Curt Grottewitz
Der Mensch als Beherrscher der Natur
Curt Grottewitz

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VI. Eingeschleppte Pflanzen

In der Nähe der Seehäfen, wo fremde Waren ausgeladen werden, tauchen jedes Jahr eine große Anzahl von fremden Pflanzen auf, deren Samenkörner durch Menschenhand hierher verschleppt wurden. Zwar die meisten dieser Pflanzen fühlen sich unserem Klima zu fremd, als daß sie wirklich bei uns festen Fuß fassen und sich einbürgern würden.

Eine geringe Menge von diesen Fremdlingen findet indes hier die Existenzbedingungen, die die Heimat ihnen bietet. Sie wachsen bei uns wild und sind von den einheimischen gar nicht mehr zu unterscheiden. Denn die Einwanderung ist seit den ältesten Zeiten erfolgt und die Pflanzen wurden nicht nur durch den Seeverkehr zufällig eingeschleppt, sie wanderten ebenso mit dem Getreide von Ort zu Ort, von den verschiedensten Seiten wurden sie über die Grenze gebracht, um bei uns Wurzel zu fassen und hier in der einheimischen Pflanzenwelt einen dauernden Platz zu erlangen.

Wahrscheinlich sind schon in den ältesten Zeiten fremde Pflanzen durch Menschen nach Deutschland verschleppt worden. Jedenfalls können wir in gewissen Ackerunkräutern solche alten, durch den Menschen zufällig eingeführten Fremdlinge erkennen. Die Kornrade, der Klatschmohn, die Kornblume, wohl auch der Feldrittersporn sind solche Eindringlinge, die sich an die Spur des Landmannes geheftet und mit ihm schon in vorgeschichtlicher Zeit ganz Deutschland erobert haben.

Als später von Rom aus sich die christliche Kultur nordwärts über die Alpen verbreitete, da zog neben den Kulturpflanzen unversehens auch manches bescheidene Kräutlein aus dem Süden bei uns ein – aus dem Süden oder Südosten, denn nach Italien waren die Kulturpflanzen mit ihren Begleitgewächsen aus dem westlichen Asien gekommen.

Es läßt sich freilich im einzelnen nicht mehr nachweisen, welche Pflanzen sich damals in Deutschland akklimatisierten.

Doch haben sich damals verschiedene Gewürz- und Arzneikräuter bei uns angesiedelt, und zwar sind sie zu Unkräutern geworden, die in Gärten oder in und bei Dörfern einen ständigen Unterkunftsort gefunden haben. Allerdings werden sie auch vielfach noch vom Menschen kultiviert, aber neben den kultivierten Individuen gibt es immer eine Menge verwilderter, die ohne Zutun des Menschen alle Jahre wieder erscheinen und sich reichlich vermehren.

Georg Gentner führt als solche bei uns verwilderte Pflanzen aus dem Süden und Südosten an die Weinraute, die Ringelblume, das Mutterkraut, den Schlafmohn, die Salbei, den Wermut, den Andorn, den Ysop, den Boretsch und das Bohnenkraut.

Das sind alles Pflanzen, die in Bauerngärten sehr häufig anzutreffen sind und die hier meist keine besondere Pflege erfahren. Der Samen fliegt umher und dringt auch durch den Zaun des Gartens. An den Gartenzäunen besonders siedeln sich solche verwildernden Pflanzen an. Im Garten werden sie nur an besonderen Stellen geduldet, aber am Zaun verlieren die Hacke und der Spaten des Menschen ihre Macht. Der Boden ist aber hier noch locker genug, um den Pflanzen, die vorwiegend auf aufgelockertem Lande wachsen, die Existenz zu ermöglichen.

Auf demselben Wege haben sich wohl auch die Kugeldistel und das Zimbelkraut bei uns verbreitet, die oft in alten Burgen zu finden sind.

Auch das bekannte Löwenmaul, das in Gärten als Zierpflanze gezogen wird, tritt hier und da als Unkraut auf Schuttplätzen, an alten Mauern und selbst im Walde auf.

In viel späterer Zeit haben sich einige Pflanzen bei uns eingebürgert, die aus dem Südosten stammen, aber nicht von Italien aus, sondern von Rußland über Galizien her zu uns gebracht worden sind.

Das ist besonders mit dem Stechapfel der Fall, einer sehr interessanten Pflanze mit großen weißen Trichterblüten und seltsam geformten stacheligen Früchten. Diese Pflanze ist sehr giftig, und sie wird noch jetzt in der Arzneikunde verwendet. Man sagt, daß der Stechapfel durch die Zigeuner verbreitet worden sei. Er tritt sehr häufig auf Schuttplätzen und in verwilderten Gärten auf.

Abb. 13. Stechapfel.

Auch die Judenkirsche, ein kleines Kraut mit roten Beeren, die in einem weiten mennigroten Kelche stecken, ist wahrscheinlich durch Zigeuner oder durch Juden aus Asien eingeschleppt und von Ort zu Ort verbreitet worden.

Eine sehr große Menge von eingebürgerten Pflanzen verdanken wir Amerika.

Seit der Entdeckung dieses Erdteils, der uns an erstrangigen Kulturpflanzen den Mais, den Tabak, die Kartoffel und außerdem unzählige Zierpflanzen, Bäume, Sträucher und Blumen geliefert hat, sind nach und nach auch eine Menge Gewächse über den Atlantischen Ozean zu uns verschleppt worden, die sich bei uns vollständig akklimatisierten. In Nordamerika speziell haben ja viele Staaten genau dieselben klimatischen Verhältnisse wie bei uns. Die Pflanzen, die dort wachsen, besitzen aber zum Teil eine viel höhere Spannkraft als die unseren, da sie in ihrer Heimat mit einer viel reicheren Flora den Boden teilen müssen. Bei uns zeigten sie sich daher sehr überlegen, und sie okkupierten zum Teil mit großer Schnelligkeit ein weites Terrain.

Abb. 14. Wasserpest.

Am bekanntesten ist von diesen amerikanischen Eindringlingen die berüchtigte Wasserpest geworden.

Ihre Geschichte läßt sich besser als die irgendeiner anderen eingeschleppten Pflanze verfolgen, da die Pflanze bekanntlich in solchen Mengen auftrat, daß sie hin und wieder ganze Seen und Flußläufe mit ihrem langen, sich endlos verzweigenden Stengeldickicht ausfüllte und dadurch den Fischfang und die Schiffahrt empfindlich störte. Nachdem die Wasserpest sich bereits im Jahre 1854 in England lästig gemacht hatte, wurde sie 1859 durch den Lehrer Boß in Potsdam in die Gärten von Sanssouci und 1860 durch den Kantor Buchholz beim alten Wasserfall bei Eberswalde ausgesetzt. Von hier aus drang sie durch ganz Norddeutschland und das übrige Deutschland vor. Der bekannte Pflanzengeograph P. Graebner berichtet, daß ihm mehrere Fälle bekannt sind, wo die Einnahmen der Ortschaften aus der Fischereiverpachtung infolge der Anwesenheit der Wasserpest nur noch einen Bruchteil der früheren betragen. An vielen Orten ist indes die Kraft der Pflanze bereits gebrochen. Der erwähnte Forscher meint, daß jede solche plötzlich mit großer Schnelligkeit vordringende Pflanze ihre bestimmte Zeit habe, nach der sie wieder seltener werde.

Sehr verbreitet sind auch zwei andere aus Nordamerika eingeschleppte Pflanzen, die zweijährige Nachtkerze und das kanadische Berufungskraut.

Die Nachtkerze, deren große gelbe Blüten sich des Abends öffnen, um nach zwei Tagen wieder zu vergehen, stammt aus Virginien. Sie ist seit 1614 in Europa bemerkt worden. An Flußufern, Eisenbahndämmen, auf Sandfeldern wachsend, ist sie namentlich im sandigen nordöstlichen Deutschland und in der Nähe von Dörfern ein lästiges Unkraut. An denselben Orten, fähig die größte Dürre auszuhalten, findet sich auch das kanadische Berufungskraut, ein hohes, aber unscheinbares Kraut mit kleinen weißlichen Kopfblüten.

Aus Amerika verschleppt ist wahrscheinlich auch der Feinstrahl, eine Pflanze, die unserer Gänseblume besonders in der Blüte ähnlich ist. Er wächst auf Grasplätzen, an Hecken und an Waldrändern.

Etwas weniger häufig als Nachtkerze und Berufungskraut ist die Gauklerblume, eine schöne Pflanze mit hochgelben, am Grunde rot gefärbten Blüten, die aus dem westlichen Amerika zu uns verschlagen worden ist. Sie wächst an Bächen und Flußufern und bevorzugt das gebirgige Land.

Denselben Standort liebt die schlitzblättrige Rudbeekia, die aus Nordamerika zu uns gekommen ist. Diese schöne, große, im Gesamtaussehen der Sonnenblume ahnliche, aber zierlichere Pflanze wurde im Jahre 1787 zum erstenmal in Schlesien wildwachsend gefunden.

In jüngster Zeit hält ein neues, aus Amerika eingeschlepptes Unkraut, das Knopfkraut, seinen Siegeseinzug in ganz Deutschland. Ein Kopfblütler mit unscheinbaren braungelben Blütenkörben, verbreitet es sich außerordentlich schnell nach der Art anderer Kompositen, der Kuhblume, der Distel, der Klette usw. Es nistet sich in Gärten ein und nimmt da sehr schnell überhand. Befähigt, selbst im Schatten unter Kohl und anderen Gemüsepflanzen zu leben, ist es sehr schwer auszurotten. Schnell im Wachstum und noch im Spätsommer schnell keimend und fruchtend, macht diese Pflanzenart sehr leicht die Energie des Menschen zuschanden. Sie ist jetzt schon fast überall in die Ortschaften eingedrungen, und wo sie noch fehlt, da kann man darauf gefaßt sein, daß sie demnächst erscheinen wird.

In rascher Ausbreitung begriffen ist auch die kleinblütige Balsamine, die jedoch nicht aus Amerika stammt, sondern im Osten in der Mongolei, in Zentralasien, ihre Heimat hat. Sie wurde im Jahre 1831 im Botanischen Garten zu Genf zum erstenmal angepflanzt. Im Jahre 1851 wurde sie wildwachsend in der Umgegend von Dresden angetroffen. Seit dieser Zeit hat sie sich dort unkrautartig vermehrt, aber auch an vielen anderen Orten Deutschlands, namentlich in Parkanlagen, macht sie sich gegenwärtig lästig.

Vom Osten her ist auch das Frühlingskreuzkraut nach Deutschland vorgedrungen. Es sieht dem gemeinen Kreuzkraut, einer der häufigsten Unkrautpflanzen unserer Gärten, im allgemeinen ähnlich, ist aber weit stattlicher, hat vor allem weit größere leuchtendgelbe Blüten und wollige Blätter. Es ist eine Sandpflanze, die neben der Zypressenwolfsmilch im Frühjahr die einzige Vegetation weiter Sandfelder des nordöstlichen Deutschlands bildet. Sie wurde im Jahre 1822 zum erstenmal in Schlesien bemerkt. Heute hat sie nach den Angaben Georg Gentners schon Schlesien, Posen, West- und Ostpreußen, Brandenburg, Pommern. Wollin und Rügen eingenommen und dringt im Norden in Mecklenburg, im Süden in der Provinz Sachsen, im Westen in Hannover weiter vor.

Neben diesen Fremdlingen, die sich weiter Gebiete Deutschlands bemächtigt haben, gibt es noch eine große Anzahl anderer, die nur eine ganz lokale Verbreitung in Deutschland haben. Die letzteren halten indes an ihrem kleinen Verbreitungsgebiete zäh fest, und so reihen sie sich in den Kreis unserer Flora ein, sie sind Bürger deutschen Bodens geworden.


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