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Das Mährchen von Sittal-Badur und Ibn al-Manssur.

Harun Raschid wurde zuweilen von Schlaflosigkeit gequält. Eines Nachts war es damit ärger als jemals, er wälzte sich von einer Seite zur andern, um einzuschlafen, aber vergeblich. Endlich ließ er Mesrur rufen, und bat ihn, daß er ihm doch etwas vorschlagen möchte, was zur Erleichterung seiner Pein dienen könnte. Will Ew. Majestät in den Garten gehen? sprach Mesrur, die Nacht ist schön, wir wollen die Sterne betrachten und den Mond, der schweigend zwischen ihnen hindurch geht? – Das ist langweilig, Mesrur. – Herr, fuhr dieser fort, es sind drey Sklavinnen in eurem Pallaste, wovon jede ein eignes Gemach bewohnt, in jedem Gemach ist ein verstecktes Kabinet, von wo aus ihr sie sehen könnt, ohne bemerkt zu werden. – Mesrur, antwortete der Chalife, sprich mir nicht vom Pallast und von den Sklavinnen, das macht mir Langeweile. – Laßt, Sire, sprach Mesrur, eure Spaßmacher, eure gewöhnlichen Tischgesellschafter, eure Dichter kommen, damit sie euch ein paar artige Lieder improvisiren. – Mesrur, versetzte der Chalife, das alles mag ich nicht, das macht mir Langeweile. – Was soll ich euch noch weiter vorschlagen, Sire, sprach Mesrur, schlagt mir den Kopf ab, vielleicht vertreibt euch das die Langeweile. – Der Chalife lachte. Geh, sprach er, und sieh zu, wer von meinen Tischgesellschaftern im Vorzimmer ist; Mesrur gieng hin, kam wieder und meldete, nur Ali Ibn al-Mansur von Damaskus sey da. – Laß ihn hereinkommen! – Erzähle mir etwas, sprach der Chalife zu Ibn al-Mansur nach den ersten gegenseitigen Begrüßungen. – So leiht mir euer Ohr, und schenkt mir eure Aufmerksamkeit, Beherrscher der Gläubigen, erwiederte Ibn al-Mansur. – Gut, versetzte der Chalife, siehe einmal, wie ich dir zuhöre und dich dabey ansehe! – Hierauf fieng Ibn al-Mansur seine Erzählung folgendermaßen an.

Ich begab mich sonst alle Jahre nach Basra, um dem dortigen Vizekönig Ali Mohammed, dem Sohne Suleimans, dem Haschemiten meine Aufwartung zu machen. Eines Tages, als ich wie gewöhnlich zu ihm kam, war er eben im Begriff zu Pferde zu steigen, um auf die Jagd zu gehen. Er bat mich, daß ich ihn begleiten möchte. Ich lehnte die Einladung ab, weil ich ein sehr schlechter Reiter war. Hierauf ließ er mich in den zu Festen bestimmten Saal bringen, und befahl seinen Kammerherrn indessen, bis er zurückkehre, für mich Sorge zu tragen. – Aber sonderbar ist es doch, sagte ich bey mir selbst, daß ich nun so oft schon in Basra gewesen bin, und weiter nichts kenne, als diesen Pallast und diese Gärten. Es würde nicht übel seyn, wenn ich diese müßigen Augenblicke benutzte und ein wenig in der Stadt umher spazieren gienge. Ich kleidete mich also aufs beste an, und fieng an in den Straßen von Bagdad herumzugehn. Ich durchstrich über 70 Straßen, wovon jede einige Parasamjen lang war, und wurde zuletzt durstig. Ich befand mich in diesem Augenblick gerade einer großen Thür gegenüber, die ein rother Vorhang verhüllte. Daneben standen zwey marmorne Bänke, und ein Weinstock beschattete die Thür mit seinen Zweigen. Da hörte ich eine klagende Stimme die in einem traurigen Tone sang:

»Mein Leib ist der Sitz der Marter geworden, seit meine Gaselle mich verlassen hat. O Ostwind, erfrische meine Gebeine! O Gott, schenke mir einige Ruhe.

Ich war nicht schuldig, ich war nicht treulos, nie schlug mein Herz für einen andern, ein einziges Lächeln, ein unschuldiges Wort hat mich um seine Gunst gebracht.

Der Schlaf flieht meine Augenlieder; meine Augen sind von Thränen benetzt.

Mir bleibt nichts übrig, als zu dulden. O ihr meine Augen, die ihr euch die Ungnade meines Gebieters zugezogen habt, ein Wort hat sie euch zugezogen, das mir unbekannt ist.«

Diese Worte erregten meine Neugierde, ich wollte sehen, ob sie aus einem schönen Munde kämen. Ich näherte mich also der Thür, hob den Vorhang ein wenig auf und erblickte eine Frau von außerordentlicher Schönheit, ein Gesicht, glänzend wie der Mond, Augen, wie die der Gaselle, Augenbraunen schwarz wie Ebenholz, in ihrem Busen zwey Granatäpfel, einen Taubenhals, Lippen wie Rubinen, Zähne wie Perlen und einen Mund wie der Ring Salomons. Die Gärten des Paradieses, sagt ein Dichter, möchten sie den Sterblichen beneiden und der Mond unter ihr Gefolge treten.

Sobald als sie mich erblickte, befahl sie einer ihrer Sklavinnen nachzusehn, wer an der Thüre wäre. Diese kam zu mir und sagte: Schämt ihr euch nicht, Scheikh, daß ihr es wagt, euch hieher zu schleichen? sprach ich, sehet auf meine weissen Haare und dann habt ihr gewiß kein Arg aus meinem Besuche. – Giebt es etwas Schändlicheres, sagte hierauf die Gebieterin des Hauses, gibt es etwas Schändlicheres als sich mit solcher Unverschämtheit an die Thür eines Harems hinzustellen. – Vergebt mir, erwiederte ich, und hört meine Entschuldigung; ich möchte vor Durst in Ohnmacht fallen. – Das ist etwas anderes, versetzte sie, diese Entschuldigung lasse ich gelten. Und zu gleicher Zeit befahl sie, daß man mir zu trinken bringen sollte. Einer ihrer Sklaven brachte mir hierauf mit Muskus versetzten Sorbet, in einem goldnen Gefässe, das mit Edelsteinen und Perlen geziert war, und zugleich gab er mir eine Serviette, um mir den Mund abzuwischen.

Ich trank so langsam als möglich, und als ich endlich ausgetrunken und mir ganz bedächtig den Mund abgewischt hatte, sagte die Frau vom Hause zu mir: Nun, Scheikh, entfernt euch. – Ich bin eben ganz in tiefen Gedanken versunken, antwortete ich. – Und was denkt ihr denn? – Ich denke an die Verheerungen und Veränderungen, die die Früchte der Zeit sind. – Wie kommt ihr denn darauf? – Indem ich an den Herrn dieses Hauses dachte. Einst gehörte es meinem Freunde, dem Juvelier Mohammed, dem Sohne Alis, der in guten Umständen war. Hat er denn keine Kinder hinterlassen? – Ja, eine Tochter Namens Bedur. – Das seyd ihr wohl gar selbst? – Ihr habt es errathen, sprach sie lächelnd, aber entfernt euch jetzt, Scheikh, statt mir unnütze Fragen vorzulegen. – Aber ich sehe, fuhr ich fort, daß ihr übler Laune seyd, erzeigt mir die Gewogenheit, und erzählt mir die Ursache eures Kummers, vielleicht kann ich ihm abhelfen. – Scheikh, erwiederte sie, ich bin gar nicht ungeneigt eurer Bitte zu willfahren, aber ich müßte doch erst wissen, wer ihr seyd. Der Dichter Ben et Jamar sagt: »Ein Geheimniß entdeckt man nur den vortrefflichsten Menschen, die unsers Vertrauens würdig sind. Das Geheimniß ist bei mir wie ein verschlossenes Kabinet, wozu der Schlüssel verloren gegangen ist.« – Madam, antwortete ich, ich will eure Neugierde befriedigen, ich bin Ali Ibn al-Mansur von Damas, der Tischgesellschafter des Beherrschers der Gläubigen, Harun Raschid. – Als ich meinen Namen genannt hatte, stand sie von ihrem Sitze auf, und sagte: Seyd willkommen, Scheikh Ibn al-Mansur! Mein Verdruß rührt daher, daß mich mein Geliebter verlassen hat. – Madam erwiederte ich, ihr seyd so schön und so gut; es ist ganz unmöglich, daß ihr jemanden hättet lieben können, der eure Liebe nicht verdiente. Mein Geliebter ist Dschabir, der Sohn Aamirs, der Emir des Stamms Bem Scheiban. Er ist bey weitem der schönste junge Mensch, der jemals in Basra gewesen ist. – Ist er glücklich bey euch gewesen? – Ja, wir liebten uns, waren glücklich, kein Kontrakt, keine Formen, nur unser Wort und unser Herz verbanden uns. – Und warum hat er euch denn verlassen? – Dieß hängt so zusammen. Diese Sklavin hier, mit der ich von meiner frühesten Jugend an erzogen worden bin, und die ich stets wie meine Schwester geliebt habe, legte einst meine Haare in Ordnung, und ganz vergnügt darüber, daß ihre kleine Arbeit so gelungen war, umarmte sie mich, aus Freude, mich in einem so schönen Haarpuz zu sehn. – Gerade in diesem Augenblick trat mein Geliebter herein, hingerissen von einem Anfall von Eifersucht sprach er blos: Unmöglich ist es mir, diejenige, die ich liebe, in Gesellschaft mit andern zu lieben. Nur dann macht die Liebe glücklich, wenn sie ausschließlich ist. – Mit diesen Worten verschwand er, und ich habe ihn seit dieser Zeit weder gesehen, noch von ihm reden hören. – Und womit kann ich euch in dieser Sache dienen, Madam? fragte ich. – Wenn ihr ihm in meinem Namen einen Brief überbringt. Kommt ihr ohne Antwort wieder, so sollt ihr 100 Dukaten haben, und bringt ihr mir eine, so bekommt ihr 500. – Ich bin zu euren Befehlen, sprach ich. –

Hierauf ließ sie sich sogleich Papier und Dinte bringen, und schrieb ein Billet in Versen, dessen Inhalt ungefähr folgender war:

»Mein theurer Geliebter! Wie lange sollen wir noch entzweyt seyn? Der Gram scheucht den Schlaf von meinen Augenliedern und wenn du mir im Traum erscheinst, finde ich die Züge von dir nicht wieder, die ich einst an dir kannte. Ich beschwöre dich bey unsrer Liebe, erkläre dich über das, was in dir Verdacht erweckt hat. Du bist zu gerecht, um nicht zu wissen, was man von bloßen Worten zu halten hat, und wie ein einziges Wort, eine einzige Gebärde oft einer falschen Auslegung fähig ist. Hat man nicht sogar in der heiligen Schrift oft ein Wort für das andere gesetzt? Ist nicht der vielgeliebte Joseph bey seinem Vater verläumdet worden? Höre nicht mehr auf die Verläumder, komm zu mir. Welches Fest wird der Tag seyn, wo wir uns mit einander versöhnen.«

Mit diesem Briefe begab ich mich in das Haus Dschabirs, des Emirs der Beni Scheiban, des Sohns Aamirs. Er war gerade auf der Jagd, und ich wartete also bis er zurückkam. Als ich ihn zu Pferde ankommen sah, wurde ich selbst von der Schönheit des jungen Mannes bezaubert. Er hieß mich hereintreten und ließ mich mit sich an seinen Tisch setzen, der mit Gefässen von Chorassan und einem Überfluß von Speisen aller Art besetzt war. Indem ich von ungefähr meine Blicke auf die rothe Platte richtete, woraus der Tisch bestand, sah ich darauf eine Innschrift in Versen folgenden Inhalts.

»Die Töchter des Schicksals weinen, und hören nicht auf zu weinen, ungeachtet der köstlichen Gerichte, womit dieser Tisch bedeckt ist.

O meine Seele, fasse dich in Geduld! Du wirst nicht immer die Bitterkeiten der Leiden schmecken, du wirst nicht immer von Gram verzehrt werden, du wirst noch einmal Wonne fühlen, du wirst noch einmal aus dem Becher des Glücks trinken.«

Ich werde, sprach ich, euer Mittagsmahl nicht eher anrühren, als bis ihr die Bitte erfüllt, die ich an euch thun will. – Laßt hören, worinn sie besteht, antwortete er. – Sie besteht darin, fuhr ich fort, daß ihr diesen Brief nehmt und darauf antwortet. – Er las ihn, warf ihn dann auf die Erde und sagte: Fodert von mir alles, was ihr wollt, Ibn Mansur, nur keine Antwort für diejenige, die euch diesen Brief gegeben hat. – Ich trug hierauf keine Bedenken, ihm zu sagen, daß er mich um 400 Dukaten brächte, wenn er mir die Antwort abschlüge. – Liegt es blos daran, sprach er, so bleibt nur ganz ruhig noch einige Tage bey mir, ihr sollt dann, wenn ihr wieder abreiset, 500 Dukaten haben. –

Ich blieb also da, aß, trank, plauderte, erzählte und belustigte mich den ganzen Abend, ohne jedoch eine einzige Arie Musik zu hören. Ich gab ihm meine Verwunderung darüber zu erkennen. – Das war, antwortete er mir, nur nicht die rechte Zeit zur Musik, aber sie soll sich gleich hören lassen. – Hierauf ließ er eine von seinen Sklavinnen rufen, sie erschien mit einer Laute, die in Seide eingehüllt war, machte ein Vorspiel in 21 verschiedenen Tonarten, gieng dann wieder in die erste Tonart über und sang ungefähr folgendes:

»Wer die Seligkeiten der Liebe nicht gekostet hat, weiß nicht, was er durch die Entfernung seiner Geliebten verliert.

Wer sich nicht den Regungen der Leidenschaft überlassen hat, wie will der die Seeligkeiten und Leiden der Liebe unterscheiden?

Ich überließ mich ihnen unaufhörlich, aber endlich stürzte mich ein Abend ins Verderben.

Das Schicksal hat uns getrennt, und wir müssen uns seinen Beschlüssen unterwerfen, denn es ist der Herr unsers Geschicks.«

Kaum hatte sie geendigt, als der junge Mensch einen lauten Schrey ausstieß und in Ohnmacht fiel. Siehst du, sprach die Sklavin, hat er nicht Recht gehabt, als er sagte, es sey noch nicht Zeit zur Musik? – Jetzt geht nur, fuhr sie fort, unser Herr wird in dieser Nacht nicht wieder zu sich kommen. Dort ist euer Schlafzimmer.

Am folgenden Morgen, als ich erwachte, brachte mir ein Knabe einen Beutel mit 500 Dukaten und sagte, der Herr des Hauses lasse sich mir zum Abschied empfehlen. Ungeachtet nun meine Gesandtschaft fruchtlos gewesen war, hielt ich indessen doch für meine Schuldigkeit, wieder zu der Dame zu gehn, die mich abgeschickt hatte. Ich fand sie, mich erwartend, hinter der Thür, und ehe ich noch reden konnte, kam sie mir mit einer Erzählung alles dessen zuvor, was sich mit mir und ihrem Geliebten gestern Abend zugetragen hatte. Sie mußte also Spionen in seinem Hause haben, die sie von allem so genau unterrichteten. Wie ist es möglich, sagte ich, daß ihr das alles so genau wissen könnt. Es ist ordentlich, als wenn ihr mich begleitet hättet. – Ihr wißt also nicht, antwortete sie, was ein Dichter sagt, daß die Herzen der Liebenden Augen haben, die sehen, was andre nicht sehen? Hierauf hob sie ihre Augen gen Himmel: Mein Herr und mein Gott sprach sie, der du die Liebe zu Dschabir in mein Herz gepflanzt hast, ich bitte dich, reiße sie wieder heraus! – Hierauf gab sie mir 100 Dukaten, ich nahm von ihr Abschied, machte dem Vizekönig von Basra meinen gewöhnlichen Besuch und kehrte wieder nach Bagdad zurück.

Als ich das Jahr darauf wieder nach Basra reiste, konnte ich mich nicht enthalten, mich nach dem ferneren Schicksal der beyden Liebenden zu erkundigen. Ich begab mich zuerst nach der Thür des Hauses der Dame Badur, und fand daselbst einen Sarg, Sklaven, und alles, was zu einem Leichenbegängnisse gehört. So ist es also um sie geschehn, sprach ich bey mir selbst, der Gram hat ihr das Herz gebrochen, sie ist nicht mehr. Von hier gieng ich sogleich nach dem Pallaste des jungen Mannes, ich fand ihn verlassen, und fast in Ruinen zerfallend, auch nicht eine lebendige Seele war vor der Thür. Er muß also ebenfalls vor Kummer und Gram gestorben seyn, sagte ich zu mir. Endlich schrieb ich über die Thür des Pallastes folgende Inschrift in Versen:

»O Haus, und ihr, ihr Reste seiner Pracht, die ihr seinen Verfall beweint,
Wo ist er, der uns hier einst so freundlich aufnahm?
Gehe vorüber, Wanderer, die Freunde sind entflohen!
Gott lasse uns ihre Wohltaten nicht vergessen, deren Spuren noch jetzt vorhanden sind!«

So beweinte ich das Schicksal der Bewohner dieses einst so herrlichen Hauses, als ich einen schwarzen Sklaven herauskommen sah. Ich klage um meinen Freund Dschabir, den Sohn Aamirs, sagte ich zu ihm, was ist aus ihm geworden? Er lebt noch, antwortete er mir, aber sein Leben ist ein trauriges Daseyn, das er mit Mühe fortschleppt, so sehr hat ihn die Leidenschaft für Sittal-Badur verzehrt. – Ich verlangte hierauf, ihn zu sprechen, und nach einigen Weigerungen ließ mich der schwarze Sklave hereintreten. Ich fand den armen jungen Mann ganz starr, wie einen Stein auf dem Bette ausgestreckt. Ich redete ihn an, aber er antwortete mir nicht. Herr, sagte eine von seinen Sklavinnen zu mir, wenn ihr einen Vers wißt, so sagt ihn her, denn unser armer Herr antwortet nicht, außer wenn man ihn in Versen anredet.

»Hast du Ruhe gefunden, improvisirte ich, als du Badurs Liebe entsagtest? Oder wolltest du dich gegen deine Leidenschaft verhärten?

Wenn du den Rath verachtest, den dir deine in Strömen fließenden Thränen geben, so wisse, daß deine Raserey ihren höchsten Grad erreicht hat!«

Als er diese Verse hörte, verlangte er sogleich Dinte und Papier, und schrieb ebenfalls in Versen Folgendes:

»Verzeihung, Verzeihung, meine Geliebte! Die Liebe zu dir hat mir kaum einen Funken Vernunft gelassen. Die Leidenschaft hat mich zu den schimpflichsten Verirrungen gebracht und in die Abgründe des Schmerzens gestürzt. Als ich auf diesem Meer Schiffbruch gelitten hatte, erhob ich meine Augen zu Gott, um ihn um Rettung anzuflehen. Habe Mitleiden mit mir! Schenke mir deine Gunst wieder! Dein Geliebter stirbt vor Verlangen, in deinen Armen zu sterben.«

Mit diesem Briefe begab ich mich in Badur's Pallast, die schöner als jemals, und voller Leben und Gesundheit war. Denn der Leichenzug, den ich vor ihrer Thür gesehen hatte, gehörte zur Beerdigung der Sklavin, welche Dschabirs Eifersucht rege gemacht hatte. Sie lächelte vor Vergnügen, als sie mich mit einem Briefe erscheinen sah, und entzückt darüber, ihren Geliebten wieder zu ihren Füßen zurückkehren zu sehen, schrieb sie auf der Stelle eine Antwort, in der sie ihm Vorwürfe über seinen ungerechten Verdacht machte. Da ich diese Vorwürfe zu stark fand, so weigerte ich mich, diesen Brief zu überbringen. Ich brachte sie dahin, daß sie ihn wieder zerriß und einen andern schrieb. Dieser war weniger hart, aber doch für die Lage, worin sich mein armer Freund befand, zu grausam. Ich bewog sie also, auch diesen wegzuwerfen, und sie schrieb hierauf mit thränenden Augen einen dritten, in welchem sie ihn ihrer Verzeihung und der Fortdauer ihrer Zärtlichkeit versicherte. Sie versiegelte ihn und übergab ihn mir, und als ich zum Hause hinausgieng, rief sie mir noch nach: Sagt ihm mündlich, daß ich noch heute Abend hoffte, mich mit ihm zu versöhnen.

Kaum hatte der junge Mann diese Antwort gelesen, als er einen lauten Schrey ausstieß, und in Ohnmacht fiel. Ibn Mansur, sprach er zu mir, als er wieder zu sich gekommen war, hat sie diesen Brief eigenhändig geschrieben? – Ich wußte nicht, antwortete ich, daß sie zuweilen auch mit den Füßen schreibt. Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, als Sittal-Badur selbst ankam, um dem Kranken ihren Besuch zu machen. Sie umarmten sich, und hiengen lange Mund an Mund, ehe sie ein Wort vorbringen konnten. Als sie wieder etwas zu sich gekommen waren, sagte Dschabir einem seiner Sklaven heimlich etwas ins Ohr und bald darauf sah ich den Richter mit Zeugen erscheinen, in deren Gegenwart der Heirathscontrakt aufgesetzt wurde und unter welche Dame Sittal Badur einen Beutel mit 1000 Dukaten vertheilte, den sie so eben von ihrem Gemahl bekommen hatte. Ich blieb bei ihnen bis die Nacht anbrach, wo ich mich entfernen wollte, um den Ausbrüchen ihrer Zärtlichkeit keinen Zwang anzuthun. Allein sie nöthigten mich, noch den größten Theil der Nacht bei ihnen zu bleiben und erst gegen Morgen giengen wir in unsre Zimmer.

Als ich am folgenden Morgen aufgestanden war und die Neuvermählten das Bad verlassen hatten, gieng ich zu ihnen, um ihnen einen guten Morgen zu wünschen, und ihnen meinen Glückwunsch abzustatten. Dschabir überreichte mir einen Beutel mit 1000 Dukaten. Ich dankte ihm, allein, sagte ich zu ihm, wenn ihr mich ganz zufrieden sehen wollt, so thut mir den Gefallen und sagt mir, was euch eigentlich so in Feuer und Flammen gesetzt, und euch so unglücklich gemacht hat, denn im Grunde scheint es mir doch ganz unmöglich, daß jener Auftritt, bei der Toilette, den mir Badur erzählt hat, so übel ausgelegt werden konnte, wenn nicht schon vorher einiger Verdacht in euch entstanden war. – Ich bewundre euren Scharfsinn, Ibn Mansur, antwortete er mir, ihr habt ganz recht gerathen und ich will euch aus der Sache weiter kein Geheimniß machen. Die erste Veranlassung gab ein Scherz, den mir einer von Sittal Badurs Schiffern erzählte und der mir zuerst eine nachtheilige Idee von ihr beibrachte. Sie machte nämlich mit zehn von ihren Sklavinnen eine Wasserspazierfahrt, unter denen sich auch Badurs Lieblingskammerfrau befand, die jetzt gestorben ist, nachdem diese ein Vorspiel in 21 Tonarten gemacht hatte, sang sie, indem sie sich selbst mit der Laute akkompagnirte, folgendes:

»Die Männer sind nichts weiter, als nasse Hähne, sie haben Herzen, hart wie Felsen.«

Welche drollige Verbindung von Gegenständen! Steinerne Herzen in Körpern weich wie Wasser!

Badur stellte sich zornig darüber und befahl im Scherz, ihren Sklavinnen die Sängerin zu steinigen, und diese warfen so viele Orangen nach ihr, daß das Fahrzeug beinahe umgeschlagen wäre.

Diese Frechheit der Sklavin und jener Scherz Badur's hatten mir zuerst mißfallen und wurden nachher die erste Ursache meiner langen Leiden.

Hier endigte Ibn al Mansur seine Geschichte. Sie hatte die glückliche Wirkung hervorgebracht, dem Chalifen die Schlaflosigkeit zu vertreiben, denn gegen das Ende hin war er schon eingeschlafen.


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