Balduin Groller
Töte sie!
Balduin Groller

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Zweites Kapitel.

Es war Fritzis Idee gewesen, daß keine eigentliche Hochzeitsreise gemacht werden sollte; sie wollte gleich nach der Trauung von Wien »durchgehen« und sich irgend wohin »verkriechen«. Die Vorstellung einer Hochzeitsreise hatte für sie etwas Abschreckendes und etwas Abgeschmacktes. Sie war außer stande zu begreifen, wie die Institution der Hochzeitsreisen überhaupt eine solche internationale Geltung habe gewinnen können. Den Bekannten vorderhand aus dem Wege zu gehen, ja, das hatte Sinn und Verstand, sich aber dafür Tag für Tag den neugierigen Blicken immer anderer Fremder auszusetzen, sich von diesen mustern und belächeln zu lassen, das hatte keinen Verstand. Es ist eine schöne Sache um das Reisen, aber man soll auch die entsprechende Empfänglichkeit und Aufnahmefähigkeit dazu mitbringen. Wie sollen aber zwei Menschen, die in den ersten Tagen ihrer Honigwochen leben, noch Interesse übrig haben für irgend etwas auf der Welt, was nicht in direkter Beziehung zu ihrem Glück und zu der Ursache ihres Glückes steht. Man belastet sich mit körperlichen Strapazen, mit Strapazen für Geist und Gemüt zu einer Zeit, wo jede Anregung von außen sich nur störend fühlbar machen kann; man ringt einer berechtigten keuschen Zurückhaltung ein Opfer ab, man stürzt sich in den Strom der Menschen, wo nichts köstlicher dünkt als eine stille, weltverlorene Abgeschiedenheit, – und all das ohne ersichtlichen Zweck.

Urbany hatte dem Wunsche Fritzis sofort nachgegeben und telegraphisch Befehl erteilt, daß das Schloß Urbanyfalu zu ihrem Empfang bereit gehalten werde. Auch ihm war der Gedanke sympathisch, sein junges Glück in stiller Zurückgezogenheit zu genießen. Er hätte auch eine Reise unternommen, wenn Fritzi es gewünscht hätte; denn mehr als der eigene war ihm ihr Wille maßgebend. Er hatte auch schon den Plan zu einer großen Reise durch Europa entworfen, aber lediglich in der Meinung, daß er dadurch ihrem Wunsche entgegenkommen würde. Natürlich ließ er nun den Plan gerne fallen.

Die Vermählten fuhren von der Kirche weg zum Bahnhof. Vor der Kirche hatte, damit kein Aufsehen verursacht werde, ein einfacher Fiaker und nicht die gräfliche Kutsche mit dem betreßten Diener und dem herrschaftlichen Kutscher ihrer geharrt. Die Kirche selbst – so gut war ihr Geheimnis gehütet worden – war während der Trauungs-Ceremonie fast ganz leer gewesen. – Nach einer vierstündigen Eisenbahnfahrt verließen sie den Waggon, um nun noch eine Stunde über Land nach Urbanyfalu zu fahren.

Ein in reizvollem Barockstil ausgeführter, reichvergoldeter Schlitten, dem vier edel gezogene Jucker, durchwegs prächtige Schimmel, vorgespannt waren, harrte ihrer. Ein Banderium von vierundzwanzig Bauernburschen, die sich und ihre Rößlein festlich herausgeputzt hatten, empfingen sie mit brausenden Zurufen, aus welchen dann grell die feurigen Klänge des Rakoczy-Marsches herausstachen, der von der zum Bahnhof beorderten Zigeuner-Musikbande mit landesüblicher Begeisterung heruntergefiedelt wurde. Urbany warf dem Primas der Zigeuner ein fürstliches Trinkgeld zu, hob seine junge Gemahlin in den Schlitten und setzte sich dann zu ihr und breitete die Pelzdecke sorglich über sie.

Das Banderium formierte sich vor dem Schlitten zum Zuge. Die Reiter gaben ihren flinken Rossen die Sporen, der Kutscher ließ die Peitsche über das Viergespann sausen, und mit Windeseile flog nun der ganze Zug durch die winterliche Abendlandschaft.

Fritzi schmiegte sich an Urbany, als sei sie beängstigt durch die sausende Fahrt.

»Fürchte nichts, Fritzi,« redete ihr Urbany zu. »Man fährt bei uns einmal so. Im Reiten und im Fahren wollen sich die Ungarn nicht spotten lassen. Uebrigens sind die Pferde vollkommen verläßlich; es sind« – und er nickte ihr zu – »die Pferde der Gräfin, und die müssen fromm und verläßlich sein.«

»Oh, Rudi, ich fürchte mich nicht. Bei dir fürchte ich mich vor nichts auf der Welt. Ich bin so glücklich!«

»Das sollst du gar nicht sagen, Fritzi!«

»Warum nicht, Rudi?«

»Weil ich dann nicht weiß, was ich sagen soll!«

»Rudi?«

»Was denn?«

»Du bist doch ein Esel!«

»Warum denn?«

»Weil du mich genommen hast.«

»Fritzi?«

»Was denn?

»Von uns beiden bist du doch die Dümmere!«

»Warum denn?«

»Na, – ich meine nur so. Das wollen wir jedenfalls gleich feststellen und beschließen, daß ich der Gescheitere bin.«

»Oho!«

»Ja wohl, Fritzi, das müssen wir beschließen. Ich habe darüber nachgedacht; es bleibt mir nämlich sonst gar nichts übrig, rein nichts, und irgend etwas sollte der Mann ja doch voraushaben.«

»Rudi?«

»Was denn?«

Sie hatte eigentlich nichts sagen wollen; er sollte sich nur zu ihr neigen, um sie zu hören. Das that er, und die Gelegenheit war günstig. Eine Wolke des aufgewirbelten Schnees umfing sie, die Dämmerung, die ihren Schleier über sie breitete, that das Übrige; die Reiter stürmten dahin und schrieen dazu wie besessen; sie hatten mit sich selbst genug zu thun, der Kutscher saß reglos vor ihnen – Fritzi drückte ihrem Gatten einen Kuß auf den Mund, so rasch, so heimlich und verstohlen, als sei es süße Sünde.

Fritzi stutzte plötzlich. Sie hörte schon wieder die Klänge des Rakoczy-Marsches.

»Ja, sind uns denn die Zigeuner auf Flügeln des Gesanges vorausgeeilt?« fragte sie erstaunt.

»Nein, Schatz,« erwiderte er lachend. »Das ist wie der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Swinegel. Das sind jetzt nämlich wieder andere Swinegel!«

Bald verriet auch ein Lichtschimmer in der Ferne, daß man sich dem Schlosse nähere. Der Lichtschein wurde immer größer und heller, noch wenige Minuten, und der Schlitten hielt vor dem Schloßportal. Es war inzwischen ganz dunkel geworden, und die hundert brennenden Fackeln, die von der aufgebotenen Dorfbewohnerschaft gehalten wurden, thaten gute Dienste. Alle waren sie da, Männer und Frauen, die letzteren bei so einem Anlaß zurückzuhalten, hätte übrigens einer auch nur versuchen sollen! Die Burschen waren alle da und die Dirnen, und die Kinder waren auch alle da, und die, die nicht hatten mitlaufen können, die wurden auf dem Arm getragen. Wer aber glauben sollte, daß da alles drunter und drüber und durcheinander gegangen sei, der würde groß irren. Der ungarische Bauer weiß, was sich schickt, zumal bei festlichen Anlässen. Die Fackelträger bildeten einen Halbkreis um das Schloßportal, auf dessen erhöhten Stufen der Graf mit seiner Gemahlin stand. Das Volk scharte sich um die Fackelträger, die nur gerade den Platz dem herrschaftlichen Paare gegenüber für die Zigeuner freigelassen hatten. Den äußersten Kreis bildeten dann die Reiter des Banderiums.

Als nun alles so aufgestellt war, da traten der alte Dorfrichter, der Dorfnotar und Dorfschulmeister, als die Honoratioren und die Spitzen der Intelligenz, in die Mitte des Halbkreises – die Zigeuner ließen ab vom Rakoczy-Marsch, und die lärmenden Zurufe verstummten, und der Dorfrichter, ein in der Fülle der Gesundheit strotzender Greis, hub an eine Rede zu halten.

Fritzi verstand kein Wort von dem, was der Dorfrichter sprach, aber sie konnte sich nicht genug wundern über den Anstand und die bei allem Pathos doch so fließende und zusammenhängende Art der Rede, über ihren äußern rhetorischen Charakter, über die eindrucksvolle Gebärde, mit einem Worte über den ganzen Vortrag, der für sie fast die Unkenntnis der Sprache aufhob. – Als der Dorfrichter unter der tosenden Zustimmung der Leute geendet hatte, blieb er stehen, der Rede des Grafen gewärtig. Und die andern warteten auch lautlos auf die Rede. Die Ungarn sind geborene Redner, fast könnte man sagen geborene Parlamentarier, und ohne Reden kann auch nicht die geringste festliche Veranstaltung vor sich gehen.

Der Graf hatte den Worten des greisen Dorfrichters entblößten Hauptes zugehört, und so stand er auch nun da, als er ebenfalls in zusammenhängender Rede antwortete. Er sprach zu den Leuten in ihrer Sprache, und wieder verstand Fritzi kein Wort von dem Gesagten; wie sie aber aufblickte zu dem vom Fackelscheine erhellten Haupte ihres Gatten, da überkam sie etwas wie ein Gefühl der Ehrfurcht vor dem Manne, der da in seiner ruhigen Würde so recht wie ein Vater seiner Untergebenen erschien. Wie er so dastand, bot er das Bild einer ernsten, männlichen, kraftvollen Erscheinung. Seine hohe Gestalt erschien wie aus Erz gegossen, und wie aus Erz gegossen auch der ernste Kopf auf dem starken und geschmeidigen Nacken. Er trug sein dunkles Haupthaar kurz geschoren, und sein kräftiger, dichter und beträchtlich langer Bart, der sich nach unten zu etwas verjüngte, hatte feste und bestimmte Form. Sein Antlitz war tief gebräunt, und nur die obere Hälfte der Stirne, die dem Sonnenbrande und Wind und Wetter nicht ausgesetzt ward, zeigte die ursprüngliche, scharf abgegrenzte hellere Farbe.

Urbany sprach eindringlich zu seinen Leuten, und als er zum Schlusse die Hand seiner neben ihm stehenden Gattin ergriff und mit Worten und bezeichnender Gebärde die neue Herrin der Liebe des Volkes empfahl, und als er sie endlich selbst in die Arme schloß, da erhob sich ein Jubel, der keine Grenzen mehr kannte. Die Bauern stürzten herbei, um der Herrin die Hände und den Saum des Kleides zu küssen; die Bäuerinnen sprachen Segenssprüche über sie und hoben die Kinder zu ihr empor, damit auch diese in späteren Tagen sollten erzählen können von der neuen Herrin, die so schön war wie eine Heilige.

Dieser elementare Ausbruch einer Begeisterung und einer noch durch nichts verdienten Liebe bewegte Fritzi tief, und mit Thränen in den Augen versuchte sie es erst, die Huldigungen abzuwehren, um sich schließlich ihnen doch fast willenlos zu überlassen. Auf einen Wink des Grafen fielen die Zigeuner wieder in ihren Rakoczy-Marsch ein, noch eine letzte brausende Éljen-Salve, und die Menge folgte den voranschreitenden Musikanten ins Gemeindewirtshaus, wo schon für sie auf Kosten des Grafen ein festliches Mahl bereit gehalten wurde, wobei natürlich auch ein ansehnliches Stückfaß aus den gräflichen Kellereien nicht fehlte.

Nun erst betrat das neuvermählte Paar das hellerleuchtete Stiegenhaus, das in seiner marmornen Pracht und seiner reichen Vergoldung einen festlichen Anblick darbot. Auf der Treppe zum ersten Stockwerke bildeten zwanzig reich galonnierte Lakaien Spalier, und auf dem obersten Absatze der Treppe warteten die Wirtschafterin und eine Anzahl von Zofen, bereit zum Dienste für die neue Herrin.

Die Begrüßung durch den Rentmeister und das Personal der Gutsverwaltung, sowie die von ihnen dargebrachten Glückwünsche mußten auch noch überstanden werden, und nun erst sahen sich die beiden allein in dem Prunkgemache, das durch ein mächtiges Feuer in dem ungeheuren Marmorkamine wohlig durchwärmt war. Auch Fritzi hatte Sinn und Verständnis für die dekorativen Künste, und so mächtig auch in ihr all die neuen Eindrücke der letzten Stunden nachwirkten, so bemerkte sie doch mit künstlerischer Freude und Anteilnahme die üppige Pracht des im Stile der Hochrenaissance ausgeführten Marmorkamins, sowie die edlen und feinen Verschnörkelungen des kostbaren Lustres.

»Wir sind zu Hause, Fritzi,« sagte Urbany bewegt. »Gott segne deinen Einzug!«

»Oh, Rudolf! Mir ist's, als lebte ich in einem Traum!«

Der Haushofmeister erschien, um an ihre gräfliche Gnaden die Frage zu richten, zu welcher Stunde serviert werden dürfe. Fritzi mußte sich erst umsehen, ob das sie anging, und dann fing sie zu lachen an. Es kam ihr so komisch vor, daß nun sie all diese ernsten und schweigsamen Marionetten dirigieren sollte.

»Zu welcher Stunde?« erwiderte sie munter. »Das muß die Köchin wissen! Für welche Stunde hat sie sich denn eingerichtet?«

»Gräfliche Gnaden werden zu jeder Stunde, die Sie befehlen, serviert werden.«

»Nun dann – in einer Stunde. Ich laß die Köchin schön grüßen, und ich habe einen kolossalen Hunger mitgebracht.«

Der Haushofmeister verneigte sich und verließ lautlos das Gemach.

»Also bei uns kann man speisen, wann man will,« sagte hierauf Fritzi lachend zu ihrem Gatten. »So eine Köchin –«

»Ich bitte um Entschuldigung,« unterbrach sie Urbany, »wenn Monsieur Théodore Méricourt in seinem Atelier, d. i. in der Küche, erfährt, daß er mit einer Köchin über einen Kamm geschoren wird, dann wird er in gekränktem Künstlerstolze sich bewogen fühlen, mir die Verträge zu kündigen und seine Pässe zu verlangen. Andererseits müßte allerdings ich ihm seine Pässe zustellen, wenn wir essen müßten, nicht wann wir wollen, sondern wann er will.«

»Du, Rudi! Das wird noch 'was brauchen, bis ich mich da hineinfinde, eine große Dame zu sein!«

»Bleib', wie du bist, Fritzi!«

»Bin ich dir wirklich recht so, wie ich bin?«

»Bin ich dir's?«

»Hätt' ich dich sonst genommen, Rudi? Bah, ich hätte dich doch nicht genommen, trotz alledem und alledem! – Nein! Jetzt nicht, Rudi. Jetzt – schön brav sein, sag ich – jetzt kriegst du keinen Kuß! Jetzt – wo sind denn meine Gemächer? Denn ich habe doch wahrscheinlich ›Gemächer‹, gleich ein halbes Dutzend. Jetzt wird erst der Reisestaub abgeschüttelt, und in einer Stunde habe ich das Vergnügen, Ew. Liebden beim Diner zu sehen. Adieu!« Und trällernd tanzte sie zur Thüre, die ihr Urbany mit der Hand gewiesen hatte.

»Fritzi!«

Sie sprang zurück, warf sich ihm doch an den Hals, gab ihm doch den erflehten Kuß und huschte dann rasch zur Thüre hinaus in ihre »Gemächer«, wo schon die Zofen ihrer harrten, um ihr bei dem Wechsel der Toilette behülflich zu sein.

Sie hatten sich nicht verabredet, und doch hatten beide denselben Gedanken gehabt; beide hatten sich zu dem Mahle, das sie zu zweit einnehmen sollten, gekleidet wie für eine große festliche Versammlung. Urbany erschien, angethan mit den Attributen feierlich erhöhter moderner Männlichkeit, im Frack, in Lackschuhen und mit weißer Kravatte, die blendende, von der Weste weitumrahmte Hemdbrust, zusammengehalten durch einen Diamantknopf.

Fritzi hatte ein schwarzes Spitzenkleid angezogen. Das Kleid hatte keine Ärmel und hatte vorne und am Nacken einen Ausschnitt. Sie hatte eine natürliche Vorliebe für dunkle Farben; denn diese kleideten sie besser und bildeten eine wirksame Folie zu ihrer kapriziösen Schönheit. Der Zauber ihres goldroten Haares kam erst bei dunkler Gewandung zur vollen strahlenden Geltung und so auch der wunderbare Blütenglanz ihres Gesichtes und ihres schneeigen Nackens. Zu dem fließenden Golde ihres Haares bildeten ihre großen schwarzen Augen und zu der junonischen Gestalt ein keck aufwärts strebendes Näschen, sowie der lachende Mund, der Zähne von beneidenswerter Tadellosigkeit zeigte, einen auffälligen Gegensatz, dessen eindrucksvoller Wirkung sich wohl das Auge keines Mannes entziehen konnte, und nun gar erst das Auge des liebenden und geliebten Mannes!

»Wie schön du bist, Fritzi!« rief Urbany aus, als sie das Speisezimmer betrat, wo er sie bereits erwartet hatte.

»Du hast dich auch schön gemacht, Rudi!«

»Ja wohl, – meinen schönsten Frack! Man heiratet ja nicht alle Tage!«

»Siehst du, – das habe ich mir auch gedacht. Jetzt denken wir uns, daß da eine große Menge Menschen uns begaffen, und seien wir froh, daß sie nicht da sind!«

»Ja, Gott sei Dank, daß sie nicht da sind! Seien wir froh!«

»Du, Rudolf?!«

»Was denn, Fritzi?«

»Sieh' mich einmal an. Nein, – artig sein, sonst geh' ich fort. – Rudolf! Also ich geh'. Adieu!«

»Nein, bleib'! Bitt' dich, bleib'!«

»Aber dann brav sein?!«

»Gut.«

»Also, du hast's versprochen! Nun sieh mich an!«

»Ich thu' ja nichts anderes!«

»Bemerkst du nichts?«

»Oh, ja, – schön bist!«

»Bemerkst nichts?«

»Was meinst?«

»Nicht ein Stückerl Schmuck hab' ich angelegt. Ich habe mir gedacht, justament muß ich dir so recht sein, wie ich bin, auch ohne die Diamanten, die du mir geschenkt hast.«

»Fritzi, du brauchst keine Diamanten, um schön zu sein!«

»Siehst du, das ist einmal vernünftig geredet!«

»Ich habe dir ja schon vorhin gesagt, daß ich ein sehr gescheiter Mensch bin!«

»Ja – dann allerdings! Aber« – und sie schlug ihm dabei auf die Hand, – »benimmt sich ein gescheiter Mensch so? Warte, dir werden wir die Mucken gleich austreiben.« Sie drückte auf den Elfenbeintaster auf dem Tische, und Urbany fuhr verlegen zurück, denn in demselben Moment trat der Haushofmeister ein. Er blieb in der Nähe der Thüre stehen und dirigierte von da aus mit den Augen die zwei Lakaien, die bald nach ihm eingetreten waren und nun das Mahl auftrugen. –

»Man speist nicht schlecht bei mir,« sagte Fritzi, als sich die Dienerschaft, nachdem das Mahl eingenommen war, wieder entfernt hatte; dabei lehnte sie sich auf ihren Sessel weit zurück und schlürfte die letzten Tropfen eines schweren süßen Weines aus dem kunstvoll geätzten Krystallgläschen. »Gut war's!« bestätigte sie ihr Urteil noch einmal, das Glas niederstellend, und ihre Augen glänzten.

»Du, Rudi!« schwatzte sie dann weiter, »warum habe ich denn keinen Champagner bekommen?«

»Willst du ihn?«

»Nein, ich trinke ihn nicht gern, aber auffällig ist's mir doch, daß ich zu meiner Hochzeit keinen Champagner bekommen habe. Warum habe ich keinen Champagner bekommen?«

»Rate einmal!«

»Du hast keinen!«

»Oho!«

»Nun, – er könnte ja ausgegangen – und noch nicht zurückgekommen sein!«

»Falsch! Es wird Ordnung gehalten im Keller.«

»Also, warum nicht?«

»Das sollst du erraten.«

»Weil – weil du nicht daran gedacht hast!«

»Wieder falsch!«

»Dann kann ich's nicht erraten.«

»So will ich dir's sagen! Alles, was wir heute gegessen und getrunken haben, ist auf unserem, nun auf deinem Grund und Boden gediehen. Der Champagner wächst aber in unseren Komitaten nicht, und darum hast du keinen bekommen. Nun wollen wir aber doch ein Glas trinken – willst?«

»Nein, ich danke dir, ich mag ihn nicht. – Alles auf eigenem Grund! Höre, Rudi, das ist ja großartig! Ich muß mich in den großen Stil erst hineinfinden. Rudi, schenk' mir einen Tausender.«

Urbany lachte. »Aber Kind, – mit tausend Freuden!«

»Nein, bleibe sitzen; ich will ihn gar nicht, den Tausender. Was sollte ich auch damit? Ich wollte nur die Probe darauf machen, was aus mir geworden ist. Ich weiß bestimmt, daß in unserem Elternhause niemals ein Tausender im Hause war, wie hätte der auch in eine Schullehrerfamilie hineingeraten sollen! Als Schauspielerin habe ich mich dann doch mindestens ein Vierteljahr lang ehrlich plagen müssen, um zu einem Tausender zu kommen, und nun brauche ich nur den Mund aufzuthun und zu sagen: Ich will einen Tausender! und ich habe meine tausend Gulden.«

»Du brauchst deshalb den Mund nicht einmal aufzuthun, Fritzi; denn alles, was mir gehört, gehört auch dir.«

»Rudi, weißt du, ich bin dir gegenüber sehr im Nachteil.«

»Wie so denn?«

»Du kriegst nur mich und sonst nichts!«

»Das ist schon etwas, Fritzi!«

»Ah! wie liebenswürdig!«

»Es ist sehr viel, es ist tausendmal mehr, als ich dir je im Leben bieten kann!«

»Du bist gut!«

»Das bin ich nicht, ich bin nur der Gescheitere von uns beiden. Wenn wir gewissermaßen ein Tauschgeschäft gemacht haben, so bin ich derjenige, der bei dem Geschäft profitiert!«

»Weißt du, mein lieber Freund, daß es sich für einen Ehemann nicht schickt, seiner Frau Liebeserklärungen zu machen.«

»So sagt wenigstens die Salburg auf der Bühne!«

»Ja wohl, die ›Wogende‹.«

»Warum die ›Wogende‹?«

»Weil sie die großen Leidenschaften durch das Wogen ihrer Schlüsselbeine zum Ausdruck bringt.«

»Ah, du beleidigst die Salburg, das verdient Strafe.«

»Sitzen bleiben, Rudi! Sag', hätt' ich das nicht sagen sollen?«

»Warum denn nicht?«

»Du mußt nicht bös sein, Rudi, wenn ich manchmal wie ein Gassenbub rede. Das ist noch eine schlechte Gewohnheit vom Theater her. Das thue ich auch nur, wenn wir allein sind. Wenn jemand dabei sein wird, werde ich schon fabelhaft großartig und würdig sein, – du wirst sehen!«

Urbany erwiderte nichts, er sah seine Frau nur an, strahlend von innerer Glückseligkeit. Es war still im Gemach, und von der Dorfschenke her klangen die Töne der Zigeunermusik leise herein.

»Horch! Die Musik!« sagte Fritzi, und wieder lehnte sie sich zurück und breitete ihre weißen Arme weit aus. »Oh, Rudolf, ich bin glücklich!«

Rudolf stand neben ihr und ließ ihr goldenes Haar durch seine Finger gleiten.

»Du, Rudolf,« sagte sie, ihn umschlingend. »Ich möchte etwas sagen!«

»Sag's!«

»Es ist aber etwas Dummes!«

»Sag's!«

»Etwas sehr, sehr Dummes!«

»Je dümmer, desto besser!«

»Du wirst aber vielleicht böse sein?!«

»Ich werde es nicht sein!«

»Weißt, Rudolf, ich möchte – man will doch wissen, daß man Hochzeit hält – ich möchte an meinem Hochzeitstage – tanzen mit dir!«

Urbany lachte hell auf.

»Soll ich also die Zigeuner kommen lassen, daß sie uns aufspielen?«

»Ach nein! Hier? Das wäre ein öder Spaß. Nein! Wir sollen ins Wirtshaus gehen, zu den Leuten, – die haben mir so gut gefallen. Dort wollen wir eins miteinander tanzen! Nicht wahr, das ist dumm?«

»Ich lasse anspannen, und wir fahren zur Schenke.«

»Ach nein! Das würde mir die Freude verderben! Ich möchte zu Fuß –«

»Es schneit!«

»Was thut das! Mir schadet's nicht und dir, dem Jägersmanne, gewiß auch nicht. Zu Fuß, an deinem Arme, durch die finstere Nacht – so wollen wir uns hinschleichen und dann wieder fortstehlen. Wir brauchen doch heute die livrierten Bengel nicht immer um uns zu haben.«

»Also auf!« rief Urbany, der auch seinerseits von der Idee entzückt war. »Nimm einen Pelz, und die Expedition kann beginnen!«

»Rudolf, hol' du mir den Pelz. Ich will nicht in meine Gemächer hinübergehen, ich mag die Frauenzimmer nicht mehr sehen, heute nicht. Schicke sie fort.«

Rudolf holte ihren Pelz und hüllte sie sorglich ein in denselben; er selbst warf einen weiten Mantel um, und dann schlichen sie wie zwei Diebe aus dem Schlosse, heimlich wie die Diebe und glücklich – glücklich wie Liebende. Wir suchen vergeblich auch da nach einem Vergleiche. Nichts und niemand auf Erden kann glücklicher sein als ein seliges Liebespaar. –

Se. Hochgeboren, der Graf Rudolf Urbany, erblicher Kämmerer und Truchseß Sr. Majestät des Kaisers, Magnat von Ungarn, Herr auf Urbanyfalu, Bessenyö, Berzova und Holdjenö, und seine junge Gemahlin tanzten ihren Hochzeitstanz in der Dorfschenke bei den Klängen der Zigeunermusik. –

* * *

 


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