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Dritter Akt

Zierenbergs Feldlager bei der Münde in ähnlicher Anordnung wie im ersten Akt. Rechts Zelt des Feldobristen, durch einen Vorhang in eine innere unsichtbare und eine äußere sichtbare Hälfte getrennt. Links gegenüber erscheint die geschlossene Öffnung eines zweiten Zelts. Zwischen den beiden Zelten ein freier Platz, der sich nach rückwärts als Lagergasse zwischen anderen Zelten fortsetzt. Rechts hinten hoher Deich, weiter zurück Dünenlandschaft.

Bewegtes Lagertreiben im Hintergrunde.

Zwei Tage später, gegen Abend.

Zierenberg allein, starrt auf einen Zettel in seiner Hand »Du bist von Verrätern umgarnt, hüte Leben und Ehre, ein stiller Freund.« Seltsam! Ein altes Weib mitten im Lagergewühl steckt' mir den Zettel zu. Woher kam's! Wohin verschwand's? ... Ich sah das Gesicht nie vordem. War's nur ein Trugbild, eine Vorspiegelung verstörter Sinne, ein Phantasma, losgelöst vom Kern des eigenen Selbst und bis zur Greifbarkeit verdichtet? War's eine Erscheinung, ein Gespenst, ein Bote aus der andern Welt? ... Doch dies, dies er faßt den Zettel mit beiden Händen, befühlt ihn, dies stammt von dieser Welt. Dies ward von Menschenhirn gedacht, von Menschenhand geschrieben. Er überliest von neuem den Zettel »Du bist von Verrätern umgarnt, hüte Leben und Ehre, ein stiller Freund« ... Wer bist du, stiller Freund? Rätselhafter Warner? Warum so bescheiden im Dunkel, warum so namenlos, stiller Freund? 's ist wahr, laute Freunde umschwärmen uns genug auf heißem Anstieg zu Lebenshöhen. Das ist ein Schwirren und Girren, ein Gaukeln und Schaukeln, ein Fliegen- und Mückenschwarm! Und zapfen uns auch so unser Blut ab, die lauten Freunde ... Doch dies ist ein stiller, ob auch ein Freund? Vergiftet ein Freund des Freundes Glauben an andere Freunde? Aber wo's nun Verräter, wie der Zettel besagt ... Freunde! Verräter! Hab' ich je Freunde besessen? Und kann mich verraten, wer nie mein Freund war? Wie wenigen, wie niemand fast hab' ich mein Herz geöffnet, meine Zunge gelöst! Er betrachtet den Zettel Stiller Freund, welch ein Feind verbirgt sich hinter dir? Wieder nachdenklich Und doch ... einst war es anders ... zwei Freunde hab' ich gehabt, den einen verlor ich längst, den andern ... Er fährt auf Zielt der Pfeil auf dich und kam' er gar ...? Er greift nach dem Zettel Die Schriftzüge, wo sah ich sie schon? Fremd und vertraut zugleich, ein Antlitz, von dichtem Schleier umdeckt, und doch durch den Schleier hindurch ...? Seltsam! Höchst seltsam! Mit Blick auf den Zettel Hüte Leben und Ehre! Warum nicht Ehre und Leben? Also ein Mann, der's geschrieben, kein Weib! Nur dem Mann ist die Ehre ein Letztes, noch über das Leben hinaus. Beim Weibe stünd's umgekehrt. Und was ist des Mannes Ehre? ... Das Weib! Ah! Meine Ehre auf dem Spiele? Und wer spielte damit? Wer spielte damit? Er geht in dumpfem Groll in das Zelt, bleibt vor dem inneren Zeltvorhang rechts stehen, schwankt, ruft dann Cordula! Cordula!

Cordulas Stimme hinter dem Vorhang Mein Gemahl?

Das Zelttuch wird halb zurückgeschlagen.

Cordula erscheint in leichtem Gewande Riefst du mich?

Zierenberg mit Blick von der Seite Du hast geschlafen?

Cordula Die Nacht war so unruhig, es wurde soviel geschossen, alle bösen Geister schienen los zu sein.

Zierenberg Seit Mittag hat's nachgelassen mit der Kanonade. Nun gut! Sind sie still, bin ich's auch. Wollen sie poltern, polter' ich wieder. Für den Augenblick ist's wohl kaum mehr, denn eine Komödie.

Cordula verschleiert Was für ein drückender Tag! 's ist, als läge ein Gewitter in der Luft.

Zierenberg Das tut's wohl auch.

Cordula Und doch ist der Himmel so heiter und rein, gleich als ein Kinderlächeln. Sie lächelt verschlafen vor sich hin.

Zierenberg Auch ein Kinderlächeln kann trügen.

Cordula Mag sein, Bester! Alles auf dieser Welt ist Trug und Schein: Das Sonnenlicht, denn es wird ja Nacht. Die Schönheit, denn sie verblüht. Das Leben selbst, denn wir sind Kinder des Todes. Sie streckt lässig die Arme und gähnt.

Zierenberg Immer noch müd'?

Cordula Vom langen Schlafen. Gleich nach der Mahlzeit streckt' ich mich aus, und eben erst erwach' ich von deinem Anruf und merke, daß schon der Abend sinkt. Fühle nur, wie heiß meine Stirn, meine Wangen! Sie lehnt sich an ihn, legt die Arme leicht um seinen Hals.

Zierenberg Aber deine Arme sind kühl ... und wie sie duften!

Cordula mit halbgeschlossenen Augen Süß, solch ein Dämmern! Nicht wachen, nicht träumen ... kaum sich entsinnen, daß man ist, noch wer man ist.

Zierenberg ihre Schultern betrachtend Welch fein Geäder! So zart gesponnen und verknüpft das Netz des Bluts! Wir dagegen, derbknochig, sehnig, rauh behaart! ... Grobschmiedsarbeit gegen Goldschmiedekunst, 's muß wohl wahr sein, daß Natur Euch aus edlerem Stoff geformt. Warum das? Woher das Recht, uns zu verzaubern, zu umstricken? Was ist so gar Besonderes an zwei weißen Schultern, zwei schlanken Armen? Und doch ... Mort de ma vie! Es sind die schönsten, so ich mein Lebtag sah!

Cordula Ei schau! Komplimente! Wie lang' ist's her, seit ich dergleichen gehört! ... Am Königshof zu Krakau, vor manchem Jahr.

Zierenberg Schweig' davon!

Cordula Warum? 's war doch schön und kehrt nie wieder. Wie sie tänzelten und mit den Sporen klirrten, die feurigen Kavaliers, und wie sie mit heißen Blicken um sich warfen und uns zutuschelten ...

Zierenberg heftig Wovon?

Cordula lächelnd Von unseren weißen Schultern und schlanken Armen.

Zierenberg Und du? Was tatest du?

Cordula Nun, je nachdem! Man schlug mit dem Fächer oder wandte sich ab.

Zierenberg mustert sie stirnrunzelnd, wendet sich dann ab Geh! Kleide dich an, es kommen Gäste.

Cordula Mein Vater? Nicht?

Zierenberg Der wohl auch. Zum mindesten erwart' ich ihn.

Cordula Wen noch?

Zierenberg Einer ist schon da ... Sebald Meinerts!

Cordula Ah wirklich! Er ist gekommen? Ist da?

Zierenberg Freut's dich?

Cordula Für dich, Liebster. Um deinetwillen freut's mich. Er kann dir sehr helfen, kann dir Geld und Leute zubringen. Du wirst ihn brauchen, Bester.

Zierenberg Und so ich nun Abstand nähme? So ich's mir genügen ließe, der Stadt getreuer Feldobrist zu bleiben ...

Cordula Andreas! ... Sie beherrscht sich Ah! Du fürchtest dich wohl, mein Herzchen, es dünkt dich ein bißchen gefährlich, so um eine Krone zu spielen?

Zierenberg Sprich nie wieder von Furcht zu mir, Cordula! Und geh! Er weist sie ins innere Zelt.

Cordula verneigt sich Wie du befiehlst! Mit kurzem Kopfnicken ins innere Zelt ab.

Zierenberg allein, nestelt an seinem Wams, fährt sich über die Stirne Wie schwül es ist! Selbst der Abend scheint kein Lüftchen zu bringen, 's geht doch sonst immer eine Brise von der See her. Heute bleibt's still, nicht mal auf den Dünen der Strandhafer rührt sich. Er ist an den Ausgang des Zeltes getreten, starrt hinaus Hochsommer im Mai! Fast ein Gleichnis scheint's. Bin ich nicht so mit meiner reifen Mannheit über ihren grünen Lenz gekommen? Hat meines Lebens brennend heiße Augustsonne nicht allzufrüh ihre jungen Schossen und Blüten versengt? ... Mag sein! 's ist nun mal so und muß so bleiben. Verfehlt ist verfehlt. Nur einmal haben wir unsere Straße zu gehen.

Lorenz tritt aus dem Zelt links vorn, sieht sich um, ohne Zierenberg zu bemerken, zieht eine Schnapsflasche aus dem Wams, tut einen tüchtigen Zug.

Zierenberg wartet bis er getrunken hat, lacht dann laut auf Potz Strahl! Das war gehandwerkt gleich als mit dem Pumpenschwengel! Kerl! Wer hat dir das Saufen beigebracht?

Lorenz steckt die Flasche ein 's ist bloß so zur Herzstärkung, Feldobrist. Vertrag' ein anderer das süßliche Zeugs! Ganz kotzerig wird einem ehrlichen Kerl davon!

Zierenberg Was gibt's denn? Hast du unserem Gast, dem Ratsherrn, Losament bereitet?

Lorenz Zu Befehl, Feldobrist! Ich bin ihm zur Hand gegangen beim Auspacken. Führt ein großmächtig Felleisen mit sich, voll allerhand kostbar Leinengezeug und Büchschen und Gläschen mit wohlriechend Wasser. Daß mich der Teufel hol'! Was ein Mensch alles nötig hat, um in die Grube zu fahren! Zu guter Letzt hat er mir so ein zuckriges, wabbliges Elixier eingeschenkt. Schlag' mich der Donner!

Um ein Haar wär's mir wiedergekommen! Da hab' ich mit ehrlichem Branntewein nachspülen müssen, Herr!

Zierenberg Marsch, an die Schanzen! Gibt genugsam zu reparieren, was der Feind mit seinen Stücken und Rohren zerschossen hat.

Lorenz tritt dicht zu Zierenberg heran Feldobrist! Wollt Ihr von einem alten nichtsnutzigen Subjekt, so aber eine ehrliche Haut ist, einen Ratschlag annehmen? Mit bedeutsamer Geste auf das Zelt links Dann seht Euch mit dem geschniegelten Fuchsschwänzer vor!

Zierenberg Lorenz!

Lorenz Hab's mir ja denken können. Man verbrennt sich bloß das Maul.

Zierenberg Was hast du ihm vorzuwerfen? Klipp und klar!

Lorenz Nichts, Herr, nichts, aber was soll Euch ein Kerl zunutze sein, so sich erst die Nägel hobelt und den Bart stutzt, wann schon die Drommeten zur Attacke blasen? Ehbevor so einer mit Ölen und Striegeln fertig wird, habt Ihr ja Euer Scharmützel zu Ende gefochten.

Zierenberg lacht kurz auf Pfeift's aus dem Loch? Er hält dir zu gute Freundschaft mit Wasser und Seife. Aber es kann ja nicht jeder so ein Bärenhäuter und Wendenschimpf sein wie du.

Lorenz Herr! Einmal in die Hand gespuckt, zieht besser, denn zweimal Wasser und Seife. Und was den Kamm angeht, den hat mir der Herrgott selber mitgegeben. Er spreizt die Hände, fährt sich durchs Haar Hol' mich die Pestilenz! Er ist kein Mann für Euch! Laßt die Weibsbilder sich an ihm begrasen! Oder hat er Euch gar auch mit seinem glatten Gesicht verhext?

Zierenberg Mich? Wen sonst?

Lorenz Man kann sich ja an den fünf Fingern abzählen, daß das Frauenzimmer sich in den vergaffen muß.

Zierenberg Es sind nicht alle von der Art, so sich dir gefällig erzeigen.

Lorenz Frauenzimmer ist Frauenzimmer, dabei bleib' ich!

Zierenberg Geh! Und sag denen Zimmerleuten, so an den Streichwehren hantieren, über ein Weilchen komm' ich selbst nachsehen. Er wendet sich, geht in tiefen Gedanken in das Zelt ab.

Lorenz sieht ihm verwundert nach. Als Zierenberg verschwunden ist, zieht er behutsam seine Flasche wieder vor, räuspert sich, tut einige tiefe Züge, murmelt dazwischen Satanszeug, wabbliges!

Meinerts tritt aus dem Zelt links heraus. Er blickt sorgenvoll und versonnen vor sich hin.

Lorenz geht bei seinem Erscheinen eilends nach hinten zu.

Meinerts bemerkt ihn zu spät, ruft ihm nach He, Freundchen, weißt du mir zu sagen, wo der Feldobrist zu treffen ist?

Lorenz Da drinnen in seinem Losament! Er verschwindet hinten in der Lagergasse.

Meinerts steht unschlüssig auf dem Platz zwischen den beiden Zelten. Gleich darauf erscheint Jobs Hamel links mitten hinter dem Zelt.

Hamel spricht nach rückwärts Erwarte mich bei der Außenschanze und paß mir derweil auf die Pferde! Er dreht sich um, erblickt Meinerts, lächelt säuerlich Ah! Du hier? Das ist überraschend!

Meinerts Warum? Hast du mich denn nicht selbst als Mediator zwischen dir und dem Zierenberg angerufen?

Hamel Vor zween Tagen! Hättest du dich ehegestern deines Auftrags entledigt ...

Meinerts Wie konnt' ich das, da 's schon zur Nacht ging und gleich danach die Botschaft von der Revolte kam, derohalb ich zur Stadt mußte?

Hamel Und warum mußtest du? Und warum kam es zur Revolte?

Meinerts ironisch Das frage deine himmlische Vorsehung, gläubiger Christ, nicht mich!

Hamel Deine Vermittlung kommt zu spät. Ich hab' sie selbst in die Hand genommen. Ich will mein eigener Mediator beim Zierenberg sein.

Meinerts Was hast du im Sinne, Jobs Hamel?

Hamel Mit dir nichts mehr, Sebald Meinerts. Ich habe dich aufgegeben.

Meinerts lacht kurz auf So flugs? Binnen ehegestern und heut'? Mehr denn fünfundzwanzig Jahre Gemeinschaft in zween Tagen ausgelöscht? ... Nun gut! Wir sterben ja nicht nur einmal, wir sterben hundertfach, tausendfach vor unserem Tode. So starb nun dies!

Hamel richtet sich drohend vor ihm auf Du bist erkannt, Sebald Meinerts!

Meinerts Bin ich erkannt? Und das erst jetzt? Nach einem Viertel Säkulum endlich erkannt? Wahrlich, es hat sich gelohnt, miteinander aufzuwachsen und die Schulbank zu drücken! Es hat sich gelohnt, Arm in Arm zu wandern und aus dem gleichen Becher zu trinken, auf der gleichen Streu zu schlafen!

Hamel Sebald Meinerts, gewisse Briefschaften sind aufgefunden worden ...

Meinerts Du brüstest dich also noch mit deiner Gewalttat gegen Balthasar Krüger?

Hamel Ich bin kein Pilatus, so seine Hände in Unschuld wäscht. Ich trete vor Gott und Menschen für meine Taten ein. Wer ins Wespennest fassen will, muß fest zugreifen. Das Wohl des Staats stand auf dem Spiel.

Meinerts tritt dicht vor ihn hin Jobs Hamel, wer hat dich und deinen Anhang gestern vor der Volkswut geschützt? Wer hat den Aufruhr gedämpft, so durch die Gassen loderte? Wer hat die Handwerker nach Hause geschickt, da sie das Rathaus stürmen wollten?

Hamel Du hattest alle Ursache, den Funken zu löschen, den du selbst voreilig ins Gebälk geworfen. Er hatte zu früh gezündet. Es war noch nicht so weit!

Meinerts Das sind leere Verdächtigungen!

Hamel Sebald Meinerts, deine Briefschaften sind aufgefunden worden!

Meinerts Habe ich aus meiner Ansicht über das Regiment der Stadt jemals ein Hehl gemacht? Bin ich nicht offen für eine Reformierung an Haupt und Gliedern eingetreten? Mehr steht auch in denen Briefen nicht zu lesen.

Hamel Bei Gott! Brief schreiben hast du gelernt, Sebald Meinerts! Nicht umsonst hat's dir einst unser alter Magister Frobenius mit Note eins zensiert. Es hat mir immer eine besondere Kurzweil bereitet, deine Briefe zu lesen, doch nie so, wie diese.

Meinerts Was sollen sie Staatsgefährliches enthalten? Wessen verklagst du mich?

Hamel Ja, da liegt's! Schreiben und Schreiben ist zweierlei.

Meinerts Und Lesen und Lesen desgleichen!

Hamel Der eine schreibt mit der Eisenfaust, der andere mit Samthandschuhen.

Meinerts Und der eine liest, was dasteht, der andere, was gar nicht geschrieben ist.

Hamel Und was sich doch zwischen den Zeilen verbirgt.

Meinerts lacht auf Ja, darin bist du von jeher groß gewesen! Im Zwischen-den-Zeilen-lesen, im Kommentieren und Interpretieren, im Hineindeuten, wo's nicht herauszudeuten war. Armer Stiefsohn der Natur, den sie in ihrem Zorn zum Ankläger erschuf!

Hamel mit bösem Blick Besser zum Ankläger erschaffen, denn zum Mantelträger!

Meinerts lacht auf Trüg' ich den Mantel nur nach deinem Gusto, ich wäre ein Held und ein Charakter. Aber das ist's, was du und deinesgleichen mir nie verzeihen kann, daß all euer Gezänk und Parteihader, eure rohen Gesetze, euer finstrer Glaube, eure versäuerten Sitten, alles zusammen vor meinen Augen nur ein kindisches Spiel und ihr selbst nichts weiter als dieses Spiels armselige Marionetten.

Hamel Und du selbst? Was dünkst du dich selbst?

Meinerts wieder kurz auflachend Ich ... ich bin ein überschüssiger in eurem Ameisenstaat, ein Unnützer und Vereinzelter und derohalb euch allen zu Verdruß und Abscheu auf der Welt. Fallt nur über mich her und tilgt mich aus! Trüg' ich nicht Flügel von Golde zum Davonfliegen, ihr hättet es längst getan.

Hamel schlägt sich vor den Kopf Den Götzenanbeter, den Sinnenknecht hab' ich an meiner Brust gehalten! Der Antichrist geht um, und ich, ich hab' ihn Freund genannt!

Meinerts tritt dicht an ihn heran, ergreift seine Hand, da er zurückweichen will Du hast den Sinnenknecht und Götzenanbeter gekannt, Jobs Hamel! Du hast gewußt, daß du den Antichrist an der Brust hältst! Aber da dir's für deine höheren Zwecke förderlich schien, so hast du dich christlich damit abgefunden. Hast mich vielleicht sogar lieb gehabt, auf deine Art und soweit du lieben kannst, du liebeleerer Gesell! Denn da wir nun mal beim Auskramen sind: Nicht jener Treppensturz einst hat dich um dein Erbteil an Glück und Liebe gebracht. Du bist als ein Enterbter geboren, Jobs Hamel ... Er läßt seine Hand los und tritt zurück Und nun mögen sich unsere Wege scheiden!

Hamel mit erhobener Hand Hier scheiden sie sich, zwischen uns ist Krieg!

Meinerts Mach' deine Drohung beim Zierenberg wahr und vergiß die Beweise nicht!

Hamel Dein eigenes Geständnis ist Beweises genug.

Meinerts tritt noch einmal dicht an ihn heran Nichts hab' ich dir eingestanden, Jobs Hamel, nichts! Aus einem flüchtigen Wörtchen, im Übermut hingeworfen, aus einer eitlen Prahlerei, mit einem Glück, das ich nie genossen, hast du dir einen Liebesroman zusammengesponnen!

Hamel Du logst also damals?

Meinerts So ist's. Ich log, um deiner durstigen Phantasie den saftigen Bissen zu schenken, ich log, wie ich mein lebelang gelogen! Jetzt geh' zum Zierenberg! Er geht schnell durch die Lagergasse nach hinten ab.

Hamel einen Augenblick allein, ballt die Fäuste Beweise! Beweise! Wer schafft mir Beweise? Der Zeltvorhang rechts wird zurückgeschlagen.

Zierenberg tritt heraus, sieht sich um Hier waren doch Stimmen? Er macht ein paar Schritte nach vorn, bemerkt auf dem freien Platze zwischen den Zelten Jobs Hamel, richtet sich mit einem Ruck in die Höhe Herr Syndikus! Ihr? Er tritt verwundert bis an den Ausgang des Zeltes.

Hamel ebenfalls einen Schritt näher Ihr wundert Euch, Herr Feldobrist?

Zierenberg kalt Wie kommt Ihr hierher? Ließen Euch die Wachen so durch?

Hamel Mit Passierschein vom Rat, Herr Feldobrist!

Zierenberg Ich hörte Stimmen zuvor, mit wem spracht Ihr da?

Hamel sarkastisch Ich hatte die Freude, Herrn Sebald Meinerts hier zu begrüßen.

Zierenberg nach einem Augenblick Und der Zweck Eures Kommens?

Hamel Euch an Eure Pflicht zu mahnen, Herr Feldobrist, an Euren Schwur, den Ihr der Stadt und dem Rat geleistet.

Zierenberg Ich bin mir keiner Verfehlung gegen Pflicht und Schwur bewußt.

Hamel Man wirft Euch vor, Ihr führtet die Campagne lässig und wenig eifrig, ließet das gewohnte Feuer des Angriffs vermissen, ja, man munkelt sogar von phantastischen Hintergedanken.

Zierenberg Was kümmert's mich? Soll ich mir von fremdem Hoffen oder Fürchten meinen Weg vorschreiben lassen? Ich folge dem Stern, so am Tage meiner Geburt am Himmel erschienen und mir hoch zu Häupten seine Bahn voranzieht!

Hamel Auch Sterne sind schon in ewige Nacht und Vergessen versunken ... Aber sei's! Wofern es Euer guter Stern ist, dem Ihr folgt, und kein Irrlicht, von bösen Geistern entflammt, so haltet Ihr Euch zu uns, Herr Feldobrist, zu Geschlechtern und Rat. Bedenkt, es ist nicht alles Freund, was sich so gebärdet, Herr Zierenberg, gibt leider auch Verräter darunter.

Zierenberg fährt zusammen, greift unwillkürlich nach dem Wams, wo er den Zettel eingesteckt hat Verräter? Er mustert Hamel, geht dann in schweren Gedanken ein paar Schritte, murmelt Abermals Verräter!

Hamel nach einer Weile Es geht Euch nah, Herr Feldobrist. Sehr begreiflich! Wer wüßte unter seinen Freunden auch gerne einen Judas!

Zierenberg Wo ist der Judas? Heraus damit und zielt nicht aus dem Versteck auf Unschuldige, müßte ansonst Euch selbsten einen Anschwärzer und übeln Schelm heißen!

Hamel tritt näher zu ihm heran Ihr mißtraut mir zu Unrecht, Herr Feldobrist.

Zierenberg Woher verlangt Ihr Vertrauen? Tragt erst den Berg ab, Herr Syndikus Hamel, den das Leben zwischen uns aufgetürmt!

Hamel runzelt die Stirn, streicht sich das Kinn Laßt die Vergangenheit aus dem Spiel, Herr Feldobrist! Was eines Menschenlebens Staubschicht bedeckt, sei nicht wieder ans Licht gezerrt! Und hab' ich vergessen, so könnt Ihr's auch. Nicht Ihr wart es, den die Faust des Geschicks niedergeworfen.

Zierenberg aufgerichtet vor ihm Nennt mir den vermeintlichen Judas, und ich will Euch Vertrauen schenken.

Hamel Es könnten Gründe bestehen, den Namen vorerst noch zu verschweigen ...

Zierenberg Ah! Ihr wollt nicht? Also dunkle Verleumdung! Giftpfeile aus dem Hinterhalt! ... Verschont mich mit weiterem, Herr Syndikus, und verlaßt auf der Stelle das Feldlager! Er wendet sich verächtlich ab.

Hamel Ihr werdet der Stunde gedenken, Herr Feldobrist. Gehabt Euch wohl! Und grüßt mir Herrn Sebald Meinerts!

Er geht mit formeller Verbeugung nach links, woher er gekommen, ab.

Zierenberg allein, reißt sein Wams auf, sucht nach dem Zettel, wirft einen Blick darauf Elender Verleumder! Er zerreißt den Zettel kreuz und quer, ballt die Stücke zusammen, tritt mit dem Fuß darauf, atmet dann erleichtert auf Totgetreten gleich einer giftigen Natter! Nach ein paar Schritten mit neuem Grübeln Ließe sich nur auch die Erinnerung so zertreten! Er betrachtet die Fetzen, bückt sich schnell danach, steckt den Ballen wieder ein.

Cordula schlägt den inneren Zeltvorhang zurück, steht in kostbarem Seidengewand da, wartet einen Augenblick, dann mit einschmeichelndem Ton Ei, Liebster, so in dich selbst versunken?

Zierenberg der mit dem Rücken zu ihr steht, dreht sich heftig um Du hast gehorcht, Cordula?

Cordula die Arme lässig über dem Kopf Ich war im Ankleiden begriffen, Bester, Kathinka half mir. Du hattest Streit mit jemand. War's nicht der widerwärtige Mensch, Euer buckliger Stadtschreiber?

Zierenberg Du erkanntest ihn?

Cordula An seiner gellenden Stimme. Sie klingt, als kratze einer an der Fensterscheibe. Mir geht's immer durch Mark und Bein.

Zierenberg in ihre Betrachtung versunken Schön bist du heut', Cordula! Schön, wie ich dich noch nie gesehen!

Cordula Hab' ich deinen Beifall so, Liebster?

Zierenberg Aber warum das Prachtkleid? Warum die Perlenschnur um den Hals? Wohl für unsere Gäste, was? 's ist nicht Brauch im Lager! Es reizt den gemeinen Soldaten! Des Feldobristen Frau prunkt in Samt und Seiden, mit Perlen am Hals, derweil er seine Haut zu Markte trägt ... Tu's von dir!

Cordula Wie ihm die Zornader schwillt! Weißt du gar nicht, welch ein Tag heute ist?

Zierenberg finster Ein Tag wie andere!

Cordula Unser Hochzeitstag, Bester!

Zierenberg sieht sie an und ergreift ihre Hand Hab' Dank, daß du daran gedacht! Mir entschwand's. Es gedeiht nicht gut unter des Kriegshandwerks Dornen, das zarte Pflänzchen Erinnerung. Es braucht Pflege, Wärme, Sonnenlicht. Wer auf des Lebens Schattenseite emporklimmt, dem blüht's wohl nie. 's ist ein Pflänzchen mehr für Enkel, wofern Enkel sein werden. Er steht in düsterem Sinnen da.

Cordula Mußt du immer grübeln und traurig sein? Sei lustig, mein Herzchen, sei lustig, wie ich's bin! Denk'! Heut' ist der Tag, da du dir deine Lagergenossin erbeutet.

Zierenberg fährt auf, beherrscht sich, wirft einen langen, prüfenden Blick auf sie Was versteckst du wohl vor mir, Cordula?

Cordula Bin ich nicht fügsam, wie ein Hündchen? Du rufst mich, und ich komme! Du befiehlst, und ich bin da! Und immer noch unzufrieden? So tu dein letztes, kommandiere: Spring' ins Wasser und ertrink'! Tu's! Ich gehorche. Sie läßt die Arme schlaff an sich heruntersinken, steht in unterwürfiger Haltung da.

Zierenberg faßt ihre Hand, sieht ihr in die Augen Wer in deiner Seele lesen könnte, Cordula!

Cordula Das Buch liegt aufgeschlagen vor dir da.

Zierenberg in Betrachtung versunken In deinen Augen schillert's so unruhvoll, gleich trüglich spielendem Sonnenlicht über einem Weiher im tiefen Wald. Es lockt zum Hinuntertauchen. Zwei schlanke Arme strecken sich empor und ziehen uns hinab. Und man vergißt das Wiederkommen ... Er erwacht, wechselt den Ton Sie sind gefährlich, deine Augen, Cordula!

Cordula Gefallen dir meine armen Augen nicht mehr? Soll ich sie mir ausreißen, mein Herr und Gebieter?

Zierenberg Es steckt ein Rätsel dahinter. Ein Rätsel voll Widerspruchs und doch planvoll tiefen Sinnes für den, so den Schlüssel dazu besäße ... Gib ihn mir, Cordula! Oder sollt' ihn schon ein anderer besitzen?

Cordula Wie? Eifersucht? Sie lacht auf Ein Mann und Held wie du und eifersüchtig?

Zierenberg Es ist nicht immer Mannheit und aufrecht Wesen, was euch Weiber reizt. So mancher kriegsberühmte Held in Historie und Legende ward schon von einem zuckersüßen Laffen gehörnt.

Cordula Wann hab' ich dir Grund zu solchem Verdacht gegeben? Zwei Jahre sind wir getrennt gewesen, im Zorn war ich von dir gelaufen, mit keinem Auge hab' ich in denen Jahren nach einem Fremden geschielt.

Zierenberg Nein, nichts von Eifersucht! Ich will's nicht sein, und ich bin's nicht. Was hat der Habicht vom Hühnervolk zu fürchten? Er geht einige Schritte, dreht sich um, mustert Cordula von neuem Drachensaat! Schlangenbrut! Zwei schlag' ich nieder, vier wachsen nach! Wo ist das Zauberwort, sie ins Nichts zurückzuschleudern? ... Nenn' mir das Zauberwort, Cordula, das mir das Rätsel löst!

Cordula Welch Rätsel denn?

Zierenberg faßt sie mit beiden Händen an den Schultern Dies hier, dies, dies! Dich selbst! Dies Rätsel erklär' mir!

Cordula aufschnellend Gut! Ich will dir ein bißchen auf die Spur helfen, mein Freund! Mit halbgeschlossenen Augen Ich bin ehrgeizig, Andreas! So brennend ehrgeizig!

Zierenberg Bist du's wirklich? Manchmal scheint's mir so. Dann wieder nicht. Wie alles an dir wechselt, so auch dies.

Cordula Doch, ich bin's, Andreas. Eine Belicka steigt nicht unter sich hinab. Noch keine aus unserem Hause tat's. Über sich hinaus ging einer jeden Sehnsucht seit grauen Zeiten. Zwei von meinen Ältermüttern, du weißt, haben auf Polens Thron gesessen. Nah und zunächst standen sie ihm alle. Nun urteile selbst, Liebster! Soll die letzte der Belicky namenlos ins Grab sinken? Soll ich dein Weib geworden sein, um dir als simple Frau Kapitänin die Strümpfe zu stopfen oder als ehrbare Feldobristin Hafermus für dich zu kochen? Oh, wie wenig kennst du Weiberherzen und Weiberstolz!

Zierenberg Und so mir nun Mannesehre vor Weiberstolz ging, so mich Pflicht und Gewissen an dem Eid festhielten, den ich der Stadt und dem Rat geschworen?

Cordula Pflicht! Gewissen! Mannesehre! Neulich klang's anders: Nach jener Nacht, da du mich unter deine Fäuste zurückgezwungen!

Zierenberg Spricht so ein Weib, das liebt? Der Haß spricht so!

Cordula schlägt sich vor den Kopf Oder hab' ich geträumt? Bin ich am Dachfirst genachtwandelt und aus der Tiefe hat's mir ein Unbekannter zugerufen? Wie klang's doch gleich? Glanz und Macht verheiß' ich dir, Sieg oder Untergang!

Zierenberg So sprach ich. Ich leugn' es nicht. Nimm an, ich sprach's im Rausch. Und der Rausch verflog.

Cordula Wozu dann alle die Rüstungen? Wozu das Spiel der geheimen Briefe und versteckten Sendboten? Wozu der Besuch meines Vaters, den du erwartest?

Zierenberg Das Gesicht der Dinge könnte sich über Nacht verändert haben. Verrat könnte umgehen, Verrat im eigenen Lager ... Du lachst?

Cordula Über deine Gutgläubigkeit! Jedem Fremden leihst du dein Ohr, nur leider die eigene Frau hat keinen Teil daran.

Zierenberg faßt ihre beiden Hände O könnt' ich dir vertrauen, Cordula, könnt' ich's, könnt' ich's! Mein Leben wäre gesegnet, meine Tage wären beglänzt!

Cordula Verlangst du noch mehr Glanz und Segen, als schon auf dich gefallen?

Zierenberg Ich sehe nichts davon. Meine Tage sind finster, meine Nächte einsam. Gleich als Gezeichneter geh' ich einher. Ich bin mit Unfruchtbarkeit geschlagen. Weib! Weib! Warum kann ich dir nicht vertrauen?

Cordula kalt Das frage dich selbst!

Zierenberg Eine Stimme hier innen warnt mich: Glaub' ihr nicht! Glaub' ihr nicht! Sie sinnt dein Verderben, sie plant deinen Untergang! Glaub' ihr nicht! Und je lauter du sprichst, je mehr du mich drängst, desto gewisser die Stimme hier in der Brust!

Cordula dicht an ihn heran, zuerst in geduckter Haltung, dann aufschnellend Geständnis gegen Geständnis, mein Freund! Vor dem Starken, dem Kühnen, dem Waghalsigen hab' ich mich bis heut' gebeugt. Den Kleinmütigen werd' ich in Zukunft verachten! Und könnt' ich dem Verbrecher je Kinder gebären ... dem Feigling nie! Sie kehrt sich ab, tritt gegen den Zeltvorhang, bleibt dort während des Folgenden stehen.

Meinerts kommt eilends durch die Lagergasse nach vorne. Er erblickt Zierenberg Du wirst zum Lagertor gerufen, Andreas, eine polnische Ambassade begehrt dringend Einlaß.

Zierenberg aus seinem Sinnen auffahrend Mein Schwiegervater!

Meinerts Die Wache verlangt ausdrückliche Order von dir, ansonsten niemand herein darf.

Zierenberg Der Mann kennt seine Pflicht. Er geht schnell durch die Lagergasse nach hinten ab.

Kurze Pause.

Meinerts steht am äußeren Eingang des Zeltes, hält seine Blicke auf Cordula gerichtet.

Cordula am inneren Zeltvorhang, steht schweratmend da, klammert sich mit den Händen nach hinten an das Zelttuch. Als Zierenbergs Schritte verklungen sind, scheint sie zu erwachen.

Meinerts Ihr habt mich ins Zeltlager entboten, Cordula. Ich bin da!

Cordula So geht nur auch wieder! Man braucht Euch hier nicht mehr.

Meinerts Ich bin kein Lakai, den man heranwinkt oder fortschickt, je nach Laune und Gutdünken, Cordula!

Cordula Sagt das meinem Gemahl! Er war's, so Euch herrief.

Meinerts auf sie zu Ihr wart es, Cordula! Nie wär' ich um seinethalben gekommen! In Euren Augen, in Eurer Stimme lag, was mich herzwang! Dicht an sie heran Ihr habt mir ein Glück verheißen, ein letztes, unnennbares Erdenglück!

Cordula Ihr redet irre, Herr Ratsherr! Stehen Geschenke, einmal genommen und fortgeworfen, so hoch im Preise, daß man den eigenen Freund verrät, um sie wieder zu haben?

Meinerts Verhöhnt mich nicht, Cordula, Ihr verhöhnt Euch selbst. Wollt Ihr die Sprache Eurer Augen so Lügen strafen, den Hauch Eurer Stimme verleugnen, da Ihr mich batet: Ihr kommt doch, nicht?

Cordula Ich tat's für meinen Gemahl, als gehorsames Werkzeug. Bildsames Wachs bin ich in seinen Händen. Gleich dem Vogel vor der Schlange vergeh' ich vor seinem Blick. So Großes hat die Liebe an mir vollbracht, Herr Ratsherr. Ihr habt sie mich einstens gelehrt. Seid Ihr nicht stolz auf Euer Werk? Sie sinkt in sich zusammen.

Meinerts umfaßt sie Ja, mein Werk, mein eigenstes Werk! Ich nehm' es auf, ich vollend' es! Keines Fremden Hand soll's fürder berühren! Du warst mein, mein bist du! Und mein wirst du sein!

Cordula überläßt sich einen Augenblick seinen Küssen, reißt sich dann mit einer wilden Gebärde los Laßt mich! Laßt mich! Ich hass' Euch! Ich ... Ich will nicht!

Meinerts Cordula! Noch einmal ins Morgenrot untergetaucht, die Sinne noch einmal in Flammen, die Brust voll Entzücken! ... Er will sie von neuem umfassen.

Cordula stößt ihn zurück, reißt einen Dolch aus dem Mieder, zückt ihn gegen Meinerts Rührt mich nicht an! Es bringt Gefahr!

Meinerts hat ihre Bewegung verfolgt, greift blitzschnell nach ihrer Hand, entwindet ihr mit einem Ruck den Dolch, zerbricht ihn, schleudert die Stücke weit von sich Fort mit dem Spielzeug!

Cordula Ah! ... Ihr ... Ihr ...!

Meinerts mit kurzer Verbeugung Ihr konntet Euch Schaden tun, Gräfin, verzeiht!

Cordula zitternd Ein Augenblick noch und unsere Rechnung war quitt!

Meinerts 's ist nicht das erstemal, daß so ein blitzblankes Ding haarscharf an mir abgeglitten. Seht Ihr die Schramme an meiner linken Schläfe da? Ein Vergißmeinnicht, im Welschland gepflückt!

Cordula Fluch über die zitternde Weiberhand! Mein ganzes Geschlecht hätt' ich an Euch gerächt! Tausendfach habt Ihr den Tod verdient!

Meinerts Und nur einmal werd' ich ihn sterben. Und nicht von Eurer Hand! Ich trage mein eigenes Gesetz in mir. Wer weiß, ob der Richtspruch nicht schon gefällt! Der Stab zerbrochen! Wollt Ihr mir mein Henkersmahl weigern? Er sinkt vor ihr nieder, küßt leidenschaftlich ihre Hände.

Cordula Steht auf! Ihr erschreckt mich! Was für wirre Reden von Tod und Gericht!

Meinerts krampft die Hände zusammen Die Zeit ist knapp! Man wird sie nützen müssen! Er umfaßt sie von neuem Cordula! Liebste von einst! Geliebte jetzo und immerdar! Sei mein! Sei mein!

Cordula Hat sich das Rad des Schicksals gedreht? So bat ich einst Euch! Gott! Gott! Sie schlägt die Hände vors Gesicht.

Meinerts Cordula! Ein währendes Fieber verzehrt mich, seit ich dich wiedergesehen! Ein glühender Durst verbrennt mich! Gib mir, gib mir zu trinken!

Cordula aufschnellend So tötet zuvor meinen Gemahl!

Meinerts springt auf Cordula ...!

Cordula Tötet den Feldobristen und Cordula Belicka wird Euer!

Meinerts steht schweigend, mit gesenktem Kopf da.

Cordula mit grellem Lachen O bleiches Entsetzen! O Mannheit! O Heldentum!

Meinerts betrachtet sie lange, dann mit düsterm Ernst Wär' ich Andreas Zierenberg, und hätte dich in dieser Minute gesehen ... kein Schlaf käme mehr auf meine Augen!

Cordula wieder mit der Maske kindlichen Lächelns Beruhigt Euch, Herr Ratsherr! 's ist nur ein harmlos Spiel mit blutrünstigen Worten. Es steckt kein Ernst dahinter, wie's nun mal Frauenart. Andere geben sich mit Puppen ab, herzen und wiegen sie, als wären's kleine Kinder. Seht Ihr, so wieg' ich Mordgedanken im Arm an Kindes Statt, doch in Wirklichkeit, Ihr wißt's, könnt' ich keiner Fliege ein Leids antun. Nein, seid ohne Sorge um meinen teuren Gatten. Ich will nur sein Bestes. Ich will seine Erhöhung, seinen Triumph. Hoch über den Menschen möcht' ich ihn sehen. Und' mich mit ihm. Wer mir dazu hülfe, er wäre mein Freund, wie er seiner wäre, ich würde ihm danken mein Leben lang!

Meinerts Cordula! Es hat ihm einer den Tod geschworen, sofern er sich's nach dem Regiment der Stadt gelüsten läßt ...

Cordula mit blitzenden Augen Ein Rächer lebt also doch auf Erden! Wer ist der Mann, der den Eid geschworen?

Meinerts Einer, der ihn auch halten wird! Oder selber fallen!

Cordula Es wäre der erste seines Geschlechts, der nicht meineidig wäre! Ich möcht' ihn kennen lernen!

Meinerts mit langem Blick auf sie Cordula! Der Dämon der Vernichtung lebt in dir. Jede Miene, jede Fiber, jeder Nerv an dir lechzt nach Untergang.

Cordula So hilf mir dabei! Hilf mir, mein Freund! Und ich bin dein! Auf immer und ewig dein! Sie breitet die Arme aus, hängt an seiner Brust.

Meinerts umfängt sie, küßt sie innig und lange, dann mit erhobenem Kopf An den Pforten der Vernichtung ... er ... und ich ... und du ... Zwei kurze Schritte vom Abgrund und die Rosen wollen blühen! Stimmen aus dem Hintergrund.

Cordula horcht auf Still! Stimmen! Wohl mein Vater und er! Sie sieht ihn mit heißem Blick an Ich habe dein Wort!

Meinerts Du hast mich selbst, wie ich dich! Darüber hinaus gibt's keine Gewißheit mehr!

Cordula noch einen Augenblick in seinen Armen, entzieht sich ihm dann schnell, mit letztem Blick und Wink ins innere Zelt ab.

Meinerts geht zwei Schritte gegen den Ausgang des Zelts, bleibt wartend stehen, ohne während des Folgenden bemerkt zu werden. In der Lagergasse erscheinen Belicky und Zierenberg, kommen langsam nach vorn.

Belicky auf Zierenberg einsprechend Glück hast du, Kerlchen! Schweineglück! Nicht genug, daß unser gnädigster König dir den Burggrafenhut bieten läßt, auch den Marschallstab wirft er noch in die Waagschale!

Zierenberg vor sich hinmurmelnd Den Marschallstab!

Belicky Ich hab' immer große Stücke auf dich gehalten, du weißt. Aber wo mir einer an Eurem Verlobungstage prophezeit hätte: Pan Belicky! In knappen vier Jahren wirst du einen Burggrafen von Danzig und Marschall von Polen zum Schwiegersohn haben ... Verrückt im Kopf! hätt' ich gesagt. Geh' an die Pumpe und laß dir kalt' Wasser überlaufen! hätt' ich gesagt. Sie sind im Gespräch langsam nach vorne gekommen.

Zierenberg bleibt, mit sich ringend, stehen Ihr bietet mir den Burggrafenhut und den Marschallsdegen. Wer bürgt mir dafür, daß es auch wirklich der König ist, so durch Euch spricht? Ihr habt nichts Schriftliches bei Euch. Keinen Brief. Keine Vollmacht. Nicht zum erstenmal wäre deutsche Plumpheit und Gutgläubigkeit polnischer Arglist zum Opfer gefallen.

Belicky fährt mit der Hand an den Degen Ah! Ihr werdet beleidigend, Herr Feldobrist! Vergeßt nicht, daß Ihr die Ehre habt, einen polnischen Edelmann vor Euch zu sehen! Parole d'honneur! Wärest du nicht mein Tochtermann, ich würde dir mit dem Degen in der Faust Respekt vor dem Wort eines Belicky beibringen! Gott befohlen! Er verbeugt sich, geht zwei Schritte, bleibt stehen, dreht sich um Hältst du mich wirklich für einen so ausgemachten Schweinehund, Kerlchen, daß ich dem Mann meiner eigenen Tochter eine Falle stellen werde? Und wenn ich dir sage: Mach' die Partie mit dem König, ich kenne die Karten, ich weiß, wie die Trümpfe verteilt sind, willst du der Esel sein, der erst fragt, ob auch richtig gemischt ist? Und warum ich die Karten kenne? Schlag' ein, Kerlchen! Schlag' ein! Fortuna selber bietet dir die Hand. Eine verflucht stolze Dame ist das! Springst du ihr nicht gleich auf, wo sie zu Besuch bei dir kommt, so kehrt sie dir den Rücken und du kannst schwarz werden, eh' du sie wiedersiehst!

Meinerts hat vom Zelt aus die Unterredung verfolgt, tritt jetzt heraus, wendet sich nach kurzer Verbeugung vor Belicky gegen Zierenberg Ich habe dir eine Mitteilung zu machen, Andreas Zierenberg.

Zierenberg fährt auf Du warst im Zelt?

Meinerts Deine Rückkehr erwartend, so ist es!

Zierenberg sieht sich um Und Cordula? Wo blieb sie?

Meinerts Deine Gemahlin zog sich zurück.

Zierenberg mit Gebärde von Meinerts zu Belicky Die Herren kennen sich, wie mich dünkt?

Belicky hat Meinerts mit funkelnden Blicken betrachtet, beherrscht sich gewaltsam, lächelt süßlich Ich habe vor Jahren einmal die Ehre gehabt ...

Meinerts verbeugt sich stumm.

Zierenberg zu Meinerts Du hattest eine Kunde von Wichtigkeit.

Meinerts tritt zu Zierenberg Andreas Zierenberg, du hast mir ehegestern dein Bündnis gegen Rat und Geschlechter angetragen. Hier hast du meine Hand! Ich nehme das Bündnis an! Er hält ihm die Hand hin.

Zierenberg Sebald Meinerts! Ist das mehr denn Laune und Schein? Ist das die Wahrheit?

Meinerts versonnen Nenne es die Wahrheit des Scheins. Mehr wissen wir nicht. Sich aufrichtend, fest und bestimmt Und wer den andern verrät, soll sterben!

Zierenberg Wer den andern verrät, soll sterben! Es ist gut! Er schlägt in Meinerts Hand ein, wendet sich zu Belicky Graf Belicky! Meldet Seiner polnischen Majestät, ich bin der ihre!

Belicky umarmt ihn Verfluchter Kerl du! An meine Brust! Ich bin stolz auf dich! ... Also die Karten sind verteilt. Das Spielchen kann beginnen. Du hast die Vorhand und spielst aus. Trumpf Aß, Trumpf König bring' ich dir zu. Und die Cœurdame ...

Cordula tritt aus dem Innern Zelt, bleibt wartend stehen.

Belicky mit galanter Gebärde auf sie Die Cœurdame, du Schwerenöter, die hast du selbst!

Cordula einen Schritt auf ihn zu Seid mir willkommen, Vater!

Belicky Töchterchen! Einzig geliebtes Kindchen! Er umarmt sie, deutet dann auf Zierenberg Hier stell' ich dir den Burggrafen von Danzig und Marschall von Polen vor!

Meinerts mit formeller Verbeugung vor Cordula Meinen geziemenden Glückwunsch, gnädige Frau!

Vorhang.


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