sie, und fühlte auf der Stelle die schreckliche Wirkung, indem er den Gebrauch seiner Sinne verlor. Hierauf stand der Christ ganz sachte auf, gieng zum Hause hinaus, verschloß die Hausthür, und eilte, seinen Bruder von dem Erfolg seiner List zu benachrichtigen. Dieß war der alte Baschideddin, der sich äußerlich zum Islam bekannte, aber innerlich Christ war. Er war es, der seinen Bruder veranlaßt hatte, diesen hinterlistigen Streich auszuführen, um sich in Smaragdines Besitz zu setzen. Er nahm jetzt sogleich seine Leute mit sich, versah sich mit Geld, bestieg sein Maulthier und begab sich nach Alischars Hause. Seine Leute bemächtigten sich Smaragdines, bedrohten sie mit dem Tode, wenn sie etwa schreyen wollte, und führten sie nach dem Hause des alten Baschideddin. – Ach, Elende, sagte er zu ihr; habe ich dich jetzt in meiner Gewalt? bey Jesus und der Jungfrau Maria, schwöre ich es dir, du sollst mir nicht entwischen und sollst Christin werden, oder ich mache eine Haché aus dir. – Zerhackt mich in Kochstücken, Elender, wie ihr Lust habt, antwortete sie ihm, ich bin eine Moslime und will als Moslime sterben. Mit Widerwärtigkeiten sucht Gott diejenigen heim, die er liebt, und auf ihn sezte ich mein ganzes Vertrauen. – Hierauf befahl der boshafte Alte es seinen Sklavinnen, daß sie Smaragdine durchprügeln und dann in die Küche werfen sollten, ohne ihr etwas zu essen zu geben. Aber bey jedem Schlag rief sie aus: Nur Gott ist Gott und Mahomed ist sein Prophet!

Als der arme Alischar seinerseits aufwachte, und sich allein fand, rief er aus allen Kräften nach Smaragdine. Allein er fand sie nirgends, und merkte bald, daß ihn der Christ hintergangen hatte. Anfangs vergoß er heiße Thränen, da er aber sah, daß alle seine Thränen zu nichts führten, so zerriß er seine Kleider, nahm einen Stein in jede Hand, und durchzog die Stadt, indem er sich mit diesen Steinen den Busen zerschlug, und dabey ausrief: o Smaragdine! Smaragdine! Die Kinder versammelten sich um ihn her, jeder ließ sich seine Geschichte von ihm erzählen, und jeder hatte Mitleiden mit ihm. Nachdem er auf diese Weise durch die ganze Stadt gestrichen war, sah er eine gute Frau sitzen, die er grüßte. Da diese aus der ganzen Art seines Betragens abnehmen konnte, daß er ein unglücklicher Liebhaber sey, so fragte sie ihn bestimmt um die Ursache seines Kummers. Er erzählte ihr seine Geschichte, und sie sagte zu ihm: Ich habe Mitleiden mit euch, mein Kind, vielleicht kann ich euch von einigem Nutzen seyn! Jetzt geht hin, und kauft mir einen von den Brodkörben, worin die Höker Brod verkaufen, und legt in diesen Korb etliche weibliche Putzsachen hinein. Ich will sie herumtragen und ausbieten, und ich schmeichle mir, euch in Kurzem Nachricht von eurer Smaragdine geben zu können. – Alischar war über die Hoffnung vor Freude ganz außer sich, er bedeckte die Hand der guten alten Frau mit Thränen und Küssen, und brachte ihr, was sie verlangt hatte. Diese fieng hierauf an, eilig in der Stadt hin und herzugehn, und kam gar bald auch an das Haus jenes verwünschten alten Christen.

Sie kam hier gerade in dem Augenblicke an, als Smaragdine eben von den Sklavinnen gemißhandelt wurde. – Was hat euch das arme Kind gethan, fragte die gute Frau, daß ihr es so mißhandeln könnt? – Wahrhaftig, wir thun es ungern, antworteten die Sklavinnen, aber wir müssen den Befehlen unsers Herrn gehorchen. – Nun, so habt doch wenigstens ein wenig Mitleid mit ihr, fuhr die gute Frau fort, und mißhandelt sie nicht in der Abwesenheit ihres Herrn, thut mir den Gefallen, und bindet sie los, und erquickt sie ein wenig durch Speise. – Die Sklavinnen, deren Herz nicht unempfindlich war, banden sie los, und ließen sie sogar mit der guten Frau allein. Diese benuzte den günstigen Augenblick, um ihr zu erzählen, in wessen Namen sie komme, und befahl ihr zu gleicher Zeit, sich gegen Mitternacht am Fenster bereit zu halten, Alischar würde vorübergehen, um sie zu befreyen und auf seinen Schultern davon zu tragen.

Von da gieng die gute Frau zu Alischar, um ihn von ihrer Entdeckung zu benachrichtigen. Sie benachrichtigte ihn zugleich, daß die Sklavinnen, welchen die Bewachung Smaragdinens aufgetragen sey, ihr versprochen hätten, diese des Nachts nicht zu binden. Alischar machte sich sogleich auf den Weg, setzte sich beym Anbruch der Nacht dem Fenster des Reuchque gegenüber, das man ihm bezeichnet hatte, und wollte hier den Augenblick erwarten, wo sich Smaragdine zeigen würde, allein da er schon seit langer Zeit vor beständigem Weinen des Nachts nicht hatte schlafen können, so überfiel ihn der Schlaf auf der Straße.

Nun traf sichs aber, daß gerade zu der nämlichen Zeit ein Dieb durch die Straße gieng. Als er Alischar eingeschlafen sah, beraubte er ihn seines Turbans, band ihn sich selbst um den Kopf, und setzte seinen Weg fort. Smaragdine, die in diesem Augenblick gerade am Fenster stand, und die in der Dunkelheit durch Alischars Turban getäuscht ihren Geliebten zu erkennen glaubte, Smaragdine rief ihm ganz leise zu: Komm, komm, ich bin bereit herabzusteigen. Das ist ja eine sonderbare Geschichte, sagte der Dieb bey sich selbst, das muß man benutzen. Er stellte sich also an das Fenster, nahm Smaragdine auf seine Schultern und eilte wie ein Blitz mit ihr davon. O, sagte sie zu ihm, du bist ja so stark, wie ein Pferd, und die gute Frau hatte mir doch gesagt, du könntest kaum mehr gehen, so sehr hätte dich der Kummer geschwächt. – Von Seiten des Diebs erfolgte hierauf keine Antwort. Da befühlte ihm Smaragdine das Gesicht, und da sie es ganz mit Haaren bedeckt fand, bemerkte sie ihren Irrthum, und fieng an, aus allen Kräften zu schreyen, wer bist du? wer bist du? – Schweig, antwortete der Dieb, ich bin Hirvan der Kurde, und gehöre zur Bande des Ahmed ed-deuf. Unsrer sind 40, alles lustige Brüder wie ich, und wir denken uns mit dir vom Morgen bis an den Abend die Zeit zu vertreiben. – Als Smaragdine sah, daß ihr Irrthum ihr dieses Schicksal zubereitet hatte, gab sie sich selbst Ohrfeigen, empfahl ihre Seele Gott und ihren Leib dem Propheten.

Der Dieb lief indessen mit ihr einer Höle ausserhalb der Stadt zu, die der Oberste der Bande allen seinen Leuten zum Stelldichein bestimmt hatte, indem er nur seine Mutter daselbst zurückließ, um sie zu empfangen. Er hatte gerade in dieser Nacht einen Kavalier ermordet und ausgeplündert, dessen Pferd an dem Eingang der Höle angebunden stand, und dessen Mantelsack im Innern derselben von der Alten bewacht wurde. Der junge Räuber überlieferte ihr Smaragdine, und eilte wieder fort, um neue Abentheuer aufzusuchen. Ach, mein Kind, sagte die Alte zu ihr, was ist das für ein Fest für euch, wenn diese 40 lustigen Brüder, einer nach dem andern, euch in den Arm nehmen! Wie glücklich ist man doch, wenn man noch jung ist! – Ja, sagte Smaragdine, indem sie sich stellte, als ob sie dieselbe Meynung mit ihr hätte, ich verdanke dieses Glück meinem guten Stern, aber ich müßte eigentlich wohl vorher ein wenig ins Bad gehen, um mich dieser Gunstbezeugungen würdiger zu machen. – Ey, das ist ja recht brav gedacht, antwortete die Alte, auch ich liebe die Reinlichkeit, aber schon seit langer Zeit schleppen mich diese Schweine in ihrem Gefolge mit sich herum, ohne daß ich ein Bad hätte nehmen können, denn es war niemand da, der mich gehörig abreiben wollte. – Ich will euch diesen Dienst leisten, meine Mutter, versetzte Smaragdine, wenn es euch gefällig ist. – Die Alte verlangte es gar nicht besser; Smaragdine wusch sie also, rieb sie und trocknete sie so gut ab, daß der Schlaf, die gewöhnliche Wirkung des Bads, sie gar bald überfiel. Während sie schlief, nahm Smaragdine die Kleider und Waffen des ermordeten Kavaliers, bestieg sein Pferd und ritt in vollem Gallop davon, ohne zu wissen wohin. Gegen Morgen sah sie sich in einem unangebauten Lande, in welchem keine Spur einer menschlichen Wohnung zu entdecken war. Sie aß Wurzeln und Früchte, ließ ihr Pferd weiden, und setzte so ihren Weg zehn ganzer Tage lang fort. Am eilften Tage erblickte sie eine schöne, sehr anmuthig gelegene Stadt. So wie sie sich der Stadt näherte, kamen ihr eine Menge Menschen zu Pferde und zu Fuß entgegen, warfen sich ihr zu Füßen, und begrüßten sie als ihren von der Gnade des Himmels geschenkten Sultan und König. Jedermann schlug in die Hände, und rief Allah jausur es Sultan, Dieß ist der Zuruf, der noch jetzt in Egypten üblich ist, und mit dem die Bewohner dieses Landes abwechselnd die französische, türkische und englische Armee begrüßt haben. Anm. des franz. Übersetzers. das beißt: Gott verleih dem Sultan Sieg! König der Welt, eure Ankunft sey gebenedeiet Was soll das alles bedeuten, fragte Smaragdine ganz erstaunt. Wisset, Sire, sagte der Oberkammerherr, daß wenn der König dieser Stadt ohne Kinder verstirbt, sich alle Einwohner, der Konstitution zufolge, auf die große Heerstraße begeben müssen, um den ersten, der ihnen begegnet, als König zu begrüßen, wobey es denn unmöglich ist, den Finger der Vorsehung zu verkennen, die die Regierung demjenigen giebt, dem sie sie zu geben Lust hat. Gott sey gelobt, der uns dießmal einen König zugeschickt hat, wie ihr seyd, denn gesetzterweise es wäre ein kleines Ungeheuer, oder ein Taugenichts gewesen, so wären wir doch genöthigt gewesen, ihn zuvorkommend aufzunehmen, und ihm unsere Huldigung zu bezeigen. – Glaubt nicht, erwiederte Smaragdine, daß ich von niedriger Geburt bin. Ich bin von einem guten Hause, allein da ich mich mit meiner Familie entzweyt hatte, so faßte ich den Entschluß, die Welt auf Abentheuer zu durchstreifen und ich sehe, daß ich so eben eins angetroffen habe, das nicht zu verachten ist.

Hierauf hielt sie sogleich ihren feierlichen Triumph-Einzug in die Stadt, ließ die Schatzkammern des vorigen Königs öffnen, und vertheilte einen ansehnlichen Theil der darin enthaltenen Schätze, um die Zuneigung der Einwohner, und vorzüglich der Armee zu gewinnen. Auf diese Weise wurden ihr gar bald alle Herzen zugethan und jedermann war voller Freude und Vergnügen. Die Königin allein seufzte nach ihrem vielgeliebten Alischar. Im Harem theilte sie Gnade und Ehrenbezeugungen aus, aber anstatt die Nächte mit dieser Menge von Sklavinnen zuzubringen, die sich wetteifernd um ihre Gunst bewarben, brachte sie sie im Fasten und Beten hin, so daß die Weiber des Harems sagten: Wie schade ist es doch, daß der König so andächtig ist!

Nachdem auf diese Weise ein Jahr verstrichen war, ohne daß sie Nachricht von Alischar erhielt, versammelte sie am ersten Tage des zweyten Jahres ihre Wesire und Kammerherrn, und befahl ihnen, daß sie ein großes Amphitheater bauen lassen sollten. In der Mitte desselben erhob sich ein prächtiger Dom, unter welchem Sitze für die Großen des Reichs standen. Hier bewirthete sie die Königin mit einer prächtigen Mahlzeit, ließ ihnen Ehrenkleider anlegen, und bekannt machen, daß künftig der erste Tag in jedem Monat ein Tag der allgemeinen Ergötzlichkeit seyn, und daß es verboten seyn sollte, seinen Laden zu öffnen oder Geschäfte zu treiben, bey Strafe gehangen zu werden. So versammelte sich am ersten Tage des zweyten Monats das ganze Volk vor dem König. Hier aß, trank und vergnügte sich jeder, so sehr und so viel er nur konnte, denn er wußte, daß dieß dem König großes Vergnügen mache.

Smaragdine war im Innern ihres Herzens zufrieden, denn sie schmeichelte sich, daß diese Versammlungen des Volks ein Mittel seyn würden, Nachrichten von ihrem lieben Alischar einzuziehen. Siehe da stand ein Mann auf, um seine Hand nach einer Schüssel Reis mit Milch, Zucker und Zimmt auszustrecken. Schämst du dich nicht, sagte sein Nachbar zu ihm, daß du so ein Leckermaul bist, und eine Schüssel so weit herholst. Begnüge dich mit dem, was vor dir steht. – Das kommt daher, antwortete der andere, weil ich kein Frikassé esse und man mir gerade welches vor die Nase gesetzt hat. – Ich bin überzeugt, murmelte ein dritter in seinen Bart, dieser Hund da ist ein Christ, und es ist heute ein Vigilientag. – Smaragdine, der diese Unterhaltung nicht entgangen war, befahl, daß man ihr den Menschen, welcher nach der Reisschüssel gegriffen hatte, herbeybringen sollte. Das Volk hörte sogleich auf zu essen, und richtete seine Blicke auf das, was jetzt vorgieng. – Wie heißt du? fragte Smaragdine den Mann, den man zu ihr gebracht hatte, und weßhalb bist du in meine Staaten gekommen? – Dieser Elende, der sich in einen weißen Dulbend gehüllt hatte, den zu tragen blos den Moslims erlaubt ist, antwortete: Ich heiße Ali, bin ein Weber von Profession, und bin hieher gekommen, um durch die Arbeit meiner Hände mein Brod zu verdienen. Bringt mir, sagte Smaragdine hierauf, meine geomantische Tafel Romla mit der stählernen Feder, die Wahrheit soll bald an das Tageslicht kommen. Dann fieng sie an zu rechnen, bald darauf hob sie den Kopf in die Höhe, und nachdem sie einige Augenblicke geschwiegen hatte, sagte sie zu ihm: Du lügst, Elender, du bist ein Christ, du bist in irgend einer bösen Absicht hieher gekommen. Gestehe die Wahrheit, oder dein Kopf springt auf der Stelle. – Pardon! Pardon! schrie der Christ ganz bestürzt, indem er glaubte, durch den geheimnißvollen Gebrauch des Romla entdeckt zu seyn, Pardon, o großer König! Ihr habt Recht, ich bin ein Christ. Smaragdine befahl hierauf, daß man ihn lebendig schinden, seinen Leichnam auf den Schindanger werfen, und seine Haut vor dem Thore aufhängen sollte. Das Volk erstaunte über die Weisheit und Gerechtigkeit seines Königs und glaubte, daß er tief in die Geheimnisse der Astrologie eingedrungen sey.

Am ersten Tage des dritten Monats war das nämliche Fest. Es wurde wieder bekannt gemacht, daß jedermann sich lustig machen, und das essen solle, was vor ihm stehe, bey Strafe gehangen zu werden. Die Großen versammelten sich, die Truppen standen in Parade, das Volk setzte sich um die Schüsseln. Der König war auf einem Thron, und beobachtete aufmerksam alles, was auf dem Platze vorgieng. Siehe, da kam ein Mensch ganz bestürzt zur Thür des Amphitheaters herein. Er fragte die erste Frau, die er antraf, was das alles bedeuten solle. Sie erklärte es ihm, vergaß aber hinzuzufügen, daß er nur das essen dürfe, was vor ihm stehe. Hierauf setzte er sich, und suchte eine Schüssel, die in einiger Entfernung von ihm stand. – Halt ein, schrieen ihm auf einmal tausend Stimmen zu, oder du wirst gehangen. Dieser Mensch, der übrigens kein zu reines Gewissen hatte, glaubte, man wolle ihn arretiren, und lief aus allen Kräften, was er laufen konnte, davon. Sogleich befahl der König, daß man ihn zu ihm bringen sollte. Wie heißt du? fragte er ihn, und weshalb bist du in unsere Staaten gekommen? – Mein Name ist Osman, antwortete er, ich bin ein Gärtner von Profession, und ich bin hieher gekommen, um zu pflanzen. – Holla, rief der König, man bringe mir die Tafel Romla und die stählerne Feder und die Wahrheit wird bald ans Tageslicht kommen. – Hierauf fieng Smaragdine an zu rechnen, hob den Kopf in die Höhe, beobachtete einige Augenblicke lang ein Stillschweigen und sagte dann, du lügst, häßlicher Kerl, dein Name ist Hirvan der Kurde, und du bist ein Dieb von Profession, bekenne die Wahrheit, Elender, oder ich lasse dir den Kopf abschlagen. – Sogleich veränderte der Mensch die Farbe, seine Zunge stand ihm still, die Zähne klapperten und zulezt gestand er die Wahrheit. Der König befahl hierauf, daß man ihn schinden, auf den Schindanger werfen, und seine Haut aufhängen sollte, wie man es mit dem Christen gemacht habe. Nachdem dieser Urtheilsspruch gefällt war, setzte man sich mit dem schönsten Appetit wieder zur Tafel, und bewunderte die Weisheit und Gerechtigkeit des Königs.

Am ersten Tag des vierten Monats erfolgte die nämliche Bekanntmachung, das nämliche Fest, das nämliche Verfahren. Die Tafeln werden mit den Gerichten besetzt, die Großen versammeln sich, das Volk stellt sich in Ordnung, der König sitzt auf seinem Thron. Ein Fremder erscheint, der das Gesetz des Landes nicht kennt, und sich einfallen läßt, von dem zu essen, was weit von ihm steht. Man arretirt ihn, und führt ihn zum König, der an ihn die nämlichen Fragen thut, die er an die ersten Übertreter des Gesetzes gerichtet hatte. Mein Name ist Resim, sagte der Fremde, und ich bin ein armer Derwisch. Man bringt die Romla-Tafel, und die stählerne Feder. Sie thun ihre Schuldigkeit. Smaragdine hebt den Kopf in die Höhe, beobachtet einen Augenblick das gewöhnliche Stillschweigen und sagt dann: Du lügst, Hund; dein Name ist Baschideddin, du bist äußerlich ein Moslim, und innerlich ein Christ, gestehe die Wahrheit, oder dein Kopf springt. – Er war es in der That. Wie der Räuber hatte er sich nach dem Verlust der schönen Sklavin auf den Weg gemacht, um sie zu suchen, und ihr Geschick hatte sie gerade in diese Stadt geführt. Der Schuldige gestand voller Bestürzung die Wahrheit und seine Haut paradirte neben der Haut derjenigen, die dasselbe Abentheuer mit ihm bestanden hatten. Man speiste nun mit um so besserem Appetit und rühmte laut die Weisheit und Gerechtigkeit des Königs. Blos Smaragdine nahm an der allgemeinen Freude keinen Antheil. Thränen vergoß sie, wenn sie an ihren lieben Alischar dachte, und sie machte sogar sehr rührende Verse, worin sie ihre Empfindungen ausdrückte, und von der Vorsehung die Erfüllung ihrer Hoffnungen erwartete. Mein Gott, sagte sie, der du dem Jakob seinen lieben Joseph wiedergegeben hast, gieb mir meinen lieben Alischar wieder! Erhöre mein Gebet, allmächtiger Gott, Herr der Welten, der du Freude und Traurigkeit wie Nacht und Tag abwechseln läßt.

Dieses Gebet hatte sie noch am ersten Tag des fünften Monats verrichtet, als das Volk zum gewöhnlichen Feste versammelt war. Kaum hatte sie es geendigt, als zur Thür des Amphitheaters ein junger Mann, schön wie der Tag, hereintrat, dessen Farbe aber durch die Gelbsucht des Verdrusses unscheinbar geworden war. Es war Alischar und Smaragdine wollte vor Freude in Ohnmacht fallen. Seit er auf der Straße ohne Dulbend erwacht war, und von der guten Frau erfahren hatte, daß seine liebe Smaragdine verschwunden sey, war er beständig eine Beute des tödtlichsten Schmerzes gewesen. Eine heftige Krankheit hatte ihn dann befallen und ein ganzes Jahr lang hatte er das Bett hüten müssen, und war während dieser Zeit von der guten Frau gewartet und gepflegt worden. Als er ein wenig wieder zu Kräften gekommen war, fieng er an, in der Welt umherzustreifen, um seine liebe Smaragdine aufzusuchen. So gieng es zu, daß er am Tage des allgemeinen Festes in die Stadt kam, wo sie König war. Wie alle seine fremden Vorgänger hatte auch er Lust, jene Schüssel Reiß mit Milch und Zimmt zu kosten, die ein so appetitliches Ansehen hatte, und wurde wie die übrigen vor den König geführt. Er küßte die Erde, und auf die Frage, wie er heiße, und weßhalb er in diese Stadt gekommen sey, antwortete er, sein Name sey Alischar, und er sey hieher gekommen, die Quelle seines Lebens, seine liebe Smaragdine, zu suchen, die er verloren habe. Der König ließ sich die Tafel Romla und die stählerne Feder bringen. Ihr habt die Wahrheit gesagt, sprach er dann zu Alischar, und in kurzem wird euch der Himmel eure Geliebte wieder geben. Hierauf befahl er, daß man den Fremden ins Bad führen, ihn mit einem Ehrengewande bekleiden und mit vieler Achtung behandeln sollte.

Smaragdine konnte kaum die Zeit erwarten, bis die Nacht einbrach. Als es dunkel geworden war, ließ sie den Alischar zu sich bringen, entließ ihre Leute, und setzte sich mit ihm zum Abendessen. Alischar war so niedergeschlagen, daß er bis dahin nicht einmal dem König ins Gesicht gesehen hatte. Was ist zu euren Befehlen, großer König? sprach er. – Ihr gefallt mir so ziemlich, erwiederte der König, ihr habt eine hübsche Mameluckengestalt. Schlaft bey mir, das Gesicht nach dem Boden zu gekehrt, morgen sollt ihr als Emir aufstehn. – Gott! Gott! schrie Alischar, und fieng an, bitterlich zu weinen, dieß geschieht nimmermehr, von jezt an, bis an den Tag des Gerichts. – Schlaft bey mir, so daß ihr euch auf den Bauch legt, sagte der König; oder es ist um euren Kopf geschehen. – Alischar, der kein Mittel sah, zu entwischen, und der doch sein Leben für seine liebe Smaragdine schonen wollte, legte sich nieder, aber nicht auf den Bauch, sondern ganz gerade auf den Rücken, und war fest entschlossen, in dieser Lage sein Schicksal zu erwarten. Der König näherte sich, und neigte sich über seinen Busen. Alischar fühlte die Annäherung der beyden beweglichen Kugeln, die seinem Athem den Ausgang verwehrten.

Gott sey gelobt, sagte er bey sich, der König hat eine Frau an seine Stelle gesetzt, und es wäre eben nichts Böses dabey, wenn ich mich auf diese Weise seinen Wünschen fügte, wenn ich nicht meiner lieben Smaragdine eine über alle Proben erhabene Treue geschworen hätte. Indessen liebkoste und neckte diese neue Geliebte den armen Alischar auf so mancherlei Weise, daß alle seine Sinne in Aufruhr geriethen, und daß seine Liebe zu Smaragdine den grausamsten Kampf zu bestehen hatte. Seine Treue trug endlich doch den Sieg davon, und als Smaragdine sah, daß es ganz unmöglich sey, ihn wankend zu machen, so war sie ganz außer sich, vor Freude, brach in ein lautes Gelächter aus, und gab sich ihrem lieben Alischar zu erkennen, der sich bis in den siebenten Himmel entzückt fühlte. Nun wohlan, sagte sie zu ihm, willst du auch jetzt noch den Hartnäckigen spielen, und auf dem Rücken liegen bleiben, statt so bey mir zu schlafen, daß du mit dem Gesicht nach dem Boden zugekehrt bist? – Nein, nein, meine Königin, ich sehe wohl, daß man den Königen nie ungehorsam seyn muß. Ich verstehe und gehorche, bey meinen Haaren und bei meinen Augen. Semaan wa taatan ala ros wal ain, gewöhnliche Formel zur Bezeugung des Gehorsams. Anm. des franz. Übersetzers.

So brachten sie die Nacht in der Trunkenheit des Vergnügens hin. Als am folgenden Morgen die Sklaven erschienen, um beym Aufstehen des Königs zugegen zu seyn, erstaunten sie sehr, als sie ihn in eine Frau verwandelt sahen. Smaragdine schmückte sich mit dem Putz ihres Geschlechts, und ließ die Truppen und den großen Staatsrath versammeln.

Meine lieben und getreuen Unterthanen, sprach sie zu ihnen, dringende Geschäfte nöthigen mich eine Reise in das entfernte Vaterland dieses Fremden zu unternehmen. Wählt jemanden, der euch bis zu meiner Rückkehr regiere, indessen bitte ich Gott, daß er euch in seinen heiligen und würdigen Schutz nehme.

Der Staatsrath gehorchte auf der Stelle den Befehlen seiner Königin. Diese nahm Abschied von ihnen und machte sich mit ihrem lieben Alischar auf den Weg, um in ihre Heimath zurückzukehren. Hier setzte sie mit Alischar ihre alte Lebensweise fort, denn sie zog die Annehmlichkeiten eines ruhigen Lebens, das durch die Liebe verschönert wird, allen Trugbildern des Throns und der Größe vor.


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