Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierter Akt

Gartensaal in Meinerts' Landhaus bei Oliva. Wie im zweiten Akt. Einige Tage später. Vormittags.

Lorenz steht geharnischt inmitten der Halle.

Vor einer Tür rechts, mit ausgebreiteten Armen, wie zur Abwehr, Bastian.

Bastian Es darf keiner hinein. Ich habe gemessenen Auftrag.

Lorenz drohend auf ihn zu Und ich hab' diesen Brief hier seinem Herrn von meinem auszurichten. Persönlich in die Hand! So lautet die Instruktion. Platz da, Lakai!

Bastian jammernd Erbarmen, der Arzt ist ja bei ihm, der Doktor Prätorius! Der gnädige Herr bekommt zur Ader gelassen.

Lorenz Potz Blut! Nimm dich in acht, daß ich dir nicht selber zur Ader lasse! Wirst nicht der letzte sein, den ich ins Jenseits spediere! Oder seh' ich aus wie einer, der sein' Tage bloß Milchsuppe geschlappert hat?

Bastian zitternd Gewiß nicht, Herr Korporal! Bei Gott nicht, Herr Reitknecht!

Lorenz Bei Gott nicht, Herr Lakai! Gewiß nicht, Herr Bedientenkreatur! Er packt ihn an der Schulter Hundeseele! Ich pust' Ihn an und kein Stäubchen von Ihm bleibt übrig! Er stößt ihn beiseite.

Bastian taumelt, wirft sich von neuem dazwischen Er kann mich umbringen, aber nicht fortbringen!

Lorenz Hat die Canaille auch Courage? Er packt ihn an der Gurgel Schubbiack! Soll ich Ihn zu Gurkensalat frikassieren? Soll ich ihn abmurksen, wie einen lahmen Enterich? Soll ich eine krepierte Sau aus ihm machen?

Bastian Hilfe! Erbarmen! Hilfe!

Rechts und links werden Türen aufgerissen. Von links her stürzt Järtke Dörings herein, rechts erscheint Doktor Prätorius.

Järtke Gottes Barmherzigkeit, was gibt's, was ist geschehen?

Prätorius gleichzeitig mit erhobenem Krückstock Quos ego! Wer stört hier den Frieden des Hauses?

Bastian nach Atem ringend Abwürgen hat er mich wollen! So ein Bärenhäuter! Zum gnädigen Herrn hat er mit Gewalt ... Bestie!

Lorenz mit grimmigem Lachen Bestie nennt Er mich! Schön' Dank, Herr Bruder, daß Er mich avancieren läßt! Herr Korporal vorn, Herr Reitknecht hinten, hat's eben noch geheißen! Hier, du Hosensch ... Er hält einen Brief in die Höhe Sag' deinem gnädigen Herrn ...

Meinerts ist hinter Prätorius in der Tür erschienen Wer lärmt hier so?

Prätorius wendet sich erschrocken um Eheu me miserum! Hab' ich Euch nicht gebeten, Herr, Ihr sollt ein weniges ruhen? Minime die Glieder ausstrecken, wie sich's gehört nach solch einer Prozedur!

Järtke läuft zu Meinerts Ja, Herr, schont Euch! Legt Euch nieder! Bedenkt, Ihr habt zur Ader gelassen.

Meinerts macht sich von ihr los Laß das, Mädchen! Wir sind in Kriegszeiten. So manch einer Mutter Sohn liegt auf grünem Rasen und sieht sein rotes Blut verspritzen. Kein Gott rührt einen Finger um all die jach verrauchte Lebensbrunst. Was hab' ich mehr Anspruch auf Erbarmen? Ich abgenutztes Werkzeug der Natur! Er senkt einen Augenblick den Kopf, rafft sich gewaltsam zusammen Nun, Lorenz, was bringst du mir für Botschaft von deinem Herrn? Ist der große Augenblick erschienen?

Lorenz übergibt ihm den Brief Da, lest den Brief, Herr!

Meinerts überfliegt den Brief, macht einen tiefen Atemzug Er ist erschienen! ... Ist da, der Augenblick!

Järtke angstvoll näher Welcher, Herr?

Meinerts auflachend Der Augenblick, wo der vermummte Puppenspieler hinter der Wand die Drähte zieht und alle Puppen zu tanzen beginnen! Lustig, Mädchen! Lustig! Es wird ein kurzweilig Spektakel werden, einem jeden von uns ist sein vorbestimmter Part darin zugewiesen. Dir! Mir! Uns allen! Mit Wendung zu Lorenz Auch dir, Freund Eisenfresser, wie mir scheinen will!

Lorenz Herr! Ich versteh' nichts von solchen gelehrten Geschichten! Ich bin ein simpler Kriegsknecht und sag' Euch gerade ins Gesicht: Ich und meine Reiter und Hakenschützen, so etliche fünfzig an der Zahl, wir haben Hunger und Durst, und unsere Rösser wollen auch was in den Bauch haben!

Meinerts So ist der Vortrab schon da?

Lorenz Zu Befehl, Herr! Und soll hier im Haus Quartier beziehen! Habt Ihr den Brief nicht gelesen?

Meinerts der den Brief nachlässig in der Hand hält Ganz recht, der Brief! Wann kommt denn der Feldobrist selbst mit den Regimentern?

Lorenz Erwartet ihn in der nächsten Stunde, Herr!

Meinerts Bastian!

Bastian hat sich mühsam erholt, windet sich Gnädiger Herr?

Meinerts Du wirst diesem Wackeren und seinen Reisigen in allem zu Diensten sein!

Bastian erbleichend Dem da ...?

Lorenz Herr! So mir der Aal noch mal unter die Finger gerät, ich steh' Euch für nichts gut!

Meinerts Mir meinen Kammerdiener abschlachten? ... Kapabel wärst du dazu, Freundchen!

Bastian zitternd Habt Erbarmen, gnädiger Herr! Ich spür's noch an der Gurgel.

Meinerts So werd' ich wohl selbst zum Rechten sehen müssen. Er geht nach links, wirft den Brief achtlos auf den Tisch.

Järtke will ihn aufhalten Herr, laßt mich!

Meinerts Schon gut! Er schiebt sie beiseite, geht hinaus.

Bastian folgt Meinerts.

Lorenz hat an der Tür gewartet, läßt ihn an sich vorbei Die Bestie wird Ihm noch angekreidet, Herr Schubiack! Beide ebenfalls links ab.

Järtke sieht Meinerts angstvoll nach Wie hohläugig er geworden ist die letzten Tage! Und geht wie im Fieber! Sie preßt die Hände vors Gesicht Gott! Gott! Ihn verlieren müssen, ihn sterben sehen! Sie fährt entsetzt auf, macht einen Schritt gegen Prätorius Gelehrter Herr, Ihr könnt die Ströme des Bluts rauschen hören! Ihr legt Euer Ohr an die Brust und belauscht den Taktschlag der Lebensuhr! Sagt! Sagt! Was habt Ihr am Zifferblatt abgelesen? Leben oder Tod?

Prätorius hat, ohne auf sie zu achten, den Brief vom Tisch genommen, ihn bedächtig überlesen, runzelt die Brauen Es ist, wie ich dachte. Das Fatum nimmt seinen Lauf. Dieser Zierenberg wird sein böser Dämon! ... Wär' er nicht einem Sterbenden gleichzuachten, man müßte sie warnen in der Stadt.

Järtke dicht bei ihm Was murmelt Ihr da? Ein Sterbender? Wer ist ein Sterbender? Wer? Wer?

Prätorius Wir alle, Jungfer Järtke, wir alle sind Sterbende. Vom ersten Schrei an, womit wir das Licht dieser Welt begrüßen, bis zum letzten, darin uns der Atem entweicht und die sempiterna nox uns umfängt.

Järtke umklammert seinen Arm Bei allen Heiligen ...!

Prätorius ohne sich unterbrechen zu lassen Zum Sterben sind wir geboren, und Vernichtung ist unsre gewisse Losung. Es sei denn, ein von der Gottheit Erleuchteter, ein Säkulargeist ohnegleichen käme und zerbräche die Fesseln des Todes. Welch ein Denkmal aere perennius! Aber noch ist es nicht so weit.

Järtke Ihr habt seinen Atem gemessen, würdiger Herr! Seinen Herzschlag gezählt! Ihr habt von seinem Blut genommen und es Tropfen für Tropfen in Euren Gläschen aufgelöst! Auch heißt es, Ihr habt ihm das Horoskop gestellt. Nichts an ihm und in ihm kann Euch verborgen sein. Schafft die quälende Ungewißheit von mir! Erlöst mich von der dumpfen, ungreifbaren Angst! Wird er leben oder sterben? Sterben nicht dereinst! Nicht am natürlichen Ende der Tage! Nein, jetzo! Heute! Morgen! Binnen einer Woche oder wenigen Monden! Sterben in der Blüte seiner Jahre! Sagt mir! Sprecht! Gebt mir Hoffnung, so Ihr könnt! Sie umklammert von neuem seinen Arm.

Prätorius erhebt mit der anderen Hand den Brief Jungfer Järtke, wißt Ihr, was in diesem Brief zu lesen steht? Euer Herr hat sich mit dem Feldobristen Zierenberg gegen die freie Reichsstadt Danzig verschworen! Ich wäre es, rebus sic stantibus, meiner geliebten Adoptivheimat und meinen liebwerten Gönnern vom Ratskollegio schuldig, sie rechtzeitig vor dem aufsteigenden Gewitter zu warnen. Und doch werd' ich schweigen. Begreift Ihr, warum?

Järtke faßt sich verzweifelt an den Kopf Mann! Mann! Ich vergehe!

Prätorius ergreift ihre Hand Jungfer Järtke, Eures Herrn und Liebsten Tage sind gezählt, gleich dem Sand in dem ablaufenden Stundenglas. Der Genius des Todes steht mit gesenkter Fackel hinter ihm. Das Horoskop besagt's mit aller erdenklichen Gewißheit, und meine eigene ärztliche Diagnose, die mich noch selten betrogen, gibt die Bestätigung dafür.

Järtke Barmherzige Mutter Gottes!

Prätorius Erfaßt Ihr nun, Jungfer, daß ich der beginnenden Tragödia nur als stummer Zuschauer beiwohne und nicht, wie es sonst wohl meine Pflicht, die Fäden der Verschwörung aufdecke? Euer Herr steht als ein vom Tode Gezeichneter auf der Szene. Ferne sei es von mir, einen Sterbenden zu verraten!

Järtke Und wie lange ... gebt Ihr ihm noch Zeit?

Prätorius Sofern aus den Sternen Wahrheit spricht, wird er die Sonne des morgigen Tages schwerlich mehr erblicken.

Järtke Nicht mehr ... den morgigen Tag ...? Sie sinkt vor ihm nieder Rettet ihn, gelehrter Herr, rettet ihn!

Prätorius Wider die offensichtlichen Zeichen von Natur und Wissenschaft? Ihr fiebert, Jungfer Järtke! Kommt zu Euch! Ertragt das Unabänderliche mit Fassung!

Järtke Wozu wälzt Ihr dann Tag und Nacht Eure verstaubten Folianten? Wozu braut Ihr Eure verzauberten Säfte? Eure kohlschwarzen Tränkchen? Hockt in Eurer rußigen Küche, von Flammen umlodert, in Dämpfe gehüllt? Nicht einen einzigen Menschen könnt Ihr damit dem Tod entreißen, nicht einem einzigen Menschen, diesem einen nur, seine Tage verlängern, seine Frist erstrecken? Diesem einen nur, Herr! Diesem einen nur! Sie sinkt mit dem Kopf auf den Boden, rafft sich sofort wieder auf Und Euer Lebenselixier, davon Ihr soviel Aufhebens gemacht? Mit gerungenen Händen Helft ihm, weisester aller Ärzte! Rettet ihn mir! Rettet ihn mir!

Prätorius Steht auf, Jungfer Järtke. Noch ward kein untrügliches remedium entdeckt, den aufgesperrten Rachen des Abgrunds zu schließen. Aber erinnert Euch, wie Ihr mich verlacht habt ob meines bis dato unbelohnten Suchens danach. Jetzo wäret Ihr froh um das winzigste Tröpfchen davon. Lernt daraus, daß die Wissenschaft sich nicht spotten läßt. Er geht zur Tür hinten rechts ab.

Järtke allein, noch halb auf den Knien, sieht verstört um sich Nicht mehr ... den morgigen Tag? Gott im Himmel! Soll ich den Verstand verlieren? Sie springt auf, macht mit irren Gebärden ein paar Schritte, taumelt gegen den Tisch, hält sich daran fest. Ihr Auge fällt auf den Brief, den Prätorius auf dem Tisch zurückgelassen hat. Sie greift mechanisch danach, läßt ihre Blicke darübergleiten, will ihn zurücklegen, stutzt plötzlich Was ist das? Sie liest langsam nach »Auch habe ich der Feldobristin geheime Botschaft zugehen lassen, sie möge noch vor der Mittagstunde unauffällig Haus und Stadt verlassen, um auf dem Waldweg dein Landhaus zu gewinnen, allwo sie meines Eintreffens zur gleichen Stunde gewärtig sein kann ...« Sie knittert das Papier zusammen, ballt die Faust Sie hierher! Die Polin im Haus! Die schuld an allem, die ihm das Fieber ins Blut gehetzt, das Gift ins Herz! Des Feldobristen Weib zu Besuch im Haus! Sie schlägt die Hände vors Gesicht, sinkt in sich zusammen.

Meinerts tritt von links wieder ein, stutzt bei Järtkes Anblick Was gibt's, Järtke?

Järtke fährt zusammen, sucht sich zu fassen Ihr erwartet Besuch, Herr ...

Meinerts Wie der Brief, den du in der Hand hältst, besagt.

Järtke Verzeiht, ich las ihn!

Meinerts So du damit fertig geworden, erbitt' ich ihn zurück.

Järtke Er lag offen da, wie Ihr wißt. Auch der Doktor Prätorius hat ihn in der Hand gehabt. Sie gibt ihm den Brief.

Meinerts ihn einsteckend Schon gut! Er enthält nichts, was nicht in kurzem aller Welt kund würde.

Järtke mit halber Bewegung zu ihm Herr, Ihr zürnt mir?

Meinerts Im geringsten nicht! Eher hätt' ich dir zu danken, daß du mich langer Vorrede überhebst.

Järtke Wie meint Ihr das, Herr?

Meinerts Es geht nicht wohl an, daß der erwartete Besuch dich hier im Hause antrifft.

Järtke erschrocken Ich soll fort?

Meinerts Nur solange, als der Besuch und sonstige Umstände es erfordern.

Järtke Herr, sagt doch offen heraus, daß Ihr meiner überdrüssig seid! Es wäre bei Gott Euer würdiger!

Meinerts Komm zu dir, Järtke! Ich biete dir Quartier in der Stadt an, indes ich meine Gäste hier draußen empfange.

Järtke wild auflachend Erzählt keine Märchen! Als hättet Ihr je vordem mich aus dem Hause geschickt, wenn Gäste kamen! Die eine ist's, die polnische Gräfin! Ihr muß ich weichen! Ihr allein! Mit gerungenen Händen Herr, Euer Verderben habt Ihr ins Haus geladen! Euer Unheil reitet als Gast bei Euch ein!

Meinerts Dafür müßtest du gehen! So oder so! Mit dem Wort ist es aus!

Järtke Aus ist es längst! Hab' ich nicht erlitten, was ein Weib nur erleiden kann? Hab' ich nicht Tag für Tag, Stunde für Stunde Euch mir erkalten, Euch mir entfremden sehen? Kann es mehr aus sein als aus? Mehr tot als tot? Womit droht Ihr mir noch? Schlagt mich, tretet mich mit Füßen, tötet mich! 's ist Kinderspiel gegen dem, was ich durchgemacht!

Meinerts Glaubst du, mir sei das Leben ein Fastnachtsschwank? Die Tage wie Rosenblätter, die tändelnd bachabwärts ziehen? ... Vor Zeiten, Mädchen ... Vor Zeiten hab' ich's gedacht! Kein Wein war zu feurig! Kein Duft war zu heiß! Kein Rausch zu schwer! Kein Traum zu verwegen! Und der Extrakt von dem allen ... Er schlägt sich auf die Brust Ich bin mit Bitternissen gefüllt bis zum Rand, ich bin vergiftet bis ins geheimste Mark! Wer von mir kostet, der stirbt! Und ich selbst, ich bin verdammt, noch zu leben.

Järtke Herr, laßt mich Euch warten, Euch pflegen. Ich will ja nichts, als um Euch sein. Ich will vergessen, was ich Euch vordem war, wie Ihr es vergessen habt. Nehmt mich gleich dem Licht, das Euch umspielt, gleich der Luft, die Ihr atmet. Ich bin und bin nicht. Mit bittend erhobenen Händen Wollt Ihr?

Meinerts Nein, Mädchen! Keine Opfer! Nichts von Pflege noch Wartung! Noch steh' ich aufrecht, und vor dem Siechbett werd' ich mich zu schützen wissen! ... Hab' Dank für deine Gutheit, Järtke, und laß uns scheiden! Er geht zum Tisch, schellt.

Bastian tritt geräuschvoll ein Gnädiger Herr?

Meinerts Laß anspannen, Bastian. Jungfer Järtke fährt nach der Stadt.

Bastian Sehr wohl, gnädiger Herr! Er bleibt wartend in der Tür stehen.

Järtke halb vor Meinerts hingesunken Nur noch bis morgen! Erbarmen, Herr! Den einen einzigen Tag noch! Ich hab' Euch geliebt und Ihr schient mir gut! Verdien' ich nicht so viel Erbarmen dafür, wie dem Mörder wird, der um die Gnadenfrist bettelt?

Meinerts Ich will's, Järtke! Und wollt' ich's auch nicht, so müßt' ich's. Wir sind alle Sklaven des Schicksals, das wir uns selbst geschaffen. Komm, Mädchen, steh' auf! Niemand entgeht seinem Los. Wer weiß, wie nah mir selbst schon der Henker!

Järtke Herr, seid Ihr denn rasend? Seid Ihr von Sinnen? Die einzige Seele, die's treu mit Euch meint, wollt Ihr aus Eurer Sterbestunde verstoßen?

Meinerts schrickt zusammen, ermannt sich sofort Laß solche Worte, Järtke! Es ist entschieden, du gehst, eh' meine Gäste das Haus betreten. Noch vor dem Mittagsläuten erwart' ich sie, und der Stundenzeiger dort rückt.

Järtke Der Stundenzeiger dort rückt, und Ihr seid des Todes, Herr, und wißt es nicht!

Meinerts prallt zurück Was ist das?

Järtke Ihr seid des Todes, o Herr, eh' der Stundenzeiger sich abermals um sich selbst gedreht! Wollt Ihr mich immer noch von Euch stoßen? Erwartet Ihr ferner noch fremden Besuch? Auf den Knien sich aufrichtend und wachsend, wie hellseherisch Ja, fremder Besuch ist's, so sich Euch angesagt! Auf einem Rappen mit roter Schabracke kommt er geritten, sein schwarzer Mantel bauscht sich im Wind! Das Gartentor auf! Weit auf die Türen im Saal! Der fremde Reiter tritt klappernd herein und winkt uns zum Henkersmahl ... Sie steht einen Augenblick mit verglasten Augen, bricht dann schwer in sich zusammen.

Meinerts hat todesbleich ihren Worten gelauscht, stützt sich mühsam auf den Tisch, stammelt Bastian! ... Bastian! ... Bastian der an der Tür der Szene stumm beigewohnt, mit Zeichen des Entsetzens, springt hinzu Gnädiger Herr ...! Er stützt ihn, deutet auf Järtke Soll ich sie fort...?

Järtke Nicht fort! Nicht fort! Sie springt auf, läuft zu Meinerts, schlingt die Arme um seinen Hals.

Meinerts reißt sich von ihr los Rühr' mich nicht an! Ich bin ein wandelnder Leichnam! Ich bin ein verfrühtes Gespenst! Mein Atem ist Grabeshauch! Mein Händedruck Tod!

Järtke schlägt die Hände vors Gesicht Ich Unglückliche! Ich Wahnsinnige! Was hab' ich getan!

Meinerts mit tonloser Stimme Wer gab dir die Kunde, Järtke?

Järtke Niemand, Herr, niemand! Ausgedacht hab' ich's mir! Euch schrecken wollt' ich!

Meinerts Du lügst! Wer gab dir die Kunde? Oder soll ich dich zum Satan vorausschicken?

Järtke zitternd Der Doktor Prätorius, Herr, so die Blutsprobe an Euch gemacht und das Horoskop gestellt! Glaubt ihm nicht! Glaubt ihm nicht!

Meinerts zu Bastian, der sich entsetzt bis an die Türe zurückgezogen hat Marsch mit dir fort, Hans Hasenfuß! Ruf mir den Doktor Prätorius!

Bastian geräuschlos und eilends nach rechts hinten ab.

Järtke will sich Meinerts nähern Herr! ... Könnt Ihr mir vergeben?

Meinerts Geh'! Geh'! Tu mir den letzten Liebesdienst! Geh'!

Järtke steht, ohne sich zu rühren Fortgejagt wie ein Hund!

Meinerts auffahrend Soll mir die Neige vom Lebenstrunk noch vergiftet sein? Muß ich mich gleich dem sterbenden Tier in die Wildnis verkriechen?

Järtke rafft sich zusammen, geht wortlos zur Tür links.

Meinerts starrt vor sich hin. Als sie an der Tür ist, ruft er mit plötzlicher, fast angstvoller Bewegung Järtke! ... Mädchen! ...

Järtke dreht sich um, sieht ihn an, schluchzt krampfhaft, kommt zurück.

Meinerts legt die Hände auf ihren Scheitel, murmelt leise Kleiner ... blonder ... Schatz! Er bezwingt sich mühsam, macht sich dann von ihr los Vorbei! ... Gewesen! ... Leb' wohl! ... Er wendet sich ab.

Järtke erhebt sich schwankend, geht leise zur Tür, ohne sich umzusehen, ab.

Meinerts allein geblieben, den Kopf auf der Brust, steht in dumpfem Sinnen. Allmählich erwacht er, sieht nach der Tür, wo sie verschwunden ist War das das Leben, was dort verschwand? Glück? Liebe? Jugend? Alles mit eins? Durch die Tür da ging es hinaus? Durch die Tür da zog es davon? Er geht mechanisch gegen die Tür, sieht kopfschüttelnd in die Runde Hier hat mein Kindertischchen gestanden. Hier hab' ich aus Bauklötzen Paläste und Dome getürmt, mit Zinnsoldaten das heilige römische Reich erstürmt und auf Kähnen, aus Holzspan geschnitzt, die glückseligen Inseln erschifft. Hier durch die Tür trat dunkelbärtig und ernst mein Vater, wenn er von fernen Reisen zurückgekehrt. Mit ihm das Leben hier durch die Tür. Wann war das doch? War's nicht gestern nachmittag? Nicht heute früh? Nicht soeben erst? Vor einer Stunde zuhöchst? Er faßt sich an den Kopf, sieht traumverloren um sich Wie war das doch gleich? Und warum ... ging's ... durch die Tür dort ... schon wieder hinaus? Er fährt zusammen, scheint zu erwachen Und der Zeiger dort rückt! Der Zeiger rückt, und eh' er sich abermals um sich selbst gedreht... Wo Bastian nur bleibt? Hab' ich ihn nicht nach dem schwarzen Schleicher, dem salbadernden Giftmischer geschickt? Hat der Abgrund sie beide zusammen verschluckt? Gewißheit will ich! Gewißheit mir ins Gesicht! ... Jetzo zeig' deine eherne Stirn', Freund Wortemacher! Hab' ich umsonst deinen Bauch mit Kapaunen und Torten gestopft? Deine Nase mit Burgunder gerötet? Ungezählte Rollen von Golde in deine dampfenden Tiegel, deine unergründlichen Taschen gesenkt? Wo steckt nun der Stein der Weisen, den du aus meinen Truhen gehoben? Her mit dem Lebenselixier, so du mir aus dem Mark gesogen! Er lacht höhnisch auf, schlägt sich vor die Brust Narr! Was suchst du Gewißheit von draußen her? Trägst du's nicht längst hier drinnen verbürgt als dein tiefstes Geheimnis? Muß erst ein Stümper erscheinen, dir den Sinn zu erdeuten? ... Mut, Freund! Mut! Dein Zeiger steht knapp vor der Mitternacht. Er geht in tiefem Sinnen durch den Saal Ein hohläugiger Sämann ist des Weges dahergezogen, der hat einen Keim in meinen Garten gesät. Draus ist eine Blume um Abend entsprossen, vor ihrem purpurnen Duft muß alles Wachsen und Blühen in der Runde verbleichen. Ihre nachtsamtenen Blätter überschatten den Lebensquell. Er blickt auf, krampft die Hände zusammen Mut, Freundchen, Mut! Es ist die letzte Blume, die du blühen siehst. Warum nicht ihren dunkeln rätselvollen Duft so tief und zärtlich einschlürfen, wie du dein Leben lang alle holdesten Düfte geschlürft? Warum nicht die letzten Stunden mit allen Wonnen des Abschiednehmens auf Daseinshöhen versüßen, wo andern nichts als der finstere Abgrund entgegengraut? Hier ist die Probe auf deine Lebensrechnung. Hier der Siegeskranz deines Heidentums. Er blickt wie abwesend um sich Wie fremd alle Farben! Wie bleich und verschlissen das Sonnenlicht! Schatten von Schatten, die einst gelebt, der Dinge Gesichter! Mit Gespenstern lärmende Feste feiern, du selbst schon Gespenst? Mit Schatten verruchte Buhlschaft treiben, du selbst nur noch Schatten? Er weicht, wie vor etwas Unsichtbarem zurück Fort! Fort! Fort! Fort! Ins Dickicht! In die Wildnis! Fort aus der Lebendigen Bezirk! Er macht ein paar irre Schritte, als wolle er gegen die Gartentreppe hin fliehen, bleibt wie entgeistert stehen, da er aus dem Garten her Cordula sich entgegenkommen sieht, murmelt vor sich hin Zu spät!

Cordula kommt schnell die Treppe herauf. Sie ist wieder reichgekleidet, diesmal in lichten, heiteren Farben. Ihr ganzes Wesen scheint verwandelt. Etwas Weiches, Süßes ist um sie. Sie deutet hastig nach innen Sind wir allein?

Meinerts nickt stumm.

Cordula faßt seine Hände, drückt sie innig Mein Freund! Mein Geliebter!

Meinerts schaudert unwillkürlich, faßt sich aber sogleich Nicht hier! In den Saal!

Cordula während sie ihm folgt Ich kam durch das Pförtchen herein. Weit und breit keine Menschenseele. Der Garten wie tot und verstorben. Kaum ein Vogelzwitschern.

Meinerts 's ist die Stille des beginnenden Mittags.

Cordula Und dennoch ... Seltsam! Wie ich so zwischen den Hecken hinschritt, da war's, als liefe vor mir oder hinter mir oder zu meiner Seite jemand lautlos über den Rasen. Irgend ein stummer Begleiter ... Nein, liefe nicht. Schwebte vielmehr oder glitte so hin, wie körperlos. Auf unsichtbaren schwarzen Flügeln, dicht längs dem Boden hin ... Wenn's meiner Mutter seliger Geist gewesen! Du lachst ...!

Meinerts Mir war kein Lachen je ferner als dieses.

Cordula So glaubst auch du Abtrünniger an Geister? Und daß sie wiederkommen, und uns umschweben? Bist du bekehrt von deinem Heidentume? Sie streckt entzückt die Arme nach ihm aus Du bist's! Du bist's! Gib mir die Hoffnung! Einen Schimmer von Hoffnung!

Meinerts Und wär's auch nur eines Schimmers Schimmer, wo nähm' ich ihn her in sternenloser Nacht?

Cordula So nimm ihn von mir! Ich trage ein Leuchten in mir, groß genug für uns zwei. Sie preßt zärtlich seine Hände Geliebter! Einziger! Wär's möglich? Wir beide im Tod erst verbunden und im Tode zugleich für immer getrennt? Nur zwei Atemzüge lang einander im Arm gehalten? Zwei Atemzüge lang du ich und ich du und alles, alles, alles wieder versunken? Auf Ewigkeiten auseinandergerissen und in Ewigkeiten nicht wieder zusammengeführt? Sebald, Sebald! Du in deines Heidentums unterirdischer Kerkernacht und ich, die umsonst nach dir ruft! Die Arme nach dir ins Leere streckt! ... Ich Sünderin, ich! Ich Verworfene, ich! Sie drückt die Hände vors Gesicht, sinkt in sich zusammen, fährt wieder auf Rette mich, Sebald! Rette dich selbst!

Meinerts immer wie durch eine fremde Luftschicht von ihr getrennt Umsonst, Cordula! Dein Glaube ist tot für mich. Keine Geister sind als etwan die unserer Taten. Unser Verhängnis wandelt mit uns. Das wirft seinen Schatten hinter uns, vor uns über den Weg. Der stumme Begleiter war's, den du da draußen an den Hecken gesehen! Erkennst du, wohin er uns winkt? Erkennst du den stillen Garten?

Cordula verhält ihm den Mund Nicht das! Nichts von Verhängnis und Todesschauern, nichts von Leichentüchern und Kirchhofsgraus! Leben, Geliebter! Leben! Leben mit dir! Leben!

Meinerts Und er? Dein Gemahl? Andreas?

Cordula Ich habe keinen Gemahl! Habe nie einen gehabt!

Meinerts Wie ihm gegenübertreten, Cordula? Wie noch länger an seiner Seite gehen? Für dich verrät er die Stadt. Verrät er Soldatenpflicht und Jurament. Für dich verrat' ich ihn! ... Und du selbst, die du ihm den Tod geschworen?

Cordula Wir fliehen, Sebald! Wir fliehen! Du bist Herr über hundert Schiffe. Trag' mich mit fort auf deine schaukelnden Bretter!

Meinerts Cordula! Welch fremder Geist hat dich in Besitz genommen? Als verschleierte Todesgöttin standest du vor mir, den Arm einem Weiser gleich gen unbetretene Fernen gerichtet, die Augen in Dunkelheiten verloren.

Cordula fällt ihm um den Hals Wer war's, der die Entseelte ins Leben zurückgeküßt? Der die Verhärtete zur seligen Sünderin umgeschmolzen, aus der Hoffärtigen eine Verworfene gemacht? Wer war der Dieb, der sich um Mitternacht eingeschlichen? Wer der Verräter, der Schelm, der ums Morgengrauen sich davongestohlen?

Meinerts murmelnd So fern das alles! So unendlich weit!

Cordula prallt zurück Wie?

Meinerts besinnt sich, lächelt leichthin Ich hatte einen bösen Traum heute nacht. Ich war des Todes schuldig gesprochen. Der Richtspruch war mir verkündigt. Das Stäbchen zerbrochen, und eh' der Zeiger dort an der Uhr sich abermals um sich selbst gedreht, war mir zu sterben bestimmt.

Cordula Du Ärmster! Dir bangte wohl recht im Traum? Und warst dann froh, da du erwachtest?

Meinerts wieder lächelnd Nicht ganz. Denn dieses Alpdrucks grauenvolle List verkleidete sich in den Schein des Wachens, spiegelte mir das Gesicht wie echten Lebens vor, also daß ich dem Ertrinkenden gleich nach Luft, nach Atem rang, dazwischen hin und wieder mir bewußt, daß alles dies unmöglich mehr denn Traum, denn wär' es Wahrheit, so müßte des Wahnsinns Fratze dahinter lauern und müßte sich, noch eh' das Ziel des Richtblockes erreicht, an meines armen Kopfes Stelle setzen. Er hat sich immer tiefer in die Stimmung hineingesprochen, steht bleich und entrückt da.

Cordula erschüttert Laß ab! Du bist erwacht und alles ist gut!

Meinerts mit fremdem Lächeln Bin ich erwacht? ... Noch nicht!

Cordula breitet die Arme aus Komm her, du mein Herzensfreund! Ich lege die Hand auf deine brennenden Schläfen. Ich kühle dir das gepeitschte Blut. Sie zieht ihn an sich.

Meinerts murmelt Bist du's, die Vergessenheit bringt?

Cordula Ich bin die Sonne! Ich bin das Licht!

Meinerts macht sich von ihr los Nein! Du warst es, die mir im Traum heut' das Ende verkündigt. Der Nachtmar trug deines Gesichtes entgeisterte Züge. Umsonst, daß du dein Antlitz verstellst! Dich im Tageslicht jetzt hinter der Maske des Lebens versteckst! Als Todesbraut stehst du mir da! Bist du bereit, noch in dieser Stunde?

Cordula Sterben, ohne gelebt zu haben? Den Becher fortschleudern, der noch kaum die Lippen benetzt? Und doch mit der unverziehenen Todsünde vor den Richter treten ...?

Meinerts in voller Erkenntnis mit gefaßtem Entschluß Es ist gut. Unser Pakt ist zerrissen! Ich gebe dich frei wie du mich!

Cordula umklammert seinen Arm Nicht frei! Nicht frei! Verbunden mit dir! Umschlungen mit dir! In Flammenqualen hinab, die unausdenkbar und ohne Ende sind, aber zuvor den Kelch bis auf die Neige geleert! Ewig des Höllenschlunds brennende Todespein! Aber ewig auch unseres Erdenglücks glühender Untergangsschein! Sie steht mit erhobenen Armen und zurückgeworfenem Kopf da.

Meinerts Königliches Weib du! Daß du mein warst, bis zur Schwelle des Todes mein, das allein hat die Fahrt durchs Leben gelohnt! Er beugt sich nieder, küßt ihre beiden Hände.

Meister Jan von Harlem ist an der Türe links mitten erschienen, will sich bei dem Anblick der beiden zurückziehen.

Meinerts bemerkt ihn, winkt ihm zu Ihr kommt zur rechten Zeit, mein Meister Jan von Harlem. Ich habe einen Auftrag für Euch. Mit Wendung zu Cordula Aber verratet's nicht vorschnell Eurem Gemahl, edle Frau, so Ihr ihn in der nächsten Stunde hier wiederseht. Spart's ihm als Überraschung auf.

Cordula Mein Gemahl hierher?

Meinerts Jede Minute kann ihn bringen. Wißt Ihr's noch nicht? So lest den Brief hier. Er reicht ihr den Brief, den er aus der Tasche gezogen hat.

Meister Jan zu Meinerts Herr! Versteh' ich Eure Absicht?

Meinerts deutet auf die lesende Cordula Seht Euch einmal die Nackenlinie da an, Meister. Scharf von der Seite. Habt Ihr je etwas Vollkommneres in den Proportionen erblickt? Da, der Halsansatz mit dem schmalen, edlen Kopf und den schön gewölbten Schultern! An eine griechische Juno erinnert er mich, die ich vorzeiten im Welschland ausgraben sehen. Er steht in den Anblick Cordulas versunken.

Bastian ist geräuschlos von rechts hinten erschienen Gnädiger Herr ...?

Meinerts schrickt bei dem Ton zusammen, faßt sich sofort Wahrhaftig! Wäre die Schönheit für den Christen nicht sündlich, man könnte bei dem Anblick ein Christ werden und an eine übernatürliche Welt glauben. Aber da es unchristlich, so christlich zu denken, so bleibt man wohl, was man ist, und endet als der Heide, als der man gelebt.

Bastian einen Schritt näher Gnädiger Herr ...?

Meinerts mit fremdem Lachen Was willst du von mir, du Sendbote, der im Dunkeln schleicht?

Bastian Der gnädige Herr haben nach dem Doktor ausgeschickt ...

Meinerts Fandest du ihn, schwarzer Lotse?

Bastian sich windend Der Magister ist wie vom Erdboden verschwunden. Ich habe Haus und Garten nach ihm abgesucht. Keine Spur!

Meinerts Es ist gut. Wir bedürfen seiner nicht mehr. Troll' dich hinaus! Und sei unseres Winkes gewärtig!

Bastian mit Verbeugung geräuschlos nach links ab.

Meinerts zu Meister Jan Nun, Meister Jan von Harlem, habt Ihr Euch den Auftrag überdacht?

Meister Jan Herr, ich bin bereit.

Meinerts zu Cordula, die, den zerknitterten Brief in der Hand, düster vor sich hinbrütet Und Ihr, edle Frau? So stumm und teilnahmslos, als würde vom Mann im Mond gesprochen? So redet doch! Denkt, wie vieler Zeitalter ungezählte Schönheit aus dem Erdenschoß aufgestiegen und wieder in ihn versunken, danach keines Meisters Auge gefragt, dafür keines Meisters Hand sich geregt! Und Euch! Euch! Euch fiel das Los, einem Auserwählten, wie diesem, einem Einzigen seiner Art, die nicht wiederkommt, zu begegnen! Das Los, Euch in seinem Auge für ungeborene Zeiten wiederzuspiegeln! Ihr, Ihr sollt im Lichte leben, wo sich über Myriaden Eurer Schwestern, nicht weniger geliebt und begehrt denn Ihr, der Vergessenheit schwarzer Mantel breitet! Er wendet sich zu Meister Jan, flüstert hastig Ihr wißt, wie's um mich bestellt? Ihr kennt das Verdikt?

Meister Jan senkt vor seinem Blick schweigend den Kopf.

Meinerts wie vorher So schweigt zu ihr! Schweigt! Schweigt! Er wendet sich wieder zu Cordula zurück Cordula! Ich bin ein Heide gewesen, all meine Tage. Euer finsterer Gott Jehova hat nie für mich über den Wolken gelebt. Ich habe nichts als diese einzige, blühende Erde und diese leuchtende Sonne da, und sobald sie hinunter, ist es für mich vorbei und währende Nacht! ... Und doch! Ein Funke der Gottheit glimmt auch für mich und sprüht durch die Zeiten. Ein Funke soll auch unserer Lebenssonne versunkenes Leuchten bis in entlegene Geschlechter tragen. Er deutet auf Meister Jan Hier, hier lebt der Funke! Hier wirkt er und schafft Lebendiges über Gräbern! ... Cordula! Schönste! Laßt mir den Trost, daß die Dame, die mir teuer gewesen, im Bilde noch fortlebt, wann über uns allen zusammen die Leichensteine längst verfallen!

Cordula wendet sich zu Meister Jan, senkt den Kopf vor ihm Herr Jan von Harlem, so Ihr mich als Modell für eine Magdalena brauchen könnt ... hier' habt Ihr mich.

Meister Jan mit Haltung Es sei, wie Ihr befehlt.

Meinerts So geht auf der Stelle an Euer Werk. Wer's heute vollendet, braucht's morgen nicht mehr zu vollbringen. Und ist es vollbracht, so ist es auch vollendet. Sei's nun ein Kernschuß geworden, sei's Stückwerk geblieben, so oder so. Er geht gesenkten Kopfes nach links, bleibt an der Tür vorn stehen, verbeugt sich Entschuldigt mich für ein kurzes Weilchen, edle Frau, und laßt Euch die Zeit nicht zu lang werden, derweil Ihr dem Meister Jan von Harlem Modell sitzt. Er nickt beiden noch einmal zu, geht hinaus.

Cordula sieht ihm mit großen, traumverlorenen Augen nach, rafft sich dann gewaltsam zusammen, wendet sich schwermütig lächelnd zu Meister Jan Von welcher Seite wollt Ihr mich nehmen, Herr Jan von Harlem? Oder habt Ihr mich noch nicht ausstudiert?

Meister Jan ganz in Betrachtung versunken Wer vermäße sich, in eines Augenblicks Frist einen Brunnen auszuschöpfen!

Cordula wie vorher Mir ist, als würdet Ihr ihm niemals auf den Grund kommen.

Meister Jan Ich will's vorderhand mit einer Farbenskizze versuchen. Laßt mich nur mein Handwerkszeug holen. Ich hab's meinem Reisebündel beigepackt. Er geht rasch nach links mitten ab.

Cordula bleibt einen Augenblick allein. Sie starrt vor sich hin, macht eine Bewegung, als drücke die Luft im Saal auf sie, läßt sich in einen Sessel links fallen, preßt das Gesicht in die Hände. Währenddessen erscheint im Garten, in einen schwarzen Mantel gehüllt, wie im zweiten Akt Jobs Hamel. Er steigt langsam die Treppe herauf und betritt, immer noch ungesehen von Cordula, den Saal.

Cordula schwer atmend, murmelt halblaut So schwer und drückend die Luft! Die Blumendüfte süßlich und schwül! ... Fast wie in einem Sterbehaus! Sie schüttelt sich, von Entsetzen gepackt. Ihr Auge fällt auf Jobs Hamel, der am Eingang des Saals steht und sie schweigend betrachtet. Sie schreit halb erstickt, mit vorgestreckten Armen Wer seid Ihr? Was wollt Ihr? ... Hilfe! Sebald! Sebald! Sie sinkt wieder in den Stuhl zurück.

Hamel unbeweglich, mit gekreuzten Armen Ruft nur Euren Buhlen herbei! Meine Botschaft ergeht an Euch und ihn zugleich.

Cordula springt auf Herr Syndikus Hamel! ... Sogleich gefaßt Woher nehmt Ihr das Recht, hier so einzudringen? Woher das Recht, einer Dame so zu begegnen? Sie steht, hoch aufgerichtet, vor ihm.

Hamel kalt Wer sich außerhalb des Gesetzes begibt, täte wohl daran, sich nicht auf das Recht zu berufen.

Cordula Ah! Ihr Deutschen richtet, ohne geurteilt zu haben! Ihr Deutschen köpft, um euch die Beweise zu ersparen! Ihr Deutschen erwürgt, weil ein stummer Mund euch nicht mehr widerlegen, ein gebrochenes Auge euch nicht mehr verachten kann! Bei Gott und allen Heiligen! Ihr ließt mich als Polin geboren werden! Ihr laßt mich als Polin sterben. Wie dank' ich euch dafür!

Hamel Ihr werft Euch gar sehr in die Brust, hochgeborene Frau Gräfin, ob Eures vieledlen Polentums; Erklärt mir doch, wie man's bei Euch zu Hause mit der Treue hält. Ich habe mir erzählen lassen, daß auch in polnischen Landen Ehebrecherinnen des Todes schuldig sind.

Cordula mit zurückgeworfenem Kopf und ausgebreiteten Armen Es sei! Schlagt es auf, Euer Blutgerüst! Hervor mit dem Richtschwert, das Ihr da unter dem Mantel tragt! Und die Henkersknechte, wo habt Ihr sie? Heraus mit ihnen aus ihrem Hinterhalt!

Hamel schlägt den Mantel auf Ihr irrt Euch, hochgeborene Frau Gräfin. Allein und unbewehrt bin ich hierher gekommen.

Cordula Und wißt wohl nicht, daß Ihr im feindlichen Lager seid ...?

Hamel Ihr unterschätzt die Kunst meiner Späher, edle Frau.

Cordula Ihr war't Euch bewußt, daß Krieg zwischen Euch und uns besteht?

Hamel So ist es, vieledle Frau!

Cordula dicht an ihn heran Wäre Euch auch bekannt, daß der Feldobrist auf dem Marsch hierher?

Hamel Den eben such' ich hier.

Cordula in geduckter Haltung Habt Ihr gar nicht ein bißchen Angst, Herr Syndikus Hamel? Es sind Bewaffnete im Haus. Ein Zug an der Klingel und Ihr habt Euren letzten Ritt getan!

Hamel Erseht daraus, daß auch ein Deutscher Mut haben kann.

Cordula So beweist ihn! Sie macht einen Schritt gegen die Klingel zu.

Hamel einen Schritt näher Halt, noch eins! Ihr vergeßt, daß Euer Gemahl nicht erst seit heute im Verdacht des Hochverrats. Und daß es einer wachsamen Obrigkeit Pflicht, die Häuser dergleichen Staatsverbrecher beizeiten unter Observation zu nehmen. Euer Haus, vieledle Frau, war Euch unbewußt umstellt. Man sah einen Vermummten und doch Bekannten um Mitternacht hineinschlüpfen, der sich erst gegen den grauenden Tag hin entfernte.

Cordula Ihr Vampir, der bei Nacht und Nebel nach Blut geifert, Ihr Höllenspuk, hinunter mit Euch in den Abgrund! Zehnfach habt Ihr zu sterben verdient! Sie stürzt sich auf den Klingelzug.

Hamel packt ihre Hand Frau Cordula Zierenberg! Das Traumgesicht jener Mitternacht liegt wohlverbrieft in sicherer Obhut unseres Rats. Sterb' ich in dieser Stunde, so hält in der nächsten der Feldobrist das Dokument in seiner Hand. Bleib' ich am Leben, so ließe sich mit Vorbehalt aller gebotenen Schritte doch ein Rettungsweg für Euch selbst eröffnen. Entscheidet nun, ob Ihr mit mir zusammen gerettet sein, ob Ihr zusammen mit mir fallen wollt.

Cordula Euch mein Leben verdanken? Niemals! ... Lieber den Tod! Ich bin bereit! So seid's denn auch! Sie will den Klingelzug greifen.

Hamel hält ihre Hand fest, vertritt ihr vollends den Weg Noch nicht!

Cordula Ah! Zeigt Ihr Euer wahres Gesicht? Sebald! Sebald! Zu Hilfe! Zu Hilfe!

Bastian öffnet die Tür links. Er hält einen Brief in der Hand, bleibt erschrocken stehen Gnädigste Gräfin!

Cordula Ruf mir deinen Herrn! Deinen Herrn ruf! Und Lorenz mit den Söldnern ruf!

Bastian tritt näher Gnädigste Gräfin wollen vielmals verzeihen! Der gnädige Herr ist fort ... ist vor einer Viertelstunde von dannen geritten. Hier der Br...

Cordula packt ihn an der Schulter, rüttelt ihn Bist du von Sinnen, Mensch? Von dannen geritten, sagst du? Fort, sagst du?

Bastian Gnade, gnädigste Gräfin! Hier den Brief übergab mir der gnädige Herr.

Cordula reißt ihm den Brief aus der Hand Ja, der Brief! Der Brief! Dann wird es noch gut! Sie hält den Brief in den gefalteten Händen Lieber Gott! Lieber Gott! Sei du mit mir! Laß nicht meine Ahnung eintreffen! Beschütze mich, lieber Gott! Sie reißt den Brief auf, überfliegt ihn, bricht in wildes, krampfhaftes Schluchzen aus.

Hamel zu Bastian Scher' dich hinaus!

Bastian windet sich hinaus.

Hamel tritt zu Cordula, spricht ernst, aber ohne Schärfe Gebt mir den Brief, Gräfin.

Cordula läßt sich willenlos den Brief aus der Hand nehmen, stammelt vor sich hin Verlassen ... Zum zweitenmal verlassen und verraten! Sie sinkt in den Sessel, drückt leise schluchzend, die Hände vors Gesicht.

Hamel überliest den Brief »Eine dringende Botschaft, die keinen Aufschub duldet, ruft mich ab. Forsche nicht, wohin! Frage nicht, warum! Antwort ist uns verwehrt. Bald segelt mein Schiff dahin. Lebe wohl! Lebe wohl, Schönste! Schönste! Und halte dem Meister Jan von Harlem Wort. Ungetreu und bis in den Tod sich treu Sebald Meinerts.« Er läßt den Brief sinken Ein seltsam vieldeutiges Skriptum! Ungetreu und bis in den Tod sich treu ... Ja, so hab' ich dich gekannt, Sebald Meinerts. Verbuhlt! Meineidig! Gleisnerischer Tücke zum Überlaufen voll! Niemand als deiner eigenen Treulosigkeit treu! So hast du deine Tage vollbracht, Sebald Meinerts! Er übergibt ihr den Brief.

Cordula greift nach dem Brief, zerreißt ihn kreuz und quer So zerreiß' ich den Brief! Und so zerreiß' ich mein Leben!

Hamel kurz auflachend Der Brief ist hin! Nehmt Euer Leben besser in acht! Und wenn Ihr's auch nach Recht und Gesetz verwirkt habt, hört, was Euch der Vampir, der Wurm, der Nichtswürdige zu Eurer Rettung an die Hand gibt. Er tritt dicht an sie heran Flieht! Flieht vor der Rache des Feldobristen! Flieht, so rasch Euer Gaul Euch tragen will! Bringt die Sümpfe Litauens, bringt Podoliens Urwälder zwischen Euch und Euren Mann! Dort hinter Klostermauern, seinem Zorn unerreichbar, in weltverlorener Karpathenschlucht, dort tilgt Eurer Buhlschaft Schmach und Jammer mit salzigen Tränen aus. Und Eurer sündigen Schönheit teuflisch süße Zauberei deckt mit härenem Schleier zu, daß ihrer kein Strahl mehr frevlerische Gier in Männerherzen wecke. Er legt einen Moment die Hand an die Stirn, findet seinen Ton wieder Rettet Euch, die Frist ist knapp. Ich eile dem Feldobristen entgegen. Er wendet sich ab, geht zur Türe links.

Cordula Und wenn ich Euren Ratschlag ablehne und nach der Stadt zurückreite, dort meinen Gemahl zu erwarten?

Hamel dreht sich um So tut Ihr's auf Gefahr Eures Kopfes! Nicht noch einmal sollt Ihr des Feldobristen, noch sonst eines Mannes Herz berücken. Werdet Ihr bis Abend noch im Burgbann der Stadt betroffen, so falle des Gesetzes volle Wucht auf Euch! Er verneigt sich kurz, geht schnell hinaus.

Cordula Des Gesetzes volle Wucht! ... So ist es gut!

Sie geht nach hinten gegen die Qartentreppe.

Meister Jan tritt von links hinten wieder ein, bringt das Malzeug mit sich Entschuldigt! Ich wurde aufgehalten. Es ist ein groß Gelaufe im Hause. Der Feldobrist, Euer Gemahl, ist im Anzug. Trompetenstöße von draußen Da reitet er schon in den Hof!

Cordula schon im Hintergrunde Wenn Ihr mich malen wollt, wie's Euer Herr Euch aufgetragen, so folgt mir, Herr Jan von Harlem, und eilt Euch.

Meister Jan Wie, nicht hier? Und Herr Meinerts?

Cordula schneidend Der Ratsherr ist abgereist! Wir brauchen nicht auf ihn zu warten! ... Folgt mir nach Danzig! Dort im Hausrat aus meiner Mädchenzeit, dort sollt Ihr mich malen. Sie eilt die Treppe hinunter zum Garten nach rechts hinten, woher sie gekommen ist.

Meister Jan folgt ihr gesenkten Kopfes.

Beide ab. Der Schauplatz bleibt einige Augenblicke leer. Von draußen her zunehmender Lärm. Waffenklirren. Hörnerblasen. Die Türe links vorn wird aufgestoßen. Auf der Schwelle erscheint Zierenberg in voller Rüstung. Hamel und Lorenz mit einem Trupp Söldner im Hintergrunde.

Zierenberg tritt in den Saal, spricht nach rückwärts zu Lorenz Der Ratsherr fortgeritten? Meinen Brief hattest du ihm ausgerichtet?

Lorenz Pünktlich nach Order, Feldobrist!

Zierenberg halb für sich Und dennoch fortgeritten, in einem Augenblick, wie diesem? Ohne Spur einer Verständigung? ... Seltsam! Sehr seltsam! Gleichviel! Die Kugel rollt! Zu den Söldnern Tor und Türen besetzt! An der Gartenpforte Posten aufgestellt! Niemand herein, niemand hinaus!

Die Wachen treten nach verschiedenen Richtungen ab.

Zierenberg zu Lorenz, mit Gebärde auf Hamel Der Herr hier ist dein Gefangener. Dein Kopf für seinen! Führ' ihn ab!

Lorenz tritt zu Hamel Kommt, Herr! Und laßt es Euch nicht verdrießen! Ihr sollt gute Aufwartung bei mir haben. Ich weiß Euch Schnurren von solchen Merodebrüdern, so noch auf dem Weg zum Galgen um gut Wetter gebarmt haben, damit sie nicht zu lange im Regen zu baumeln brauchen. Wie gefällt Euch das, Herr?

Hamel hat bisher geschwiegen, wendet sich mit kurzer Gebärde zu Zierenberg Also offener Verrat! Krieg zwischen der Stadt und ihrem eigenen General!

Zierenberg richtet sich auf Ihr wolltet ihn! So habt ihn denn! Er zieht seinen Degen Hier schwör' ich, dieser Degen soll nicht zur Ruhe kommen, ehbevor nicht das Regiment der Stadt an Haupt und Gliedern reformiert ist!

Hamel schneidend Schwört nicht zu hitzig, Herr Feldobrist! Und bevor ihr den Staat reformiert, reformiert erst Euer eignes Haus! Er tritt dicht an ihn heran Andreas Zierenberg, kehrt aus den Wolken der Selbstbenebelung auf die nüchterne Erde zurück und erfahrt, daß Eure hochgeborene Gemahlin Euch mit Eurem Freund und Spießgesellen ...

Zierenberg taumelt einen Augenblick, greift nach dem Degen Kein Wort weiter!

Hamel reißt sein Wams auf Stoßt zu! Vollendet, was Euch vor fünfundzwanzig Jahren nur halb gelungen!

Lorenz zu Zierenberg Herr! Macht Euch Euren guten Degen an dem Halunken nicht dreckig! überlaßt das Geschäft mir. Ich stopf ihm das Maul.

Hamel Stopft nur das Maul auch denen, so Herrn Sebald Meinerts um die Mitternachtsstunde Euer Haus am Langen Markt besuchen sahen! Und stopft das Maul auch jenen andern, so vorzeiten ein gewisses polnisches Edelfräulein als Liebchen eines gewissen Danziger Junkers und Schiffsherrensohns gekannt!

Zierenberg faßt sich an den Kopf Das die Begegnung im Lager damals? Das das Wiedersehen nach Jahren? Daher die Verwirrung? Daher die Ohnmacht? Er ballt in fassungsloser Wut die Hände über dem Kopf.

Hamel Merkt Ihr jetzt endlich, welch feines Gespinst Euer sauberes Weib und Euer falscher Freund um Eure Füße gewoben, indes Ihr die Nase bis an die Wolken erhobt und mit dem Kopf an die Sterne stießt? Merkt Ihr, welch ein Narr Ihr gewesen, daß Ihr Treue von anderen erwartet, der Ihr selber die Treue bracht?

Zierenberg mit ersticktem Brüllen Wo ist der Ratsherr Meinerts geblieben? Der Ratsherr Meinerts soll her! Er stürzt sich auf Lorenz, schüttelt ihn Du hast ihn gehabt, Kerl, und hast ihn ausreißen lassen!

Lorenz Herr, ich hab' Euch gewarnt. Aber ich hol' ihn Euch zurück. Wo ihm der Satan nicht mit einem Extramauseloch beigesprungen ist, so hol' ich ihn Euch zurück! Er rückt sich zusammen, geht klirrend hinaus.

Hamel zu Zierenberg Ergötzt Euch derweil an den Überbleibseln seiner Herrlichkeit, die Ihr da auf dem Fußboden seht. Es ist der Scheidebrief, den er seiner Liebsten geschrieben, eh' er sich aus dem Staube gemacht. Ein großartig Schauspiel, wie sie ihn zerriß und ihn mir vor die Füße warf!

Zierenberg fährt von neuem auf Sie hier im Hause? Die Dirne im Hause? ... Ja, richtig! Ich selber hab' sie hierher befohlen! Ich selber hab' sie ihm zugeführt! Vor Hamel hin Wo habt Ihr sie? Wo haltet Ihr sie versteckt? Nehmt Euch in acht! Es riecht hier nach Blut! Er blickt verstört um sich.

Hamel richtet sich auf Andreas Zierenberg! Euer Weib ist fort! Ist auf der Flucht ins Polenland! Ihr werdet sie niemals wiedersehen!

Zierenberg taumelnd Ihr nach! Ihr nach!

Hamel Ihr holt sie nicht ein! Vor Abend ist sie in Sicherheit! Findet Euch mit dem Würfelfall ab! Ihr habt Euer Weib und Euer Leben verspielt!

Zierenberg schlägt sich mit den Fäusten vor den Kopf Verspielt! ... Verspielt! ... Fortuna, die Metze, hat mich betrogen! Er bricht, wie vom Blitz getroffen, zusammen.

Hamel Auf den Augenblick hab' ich ein Menschenleben gewartet! Herrgott der Rache, Jehova, wie groß bist du!

Er steht mit erhobenen Armen, wie entrückt, da.

Pause.

Zierenberg erwacht, springt auf Ich will Gewißheit! Ich will Wahrheit! Ich will Beweise! Wo sind sie, Herr Doktor Jobs Hamel? Schafft sie zur Stelle!

Hamel Sofern Euch der Augenschein noch nicht genügt, gebt Befehl, daß man die Zeugen aus Danzig rufe!

Zierenberg Es ist gut! Ich will meiner Schmach bis auf den Grund! Und wie auch der Loswurf entscheide ... Mich dünkt, daß einer hier sterben muß!

Vorhang.


 << zurück weiter >>