Friedrich Wilhelm Hackländer
Reise in den Orient. Erster Band
Friedrich Wilhelm Hackländer

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Zweites Kapitel. Ritt durch die europäische Türkei.

Türkische Posteinrichtung. – Giorgewo: Schmutz auf den Straßen. Quarantaine. Kleidung der Türken. – Rustschuk. Tartaren. Das Paßbureau. Bulgarische Fußbekleidung. Unsere Pferde. – Der Ramasan. – Rasgrad. – Schumla. – Ritt über den Balkan. – Dobrol. – Faki. – Adrianopel: Quarantaine. Das alte Serail. Selims Moschee. Eine Soiree beim Pascha. Illumination. Tanzende Knaben. Schatal Burgas. Silivri. Das Meer. – Ankunft in Konstantinopel.

Wenn man in civilisirten Ländern über Reisebeschwerden klagt, so versteht man darunter ein paar Nächte, die man vielleicht im bequemen, dicht verschlossenen Wagen zubringen mußte, oder eine holperichte Straße, eine Station, auf der man unbeschreiblich schlecht zu Mittag gespeist, oder wo der knausernde Wirth so boshaft langsam servirt, daß einen das zur Abfahrt mahnende Horn des Schwagers schon aus den angenehmen Rindfleischträumen reißt und man die Herrlichkeiten des Bratens u. s. w. nur in Gedanken genießt. Das Schlimmste, was passiren kann, ist das Umschlagen des Wagens, oder ein überfüllter Gasthof, wo nur die Barmherzigkeit des Oberkellners dem unglücklichen Ankömmling irgend ein Winkelchen anweist. Wem schon solche Kleinigkeiten überlästig vorgekommen sind, der unterstehe sich ja nicht, zu Lande nach Konstantinopel zu gehen, oder auch nur eine kurze Strecke im Innern der Türkei zu reisen, sondern bleibe von Wien auf dem Dampfboote, wo er eine reinliche Kajüte, ziemlich gutes Essen und am Abend weiche Matratzen hat.

Die türkische Posteinrichtung befindet sich noch in der unmündigsten Kindheit. Man kann zu Wagen reisen, was etwas bequemer indeß nur im hohen Sommer überhaupt möglich ist, wo die Haiden, über welche meistens der Weg geht, von der Sonnenhitze fest getrocknet sind. Das Fuhrwerk ist ein Leiterwagen, mit Matten bedeckt und mit Stroh gefüllt, auf dem sich der Reisende ausstreckt, und es dann der Vorsehung und dem in vollem Galopp dahinbrausenden Postillon überlassen muß, ob er überhaupt und mit ganzen Gliedern nach dem Orte seiner Bestimmung kommt.

Die auch beim heißesten Wetter in ihre dicken Pelze gehüllten Bursche – ich spreche jetzt hauptsächlich von der Wallachei, da in Bulgarien und Rumelien das Reisen im Wagen fast unerhört ist – jagen dahin, ohne sich viel umzusehen, und wenn der Reisende durch einen starken Stoß von seinem Sitz auf die Straße geschleudert wird und sein Geschrei nicht zu den Ohren des Postillons gelangt, so ist es schon gekommen, daß die Rosselenker auf der Station angelangt sind und nachher wieder umkehren mußten, ihren Passagier zu suchen.

Wir zogen es vor, zu Pferde zu reisen, da man so schneller fortkommt, und wir zudem das Balkangebirge zu übersteigen hatten, wo an kein Fahren zu denken ist. Auf dem Dampfschiffe hatten uns fast alle des Landes und des Weges Kundige abgerathen, überhaupt in dieser Jahreszeit die Türkei zu Lande zu bereisen, wobei man uns fast unüberwindliche Hindernisse vormalte. Da wir aber einiges Ungemach zu ertragen bereit waren, um ein Land wie das Innere der Türkei kennen zu lernen, wir auch alle kräftige junge Leute waren, so brachte keine Vorstellung uns von unserem Vorhaben ab.

Schon in Orsowa hatten wir das Vergnügen, den ersten wallachischen Postzug zu sehen, jedoch nicht vollständig, indem die Pferde vor eine Wiener Kalesche gespannt waren. Sie erwartete hier einen Herrn Floresco, Polizeidirector in Bucharest, der mit uns von Pesth an auf dem Dampfschiff gewesen war. Der Wagen war mit acht Pferden bespannt, welche von zwei baumlangen, in zottige Schafpelze gehüllten Burschen gelenkt wurden, deren Füße bei der Kleinheit der Thiere beinahe den Boden berührten, was äußerst drollig aussah. Hinterdrein ritt eine Escorte von vier Gensdarmen, in weiten Hosen, blauen runden Jacken, das Fez auf dem Kopfe, Pistolen und Dolch im Gürtel und den Kantschuh an der Faust. Sie sausten im Carrière dahin und waren in wenigen Minuten aus unserem Gesichtskreise.

Am 25. October Abends kamen wir bei der türkischen Stadt Rustschuk vorüber, welche unser Schiff mit drei Kanonenschüssen salutirte, weil wir, dem strömenden Regen zum Trotze, zwei Flaggen am Mast führten, an der Spitze die großbritannische, zu Ehren des Lord Londonderry, und darunter die türkische, den goldenen Halbmond im rothen Felde, für den Emin Pascha. Wir legten am linken Donauufer an, bei Giorgewo, welcher Ort jedoch eine halbe Stunde vom Fluß abliegt. Da der Regen über Nacht aufgehört hatte und der heitere Himmel einen angenehmen Tag versprach, verließen wir am folgenden Morgen das Schiff und gingen zu Fuß nach Giorgewo, wo unsere Pässe visirt werden mußten, worauf wir nach Rustschuk auf's rechte Donauufer überfahren wollten, um von da unsere Reise zu Pferd fortzusetzen.

Giorgewo oder Gjurgew war die erste wallachische Stadt, die wir betraten. Wenn ich mir auch nach Allem, was ich über den türkischen Schmutz gelesen, keine große Vorstellung von diesem Ort gemacht hatte, so ging doch das, was ich hier in der Wirklichkeit vor mir sah, völlig über meine Begriffe. Wären nicht aus den mit Zweigen durchflochtenen und mit Mist bedeckten vier Pfählen schmutzig braune, menschliche Gestalten hervorgekrochen, so hätte ich geglaubt, die Erdhöhlen, an denen wir vorbeikamen, seien Stallungen für Büffel und Schweine, d.h. für türkisches Vieh, denn ein ordentlicher deutscher Ochse würde sich geweigert haben, in diese Schmutzlöcher zu kriechen. Die kleinen wallachischen Kinder saßen auf der Erde, plätscherten mit den Händen in der Mistjauche und sahen uns verwundert an; wohin man blickte, nichts als Elend und eine Unreinlichkeit über alle Vorstellung. Die meisten Wohnungen hatten nicht einmal vier Pfähle, sondern bestanden nur aus einem in die Erde gegrabenen Loch, mit Zweigen und Rasen bedeckt; Männer und Weiber waren in braune oder schwarze Schafpelze gehüllt und fast nicht von einander zu unterscheiden. Indessen bot nicht der ganze Ort einen so betrübenden Anblick dar; bald erschienen rechts und links Häuser aus Ziegelsteinen, deren Fenster aber meistens aus Papier bestanden, und endlich befanden wir uns in einer bessern Region, wo um die Kirche mit ihren byzantinischen Kuppelthürmen etwa zwanzig ziemlich gut aussehende Häuser lagen.

Mit leichterem Herzen, denn was wir vorhin gesehen, hatte uns ernstlich für unsere nächste Zukunft besorgt gemacht, steuerten wir einem der Häuser zu, an welchem in russischer und französischer Sprache zu lesen war, daß hier der Agent der östreichischen Donaudampfschifffahrtsgesellschaft wohne. Sein Name ist Staude; ein sehr artiger Mann, der uns auf's Zuvorkommendste empfing und für unser schnelles Fortkommen aufs Beste sorgte. Bald begaben wir uns in Begleitung dieses Mannes mit unserm wenigen Gepäck, unsern Mänteln, Pelzen und Waffen nach der Quarantaine von Giorgewo, wo uns ein türkisches Schiff, welches Früchte herübergebracht hatte, aufnehmen und übersetzen sollte. An der Quarantaine herrschte reges Leben. Es wurde eben zwischen doppelten Barrieren Markt gehalten. Weil die Türken des rechten Ufers sich nicht mit den Wallachen vermischen dürfen, so legen die erstern ihre Trauben, ihren Honig u.s.w. zwischen die Barrieren, wo sie von den letztern weggenommen und auf dieselbe Art bezahlt werden. Es ist ein unheimliches Gefühl, wenn man sieht, wie ein Mensch den andern meidet wie ein giftiges Thier, und stets den langen Stock vor sich hinstreckt, um ja nicht berührt zu werden.

Zum ersten Male sahen wir uns hier mitten in das für uns fremdartige Treiben der Türken versetzt, sahen uns umgeben von Turbanen und langen Bärten. Mir schwebten die Mährchen der tausend und einen Nacht lebhaft vor, als ich sie in ihren weiten Pantoffeln sich träg daher schleppen sah, wobei sie mit halbgeschlossenen Augen in langen Zügen den Tabakrauch einschlürften, um ihn wieder ebenso langsam von sich zu blasen. Ihre Kleidung besteht hier in sehr weiten Beinkleidern, meistens von dunkler Farbe, grau, blau, grün, aus weißen wollenen Strümpfen mit Pantoffeln, einer farbigen Jacke und dem unentbehrlichen Gürtel, einer Schärpe von ungeheurer Länge, die sie viermal um den Leib wickeln, und in welcher sie ihre Waffen, lange Pistolen und Dolche und eine eiserne Feuerzange tragen, die ungefähr anderthalb Fuß lang ist und zum Auflegen der Kohlen auf die Pfeife dient.

In diesem Gürtel steckt ferner die Pfeife, Taback, Brod, ein Taschentuch, das selbst beim geringsten Bootsknecht mit Gold und Seide gestickt ist, und noch so viele andere Gegenstände, daß er nicht selten mehrere Schuh dick aufschwillt und sich äußerst lächerlich ausnimmt. Der Türke aber sieht mit Wohlgefallen auf dieses Vorgebirge und drückt die langen Hälse seiner Pistolen vor, so weit immer möglich.

Nachdem wir für zwanzig Kreuzer beinahe eine halbe Schiffsladung der schönsten und süßesten Trauben gekauft, um sie während der Ueberfahrt zu verzehren, traten wir zu den Türken hinter die Barrière, und durften nun die Wallachei nicht mehr betreten, ohne fünf Tage Quarantaine zu halten, deren strenge Hand uns auf diese Art unwiderruflich von der Heimath schied. Wir setzten in einem ziemlich geräumigen Boote nach Rustschuk über. Da dieses oberhalb Giorgewo liegt, mußten wir stromaufwärts fahren und blieben so zwei Stunden auf der Donau, welche hier sehr breit ist. An's Land gestiegen, wurden wir von einem Haufen Türken umringt, welche neugierig unsere Sachen musterten, hauptsächlich die Percussionsschlösser unserer Gewehre und Pistolen; denn ihre Feuerwaffen sind noch alle mit äußerst dünnen, scharfen Steinen versehen. Der Steuermann des Boots brachte uns zum Agenten der Donaudampfschifffahrts-Gesellschaft, an den der Baron empfohlen war, und mit dem er die Mittel zu unserm fernern Fortkommen besprach. Die Post in der Türkei ist keine von der Regierung geleitete oder unterstützte Anstalt. Jeder Pascha hält sich zuverlässige, des Weges kundige Leute, sogenannte Tartaren. Diese bringen als reitende Boten die Depeschen aus den verschiedenen Distrikten nach der Hauptstadt, begleiten aber auch Reisende. Die Transportmittel, Pferde und Wagen, werden von Privaten geliefert, welche dafür eine vom Staat festgesetzte Bezahlung erhalten. Wir ließen den Chef der Rustschuk'schen Tartaren kommen, um ihm alle Kosten unserer Reise zu verdingen; denn meistens sorgt der Tartar außer den Pferden auch für Nahrung und Nachtquartier. Für uns brauchten wir fünf Pferde, ferner eines für den Tartaren, eines für das Gepäcke und zwei für die Sürüdschi – so heißen die Reitknechte, welche die Pferde zur Station zurückbringen – im Ganzen neun; wofür wir bis Konstantinopel, mit Einschluß aller Lebensmittel und Quartierkosten, 7000 Piaster, also 700 Gulden C. M. bezahlen mußten. Die Taxe, welche schwankt, war im Augenblick drei Piaster für jedes Pferd und jede Stunde. Die Hälfte obiger Summe wurde mit 350 Gulden dem Chef der Tartaren eingehändigt; die andere Hälfte bekam unser Führer bei unserer Ankunft in Konstantinopel.

Jetzt mußten unsere Pässe bei der türkischen Behörde visirt werden, und ich ging unter Begleitung des Apothekers des Orts, welcher etwas Italienisch verstand, nach der Burg des Pascha.

Der Theil der Stadt, den wir durchschritten, um zur Residenz zu gelangen, sah nicht sehr erbaulich aus. Drei ziemlich lange Straßen, zu beiden Seiten mit Kramläden oder offenen Gewölben besetzt, in welchen Handwerker aller Art saßen, führten dahin. Keine war gepflastert oder auch nur geebnet. Die Türken, welche uns, meistens in ziemlich schmutzigen Anzügen, begegneten, traten auf große platte Steine, welche hie und da an den Häusern lagen und die Trottoirs vorstellten, und nur so war es möglich, durch die Stadt zu kommen, ohne mit jedem Schritt bis an die Knöchel einzusinken. Dabei herrschte überall ein abscheulicher Knoblauchgeruch.

Die Weiber, denen ich begegnete, waren durchgängig alt und dick, trotzdem aber sorgsam in ihre Schleier gewickelt, aus denen nur Auge und Nase vorsahen.

Die Burg des Pascha gleicht dem Wohnhaus eines wohlhabenden deutschen Landmanns, diverse Mistpfützen eingerechnet, in welchen sich Enten und ein paar langbeinige Störche herumtrieben, welch' letztere mich vornehm über die Achsel anschauten. Das Schloß hatte eine Art Terrasse, auf der ein Dutzend Türken lagen, nichts thaten und Tabak dazu rauchten. Im Hof stand das reich gezäumte und mit einer rothsammtenen Decke versehene Pferd des Pascha, der im Begriff war, auszureiten, umgeben von drei, vier großen schmutzigen Burschen, mit langen Stöcken bewaffnet. Ich dachte lebhaft an die Bastonade.

Mein Apotheker führte mich in ein Zimmer zu ebener Erde, wo sämmtliche Beamte des Pascha beschäftigt waren. Links in der Ecke des Gemachs, an dessen vier Wänden sich breite Divans befanden, lag ein alter Mann mit langem, schneeweißen Barte und zählte aus einer eisernen Geldkiste die Münzen in kleinen Häufchen vor sich hin; es war der Finanzminister. Neben ihm siegelte ein noch ziemlich junger Mann einige Briefe zu, wahrscheinlich der Mann der auswärtigen Angelegenheiten. Zu einem Dritten, der mit halb geschlossenen Augen dalag und äußerst langsam und bedächtig schrieb, brachte mich mein Führer und händigte ihm unsere Pässe ein. Er durchsah sie, und ich mußte ihm unsere Namen vorsagen, die er dann in den gräßlichsten Verrenkungen wieder von sich gab, wobei auf dem äußerst langweiligen Gesichte ein kleines Lächeln emporstieg. Auch mußte ich ihm das Signalement eines jeden von uns vorsagen, wobei er sich den Spaß machte und mich fragen ließ, ob alle meine Reisegefährten so große Bärte hätten, wie ich.

Die Feder eines Reihers, den F. den Tag vorher an der Donau geschossen und die ich auf meine Mütze gesteckt, erregte seine Aufmerksamkeit. Er ließ mich fragen, ob sie vielleicht ein Zeichen meines Standes und meiner Würde sei, und als ich dies verneinte, bat mich der Apotheker, sie abzunehmen. Auf dem Rückwege nöthigte mich dieser in seine Wohnung, wo etwa zwanzig Töpfe und Gläser auf einem Gestelle die ganze Offizin ausmachten. Er stopfte mir eine Pfeife (Tschibuk), auf welche sein Diener – ein langer Schlingel, der in einem weißleinenen Kittel und mit herzlich dummem Gesichte dem Pierrot der italienischen Komödie vollkommen ähnlich sah – eine feurige Kohle legte. Nachdem ich einige Züge geraucht, führte er mich zum Hause des Agenten zurück, wo unsere Pferde schon bereit standen, das heißt, mit einem Halfter aus Stricken gezäumt, und auf dem Rücken eine schmutzige Decke. So werden sie in der Türkei geliefert, und der Reisende muß sich Sattel und Zeug selbst anschaffen. Wir kauften drei alte türkische und zwei neue tartarische Sättel, die nebst Zaum und Kantschuh fünfundfünfzig Gulden kosteten.

So gut und zweckmäßig wir auch für unser Reitcostüm schon in der Heimath gesorgt hatten, so fanden wir es doch hier für nöthig und äußerst geschickt, unsere Fußbekleidung auf bulgarische Art einzurichten, und ich rathe jedem Reisenden, in gleichem Falle die Auslage einiger Gulden nicht zu scheuen. Man kauft nämlich ein Paar ganz dünne ziegenlederne Schuhe, die man über die gewöhnlichen Strümpfe zieht; sie kosten an zwölf Piaster; über diese ein Paar sogenannte bulgarische Strümpfe, die bis über's Knie hinaufreichen, von Tuch und mit buntem Garn ausgenäht sind, im Preis von dreißig Piaster. Dann kommen ein Paar schwere Lederstiefeln, welche bis über die Wade gehen, vierzig Piaster – und man hat die Füße auf's Sorgfältigste geschützt. Die ganze Anschaffung kostet also zweiundachtzig Piaster – zehn Gulden rheinisch, und gewährt dem Reisenden, wie ich aus Erfahrung weiß, viel Angenehmes. Abends, wenn man in den schlechten Chan kommt, wirft man mit Leichtigkeit die schweren Stiefeln von sich, und streckt sich mit warmem Fuß und Beinen, die der erwähnte lange Strumpf geschützt, natürlich in voller Kleidung auf's Lager. Auch kauften wir für jeden von uns eine lange Peitsche mit kurzem Stiel – den Kantschuh.

Durch das Aufschirren war es spät geworden, und als wir auf den äußerst kleinen und schlecht aussehenden Pferden durch die kothigen Straßen zur Stadt hinaustrabten, dunkelte es bereits. Unsere Karawane sah recht abenteuerlich aus. Den Zug führte einer der Sürüdschi, ein alter Türke mit langem Barte, Pistolen und Handschar (Dolch) im Gürtel. Er saß ganz krumm, die Kniee an den Hals heraufgezogen, auf seinem Rosse und führte das Packpferd an der Hand. Hinter ihm ritt unser Tartar in seinem malerischen Costüme, weite blaue Beinkleider, auf denen ein goldener Stern als Zeichen seiner Würde gestickt war, und den er nie mit dem Mantel bedeckte; an den Füßen weiße, blau ausgenähte bulgarische Stiefel, ein rother Gürtel um den Leib, darüber eine grüne schwarz ausgenähte Jacke, und auf dem Kopf ein rothes Feß, mit langer, wallender blauseidener Quaste. Ueber der Schulter hing an einer seidenen Schnur ein schwarzledernes, goldgesticktes Täschchen, worin er den Ferman des Pascha mit unsern Namen und der Reiseroute aufbewahrte. Er hieß Hamsa und zeigte sich auf der ganzen Tour als ein ehrlicher, umsichtiger und gefälliger Mensch. Ihm folgten wir fünf, in unsere Pelze gehüllt, eine leichte Reisemütze auf dem Kopfe, Gewehre, Pistolen, Säbel an uns und am Sattel hängend. Unser Engländer machte die Reise im runden Hute und Makintosh, was gegen die faltigen Turbane und weiten Kleider der Türken sehr abstach. Die Arrieregarde bildete der zweite Reitknecht. Als wir an das Stadtthor kamen, war dasselbe bereits geschlossen, und wir mußten eine gute halbe Stunde warten, bis einer der Sürüdschi, der im Galopp zurückkehrte, um die Schlüssel zu holen, wieder kam. Doch hatten wir während der Zeit einen bezaubernd schönen Anblick, als wir uns nach der Stadt umwandten. Der Ramasan hatte vor wenigen Tagen begonnen; sobald während dieser heiligen Zeit Sonnenuntergang durch einen Kanonenschuß verkündigt ist, entzünden sich auf allen Moscheen und Minarets hunderte von Lampen und bilden eine glänzende Beleuchtung. Wir zählten nicht weniger als neunundzwanzig dieser Thürme, welche bis an die Spitze beleuchtet waren. Endlich kehrten wir diesem Glanze den Rücken und zogen durch das knarrende Thor in die finstere Nacht hinaus – ein Bild unserer Reise. Hinter uns ließen wir die friedliche Heimath mit ihren hellen, reinlichen Straßen und munteren Bewohnern, und traten in ein unfreundliches, schmutziges, uns gänzlich fremdes Land, dessen Sprache keiner von uns verstand. Unter allen Tartaren in Rustschuk war auch nicht einer zu finden, der nur ein Wort italienisch oder französisch verstanden hätte, von deutsch gar nicht zu reden. Unser Hamsa war wohl ein ganz brauchbarer Tartar, da er aber keineswegs das Pulver erfunden hatte, wurde es uns unsäglich schwer, ihm durch Pantomimen etwas verständlich zu machen, und hätten wir nicht die notwendigsten Ausdrücke, wie: »Halt, fort, langsam, schnell« ec. gewußt, so wären wir ganz verlassen gewesen. Trotzdem ritten wir munter in der Dunkelheit fort, wünschten den Lieben zu Haus eine gute Nacht, zündeten unsere Pfeifen an, und sangen ein deutsches Lied:

Steh' ich in finstrer Mitternacht
So einsam auf der fernen Wacht ec.

Die Pferde, wie man sie in der Türkei zum Reiten bekommt, sind, wie schon gesagt, von kleiner, unansehnlicher Gestalt und dieselben, welche bei uns unter dem Namen Wallachen und Moldauer vorkommen, nur daß die hiesigen bei kleinerer Figur etwas mehr Race haben. Ihr Gang ist fortwährend ein kurzer, höchst unbequemer Trab, der den Ungewohnten ungemein ermüdet. Man kommt indessen damit sehr schnell von der Stelle, und thut am besten, sich so bald als möglich in diese Gangart zu finden; denn läßt man sein Pferd im Schritt gehen, um später in Trab oder Galopp aufzurücken, so ist dies noch schlimmer, und man kommt, wie ich selbst empfunden habe, halbtodt auf die Station. Aber die Ausdauer der Pferde ist erstaunlich. Sie laufen mit kurzen Pausen der Rast des Tags zwanzig deutsche Stunden, ohne ein Korn Hafer oder Heu oder auch nur Wasser zu bekommen, und am Abend merkt man ihnen nicht einmal große Ermüdung an.

Es war heute Nacht sehr finster; und trotzdem an keine Landstraße zu denken war, verirrte sich unser Führer nie; der Weg lief bergauf, bergab über unbekannte Haiden. Der Tartar ritt zuweilen zu uns heran und präsentirte uns seine brennende lange Pfeife, eine große Freundschaftsbezeugung bei den Türken, die wir nicht ausschlagen durften. Jeder that einige Züge daraus, dann nahm er sie wieder und sprengte vor an die Spitze des Zuges. Hie und da zeigte sich in einer Schlucht ein Feuer bei Büffelheerden. Jedesmal ritt unser Führer hin, wechselte einige Worte und kam laut rufend zu uns zurück. Einigemal passirten wir Brücken, die aber so baufällig und unsicher waren, daß Hamsa beinahe immer abstieg und unsere Pferde einzeln hinüberführte. Um eilf Uhr wurde Halt gemacht. Wir stiegen ab und ließen die Pferde eine halbe Stunde herumführen; dann ging es wieder fort.

Nachdem wir gegen drei Uhr Morgens die Pferde durch einen Waldbach, der auf unserm Wege lag, hinabgeführt hatten, kamen wir an eine alte, halbzerfallene Erdhütte, die der Tartar mit einem lauten Hurrah begrüßte. Die Knechte machten ein großes Feuer, er holte aus einer Satteltasche sehr fein geriebenen, stark duftenden Kaffee und Zucker, setzte ein kleines Pfännchen zum Feuer, warf Kaffee und Zucker in das kochende Wasser und reichte uns das Gemisch, eine ziemlich dicke braune Brühe, in kleinen porzellanenen Tassen. Es schmeckt nicht übel, nur fand ich kein Behagen am Kaffeesatz, den die Türken stets hinunterschluckten.

Unser Vorsatz war, die ganze Nacht zu reiten, um den folgenden Tag zeitig in Schumla einzutreffen. Als wir aber um fünf Uhr Morgens auf der ersten Station, einer kleinen türkischen Stadt, Nasgrad, anlangten, waren die meisten von uns so ermüdet – wir halten von Rustschuk hieher sechszehn deutsche Stunden zurückgelegt – daß wir uns vom Tartaren gleich in ein Wirthshaus (Chan) führen ließen. Als wir in den Ort hineinritten, stimmten unsere drei Begleiter ein über alle Beschreibung unangenehmes, wahrhaft ohrzerreißendes Geheul an. Wir hatten dies in der Folge auf jeder Station zu genießen. Es ist das Zeichen, daß eine großherrliche Post kommt, für welche Pferde in Bereitschaft zu setzen sind. Die Bereitwilligkeit und Geschwindigkeit, womit die sonst so faulen Türken uns immer bedienten, sobald der Tartar mit lautem Hurrah in den Hof ritt, zeigte, in welchem Ansehen er bei ihnen stand. Nicht selten traktirte er aber auch, wenn es nicht rasch genug ging, das dienende Personal des Chans mit Kantschuhhieben.

Das Zimmer, in welches man uns führte, hatte vier Kalkwände, und das ganze Mobiliar und Bettwerk bestand aus einem Wasserkruge und einigen Binsenmatten, die an den Wänden umherlagen. Durch die hölzernen Gitter strich unangenehm die scharfe Morgenluft. Doch Dank unserer Müdigkeit: wir schliefen bald und der Tartar mußte uns nach zwei Stunden sein: »Heide! Heide!« (fort! fort!) öfters in die Ohren schreien, ehe wir munter wurden. Um sieben Uhr ritten wir weiter, stiegen, nachdem wir die kothigen Straßen des Dorfes hinter uns hatten, in die Höhe und befanden uns bald wieder auf weiter Haide. Die Landschaft bietet bis Schumka wenig Interesse: abwechselnd kahle Höhen und Thäler, hie und da einige verkrüppelte Bäume, kleine Eichen und wildes Obst. An Landstraßen ist überall nicht zu denken, und unsere Karawane ging anfangs, wie gestern, im gewöhnlichen Zotteltrab vorwärts. Sobald aber der Baron dem Tartaren begreiflich machte, daß er, wenn es so fortgehe, in Stambul nicht viel Bakschis (Trinkgeld) zu gewärtigen habe, nahm die Sache eine ganz andere Gestalt an. Hamsa klopfte seine lange Pfeife aus und steckte sie hinten in den Nacken, so daß der Kopf derselben einen Fuß hoch über sein Feß emporragte, stieß ein lautes Geschrei aus, und dahin sausten wir unter immerwährendem Rufen und Schreien der Führer, daß die Mäntel der Türken und unsere Pelze im Winde flatterten.

Es war einige Stunden, als hetzten wir ein Wild durch Gräben, Hecken, bergauf und ab, bald im scharfen Trab, bald im Galopp. Zuweilen stürzte ein Pferd, sprang aber sogleich wieder auf, und wir bewunderten das Feuer und die Ausdauer der kleinen Thiere.

Bergauf geht es meistens im Schritt, in der Ebene den kurzen Trab, von dem ich vorhin sprach; aber bergab, und sind die Wege noch so holpricht und schlecht, im Galopp. Sobald der Tartar das Nachtquartier in der Ferne wittert, ist er nicht mehr zu halten, und es geht im Carriere unter beständigem Allah-Rufe, die schlechtesten Wege, die engsten Steinpflaster, bis in den Hof des Chans.

Abends gegen vier Uhr kamen wir in die Nähe von Schumla. Die Höhen, welche uns noch den Anblick der Stadt entzogen, waren mit alten zerfallenen Batterien und Erdschanzen bedeckt. Beim Näherreiten sahen wir, daß dieselben gegen die Stadt gerichtet waren, sowie auch tief im Thal ein anderes Werk, das mir eine Brechbatterie zu sein schien – wahrscheinlich Ueberbleibsel der Angriffslinie der Russen aus dem Kriege im Jahr l829. Die Straße wandte sich rechts um einen Felsenvorsprung, und jetzt machten wir wie angefesselt Halt: unten im Thale lag Schumla vor uns und bot, von der sinkenden Abendsonne beleuchtet, einen wunderherrlichen Anblick. Rings war die Stadt umgeben, ich möchte sagen, durchflochten mit Weingärten voll reifer Trauben, aus denen die vergoldeten Minarets und weißen Häuser auf's Freundlichste heraussahen.

Es war die erste große türkische Stadt, die wir sahen. Das Eigenthümlichste derselben gegen unsere Städte sind die schlanken hohen Thürme der Moscheen, die Minarets, von denen herab der Iman – türkische Geistliche – zu gewissen Stunden den Gläubigen verkündigt, daß es Zeit sei, das Gebet zu beginnen.

Hinter Schumla erhebt sich der majestätische Balkan mit seinen blauen zackigen Kuppen, den herrlichsten Hintergrund bildend. Es that mir fast leid, daß ich diese Stadt betreten mußte, daß ich nicht mit diesem großartigen Bilde in der Erinnerung vorbeiziehen konnte: es war ja eine türkische Stadt, eine goldene Frucht, die innen fault.

Kaum hatten unsere Pferde die Außenwerke der Festung betreten, schlechte Erdaufwürfe, mit verfaulten und zerschossenen Pallisaden besetzt, so sanken sie auch schon bis an die Knöchel in den Morast, der die Straßen bedeckte. Beim Chan angelangt, wurden wir sofort in das Loch geführt, wo wir die Nacht zubringen sollten: Lehmwände, der nackte Dachstuhl als Plafond, gestampfter Koth als Fußboden. Der Tartar machte uns auf die finstere Miene, welche wir ihm zeigten, begreiflich, es sei das beste Wirthshaus in Schumka, und man werde das Zimmer gehörig einrichten, wenn wir uns ein wenig in der Stadt umsehen wollten.

Wir folgten seinem Rathe, kletterten einige Straßen hinauf, die sich an den Berg lehnen, und fanden denselben Schmutz, wie in Rustschuk und Rasgrad. Welches Leben könnte sich hier entwickeln, in reizender Gegend, auf dem fruchtbarsten Boden, wollte der Türke seine grenzenlose Faulheit ablegen und sich aus dem Schmutz, in den er versunken, erheben.

Schumka, von Ferne so entzückend schön, macht auf den Fremden, der es betritt, den unheimlichsten Eindruck, und, man kann erst draußen, in der freien Natur, wieder ruhig athmen. Wir besahen mehrere Kirchhöfe, fanden sie aber nicht so schön und poetisch, wie sie uns gerühmt werden. Es sind große Plätze, mit Unkraut bewachsen und vielen langen schmalen Steinen besetzt. Hie und da zeigt auf einem der ausgehauene Turban, daß er die Gebeine eines vornehmen Türken deckt. Von Lustwandelnden habe ich nichts bemerkt; die Plätze lagen, einige ausgehungerte Hunde abgerechnet, die sich darauf herumtrieben, ganz einsam da.

Sehr schön und angenehm sind dagegen die vielen Brunnen mit klarem herrlichem Wasser, die man hier zu Lande auf allen Wegen und Plätzen findet. Wir sind auf unserem Ritt nach Stambul wenigstens alle zwei Stunden an einem solchen vorbeigekommen. Es sind vier Fuß hohe steinerne Nischen, mit eisernen Röhren, auch fehlt nie der hölzerne Becher, der bei uns den ersten Tag gestohlen oder verdorben wäre. Ehrlichkeit ist überhaupt ein schöner Zug im Charakter des Türken. Trotz der überall sichtbaren Armuth reist man nirgends so sicher wie hier. Man kann bei Nacht seine Sachen auspacken und wird auch keine Stecknadel vermissen. Raub und Mord kommt selten oder nie vor.

Als wir in unsern Gasthof zurückkamen, sah der Stall etwas wohnlicher aus. Man hatte den Boden mit Matten und Kissen bedeckt, ein Feuer loderte im Kamin, und kaum hatten wir uns gelagert, so brachte der Tartar einen großen Topf mit gekochtem Reis (dem berühmten Pillau) und zwei Hühner, welche er herausnahm, mit den Fingern zerriß und vorlegte. Daß uns dies Abendbrod nach einem Ritt von fünfzehn Stunden und einer durchwachten Nacht herrlich schmeckte, brauche ich nicht zu sagen; auch schliefen wir gut und setzten am andern Morgen um fünf Uhr unsere Reise fort.

Heute hatten wir eine Tour vor uns, welche man uns in Wien und auf dem Dampfboot, als mit fast unüberwindlichen Hindernissen besäet, geschildert hatte – den Uebergang über den Balkan. Außer Schnee und Eis, womit in dieser Jahreszeit das Gebirge bedeckt sein sollte, hatte man uns fürchterliche Winde angekündigt, welche Mann und Roß in Abgrund schleudern könnten, Räuber und Mörder heraufbeschworen, und uns deßhalb beim Abschiede die Hand geschüttelt, wie zum Nimmerwiedersehen. Von alle dem bemerkten wir nichts, als wir auf den kleinen sichern Pferden die stellen Abhänge emporkletterten.

Es war ein schöner Tag, der Nebel sank, ein herrlicher blauer Himmel, dunkler als in Deutschland, wölbte sich über uns. Wir überstiegen den Balkan in drei Absätzen. Der erste Abhang war schon ziemlich steil, doch konnte man das Steingerölle, in dem sich unsere Pferde hinaufarbeiteten, allenfalls auch eine Straße nennen. Wir trafen dann und wann zwei- bis dreihundert Fuß lange Strecken einer Römerstraße, welche an manchen Stellen noch ziemlich gut erhalten war. Von der Faulheit und Sorglosigkeit der Türken sahen wir wieder ausgezeichnete Beispiele. Um sich auf ihren Streifzügen Feuer zum Kochen zu verschaffen, hatten sie hie und da die schönsten Eichen niedergebrannt, ohne sie umzuhauen; sie legen dabei unten an den Stamm Feuer, und wenn der königliche Baum hinstürzt, lassen sie ihn ruhig verbrennen bis zur Krone, kochen dabei ihren Pillau und rauchen ihre Pfeifen.

Man kennt sieben Hauptpässe über den Hämus, welche durch die alte Kriegsgeschichte mehr oder minder merkwürdig geworden sind. Die bedeutendsten waren der westliche, der in der ältern Römerzeit Succi, in der spätern Trajanspforte hieß, und der östliche, der von Adrianopel nach Schumla und Parawadi führte. Diesen letzten zogen auch wir theilweise. Ihn hat Theophylactus poetisch beschrieben. Er sagt von ihm: die unten liegenden Ebenen sind wie mit blumigten Teppichen bedeckt, grünende Wiesen sind Fest und Weide den Augen, dichte Schattenzelte des Waldes verbergen den heraufsteigenden Wanderer und viele Hitze gibt ihm dort die Mittagsstunde, wenn von den Sonnenstrahlen die Eingeweide der Erde erwärmen. Schön zu sehen, schwer zu beschreiben. Den Ort umströmt Ueberfluß der Wasser, welche den Trinkenden weder durch zu große Kälte beschweren, noch dem sich Abkühlenden durch ihre Weichheit beschwerlich fallen. Vögel, von frisch sprossenden Zweigen emporgetragen, bewirthen die Zuschauer gastfrei mit wohlthuendem Gesang, ohne Gram und Zorn der Uebel aller vergessend, so gewähren sie den Wanderern Schmerzlosigkeit durch ihre Gesänge. Ephen, Myrthe und Eiben mit allen andern Blumen führen in der schönsten Harmonie dem eingeweihten Geruchsinne ätherische Wollust im reichsten Maße zu und beräuchern mit süßen Düften den Fremdling, als ob sie nach dem besten Brauche der Gastfreundschaft Zubereitungen der Fröhlichkeit träfen.Hammer, Gesch. d. o. R. I.

Den Fluß Camozik, der sich reißend durch ein Thal des Balkan windet, durchritten wir, sahen an seinen Ufern das malerisch gelegene Dorf Camazikmala und kamen zum zweiten Absatz des Gebirges, den wir größtentheils mittelst des ausgetrockneten Bettes eines Waldstroms erstiegen. Derselbe wand sich an manchen Stellen sehr steil zwischen himmelhohen Felsen durch, wobei sich die Kraft und Gelenkigkeit der kleinen Pferde erst recht erprobte. Wie Ziegen kletterten sie empor, ohne je stehen zu bleiben, eines dem andern nach. Es war sonderbar anzusehen, wie sich die Karawane zwischen den grauen Steinen und verkrüppelten Eichen schlangenartig durchwand.

Als es Abend wurde, befanden wir uns nicht weit mehr von der Spitze des Gebirges. Der Himmel war den ganzen Tag über klar und rein geblieben, was uns einen herrlichen Sonnenuntergang versprach. Aus dem Thal erhob sich der bläuliche Nebel, mit dem wir zu den von der Abendsonne beleuchteten Felsenkronen emporstiegen. Endlich erreichten wir die Höhe. Da lag das Gebirge rings um uns, ruhig und groß, in den schönsten Farben vom Schwarz der Nacht, das den Fuß der Berge umgab, in hundert Tönen zum hellen Gold ihrer Spitzen; ein wunderschöner Anblick! darüber der sternbesäete Himmel mit der jungfräulichen Mondsichel, die schüchtern hinter einigen Tannen hervorlugte. Ueber unsern Häuptern kreiste ein mächtiger Adler und stieg höher und immer höher; wir sahen ihn noch von der Sonne beleuchtet, als sie unsern Blicken längst entschwunden war.

Was mich aber an dieser Stelle besonders freundlich, ja rührend ansprach, war ein einsamer Kiosk, eine Laube von wilden Reben, die auf der äußersten Ecke eines Felsen stand. Wer mochte sie gebaut haben? Alles war roh gearbeitet, und doch lag ein eigener Reiz auf dem Ganzen. Sie stand auf der schönsten Stelle des Bergrückens und gewährte eine Aussicht weithin über die Ausläufer des Gebirges. Was mochte das Herz gefühlt haben, das sie errichtet? War es vielleicht Balsam für seine Schmerzen, so hinaussehen zu können in die Welt? war ihm vielleicht dorthin ein geliebtes Wesen entschwunden und der gefesselte Körper konnte der enteilenden Staubwolke nur den freien Blick nachsenden?

Unsere Station wäre für heute Karnabat gewesen; indessen hielt es der Tartar wegen der Dunkelheit und des wirklich gefährlichen, steinigten Weges für zweckmäßig, in einem kleinen Dorfe, Dobrol, welches wir in einer Stunde erreichten, zu übernachten. Wir kehrten bei einem griechischen Bauern ein. Hamsa, der edle Tartar, bereitete ein Pillau, und F., der treffliche Maler, schlachtete eigenhändig zwei Hühner. Unsere Wirthin rückte einen hölzernen Trog in die Mitte des Zimmers, rührte Mehl mit Wasser an und knetete hieraus einen ziemlichen Kuchen, der in die Holzasche gelegt wurde und unser Brod geben sollte.

Nach einer halben Stunde wurde er herausgezogen, mit einer eisernen Schaufel gereinigt, und ich für meine Person muß gestehen, daß er äußerst schlecht schmeckte. Nach einem Ritt von vierzehn Stunden, den wir heute, und an den steilen Stellen des Gebirges meistens zu Fuß gemacht, schliefen wir auf dem harten Lehmboden, den uns Frau Wirthin zum Bette anwies, recht gut.

Um fünf Uhr verließen wir Dobrol und kamen um neun nach Karnabat, wo wir Pferde wechselten, Trauben und Kaffee genossen und zum erstenmal ein Nargileh (Wasserpfeife) dazu rauchten. Hier erhielten wir gute Pferde, die wir aber auch brauchen konnten; denn heute waren unsere beiden Reitknechte so lustig und munter, daß wir fast beständig scharfen Trab ritten.

Unser Weg ging durch sehr coupirtes Terrain, Ausläufer des Balkan, meistens mit niedrigem Gesträuch bewachsene Haiden, bergauf und ab. Zuweilen kamen wir über Wiesen, auf denen zahlreiche Krokus blühten. In meinem Leben habe ich keinen wildern Ritt gemacht. Wir jagten durch Schluchten und über Gräben weg, unsere Führer mit ihrem sonderbaren Geschrei stets an der Spitze. Bald gings durch einen Bach, daß das Wasser über unserm Kopf zusammenschlug, bald unter alten Eichen hinweg, wo man sich auf den Hals des Pferdes legen mußte, um nicht die Mütze zu verlieren oder sich gar die Stirne blutig zu stoßen, was mir indessen doch begegnete. Unsere Pferde sind Abhänge hinabgelaufen, an denen ein Fußgänger einen Augenblick fragen würde: »soll ich oder soll ich nicht?« Aber wir mußten nach, unser Tartar war wie besessen und schrie in einem fort: »Heide! Heide!« während er auf seinem kleinen Pferdchen dahin sprengte.

Als es dunkel wurde, wuchsen die Gefahren; aber die Führer kümmerten sich um nichts und ritten durch Dick und Dünn, und hätte nicht der Baron die Spitze genommen und stets gerufen: Achtung! ein Stein! ein Loch! ein Baumast! u. s. f., so wären wir sicher nicht unverletzt auf der Station angelangt. Wir kamen indessen glücklich nach Faki, und brachen den folgenden Morgen sehr zeitig auf; wir hatten bis Adrianopel neunzehn Stunden und wollten es noch bei guter Zeit erreichen.

Den ganzen Tag ritten wir scharf durch sehr uninteressantes Terrain, bis Nachmittags, wo eine unabsehbare Ebene sich vor uns ausbreitete, in welcher einige von uns, obgleich sehr undeutlich, vier Minarets fern am Horizont sahen – Adrianopel. Wie jubelten wir beim Anblick der zweiten Hauptstadt des Reichs! Dort wollten wir einen Tag rasten, und dann aufs neue

Immer zu, immer zu,
Ohne Rast und Ruh.

Aber der Mensch denkt und Gott lenkt. Bei einbrechender Nacht kamen wir in die Nähe der Stadt, nachdem wir in der Dämmerung eine Stunde lang gegen die vielen glänzend beleuchteten Minarets geritten waren, von denen wir bei ihrem ersten Anblick sieben Stunden entfernt gewesen, so weit und flach ist das Thal, in welchem Adrianopel liegt.

Wir hatten noch einiges Wasser zu passiren, das sich in kleinen Seen auf der Straße gesammelt hatte, und trabten dann auf einem ungemein holperigen, ganz vernachlässigten Pflaster bis an das Thor der Stadt, aus zwei armseligen Häusern bestehend, von denen eines eine Wache vorstellte und mit dem andern durch eine Brücke zusammen hing. Dieses städtische Gebäude wurde durch eine kleine Ampel beleuchtet, die sich über unsern Köpfen an einer eisernen Stange ächzend wiegte, als fühle sie ihre Jämmerlichkeit.

Hier stockte auf einmal unser Zug. Wir hinten wußten nicht warum und verstanden auch zu wenig türkisch, um zu errathen, was zwischen unserem Führer Hamsa und der Wache verhandelt wurde. So hielten wir eine halbe Stunde, müde, fröstelnd, da wir uns warm geritten hatten und nun in der kalten Abendluft still hielten, murrend über die fehlgeschlagene Hoffnung, bald in ein Quartier zu kommen und unsere erstarrten Glieder auf weichen Kissen ausstrecken zu können.

Der Tartar hatte den Paß des Barons genommen und war damit in die Wachtstube gegangen. Er kam endlich wieder und bedeutete uns abzusteigen und ihm dahin zu folgen, da unsere Pässe erst dem Pascha vorgelegt werden müssen, ehe wir hier einreiten dürften. Wir traten in das niedrige, von einem an der Wand hängenden Lichte spärlich beleuchtete Zimmer, und warfen uns gleich auf die Binsenmatten und Polster, die an den Seiten lagen. So viel der dicke Tabaksqualm erkennen ließ, hatte das Zimmer blos vier nackte Wände, einen Kamin und ein einziges Fenster von einem Fuß im Quadrat. Die edeln Stadtwächter, junge Türken, kauerten an den Wänden, Pistolen und Dolch im Gürtel, die Pfeife im Munde. Ich war vor Ermüdung beinahe eingeschlafen, als Hamsa erschien und uns, die wir jetzt hofften, erlöst zu sein und unsern Chan aufsuchen zu dürfen, in einen schmutzigen Winkel der Straße führte mit dem Bedeuten, uns ruhig zu verhalten und nicht von der Stelle zu gehen. Auch gelang es uns, aus seinen Worten und Geberden endlich so viel abzunehmen, wir möchten, wenn wir gefragt würden, sagen, unsere Karawane habe Schumla nicht berührt, sondern sei um die Stadt herum gegangen. Was sollte Alles dies bedeuten? warum hielt man uns hier auf? Zuweilen horten wir ein verhängnißvolles Wort neben uns flüstern: Calendur, was Quarantaine bedeutet. Aber der Gedanke war zu neu und schrecklich, um ihm nachhängen zu können. Hatte man doch nie gehört, daß die Türken ihr Land mit einer Quarantaine umzogen; wozu auch? und brachten wir ihnen doch gewiß keine Pest.

Unserer Ungewißheit wurde auf einmal ein Ende gemacht; ein Türke mit dem Feß auf dem Kopfe kam auf uns zu, stellte den langen Stock abwehrend vor sich hin und deutete auf ein höchstens zwei Fuß hohes Loch in der alten Stadtmauer, das man öffnete und durch welches wir in einen rings mit hohen Mauern umgebenen Hof kriechen mußten. Mehrere der Wachen umgaben uns mit den finstern bärtigen Gesichtern, und ihre Dolche und Pistolen leuchteten recht unheimlich bei der düstern Flamme einer beinahe abgebrannten Pechfackel, die einer vor uns hertrug, bis zu einem größern Thor, das nach mehrmaligem Klopfen geöffnet wurde. Wir traten in einen zweiten Hof, und hinter uns riegelte man das Thor wieder zu.

Das Terrain, auf welchem wir uns befanden, schien ein Garten oder eine Baumanlage; wir waren wenigstens von Bäumen umgeben und unsere Füße traten auf lockern Grund. Ein kolossales Schöpfrad hob sich neben uns aus einer Wassergrube und goß langsam das gesammelte Wasser aus seinem morschen Eimer, worauf dieser mit melancholischer Klage in die Tiefe zurücksank. Wir schleppten unsere müden Glieder noch einige Schritte weiter und wurden dann mit langen Stöcken in ein einsam stehendes Haus beinahe hineingeschoben. Durch einen schmutzigen Gang gelangten wir in ein Zimmer; zugleich mit uns setzte man eine Kohlenpfanne und ein brennendes Talglicht hinein und schloß die Thüre ab. Hamsa, unser Tartar, kauerte an die Wand und schien über unsere Lage nachzudenken, wenigstens sprach er nichts, sondern sah uns sehr wehmüthig an. Auch wir betrachteten unsern Aufenthalt und uns gegenseitig. Der Baron zog in stiller Resignation ein kleines türkisches Wörterbuch aus der Tasche, um mit Hülfe desselben den Tartaren zu befragen, was man eigentlich mit uns vorhabe.

Kaum sah Hamsa das Buch in den Händen des Barons, als er gleich zu ihm hinrutschte und zu seinen Füßen gelagert ihm aufmerksam in die Augen sah. Ueberhaupt kam Hamsa, so oft T. dieses Büchlein zur Hand nahm, eilend herbei und merkte genau auf jedes Wort, das er ihm allenfalls sagen wollte, wogegen wir Andern lange schreien mußten, bis er unsern Befehlen oder Bitten Gehör gab. Diesmal wartete aber der Tartar die Frage nicht ab, sondern wohl merkend, um was es sich handle, sagte er: »Schumla Gümurtochak, burda Calendur,« d. h.: »Schumla Pest, hier Quarantaine.« Dies erfüllte uns mit nicht geringem Schrecken, und wir sahen auf einmal unsere trostlose Lage. Deßhalb auch früher seine Bitte, wir möchten versichern, Schumla nicht berührt zu haben.

So saßen wir also fest, mit der nächsten Aussicht, die Nacht in diesem Loche zuzubringen, das nichts enthielt, als einige schlechte Binsenmatten und an den Wanden Erhöhungen von Holz, Divans vorstellend; auch hatten wir weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen, und unsere Reisesäcke enthielten außer Thee und Chokolade nichts Genießbares. Von den Türken, unsern Wächtern, war auch nichts zu hoffen, denn nachdem sie uns ein Kohlenbecken hineingeschoben und jedem eine kleine Tasse Kaffee verabreicht hatten, schlossen sie die Thüre, sowie das ganze Haus, und kein noch so heftiges Klopfen und Schreien bewog einen, nach unsern Bedürfnissen zu sehen. So waren wir denn förmlich gefangen und fügten uns in dieses traurige Geschick so gut wie möglich, legten uns auf den harten Boden und schliefen, in die Pelze gewickelt, ziemlich fest, um den folgenden Morgen wie gerädert aufzustehen.

Morgens erschien der Arzt der Quarantaine, ein junger Italiener, um uns in Augenschein zu nehmen; ein sehr höflicher Mann, der uns in der Folge mit großer Artigkeit behandelte, und es ungemein bedauerte, daß wir die Nacht so schlecht zugebracht. Der Baron bemerkte ihm ziemlich ernst, es sei doch unverantwortlich, Reisende einzusperren, ohne sich um ihre notwendigsten Bedürfnisse im Geringsten zu bekümmern. Der Arzt entschuldigte diese Anstalt, weil sie noch so jung sei, und gab uns dabei eine kurze Geschichte ihrer Entstehung. Die Gesandten der auswärtigen Mächte haben die Quarantaine eingesetzt, damit die Pest so viel möglich von der Hauptstadt abgehalten würde und so sie selbst gesichert wären. Obgleich noch sehr mangelhaft, habe sie doch schon sehr schöne Resultate geliefert, denn seit zwei Jahren wäre von der fürchterlichen Seuche Konstantinopel und Pera nicht verheert worden. Letzteres hörten wir später dort bestätigen. Dann zuckte der Arzt die Achseln und meinte in Betreff der schlechten Behandlung der Reisenden, müsse man nicht vergessen, daß man in der Türkei sei. Dies hatten wir in den letzten Tagen auch sattsam erfahren.

Wir waren also in der Quarantaine und suchten uns diesen Aufenthalt so erträglich und angenehm zu machen als möglich. Die deutschen Consuln und der englische, die wir von unserm Unglück in Kenntniß gesetzt hatten, bemühten sich, besonders der letztere, uns nach ihren Kräften mit dem Notwendigsten zu versehen. Nachmittags erschien ein Wagen, der zwei freilich sehr defekte Tische, einige Stühle, blecherne Pfannen, Wein, Butter, Reis und einen Schatz, nämlich einen Sack mit Kartoffeln, brachte.

Die Quarantaineanstalt stellte uns einen Mohren als Kammerdiener und Koch, der aber mit immenser Körpermasse eine unbeschreibliche Faulheit verband; auch bestand seine ganze Kochkunst in der Bereitung eines sehr mittelmäßigen Pillav, so daß wir uns genöthigt sahen, unsere Küche eigenhändig zu versehen. Ein Jude, der jeden Tag zweimal eingelassen wurde, brachte Alles, was wir verlangten, nur ließ er sich sehr theuer bezahlen, und so konnten wir unsern Tisch gleich am ersten Tage mit einer vaterländischen Fleischsuppe und Kartoffeln versehen. B. und ich verstiegen uns den zweiten Tag sogar zu einem Schöpsenbraten und einem Huhn, das ich in Ermanglung von etwas Besserem mit Trauben und Brod stopfte. So lebten wir ziemlich anständig, tranken Morgens unsern selbst bereiteten Kaffee und Abends einen selbst gebrauten Punsch und spielten darauf bis in die späte Nacht Whist, ehe wir unsere Schlafstätten aufsuchten, d. h. die Tische und Stühle in eine Ecke rückten und uns auf den Boden legten.

Unser Kislar-Aga, ich meine unsern Ouarantainewächter, der den ersten Tag jeden unserer Schritte und Tritte mit der größten Malice bewacht und stets mit seinem langen Stock in der Luft gefuchtelt hatte, wurde mit der Zeit ganz geschmeidig und unser bester Freund. Er hieß Mustapha und suchte neben seinen Trabanten jede Communication nach außen zu verhindern, wobei sie aber selbst in unser Zimmer kamen, unsere Sachen anfaßten und sich als ächte Muselmänner und Fatalisten aus der Ansteckung nichts zu machen schienen, es sei denn, daß sie unsern Worten, wir seien nicht in Schumla gewesen, Glauben beimaßen. Kurz, sie spielten mit uns, so zu sagen, Quarantäne, und ließen uns im Innern alle Freiheit. Unser Mohr, er hieß Mertschan, auf deutsch Koralle, der den Tag über mit uns eingeschlossen war, verließ sogar das Haus zuweilen Abends, um einer Dame seiner Bekanntschaft eine Visite zu machen.

Ein großer, mit Maulbeerbäumen bepflanzter Garten, der an unser Gefängniß stieß, diente uns als Spazierplatz und Jagdgehege; wir schossen hier jeden Morgen oder Abend einige Rebhühner, von denen sich große Ketten stets dort aufhielten.

Ein anderer Zeitvertreib bestand darin, daß wir mit unsern Gewehren und Pistolen nach irdenen Gefäßen schossen; kurz, wir amüsirten uns, so gut es ging, um die uns bestimmten zehn Tage zu tödten. Man hatte uns mit dieser Frist sehr gnädig behandelt, denn die Vorschrift ist eine vierzehntägige Quarantaine.

Während der ganzen Zeit hatten wir unbeschreiblich schönes und warmes Wetter, der Himmel hing blau und rein über uns, und das Laub der Bäume, sowie das Gras zu unsern Füßen war saftig und grün, wie bei uns im Frühjahr, und doch hatten wir schon beinahe die Mitte Novembers erreicht. Den Untergang der Sonne und den Eintritt der Nacht, die hier fast ganz ohne Dämmerung einbricht, genossen wir meistens vor der Thüre, auf einer Binsenmatte sitzend, und sahen, wie die Minarets des Ramasan wegen allmälig beleuchtet wurden und in kurzer Zeit mit tausenden von Lichtern durch die Nacht glänzten. – Wahrhaft lächerlich war in diesen Augenblicken das Benehmen unserer Türken. Sie, die während dieser Zeit den ganzen Tag sich aller Speisen und Getränke, sogar des Rauchens enthalten müssen, faßten schon geraume Zeit vor Sonnenuntergang ihre Löffel und Pfeifen und fielen beim Knallen des Kanonenschusses, der das Ende des Tages anzeigt, mit wahrer Wuth über Speisen und Tabak her.

Von Adrianopel selbst bekamen wir während unserer Gefangenschaft nicht viel zu sehen; aus unserm Bodenfenster, dem höchsten Punkte des Hauses, übersahen wir nur einige Reihen türkischer Häuser, an einen kleinen Berg hingebaut, sowie ausgebreitete Rosenpflanzungen, aus denen das vortreffliche Rosenöl gewonnen wird, womit Adrianopel den Orient und Occident versorgt. In der Ferne erhob sich die Moschee Sultan Selims, nach der Aja Sophia in Konstantinopel die schönste des ganzen türkischen Reichs. Rechts sahen wir aus dunkeln Platanen einige halb zerfallene Mauern und Kioske herabblicken, deren großartige Formen und reiche Verzierungen von früheren glänzenden Zeiten sprachen – das alte Serail.

Nachdem wir so neun Tage verlebt, trat Abends der Arzt in unser Zimmer und kündigte uns für den folgenden Tag die Freiheit an; zugleich donnerten an allen Punkten der Stadt die Kanonen und die Illumination des Minarets war großartiger und reicher als gewöhnlich. Aber alles dies geschah nicht unserer Befreiung zu Ehren; ein Courier hatte am Abend die Nachricht gebracht, daß dem Großherrn in Stambul die fünfte Tochter geboren sei.

Am andern Morgen erschien der Oberaufseher der Quarantaine und führte uns durch einen Handschlag wieder in die allgemeine menschliche Gesellschaft ein.

Unser erster Ausflug war nach dem alten Serail gerichtet, das in seiner verfallenen Herrlichkeit, öde und einsam zwischen den dunklen Bäumen, mich schon lange geheimnisvoll angelockt hatte. Wir gelangten über eine große, gepflasterte Esplanade zum äußersten Thor, vor dem man uns zwei runde große Steine zeigte, auf welche die Köpfe der Hingerichteten gesteckt wurden. Rechts und links lagen in Schuppen alte Kanonen auf ihren Lafetten. Durch dieses Thor traten wir in den ersten Hof, der ziemlich groß ist und mit kleinen Steinen gepflastert, zwischen denen das Gras hervorwuchert.

Alles war still um uns, jeder Fußtritt hallte in den unbewohnten Räumen wieder und die Treppen zu den Gebäuden waren zerfallen. Ein Springbrunnen im Hofe war mit Schlingkraut bewachsen, und um die abgebrochenen Wasserröhren spielten kleine Eidechsen; es kam mir vor wie ein verzaubertes Schloß, urplötzlich von seinen Bewohnern verlassen. In einem Ziehbrunnen hing noch der Eimer; wir zogen ihn herauf und genossen das eiskalte Wasser. Unter dem ersten Thorwege stand eine vergoldete Damensänfte mit ihren dünnen Gitterstäben, einem großen Vogelbauer ähnlich. Der zweite Hof war mit Gebäuden umgeben, in denen die Dienerschaft gewohnt, und führte durch eine Art Kiosk in den dritten und letzten, zum Sitz der Glückseligkeit und der Geheimnisse des Harems.

Vor hundert Jahren wäre der Eintritt in dieses Thor der Eintritt in unser Grab gewesen; jetzt erhoben sich nur rechts und links einige Raubvögel und wilde Tauben, ängstlich flatternd, als wollten sie uns abmahnen, weiter vorzudringen. Auf diesem Hofe und vor den Gebäuden dieselbe Verödung, wie im ersten und zweiten: unsere Vorstellungen von orientalischem Luxus und der geträumten Pracht eines Serails wurden hier sehr herabgestimmt: alte Gebäude von Holz, mit gemalten geschmacklosen Zierrathen überladen. Wir besahen jetzt das Selamlik, oder Haus der Männer, sowie den Haremlik, das Haus der Weiber. Erstens besteht vorzüglich aus einem thurmähnlichen, ziemlich hohen Gebäude, von dessen Plattform wir nach Ersteigung einer halsbrechenden Treppe einer schönen Aussicht auf die Stadt und Umgegend genossen.

Im Innern ist dieser Bau in drei Stockwerke getheilt, von denen die untern drei, das obere zwei Zimmer enthalten. Hier ruhten die alten Sultane und sahen dem Plätschern der Springbrunnen zu; hier überdachten sie, welchen Vezier oder Pascha sie mit der seidenen Schnur beglücken sollten. Dort in der Ecke lag der Großherr und machte mit der Hand eine horizontale Bewegung, wenn ihm der Großvezier die Namen von Gefangenen oder Verdächtigen, vielleicht auch nur von Reichen, deren Besitzungen ihn lockten, vorlas, und diese Handbewegung fiel als schrecklicher Blitzstrahl über's ganze Land hin, rüttelte hundertfachen Jammer auf und fraß das Glück ganzer Familien.

In jenen Vorzimmern standen die Großen des Reichs und warfen sich nieder vor dem Beherrscher der Gläubigen, wenn er hindurchging nach dem dahinterliegenden, aufs Köstlichste eingerichteten Gemach, wo ihm der Kislar-Aga die frischangekommene weiße Sklavin triumphirend zeigte. Wie viel Thränen und Flüche mögen diesen Boden benetzt haben! mehr als er zu tragen vermochte, denn er ist jetzt durchfressen und eingestürzt. Die Wandbekleidungen sind meistens herabgefallen und bedecken die Erhöhungen, auf welchen die prächtigen Polster lagen. Die Springbrunnen sind trocken und verstaubt, das Ganze eine Ruine, von Gespenstern bewohnt, die sich an meine Brust hängten und mich erst losließen, als ich wieder den freien blauen Himmel über mir hatte.

Der Harem ist freundlicher und besser erhalten, als alle andern Gebäude. Der Aufseher weigerte sich anfangs, uns das Kiosk der Sultaninnen aufzuschließen und konnte nur durch ein bedeutendes Trinkgeld dazu bewogen werden. Dieses Gebäude bildet ein regelmäßiges Viereck mit zwei Thüren, zwischen denen ein Vorsprung oder Erker sich befindet, von dessen Fenstern aus man dieselben genau bewachen konnte. Hier wohnten die Eunuchen, um die Eingänge zu den Zimmern ihrer armen Gefangenen stets im Auge zu haben. Wir traten zuerst in eine Art Vorsaal, mit Marmor schön ausgelegt und ziemlich gut erhalten; in der Mitte der unentbehrliche Springbrunnen, aber auch hier ohne Wasser. Dieser Saal diente als gemeinschaftlicher Spielplatz; er hat rings Erhöhungen zu Divans und eine Wand von geschnitztem Holze. Die Fenster bestehen zum Theil aus farbigem Glase mit grotesken Blumen und sind mit doppelten Gittern versehen. Weit reicher noch und mehr orientalisch sind die inneren Zimmer, die Wände belegt mit Ziegeln, deren bunte Bemalung in lebhaften Farben Blumenguirlanden vorstellt. Es war ein eigenes Gefühl, hier zu wandeln, wo früher außer dem Großherrn und den Eunuchen kein männliches Wesen geduldet wurde, sich hinzustrecken auf die Erhöhungen, auf deren Polstern die Sultaninnen gelegen, und die kleinen, noch gut erhaltenen Wandschränke von vergoldetem Holze zu öffnen, worin die Odalisken Kleider und Geschmeide sorgsam verwahren.

Ich weiß nicht warum, aber wir sprachen Alles leise zusammen, als fürchteten wir, draußen schlafende Wächter zu erwecken; auch hielten wir uns nicht sehr lange hier auf, denn unser Führer schien seine Vollmacht überschritten zu haben, indem er uns diese Gemächer zeigte; er trieb beständig zur Eile an und blickte stets nach dem Hofthor, als fürchte er dort einen Verräther erscheinen zu sehen. Einer unserer Begleiter, der Dragoman des englischen Konsuls, erklärte uns noch einige Sprüche des Koran, die an die Wände geschrieben waren und zeigte uns die Namen der sechs Propheten, Mahomed, Osman, Omar, Ali, Abubekr und Hassan, die fast in allen türkischen Häusern irgendwo in großen Schriftzügen zu lesen sind. Hier waren sie in die Fayence der Wandbekleidung eingebrannt.

Wir verließen den Harem; ich brach mir eine wilde Blume, die in einem der Zimmer aus dem Fußboden hervorwucherte, und legte sie als Andenken in die Brieftasche. Ein großer Hirsch, der sich auf dem Hofe zu langweilen schien, begleitete uns in zierlichen Courbetten bis zum Thore der Glückseligkeit, wo er uns stolz verließ und in die Gemächer zurückkehrte. Wir wanderten der Stadt zu, die, obgleich eng und winklicht gebaut, wie alle türkischen Städte, doch etwas reinlicher schien als Schumla.

Wir begaben uns zunächst zu der großen Moschee Sultan Selims, die mit ihren vier Minarets und großartigen Kuppeln eines der schönsten Gebäude ist, die ich je gesehen.

Das Innere des Tempels betraten wir nicht, weil es uns, die wir zur morgigen Abreise im Reitcostüm waren, zu beschwerlich gewesen wäre, die Stiefeln auszuziehen. Beinahe hätte man uns so, wie wir waren, hineingelassen. Da wir indessen den Muselmännern kein Aergerniß geben wollten, bestiegen wir nur eines der Minarets von eigenthümlicher Bauart, indem sich bis zum ersten Absatz drei Treppen zugleich aufwinden. Um in die Spitze des Thurms zu gelangen, mußten wir dreihundert und fünfzig Stufen ersteigen, genossen dann aber einer herrlichen Aussicht.

Nun durchstrichen wir die Bazars, welche hier schon bedeutend reicher sind, als in Rustschuk und Schumla, und gingen durch die Stadt zum Flusse Maritza, um dort eine neue, noch im Bau begriffene Brücke zu sehen, welche schon dreimal, nachdem sie beinahe vollendet, eingestürzt war. Uns wunderte das gar nicht. Wie wir unter besondern Feierlichkeiten den Grundstein eines Gebäudes legen, so ist es ein Fest bei den Türken, den Schlußstein zu legen. Daher schließen sie die Gewölbe der Brückenbogen nicht, sondern stecken hölzerne Keile hinein, bis der Pascha Zeit oder Laune hat, die Schlußsteinlegung vorzunehmen. Der hiesige hatte das einigemal versäumt, weßhalb das sonst gar nicht üble Gebäude, wie schon gesagt, mehrmal zusammengestürzt war.

Der englische Consul, der uns in der Quarantäne mit Gefälligkeiten überhäuft, hatte uns heute zu Tische geladen, was uns Allen in Ermangelung eines guten Gasthofs und nach zehn Quarantänetagen, die uns im eigentlichen Sinne des Worts im Magen lagen, äußerst erwünscht war. Seine Küche, halb englisch, halb nach der Sitte des Landes, war vortrefflich. Nach dem Essen nahmen wir mit Vergnügen seinen Vorschlag an, durch die Stadt zu wandern und die Illumination anzusehen, die schon wegen des Ramasan, aber zu Ehren der neugeborenen Prinzessin heute doppelt glänzend war; auch versprach er uns wo möglich noch diesen Abend dem Pascha vorzustellen.

Wir zogen aus, vor und hinter uns Kawaschen (Wachen) und Diener mit großen Laternen und Stöcken, fanden aber, nachdem wir durch ein paar Straßen gegangen, die Illumination äußerst armselig. Außer farbigen Laternen und Blechlämpchen, die einzeln an den Häusern hingen, sahen wir hie und da auf einem kleinen Platze eine Pechfackel, bei deren rothem Scheine die Türken lärmend irgend ein Backwerk verzehrten. Nur bei dem Palast des Pascha, zu dem wir bald gelangten, war es lebhafter.

Das Gebäude hatten wir schon diesen Morgen vom Minaret der Moschee aus gesehen, von wo aus es einer deutschen großen Kaserne glich: ein beinahe viereckiger Bau, der einen Hof umschließt, mit regelmäßigen Fenstern ohne die vielen Erker und Schnörkel der übrigen türkischen Häuser. Die Façade war mit Lämpchen auf's Beste herausgeputzt; sie stellten Sterne und Halbmonde, auch Namenschiffern vor, nur lief Alles bunt, ohne Symmetrie, durcheinander. Am Thor standen mehrere zerlumpte Bursche mit großen Pechpfannen, und hier wogte eine große Menschenmasse aus und ein.

Auch wir folgten dem Strome mit Hülfe unserer Kawaschen, welche uns mit ihren Säbeln überall Luft machten, und fanden im Hofe ein seltsames Treiben und Leben. Auf dem ganzen Platze waren Pechpfannen in die Erde gesteckt, welche die Menschenmassen rings um ziemlich beleuchteten. In der Mitte saß eine Musikbande auf dem Boden und machte mit einigen Violinen, Zithern, Querpfeifen und Trommeln einen heillosen Lärm. Indessen hielten sie bei aller Disharmonie vortrefflich Takt, zu dem in der Mitte des großen Kreises, den das Volk bildete, zehn bis fünfzehn Tänzer die groteskesten Sprünge machten und eine sich immer wiederholende Melodie mit näselndem Tone sanken. Das Ganze gab beim flackernden Lichte ein eigenthümliches Bild: die zerlumpten Tänzer, die gellende Musik, das Jauchzen der Menge, die Häuser umher, die bei den vielen Lampen und Pechpfannen im Feuer zu stehen schienen.

Der Consul führte uns in das Wohngebäude des Pascha und vorerst in die Zimmer des Muazil, des Ministers oder ersten Beamten, die sehr reich mit Divans und Teppichen geschmückt waren. Man setzte eine Menge Wachslichter auf den Boden hin und brachte uns eiskaltes Wasser in Glasgefässen, sowie unendlich lange Pfeifen. Bald waren wir und einige andere Herren, die sich eingefunden hatten, wie der griechische, sardinische und preußische Consul und einige angesehene Beamte und Kaufleute Adrianopels in voller Arbeit und erfüllten das Zimmer mit dem Dampfe des sehr guten Tabaks. Da erschien der Muazil, ein wohlbeleibter, freundlicher Mann von etwa vierzig Jahren. Er ging gegen die Gewohnheit der Türken äußerst schnell, reichte rechts und links seine Hände zur Begrüßung hin, dann hüpfte er in die Ecke des Divans, schlug die Beine unter und fing durch den Dolmetscher an, sich mit uns zu unterhalten. Unter Anderem sagte er, der Pascha lasse sich für den Augenblick entschuldigen, weil er in seinem Harem sei. Endlich erschien ein Diener des Pascha. Der Muazil erhob sich und wir folgten ihm durch mehrere Gänge, durch eine Unzahl Diener und Wachen, die in allen Zimmern standen, bis zu einem sehr reichen Gemache, in welchem der Pascha saß, ein schon ältlicher Mann mit ergrautem Barte, aber von äußerst einnehmendem, freundlichem Aeußern.

Wir lagerten uns auf den Divans umher; der Baron mußte sich neben den Pascha setzen, Und dieser ließ ihm durch den Dragoman erklären, er habe wegen des zweifelhaften Wetters für heute die Feierlichkeiten draußen abbestellt, uns zu Ehren aber wollte er Feuerwerk und Lustbarkeit in doppeltem Glanze auflodern lassen. Er sprach leise zu einem der Diener, der sofort, die Hand auf der Brust tief sich neigend, rückwärts hinaus ging.

Der Pascha klatschte darauf dreimal in die Hände, und eine ganze Reihe von Dienern erschien, jeder mit einer Pfeife in der Hand. Vor jedem der Gäste blieb ein solcher Pfeifenträger stehen, und auf einen Wink des Pascha drehten alle die Röhren, welche sie bisher über die rechte Schulter gelehnt, und steckten uns die Spitzen in den Mund.

Dies gleichförmige Präsentiren der Pfeifen geschieht dann, wenn der Wirth den Rang seiner Gäste nicht genau kennt. Jetzt brachte man auch des Pascha's Nargileh, woran er mächtig zog und es dann dem Nebensitzenden bot, was für eine große Freundschaftsbezeugung gilt. Man brachte uns schwarzen Kaffee in kleinen türkischen Tassen ohne Henkel, die man mittelst eines metallenen Tellers (Zarfe) hält, und wir schlürften den beliebten Sorbeth aus halbkugligten Krystallgefäßen. Mehrere Male wurden hiebei die Pfeifen gewechselt, mit denen der Pascha, wie es schien, reichlich versehen war.

Der sardinische Consul, welcher neben mir saß, erzählte mir, welch' unglaublicher Luxus hier zu Lande mit Pfeifen, besonders mit Mundstücken, getrieben wird. So wie ein Großer eine bedeutende Anstellung erhält, schafft er sich Pfeifen zu Hunderten an, was wenn man bedenkt, daß schöne Bernsteinspitzen mit mehreren hundert, ja tausend Gulden bezahlt werden, keine kleine Auslage ist. Ich rauchte unter andern diesen Abend eine, die man mit den Edelsteinen, womit sie besetzt war, auf dreihundert Gulden C. M. schätzte.

Um diesem thörichten Aufwand zu steuern, hatte bekanntlich Sultan Mahmud einige Jahre vor seinem Tode den Befehl gegeben, jeder Türke solle, wenn er einen Besuch abstatte, seine Pfeife mitnehmen, damit kein Hausherr nöthig habe, für seine sämmtlichen, oft zahlreichen Gäste Pfeifen herbeizuschaffen.

Plötzlich verkündigte draußen ein Kanonenschlag den Beginn des Feuerwerks. Auf dem Hofe hatte sich die Volksmasse außerordentlich vermehrt; in der Mitte stand aber nur ein Türke, der einzelne Raketen abbrannte, welche ziemlich gerade stiegen und blaue und rothe Sterne warfen. Ein Kerl, der schon früher durch bizarre Sprünge die Menge belustigt hatte, ergriff eine Stange, steckte sie zwischen die Beine und jagte so im Kreise herum, während vorne und hinten befestigte Schwärmer und Frösche feuersprühend in die Haufen fuhren, was ungemeinen Jubel verursachte. Den Beschluß machte ein Feuerkasten, der vor die Fenster gestellt wurde, in welchem wir lagen, und mit einem ungeheuren Knall abbrannte, Sonnen, Schwärmer, Raketen, Sterne warf und zuletzt den Hof mit einer bengalischen Flamme erleuchtete. Das Ganze dauerte ungefähr eine halbe Stunde und war eine Lumperei mit viel Spectakel; erstere dedicirte uns die Regierung, für letztern sorgte der Pöbel.

Indessen dankten wir dem freundlichen Pascha für seinen guten Willen herzlich und folgten abermals dem Muazil in sein Zimmer, wo ein türkisches Nachtessen unser wartete. Eine runde silberne Platte, etwa drei Fuß im Durchmesser, die auf einem zwei Fuß hohen messingenen Fuße stand, war mit kleinen Tellern und Gläsern bedeckt.

Erstere enthielten kleingeschnittene Aepfel, Birnen, Mandeln, Nußkerne, Melonen, Rosinen, Feigen und Zuckerwerk; in den Gläsern war Sorbet von allen möglichen Farben und dem verschiedenartigsten Geschmack. Jeder langte mit den Fingern in die Schüssel und holte sich heraus, was ihm beliebte.

Kaum hatten wir abgespeist und uns in die Divans zurückgelegt, so steckte man uns gleich wieder eine Pfeife in den Mund. Der Muazil klatschte in die Hände und ließ uns durch den Dragoman sagen, die Tänzer würden sogleich erscheinen, um uns ihre Künste in der Nähe zu zeigen. Die Thüre ging auf und herein schritt die Musikbande, zwei Violinen, zwei Zithern und ein mir unbekanntes Instrument, das nur mit einer Saite bespannt war, und nur einen einzigen schnarrenden Ton hören ließ. Die Tänzer waren vier griechische Knaben in weiten weißen Beinkleidern, rothen Schuhen, rothem Gürtel und einer eng anliegenden blauen Jacke, mit Castagnetten in den Händen. Zwei stellten die Tänzerinnen vor, und hatten zu dem Ende das Haar lang wachsen lassen, daß es ihnen ungeflochten um die Hüften wehte. Sie gingen im Zimmer umher, machten dem Muazil und uns eine Verbeugung, dann zogen sie sich in eine Ecke zurück. Die Musikanten lauerten auf dem Boden und begannen in sehr schnellem Tempo eine unangenehme, eintönige Musik. Die Tänzer stellten sich einander gegenüber, fielen mit ihren Castagnetten ungemein taktfest in die Musik ein und der Tanz begann.

Ein richtiges Bild desselben zu entwerfen, ist schwer. Die Füße, denen bei unsern Tänzern das Hauptgeschäft obliegt, haben hier am allerwenigsten zu thun. Die Tänzer brauchen sie nur zum Stehen und Springen und werfen sie willkürlich plump und unbeholfen herum. Dagegen sind die Hüften und Schulterblätter in einer unbeschreiblichen stets zitternden Bewegung. Dabei stoßen sie einen eigenen Gesang aus, und obgleich der Schweiß ihnen vom Gesicht und vom Leibe stoß, obgleich dieses beständige Zittern und Springen ungemein ermüdend sein muß, tanzten sie eine volle Stunde ohne Aufhören, ohne mit ihren Castagnetten ein einziges Mal aus dem raschen Takt der Musik zu fallen.

Nach diesem Tanze, den uns der Muazil als einen asiatischen bezeichnete, kam noch ein bulgarischer mit ähnlichen Bewegungen, und vom ersten hauptsächlich nur durch eine Figur unterschieden, bei welcher sich alle vier Tänzer an den Gürteln faßten und wie toll im Kreise herumsprangen. Endlich schwieg die Musik, die Tänzer traten in den Hintergrund, und nur einer von ihnen, mit langen Haaren, kniete auf einen Wink des Muazil vor ihm auf den Boden, doch so, daß er dem Minister den Rücken zuwandte. Dann bog er den Kopf hintenüber und Se. Excellenz beklebte ihm beide Backen mit kleinen Geldstücken, die er mit Speichel benetzt hatte, worauf sich der Tänzer wieder erhob, ein Tuch vor sich hinhielt und singend so lange auf- und niedersprang, bis sämmtliche Münzen herabgefallen waren; dann trat er mit einer Verbeugung zurück und Alle verließen das Zimmer.

Mittlerweile war es Mitternacht geworden, und da wir frühe abreisen und noch einige Stunden ruhen wollten, beurlaubten wir uns vom Muazil und folgten dem östreichischen Consul, der uns für die Nacht sein Haus angeboten, begleitet von mehreren Fackelträgern und einer großen Menge Volks. Den andern Morgen brachen wir auf mit der gleichen Anzahl Pferde, wie aus Rustschuk. Hamsa, an der Spitze, jauchzte beständig: Heide Stambul Gidelüm. Land und Weg boten wenig Interessantes; wir zogen über baumlose Hügel und durch dürre Thäler, zuweilen über Brücken, die wir nur einzeln beschreiten konnten, um nicht durchzubrechen; nur war die Straße lebhafter als vor Adrianopel, und man sah, daß man sich der Hauptstadt näherte. Karavanen von vierzig bis fünfzig Pferden begegneten uns, die Reiter mit Säbeln, Gewehr, Pistolen so überladen, daß ihre Waffen gewiß oft mehr werth waren als die Waare, die sie damit zu bewachen hatten. Auch sahen wir kleine Züge türkischer Kavallerie, schlecht ausgerüstet und ebenso schlecht beritten. Die Leute trugen blaue runde Jacken, nach Art unserer Husaren, mit rothen Schnüren besetzt, blaue Hosen und das Feß auf dem Kopf. Abends sechs Uhr gelangten wir nach Schatal-Burgas, wo unser Tartar mit einigen Kantschuhhieben eine Kaffeestube von den dort versammelten Türken reinigte und uns zum Nachtlager einrichten ließ. Am andern Tag, gegen vier Uhr Nachmittags, erblickten wir zum ersten Male das Meer; am fernen Horizont tauchte im Süden die Spitze der Insel Marmora empor, und südöstlich strichen die Gebirge Kleinasiens.

Im Nachtquartier Siliwri angelangt, besahen wir noch im Mondschein die Ruinen eines kolossalen Schlosses, das auf einem schroffen Felsen hart am Meere steht; es ist wahrscheinlich von den Genuesern gebaut. Die Türken untergraben die zwanzig Fuß dicken Mauern, um Steine für ihre armseligen Häuser zu gewinnen. So bereichern sich vom todten Körper eines riesigen Thiers tausend Ameisen und Würmer. Bald wird das stolze Gebäude über den Köpfen dieser Vandalen zusammenbrechen.

Vor Tage brachen wir auf und ritten beständig am Strande hin, so daß die grünen Wellen zu den Füßen unserer Pferde schlugen; das Meer war etwas bewegt. Stets so die schöne See zur Rechten, kamen wir Mittags nach Kutschukschekmedsche, und gegen drei Uhr sahen wir Konstantinopel in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit vor uns liegen.


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