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Einundzwanzigstes Kapitel.
Alte Bekannte


Es kann uns, liebenswürdige Leserin, imgleichen theurer und geneigter Leser, in diesem Leben öfters passiren, daß wir gute Bekannte, wenn auch nicht völlig vergessen, so doch in gewissen Zeitläuften einigermaßen vernachläßigen. Dieses Mal spreche ich nicht von uns beiden, sondern meine einen Bekannten in vorliegender, sehr wahrhaftiger Geschichte, dem ich schon lange einen Besuch zugedacht, ohne diesen Vorsatz mit dem besten Willen ausführen zu können. Es ist aber kein Besuch, der uns über Marmortreppen, über dicke Teppiche zu Doppelthüren führt, die sich wie von selbst leise öffnen und schließen; auch fahren wir nicht im sanft rollenden Coupe, sondern bedienen uns unserer Füße, und das zwar an einem kalten Wintertage, wo die Höhen rings um die Stadt wie in einen weißen Pelzmantel eingehüllt sind, wo die Häuser keine Dächer zu haben scheinen, diese wenigstens in ihrer Farbe sich kaum merklich von der Luft unterscheiden, so daß man oft mit Erstaunen zu sehen glaubt, wie Schornsteine und Dachläden ohne allen Zusammenhang mit der Erde am Himmel schweben.

In dem Hause, das wir besuchen wollen, steigen wir eine wackelige Treppe hinauf, aber ich hoffe, daß der Leser sie wieder erkennt, diese Treppe. Wie so Vieles in dieser armen Welt, das im Laufe der Zeit alt und unscheinbar geworden, war auch sie einstens schön gewesen – die Treppe nämlich, und heute, wo der weiße Schnee draußen das Licht durch das weit aufstehende Thor in den Hausgang hinein reflektirt, sieht man hier deutlicher die wirklich prachtvollen Holzconstructionen, daneben aber auch um so genauer die Verwahrlosung, in der sich Alles befindet.

Die Treppenstufen knarren und ächzen heute wieder wie damals, als wir zuerst hier waren; wir lassen den ersten und zweiten Stock hinter uns und kommen in den dritten, wo wir in ein geräumiges Zimmer treten, das uns seine weißen Kalkwände zeigt, den Ofen, in dem aber heute ein Feuer brennt, den Kanarienvogel, der in seinem Käfig vergnügt auf und ab hüpft, in der Fensternische; an der Wand das Portrait des jungen, eleganten Mannes, umgeben von Hirschfängern, Rehgeweihen und Gewehren. Dort ist auch die Kiste mit den Rehfellen, welche Sophastelle vertritt und auf welcher jener Mann in Hemdärmeln sitzt, der die zu den Fellen gehörigen Rehe einstens erlegt und nun im Begriff ist, sich seiner schweren Jagdstiefel zu entledigen. Auf dem Boden stehn ein paar Pantoffeln, in welche er nun die Füße mit den wollenen Strümpfen steckt, während er behaglich mit der Zunge schnalzend sagt: »Das habe ich lange entbehrt; das thut Einem wohl, wenn man sich so wieder einmal recht warm machen kann. Es ist da draußen im Walde recht schön, aber man kriegt's auch satt, namentlich wenn man nicht darauf halten kann, wie man will, und stundenlang herumschleichen muß, um das Wild zu verhören.«

Vor dem Jäger, Herrn Brenner, der also sprach, stand der kleine Franz, den Hirschfänger des Vaters auf der Schulter und dessen Jagdhut auf dem Kopfe, der aber so tief über ihn herabhing, daß er fast die Achseln berührte.

»Und hast du viele Bären geschossen?« fragte der Kleine. »Du hast gesagt, du wollest mir von einem den Pelz mitbringen, darin könne ich, wenn es kalt sei, spazieren gehen.«

»Habe ich das wirklich gesagt?« versetzte lachend und wie erstaunt der Jäger. »Nun, dann hätte ich es auch gewiß gethan. Aber da fällt mir gerade ein, daß die Bären dieses Jahr schlecht gerathen sind. Doch habe ich ein Eichhorn für dich in der Jagdtasche, das soll dir die Mutter ausstopfen lassen.«

»Ein Eichhorn?« fragte der Knabe eifrig, wobei er den Hut aus den Augen empor hob; »wo ist mein Eichhorn?«

»Gleich, gleich, Palmarum. Weißt du, wie die Großmutter sagt? Geduld ist der Seelen Speise, aber schlimm für den, der sie essen muß. Du wirst mir erlauben, daß ich vorher meinen Jagdrock ausziehe und die Suppe esse, die Mama mir gekocht hat. Ich versichere dich, das Eichhorn läuft nicht mehr davon.«

»Darf ich es ihm vielleicht geben?« fragte Frau Brenner mit sanfter Stimme. »Du weißt, wie die Kinder sind; es dauert ohnedies noch ein paar Minuten, bis die Suppe gut ist.«

»Meinetwegen,« entgegnete der Jäger. »Ah, wie freue ich mich, wieder hier zu sein! Es war draußen unheimlich und kalt.« – Dabei dehnte er sich, streckte die Hände in die Höhe und fuhr dann mit den Fingern an den Schläfen herab, bis zu seinem vollen Bart, in dem er sich kratzte.

An dem Tische saß eine Frau, die eben erst angekommen war: sie hatte noch ein dickes wollenes Tuch um die Schultern und gestrickte Handschuhe an den Händen; bis jetzt hatte sie noch kein Wort gesprochen, auch schien sich Herr Brenner nicht sonderlich um sie zu kümmern; doch fragte sie jetzt: »Also war die Jagd nicht schön?«

»Was schön!« antwortete brummig der Jäger. »Eine Jagd ist immer schön, wo es was zu schießen gibt.«

»Daran fehlt's aber in dem Revier des Herrn Barons nicht,« fuhr die Frau fort. »Das hat mir der Herr Klaus erzählt, der sich jeden Winter einen warmen Jagdrock bei uns machen läßt; er sagt, die Jagd des Herrn Baron von Breda sei wunderschön und in Ordnung wie keine.«

Herr Brenner hatte mit finsterer Miene nach der Frau hinüber geblinzelt, während er das Rehfell streichelte, auf dem er saß. Da ihm aber das, was er so eben gehört, begreiflicherweise keinen Anlaß zum Aerger gab, so zog er die Augenbrauen in die Höhe und sprach mit gefälligerem Tone und die Achseln zuckend: »Wenn der Klaus das sagt, muß es wahr sein. Und er hat Recht, unser Revier ist in Ordnung wie wenige. Alles rund bei einander, ein famoser Wildstand. Und doch diesmal eine schlechte Jagd. Nicht wahr, das versteht Ihr nicht, Frau? Und es ist doch wahr.«

»Nein, das verstehe ich auch nicht; aber ich wäre dankbar, wenn Ihr mir das erklären wolltet.«

»Eigentlich geht's Euch gar nichts an,« versetzte kurzweg der Jäger; »da ich mich aber ungeheuer behaglich fühle und auch sehe, daß Palmarum trotz seines Eichhorns – gelt, das ist ein schöner Kerl?« unterbrach er sich, »und man sieht gar keinen Anschuß – Maul und Nase aufsperrt, um mich zu hören, so will ich Euch denn sagen, warum die Jagd gut und doch schlecht war.«

Die gute Frau Brenner hatte nach der Suppe gesehen, die noch nicht fertig war, und sich dann neben ihren Mann gesetzt, wobei sie die Hände in den Schooß legte und mit leuchtenden Blicken den kleinen Franz betrachtete, der das Eichhörnchen in seinen Armen hielt, als wollte er es erwärmen und wieder zum Leben zurückbringen. Doch ließ das schon starre Thierchen den Kopf auf die Seite hängen, hatte die vier Füße steif gestreckt und zeigte die nadelspitzen, langen weißen Zähnchen.

»Im Herbst ist die Zeit,« sprach Herr Brenner, »auf die sich ein tüchtiger Jäger immer freut. Da sind wir denn auch jedes Jahr hinaus gezogen, der Herr Baron, ein paar seiner guten Freunde, dann der Kammerdiener, welcher sich die Ohren zuhält, wenn ein Gewehr knallt, und das Murmelthier, der Jockey, der über Alles ein großes Maul hat und von der Jagd nicht so viel versteht als des Pfarrers Katze, denn die weiß doch Mäuse zu fangen, er aber nicht, was ihm zukommt: Maulschellen für seine ungewaschenen Reden. – Doch das gehört nicht daher. – Das waren mir jedes Jahr vergnügte Tage; die Jagd war brillant, der Herr gut gelaunt, seine Freunde lustig; in der Frühe ging es hinaus, bei einem so frischen Morgen in den schönen Wald, der Eine hierhin, der Andere dahin, und da wurde gepirscht, daß es ein Vergnügen war. Wer das nicht kennt und mitgemacht hat, der hat noch gar nichts in der Welt genossen. Wie Einem das Herz schlägt, wenn Alles ringsum so feierlich still ist, und auf einmal röhrt es aus dem Dickicht heraus, daß Berg und Thal ein fröhliches Echo geben! Jetzt vorwärts, so leise wie möglich.« Herr Brenner that dabei, obgleich er nicht von der Kiste wegkam, als schleiche er durch den Wald, wobei er seine Füße mit den Pantoffeln, langsam auf die Spitzen tretend, bewegte. »Da haben wir endlich vor uns eine kleine Waldwiese, die fällt sachte ab, einem kleinen Thale zu, wo ein schäumendes Wasser vorbeirauscht. Auf der Wiese steht das Rudel, und jetzt, droben aus dem Gebüsch hervor, schreitet er, der Hirsch, hebt den Kopf und röhrt wieder. Und wie er röhrt, schwillt ihm der Hals an, daß es eine Freude ist, und der Hauch schlägt ihm ordentlich blau aus dem Maule heraus. Während er aber so röhrt, schleicht man näher und immer näher hin, nimmt die Büchse schußfertig – –« Herr Brenner erhob den rechten Arm mit dem ausgestreckten Zeigefinger an das Auge – »und auf einmal – prrdautz! da liegt er, aufs Blatt getroffen.«

»Prrdautz!« machte auch Franz, wobei er das Eichhorn auf den Boden fallen ließ.

»Nein, nein, das ist kein Vergnügen,« sagte die sanfte Frau Brenner, »so ein armes Thier, das an gar nichts denkt, nieder zu schießen.«

Der Jäger zuckte mit den Achseln und wiegte sich wohlgefällig auf der Kiste hin und her. »Wer das freilich nicht mitgemacht hat,« sagte er nach einer Pause, »der versteht's auch nicht. – Aber,« setzte er beinahe ärgerlich hinzu, »wenn man sich das ganze Jahr darauf gefreut hat, und es wird nun nichts daraus, da kann man wohl ein Recht haben, verdrießlich zu werden.«

»Nicht wahr, der Herr Baron sind dieses Mal gar nicht hinaus gegangen?« fragte Frau Brenner.

»Nicht einen Schritt, und kein Mensch hat's begriffen. Zuerst dachte ich: nun, er wird schon kommen, und als er immer nicht kam, als der Verwalter draußen mit dem Kopfe schüttelte und mir sagte: Paß auf, Jonas, diesmal ist's nischt mit dem Jagen, da dachte ich: so soll doch gleich ein Kreuzdonnerwetter dreinschlagen; und ging zum Schullehrer und ließ ihn einen Bericht über die Jagd machen, der Jemand den Mund wässerig machen mußte, der in seinem Leben auch nur ein einziges Mal eine Flinte losgebrannt. – Half aber alles nicht. Freilich bekam ich eine Antwort, aber darin stand: ich sollte vorderhand da bleiben, dies oder jenes Stück schießen und herein schicken, der Herr würde sich vielleicht noch entschließen. – Ja, er entschloß sich auch, aber zum Zuhausebleiben. Hatte ich doch einen ungeraden Vierzehnender für ihn, der sich mir nur immer so vor die Nase hinstellte. Den sollte der Herr schießen – Ah! ich könnte fuchsteufelswild werden!« Damit kratzte sich Herr Brenner hinter dem rechten Ohr. »Ich mochte ihn nicht niederlegen, und wer weiß nun, welcher Bauernlümmel seinen ersten Jagdversuch an dem edlen Thiere macht!«

»Aber der Herr war freundlich mit dir, als du heute Morgens zurück kamst?« fragte Frau Brenner schüchtern.

»Sehr freundlich, wie immer,« entgegnete ihr Mann. »Nur weiß der Teufel, ich fand ihn nicht so ganz bei der Sache wie sonst; ich sprach ihm von allen Revieren, ich zählte ihm die Hirsche und Rehe vor, die sich hier und dort befanden; er sagte zuweilen wohl: so, so! – ei, ei! aber er war zerstreut, nicht so recht bei der Sache. – Das kann ich euch versichern,« fuhr der Jäger nach einem augenblicklichen Stillschweigen fort, »der Herr Baron kennt in den Bergen da droben alle Pfade und Schleichwege, wie seine Tasche. – Nun gut; daß er aber mit seinen Gedanken anderswo war, das merkte ich oft an seinen sonderbaren Fragen; er verwechselte oft Wege und Reviere. – Was hat das zu bedeuten? – Was kann das sein, Frau? He! sage mir deine Ansicht.«

Frau Brenner konnte sich nicht enthalten, bei dieser Frage einen Blick auf die andere Frau zu werfen, die aber, wie ganz gleichgültig, die Augen niedergeschlagen hatte und an den langen Fransen ihres wollenen Umschlagtuchs zupfte.

»Was wird das sein?« entgegnete Madame Brenner dann nach einer Pause. »Jeder Mensch kann einmal zerstreut sein oder andere Gedanken haben; das ist dir und mir schon passirt.«

Der Jäger nahm seinen großen Schnauzbart zwischen die Lippen, hob die rechte Hand empor und fuhr mit dem Zeigefinger hin und her, als wollte er damit eine Verneinung ausdrücken. Dann blies er das dichte Haar seines Bartes von sich und sagte: »Paperlapap! wenn ein so eifriger Jäger wie der Herr zerstreute Antworten gibt, während er über seine eigene Jagd spricht, das hat schon was zu bedeuten. Ist er vielleicht unwohl gewesen?«

»Ich habe nichts davon gehört,« versetzte Frau Brenner.

»Ja, es gibt da was,« meinte der Jäger mit finsterem Blicke. »Ich war einen Augenblick im Stalle und sprach mit dem Reitknecht.«

»Mit dem Friedrich?« fragte aufmerksam die Frau.

»Ach was! mit der Kröte rede ich nie, mit dem Jakob sprach ich. Und der, als ich ihn fragte, ob denn Niemand wisse, warum der Herr Baron nicht zur Jagd hinaus gekommen sei, machte ein so einfältiges Gesicht, daß ich daraus abmerkte, er wisse mehr, als er sagen wolle. Anfänglich dachte ich mir: weiß der Teufel, vielleicht hat der Herr was gegen dich, und da ich Gewehre mitgebracht hatte, so ging ich in sein Schlafzimmer und stellte sie dort auf, als er gerade drin war.«

»Nun, und er war gegen dich wie immer?«

»Wie immer, sehr freundlich; und da der Herr Baron der Mann nicht ist, um mit etwas hinter dem Berge zu halten, wenn er sprechen möchte, so ging ich ganz zufrieden davon.«

»Und er sagte dir nichts?«

»Doch, gleichgültige Dinge; er fragte um das Waldrevier, das sich dort drüben bei dem Landgut befindet, wo der Herr Schwager des gnädigen Herrn wohnt. Da wollte er von mir wissen, ob ich glaube, daß die Forste dort gut im Stande seien; vielleicht will oder muß er es kaufen; denn die da drüben werden doch mit der Zeit auswirthschaften.«

»Es ist ein Unglück um so eine Herrschaft,« sagte nachdenklich Madame Brenner. »Aber sprich nicht so laut, die Großmutter hört dergleichen nicht gern, und sie hört sehr gut, wie du weißt.« – Dabei blickte sie nach der Thür des Nebenzimmers, die nur angelehnt war.

»Ist denn,« fragte die andere Frau, »der Herr Schwager des gnädigen Herrn, von dem Ihr so eben sprecht, der Vater von dem jungen Fräulein, das jetzt in eurem Hause ist, Herr Brenner?«

»Von Fräulein Eugenie? Ja wohl, das ist der Vater. Eine scharmante, liebe junge Dame,« sprach der Jäger nach einer Pause mit außerordentlicher Freundlichkeit. »Ich hatte sie lange nicht gesehen, doch erkannte sie mich gleich wieder. »Ei, sieh doch! das ist ja der Jäger Jonas,« sagte sie, und erinnerte mich daran, wie ich ihr einmal eine kleine Flinte geladen, mit der sie draußen Vögel schoß. Ich sage Euch,« meinte Herr Brenner darauf, »es ist gut, daß die junge Dame im Hause ist; das gibt doch ein bischen Abwechselung, ein bischen Leben. War es doch oft da so still wie in einem Kloster.«

In diesem Augenblicke ging die Thüre auf, und die älteste Tochter des Jägers, Margarethe, kam herein und trug die Schüssel mit der dampfenden Suppe für den Vater.

»Siehe da, Judica!« sagte dieser lachend. »Hast du mir das gebraut? Nun, da wird's gut sein. Du kennst meinen Geschmack und bist ein braves Mädchen. Wie geht dir's, Judica?«

»Mir geht es gut, Vater,« erwiderte diese; und wenn man ihre fröhlich leuchtenden Augen sah, sowie den offenen, ehrlichen, ungetrübten Ausdruck eines heiteren Gemüthes, der auf ihren schönen Zügen lag, so konnte man wohl glauben, daß sie die Wahrheit sage.

»Aber nenn' Margarethe doch nicht Judica!« sprach bittend Frau Brenner, indem sie ihrem Manne den Suppennapf darreichte, der ihn auf die Kniee stellte und nach dem Brode langte, das ihm das junge Mädchen mit einem Messer brachte. »Wenn du zu den Buben Oculi oder Palmarum sagst, so ist das meinetwegen komisch, und man lacht darüber; aber Judica klingt so eigenthümlich – Judica; ich weiß nicht, so jüdisch, und das mag ich nicht. So was bleibt an einem Mädchen hängen, und wenn du es immer wiederholst, so sagen es zuletzt andere Leute auch.«

Herr Brenner, der offenbar gut gelaunt war, denn die Suppe roch außerordentlich appetitlich, schnitt große Stücke Brod hinein, rührte sie mit dem Löffel zwischen die Brühe und erwiderte alsdann: »Wollen's überlegen, wenn es dir so großen Kummer macht. Aber ich habe einmal ein Gelübde gethan, wenn ich vier Kinder hätte, sie Judica, Lätare, Oculi und Palmarum zu nennen. Wenn der Herr Pfarrer nicht so eigensinnig gewesen wäre, so hätte man sie auch so getauft.«

»Das hätte noch gefehlt!« klagte die Frau.

»Sprich dich nur aus,« sagte der Jäger, »ich habe jetzt einen guten Moment und kann schon was ertragen.« – Damit führte er einen gewaltigen Löffel voll Suppe zum Munde und aß mit großem Behagen.

»Ich will nichts mehr darüber verlieren,« sprach sanft Frau Brenner. »Du wirst doch mit der Zeit gescheidter werden. Vielleicht gewöhne ich mich auch daran,« setzte sie seufzend hinzu. »Aber wenn du wirklich gut gelaunt bist,« fuhr sie mit bittender Stimme fort, »so hör' die Frau einen Augenblick an, sie möchte gern mit dir sprechen.«

»So, die Frau Schwörer!« entgegnete kopfnickend der Jäger. »Ich habe sie ganz gut gekannt, that aber nicht dergleichen, denn es ist schon eine gute Weile her, daß wir uns nicht gesehen, und damals kamen wir auf nicht angenehme Art aus einander.«

»Ach ja,« sagte die Frau des Schneiders, »es war recht traurig und thut mir heute noch sehr weh.«

»Da wir nun einmal bei dem Kapitel sind,« sprach Herr Brenner, indem er mit beiden Backen kaute und seine Frau ansah, »was macht denn der Ocu –? Gottschalk will ich sagen, um dir einen Gefallen zu thun. Ist sein neuer Herr zufriedener mit ihm als der brave Meister Schwörer? Treibt er einfach sein Schreiberhandwerk, wie es sich gehört, oder muß er auch dort Betstunde mithalten und Heuchelei treiben? – Pfui, Teufel!«

Dabei that er, als sei etwas Unrechtes in der Suppe gewesen, und spuckte heftig auf die Seite.

»Wie ich höre, geht es sehr gut mit Gottschalk.«

»So, also der Doktor da, der Advokat, ist mit ihm zufrieden? Nun, Ränke und Schwänke wird er genug da lernen, das fehlt sich nicht, hat aber auch nichts zu sagen; denn der Gottschalk ist ein kluger Kerl, der wird schon wissen, was er zu thun hat. Daß er das Schreiberhandwerk lernt, hat auch seine guten Seiten, denn die Feder regiert dir Welt, und wer auf dem Papier dem Andern ein X für ein U vormachen kann, der hat's halt gewonnen. – Mit dem andern Handwerk ist's überhaupt nichts mehr.«

»Ja wohl, ja wohl,« sprach Madame Schwörer mit einem Blick an die Zimmerdecke.

Der Jäger sah sie einen Augenblick lachend an, dann sagte er: »Wenn Ihr auch zu meiner Rede ja wohl, ja wohl sagt, so sind doch unsere Meinungen himmelweit verschieden. Ihr meint, das Handwerk tauge nichts mehr.«

»Und das ist wahr,« entgegnete die Frau des Schneidermeisters.

»Seht Ihr,« versetzte Herr Breuner, »und ich sage gerade anders. Das Handwerk ist so gut, wie es ehedem war, aber die Handwerker taugen nichts. Natürlicher Weise gibt's Ausnahmen, aber im Allgemeinen ist es eben so, wie ich sagte. Da hört man klagen über Mangel an Arbeit, über schlechten Verdienst, und wenn ihr was haben wollt, so kriegt ihr es nicht. Früher hieß es: ihr bekommt euren Rock Samstag Abends um fünf Uhr, und Samstag Abends um fünf Uhr stand der Lehrling da und hatte ihn fertig auf dem Arm. Jetzt aber – o weh! o weh! da müßt ihr wochenlang laufen, ja, müßt euch aufs Bitten legen, bis so eine verfluchte Schneiderseele – das ist im Allgemeinen gesagt, Frau Schwörer – sich herbeiläßt, euch für euer schweres Geld etwas zu machen. Früher nahm ein Meister nie mehr Arbeit an, als er liefern konnte; aber heute läßt er die ganze Kundschaft warten, um seinem Nachbar etwas aus den Zähnen zu reißen. Weiß der Teufel! Unser eins muß doch auch seinen Dienst thun und hat oft gewaltig viel auf dem Buckel, das kann ich Euch versichern; wo wollte es aber hinaus, wenn ich meinem Herrn sagte: ich habe das und das heute nicht machen können, ich werde es morgen thun!«

So wie wir das hier niederschreiben, hatte Herr Brenner seinem Zorne freilich nicht Luft gemacht, sondern er that das in großen Zwischenpausen, in denen er sich Zeit genug nahm, seine Suppe behaglich zu verzehren. Die beiden Frauen hörten ihm anscheinend sehr aufmerksam zu, wobei Madame Schwörer zuweilen tief aufseufzte.

Margarethe hatte an dem Käfig des Kanarienvogels geputzt und nun eine kurze Pfeife des Vaters von der Wand genommen, die sie ihm mit einem angezündeten Schwefelholze brachte, und der kleine Franz ließ das Eichhorn auf dem Boden marschiren, so gut es eben gehen wollte.

Der Jäger hatte mit großem Appetit gegessen und that nun ein paar tiefe Züge aus der Pfeife, welche ihm seine Tochter gegeben hatte.

»Frau Schwörer wollte dir also sagen« – sprach seine Frau mit bittender Stimme.

Herr Brenner machte eine abwehrende Handbewegung und versetzte: »Gleich, gleich, wir kommen schon daran. Vorher aber möchte ich noch wissen, wie es dem Gottschalk eigentlich geht und ob er sich bei dem langen Schreiber wohl befindet?«

»Da geht es ihm recht gut, Gott sei Dank!« entgegnete Frau Brenner. »Der Herr Larioz mag ihn sehr wohl leiden, hält strenge Aufsicht über ihn und gibt sich auch die Mühe, ihn noch in seinen Freistunden über allerhand Nützliches zu unterrichten.«

»Und den Mann,« wandte sich der Jäger an die Frau des Schneiders, nachdem er eine tüchtige Rauchwolke aus seinem Munde gequalmt, »habt Ihr so mir nichts, dir nichts für den Teufel gehalten! O je, o je! Und er hatte doch nichts gethan, als den armen Gottschalk von der Straße aufgelesen, wo Ihr ihn in Regen und Kälte stehen ließet. Meint Ihr, Frau Schwörer, das hätte ich vergessen?«

Auf den Zügen der Frau des Jägers malte sich eine gewisse Aengstlichkeit, denn sie fürchtete nicht mit Unrecht, Herr Brenner möchte heftig werden. Auch legte sie ihm ihre kleine Hand auf den Arm und sagte, nicht ohne Beziehung, zu Margarethe: »Denk mir an den Herrn Larioz und vergiß nicht, die Suppe zu kochen, wie dir der Herr Doktor Flecker aufgetragen: etwas Gerstenschleim ohne alles Gewürz.«

»Ich werde es gewiß nicht vergessen,« antwortete das junge Mädchen. »Sie steht schon beim Feuer.«

»Was ist das für eine Suppe?« fragte Herr Brenner.

»Für eben den Herrn Larioz, der seit acht Tagen krank ist.«

»Ei, das thut mir leid. Da muß ich ihn dieser Tage besuchen. Und was fehlt ihm?«

»O, nichts Gefährliches, ein leichtes Fieber. So sagte der Herr Flecker, der mich auch gebeten hat, Suppe für ihn zu kochen.«

»Das versteht sich,« sprach der Jäger.

»Die Suppe bringen wir hin,« mischte sich das Bübchen ins Gespräch, »Margarethe und ich. Und ich darf zuweilen droben spielen und bekomme einen Bogen Papier, und Gottschalk macht mir Schiffe und Federhüte daraus.«

»So? – Nun, das ist recht. Das wollen wir morgen selbst einmal mit ansehen. Aber jetzt« – damit wandte er sich an die Frau des Schneidermeisters – »was will denn Madame Schwörer eigentlich?«

Diese hatte die Hände gefaltet und sprach gar nicht so resolut, wie man es bei ihr zu Hause gewohnt war; auch ließ sie den Kopf etwas auf die Seite hängen und seufzte mehr, als es gerade nothwendig war. »Ach,« sagte sie nach einer Pause, »Herr Brenner, es geht uns recht schlecht.«

Sie fuhr bei diesen Worten mit dem Zipfel ihres wollenen Halstuches an die Augen.

»Nur nicht geflennt, Frau!« sprach der Jäger, »das kann ich um Alles in der Welt nicht ertragen. Daß es nicht besonders gut bei euch geht, das habe ich gehört, und war dies auch nach jener Geschichte nicht anders möglich. Eure damaligen Freunde, die Betbrüder und Heuchler, sind bei euch übel weggekommen und haben euch im Stich gelassen, nachdem sie euch geholfen, die Kundschaft des Meisters gründlich zu ruiniren. Kam doch lange kein ordentlicher Mensch mehr in die Werkstatt, Und nicht mit Unrecht, Frau Schwörer, das kann ich Euch versichern. Denkt dagegen nach, wie es vor Jahren war, das Handtieren auf den Schneidertischen! Es war eine Freude, zu euch zu kommen.«

»Ach Gott, ja, das war eine schöne Zeit!« seufzte die Frau.

»Damals ging der Meister, wie alle ehrliche Menschen, ins Wirthshaus, trank auch zu Haus seinen Schoppen, wenn es nothwendig war, knuffte die Lehrlinge, wo es hin gehörte, und auf ein paar Schock Donnerwetter kam es ihm dazumal nicht an. Er hatte aber auch verfluchtes Volk in der Werkstatt, Kerls, die am Sonntag aussahen wie Cavaliere, und alsdann versoffen, was sie die Woche verdient hatten. Wenn damals in irgend einer Kneipe die Polizei ein Nest junger Schneidergesellen ausnahm, da war die Hälfte von euch dabei, das könnt Ihr nicht läugnen.«

»Das ist wahr, aber dafür haben sie auch zu Haus gearbeitet, daß es eine Freude war.«

»Ob sie gearbeitet haben! ich will's meinen,« sagte der Jäger bedächtig, indem er die Asche in seiner Pfeife zusammen stieß. – »Nun gut, auf einmal fährt die Bombe ins Haus, oder, wenn Ihr wollt, Euer Mann kriegt den Rappel, fromm zu werden. Ich merkte das Ding gleich, denn ich kam dazumal oft hin; mir fehlten alsbald vier der tollsten Kerls in der Werkstatt, wahre Banditen, die aber einen Rock zusammen fegten, daß es eine Freude war. Ich sage Euch, meine Livree saß damals, daß der Oberst den gnädigen Herrn fragte: Wo, Teufel! lassen Sie für Ihren Jäger arbeiten?«

»Das muß wahr sein,« sprach Madame Schwörer mit Entschiedenheit, indem sie sich an die Frau des Jägers wandte, »etwas Schöneres und Vortrefflicheres als den Herrn Brenner konnte man nicht sehen.«

»Also eines Tages,« fuhr dieser geschmeichelt fort – »es war vor Ostern – fehlen mir die Banditen in der Werkstatt, und statt ihrer sehe ich so platthaarige Eulengesichter, die mich mit geducktem Kopf nur so von unten anschielen.«

Es war sehr komisch, wie der Jäger die Physiognomieen der neuen Gesellen des Meisters Schwörer nachzuahmen versuchte. »Doch genug,« fuhr er nach einer Pause fort, »Ihr wißt das bester als ich, wie das Heil bei euch einzog und die gute Kundschaft wegblieb.«

»Das sei Gott geklagt!« nahm die Frau das Wort. »Was habe ich dazumal ausstehen müssen! Der Schwörer hatte an einem Samstag-Abend einen Schoppen über den Durst getrunken, und als er nach Hause ging, wurde ihm etwas unwohl, und da fiel er leibhaftig in die Krallen des Teufels, denn auf der Straße unterstützte ihn der Bäckermeister Fischer.«

»Aha, der!« meinte der Jäger, »der immer zu leichtes Brod bäckt. Eine Canaille, die heute kein Brod mehr abgibt, wenn sie riecht, daß morgen um ein paar Pfennige aufgeschlagen wird. Aber fromm, sehr fromm!«

»Leider, leider!« fuhr die Frau fort. »Und der hat meinem Manne den Kopf verrückt, hat ihm gesagt, das sei eine letzte Mahnung, und wenn jetzt nicht die Gnade bei ihm zum Durchbruch käme, dann sei sein letztes Brod gebacken.«

»Ja, ja, wir wissen das,« sprach der Jäger; »aber laßt die vergangenen Zeiten vergangen sein und mich mit kurzen Worten hören, was Ihr von mir wollt.«

»Das kann ich ja mit kurzen Worten nicht sagen. Es geht uns eben schlecht; die Werkstatt ist und bleibt leer, und was zu thun ist, das kann mein Mann ganz gut mit einem Lehrjungen besorgen.«

»Und wie ist er jetzt gelaunt, der gute Meister Schwörer? Hat er sich seines ganzen Heiles begeben und will fortan arbeiten wie andere Christenmenschen, oder gibt es noch immer Betstunden und Traktätchen?«

»Eigentlich noch schlimmer als das: er weiß nicht, was er will. Hat unser braver Pfarrer auf meine Bitten zu dem Manne doch so eindringlich gesprochen, daß es einen Stein hätte erweichen können, und ihm gesagt, die Kopfhängerei, wie er sie getrieben, das Laufen in die Betstunden, statt seinen Geschäften nachzugehen, sei nicht der rechte Weg gewesen. Hat er ihm doch gesagt, er solle seinen Kopf frisch aufheben, heiter sein, guten Muth haben und sich nicht immer für einen großen Sünder und schlechten Kerl halten; Sünden habe freilich Jedermann, aber wer seine Geschäfte tüchtig und fleißig besorge, seinen Leuten ein gutes Beispiel gebe, seine Kunden ehrlich behandle, der brauche sich nicht für verloren zu halten, wenn er auch keine Betstunden besuche, wenn er auch nicht mit gesenktem Haupt einherschleiche, wenn er auch zuweilen in's Wirthshaus gehe, und wenn ihm auch in der Hitze bei der Arbeit so ein kräftiges Wort entfahre, – Ihr versteht mich schon?«

»Ganz genau, der Pfarrer hat vollkommen Recht; ich für meine Person hätte ihm das nicht besser sagen können. Und hat er das nicht eingesehen?«

»O, er hat's schon eingesehen, aber er hat nicht den Muth, wieder ein anderes Leben anzufangen. Sehen Sie, Herr Brenner – und darin besteht eben meine Bitte an Sie – wenn ich nur Jemand hätte, der ihn wieder auf den rechten Weg brächte.«

Der Jäger nahm einen Augenblick seine Pfeife bei Seite, kraute sich in dem vollen Barte und meinte, komisch mit den Augen blinzelnd: »Curios! Ich soll den Meister also auf den rechten Weg bringen? Nun, das ließe sich vielleicht machen. Was meinst du, Jeannette, tauge ich dazu? Ließe sich das machen?«

»Ich meine,« entgegnete Frau Brenner, »wenn der Eine was dazu und der Andere was davon thäte, so könnte es euch beiden nichts schaden; du könntest mit dem Meister Schwörer Sonntag Vormittags in die Kirche gehen und er Abends mit dir ins Wirthshaus. So wäre es recht, scheint mir.«

»Ach ja, so wäre es recht,« sagte Madame Schwörer.

»Wenn nur Sonntag Vormittags mein Dienst nicht wäre!« sprach der Jäger einiger Maßen verdrießlich, .»der Herr Baron ist eigen und –«

»Ich weiß, daß der Herr Baron es sehr gern sieht,« fiel ihm seine Frau ins Wort, »wenn seine Dienerschaft in die Kirche geht. Denk doch nur an Gottschalk; er hat schon ein paar Mal gefragt, warum du denn nie mit ihm gehest.«

Der Jäger blies eine dicke Tabakswolke von sich, und wer ihn genauer anschaute, bemerkte wohl, daß er nach Margarethen hinüber schielte, die mit ihren leuchtenden Augen den Vater fest ansah und dabei mit der rechten Hand durch die blonden Locken des kleinen Bruders fuhr. Ob sie den Blick ihres Vaters verstand? Wahrscheinlich, denn sie näherte sich ihm und sagte mit ihrer angenehmen Stimme, welche sanft wie die der Mutter war und doch wieder kräftig klang wie die seinige: »Ja, Vater, das könntest du wohl thun; es würde mich recht, recht sehr freuen.«

Herr Brenner schien sich nicht ganz behaglich zu fühlen, er rückte auf dem Rehfell hin und her, zog seinen Hemdkragen etwas in die Höhe und versuchte es, finster auszuschauen, was ihm aber nicht recht gelingen wollte.

»Ich glaube, ihr habt was mit mir vor,« sprach er alsdann. Ach, laßt mich! Wenn ich dem Meister Schwörer helfen soll, so will ich es recht gern thun; ich will ihm sagen, in welches Wirthshaus ich Abends gehe; dort kann er mich treffen, und damit Basta.«

Dieses Basta betonte er so stark, daß die arme Frau Brenner eingeschüchtert still schwieg. Nicht so aber Madame Schwörer.

»Sie sind ein braver Mann, Herr Brenner,« sagte diese, »und wenn Sie es thun wollen, so thun Sie es auch ganz. Wollen Sie meinem armen Zacharias helfen, obgleich er es nicht um Sie verdient hat, so werden Sie es recht thun. Gehen Sie Morgens mit ihm in die Kirche und er geht Abends mit Ihnen in das Wirthshaus. Gottes Lohn dafür, und wie will ich Ihnen dankbar sein!«

»Der Vater thut's,« sprach Margarethe in bestimmtem Tone, wobei sie diesen fest ansah. »Ich bin überzeugt, er thut's.«

Herr Brenner suchte bei diesem Drängen eine Veranlassung, ein paar heftige Worte sagen zu können, und rief deßhalb: »Aber, beim Henker! es ist ja gerade, als wenn ich ein Heide wäre. Ich gehe auch zu Zeiten in meine Kirche, das kann Niemand läugnen. Und wenn euch allen damit ein so großer Dienst geschieht, so kann ich einen solchen Gang auch mal mit Meister Schwörer probiren, vorausgesetzt, daß es mein Dienst erlaubt. – Aber jetzt laßt mich zufrieden, jetzt habe ich genug der Quälereien. Ich sage Euch, Frau Schwörer, Ihr könnt Euch etwas darauf einbilden, daß Ihr mich breit geschlagen.«

Damit stand er auf, fuhr seiner Tochter Margarethe, die so lieb und freundlich lachte, mit der Hand über das Gesicht, pätschelte den kleinen Buben auf den Kopf und ging dann in eine Ecke des Zimmers, wo er sein Gewehr aufnahm, beide Hahnen aufzog und die Batterie betrachtete.

Frau Schwörer hob ihre Hände empor, nickte der Frau Brenner zu, als wollte sie ihr bestens danken, und darauf machte sie gegen dieselbe eine fragende Geberde.

Die Andere nickte mit dem Kopfe und zuckte die Achseln, als wollte sie sagen: Versuch's!

»Ich freue mich recht sehr,« sagte darauf Madame Schwörer, »wenn ich das zu Hause meinem Manne erzählen kann. Ihr sollt sehen, nun wird Alles gut. Wenn der brave Herr Brenner einmal A gesagt hat, so sagt er auch B.«

»Ja, und so fort durchs ganze Alphabet bis zum Z,« brummte der Jäger, der jedes Wort gehört zu haben schien.

»Davon bin ich überzeugt,« fuhr die Frau fort, »daß meinem Manne jetzt geholfen wird. Herr Brenner spricht dann eines Tages mit dem gnädigen Herrn Baron und sagt ihm: Wissen Sie, Herr Baron, da ist der Schwörer, der hat schlechte Livreen gemacht.«

»Das ist nicht zu läugnen,« meinte der Jäger.

»Hat sich aber nun gebessert; ich sehe ihn zuweilen im Wirthshaus. Herr Baron sollten es mit dem Manne noch einmal versuchen.«

»Und dann?« fragte unwirrsch Herr Brenner, wobei er die Hahnen seines Gewehres knacken ließ.

»Dann wird der Herr Baron sagen: Gebt dem Meister Schwörer etwas zu arbeiten; und das wird eine Arbeit geben, wie sie noch gar nicht dagewesen.«

»Ihr zählt noch über das Z hinaus, Frau,« erwiderte der Jäger; »laßt gut sein, dazu müssen wir erst sehen, wie sich der Meister im Wirthshaus ausnimmt.«

Da er aber lachte, während er das sprach, so unterstand sich Madame Schwörer, ebenfalls zu lachen, indem sie lustig ausrief: »Und Sie in der Kirche! Wenn ich das nur nicht versäume!«

Herr Brenner that, als habe er diese Rede nicht gehört, und um die Fortsetzung derselben zu verhindern, setzte er das Gewehr auf den Boden und ließ den eisernen Ladstock mehrere Mal in beide Läufe fallen.

Das Bübchen hatte sein todtes Eichhorn in der Zimmerecke zunächst der Thür auf die Hinterbeine gestellt, wo es eine sehr traurige Figur machte. Auf einmal wandte Franz den Kopf herum und sagte: »Margarethe, ich glaube, es klopft Jemand an die Thür.«

Das junge Mädchen ging, nachzusehen, und nachdem sie geöffnet, sagte sie: »Ach, Herr Friedrich!« und ließ den, der so eben geklopft, ins Zimmer treten.


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