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Ernährung

Was ich eben besprach, sind wesentliche Grundlagen der ärztlichen Tätigkeit; sie in ihren Einzelheiten näher kennenzulernen, wird uns ein gut Stück weiterbringen. Zunächst gilt es, irgendwie eine Vorstellung davon zu bekommen, welchen Lebensbedingungen der Kranke als Mensch von vornherein unterworfen ist. Ein jeder hat außer den allgemein menschlichen Lebensäußerungen seine persönliche Lebenssphäre. Sie kommt für meine Zwecke hier nicht in Betracht. Wie sie beurteilt und geregelt werden muß, wie vernachlässigte Richtungen der Lebensführung gepflegt und allzu beliebte eingeschränkt werden müssen, wie die alte Gewohnheit gebrochen wird, ohne doch eine neue mit neuen Gefahren zu schaffen, wie Charakter und Wesen, Bedürfnisse und Pflichten zum besten des Kranken geordnet werden, das alles entzieht sich der Beschreibung. Diese Aufgaben finden ihre Lösungen letzten Endes in der Persönlichkeit des Arztes, sie machen das aus, was man individualisierende Behandlung nennt, bei der es, wie ich schon mehrfach betonte, nicht auf die Krankheit ankommt, die man vor sich hat, sondern auf den Kranken; die Krankheitsdiagnose, der Krankheitsname – man kann das nicht oft genug sagen – ist für diese individualisierende Behandlung nur ein Fingerzeig, nicht mehr. Denn der Kranke ist zunächst nicht das Produkt seiner Krankheit, sondern seine Krankheit ist das Produkt des Menschen, wenn dabei auch zugegeben werden kann, daß jedes Leiden Rückwirkungen auf den Kranken hat, ihn verändert. Es ist also wohl denkbar, daß ein Herzkranker ähnlich behandelt werden muß wie ein Krebskranker, sicher aber ist es falsch, alle Herzkranken in gleicher Weise zu behandeln oder alle Krebskranken. Wenn man in den medizinischen Lehrbüchern so tut, als ob das ginge, wenn Arzte sich untereinander so zu verständigen suchen, wenn Pfuscher so handeln, als ob es Mittel gegen Krankheiten gäbe, so beweist das alles nichts dagegen, daß hier ein Grundirrtum vorliegt. Es beweist nur, daß wir uns immer noch in den Gedankenkreisen der Vorzeit bewegen, wo man die Krankheit als Feind auffaßte. Wie gesagt, diese individualisierende Kunst, dieses rein ärztliche Können haftet an der Persönlichkeit des Arztes, ist durch persönliches Lehren auf den Schüler zu übertragen, und auch das nur auf den persönlich begabten und dem Lehrer geistig verwandten Schüler. Eine Universalmethode, eine Allheilkunde gibt es nicht, vielmehr führen tausend Wege zum Ziel. Zu behaupten, ein Kranker oder gar eine Krankheit könne nur auf dem einen Wege, nur mit der ersten Behandlungsmethode geheilt werden, ist immer ein Zeichen der Verstandesarmut.

Ganz anders liegen die Dinge bei den Lebensfaktoren, die allen Menschen gemeinsam sind, wie Schlafen, Wachen, Atmen und so weiter. Sie lassen sich von bestimmten Gesichtspunkten aus betrachten und zum Zweck der Gesunderhaltung oder Heilung regeln; die meisten wenigstens, nicht alle. So zum Beispiel ist eine der wichtigsten Lebensbedingungen, die Abstammung des Kranken und seine vererbten Anlagen, für den Arzt so gut wie gleichgültig. Ich bin allerdings auf der Universität gelehrt worden, das Krankenexamen mit den Großeltern und Eltern zu beginnen, aber der Sinn dieser Fragen für die Behandlung ist mir nicht klar. Man kann die Menschen nicht wieder in ihre Keimzellen zurückzaubern und sie von andern Eltern erzeugen lassen.

Einen andern Faktor für das Produkt Mensch kann man, so wünschenswert es auch ist, nur selten verändern: das ist das Klima, in dem sich der Kranke befindet. Allerdings von den obern Zehntausend, die mit Glücksgütern reichlich gesegnet sind, kann man wenigstens die Beruflosen in den Süden, an die See oder in das Gebirge schicken. Für die Masse der Kranken kommt es nicht in Betracht. Man sollte auch mit dieser Maßregel vorsichtig sein, sie nur in dringender Not verwenden. Der Arzt, der ja für alle Leidenden auf der Welt ist, soll seine Behandlung möglichst einfach gestalten, so daß ein jeder, sei er reich oder arm, sie gebrauchen kann. Vor dem Arzt sind alle Menschen gleich, er handelt ohne Ansehn der Person. Es ist fast immer möglich, den Menschen an dem Entstehungsort ihrer Krankheit zu helfen, es muß möglich sein.

Auf die Wohnung selbst haben wir ebensowenig Einfluß. Man kann für frische Luft sorgen, viel weiter geht unsre Macht nicht. Allenfalls bietet das Krankenhaus oder das Sanatorium zeitweise einen Ersatz. Mit der Kleidung läßt sich schon mehr anfangen. Das Korsett in das Feuer zu werfen, den hohen Stehkragen dazu, alles, was beengend ist, beseitigen, das sind oft genug einschneidende Handlungen. Aber leider sind wir weder Schuster noch Schneider, noch weniger Macher der Mode, wir müssen uns mit dem zufriedengeben, was die edlen Zünfte und die Narrheit der Zeit für gut befinden.

Ein wichtiger Teil der Behandlung ist es dann, die Umgebung des Kranken wohltätig zu gestalten. Das einfachste ist auch da das Krankenhaus, nur läßt es sich nicht immer benutzen. Auch ändert der Aufenthalt im Krankenhause nichts an den Zuständen zu Hause. Deshalb gilt es zunächst, die Angehörigen unter die ärztliche Gewalt zu bringen. Ich sehe von den Böswilligen ab, die dem Kranken absichtlich das Leben verbittern und die man leider allzu oft antrifft. Nein, selbst bei gutem Willen, ja gerade durch die gute Absicht sind sie ein Hindernis für die Behandlung. Jeder Mensch spielt gern Arzt, schon die Kinder tun es, und wem ein liebes Familienglied erkrankt ist, der schleppt in seiner ratlosen Angst von rechts und links die verkehrtesten Ratschläge herbei und richtet bald im Übereifer Unheil an. Da heißt es schlau wie der Fuchs sein und unnachgiebig wie Stein. Einer nur kann Herr sein, und das ist der, der behandelt, der Arzt. Die äußern Schwierigkeiten lassen sich viel eher überwinden, wenigstens, wo es sich um Menschenwohnungen handelt und nicht um die fürchterlichen Menschenställe, von denen ich früher sprach. Ein Umstellen der Möbel, so daß Platz da ist und das Krankenbett von allen Seiten zugänglich wird, ist bald getan. Die Lagerung und Bettung lohnt die Sorgfalt, die darauf verwendet wird, vor allem aber tut Reinlichkeit not. In dieser Beziehung kann der Arzt nicht zu tyrannisch sein, und es tut seiner Würde keinen Abbruch, wenn er da auf die geringsten Kleinigkeiten achtet. Bei den meisten Kranken, besonders bei den Herz- und Nierenkranken, ist: der Geruchssinn außergewöhnlich fein. Schon das genügt, um den Ruf nach frischer Luft und Sauberkeit zu rechtfertigen.

Beim Kranken selbst, das sagte ich schon früher, beginnt die Behandlung damit, daß Leidender und Helfer ihre moralischen Kräfte messen. Nur wenn der Kranke unterliegt, kann von einer Behandlung die Rede sein, sonst gilt das Wort Bismarcks zu Schweninger: Bisher habe ich meine Ärzte behandelt; Sie sind der erste, der mich behandelt. Diese Unterwerfung des Kranken unter den Willen des Arztes ist unumgänglich notwendig. Sie bringt auch sofort das, was der Kranke zunächst und dringend verlangt, die Hoffnung. Denn so verworren in seinen Begriffen ist niemand, in fünf Minuten Heilung zu erwarten, er will Hoffnung auf Heilung haben. Ja, im Grunde erwartet er im ersten Moment gar nicht Hilfe, sondern nur die Gewißheit der Genesung. Er hat kein Urteil mehr über sich selbst, kein Selbstvertrauen. Beides soll ihm der Arzt geben. Man lasse sich doch nicht durch die starken Reden des Kranken irremachen, die Wahrheit fordern, nichts als Wahrheit. Sie wollen immer nur die Hoffnung, die Gewißheit der Genesung, niemals die Wahrheit. Nur wenige sind stark genug, ihr Todesurteil gelassen hinzunehmen, und auch die wenigen hören lieber das Wort Gesundheit als das Wort Tod. Ja, je mehr jemand auf Wahrheit dringt, um so sichrer kann man annehmen, daß er davor zittert, daß er sie nicht ertragen wird. Wer mit Kranken zu tun hat, mag im Innern denken, was er will, zeigen darf er nur die Siegeszuversicht. Gewiß, es kommt vor, daß einer, der dem Tode verfallen ist, ohne es zu ahnen, veranlaßt werden muß, das Soll und Haben seines Lebens abzuschließen. Dazu gibt es aber andre Wege als den der Brutalität. Für den aber, der überhaupt genesen kann, ist der Glaube an Heilung die Hälfte der Heilung.

Zum mindesten ist es die Vorbedingung dieser, daß die Vorschriften des Arztes wirklich ausgeführt werden. Und nun diese Vorschriften selbst, die wie gesagt, zunächst nur den Zweck haben können, übersichtliche Verhältnisse zu schaffen. Sie lassen sich am besten verdeutlichen, wenn man sie in zwei große Gebiete unterbringt, das der Ernährung und das des Kreislaufs. Diese Begriffe sind dehnbar genug, fast die gesamte Heilkunde darin zusammenzufassen.

Der Mensch ißt, um zu leben, das ist eine alte Wahrheit, obwohl es jederzeit Leute gegeben hat, die sie umkehren und leben, um zu essen. Aber obwohl der Satz so bekannt ist wie etwa der, daß wir nicht für die Schule sondern fürs Leben lernen, machen sich doch recht wenige Menschen Gedanken darüber, was er bedeutet. Die meisten denken sich die Ernährung so, daß alles, was zum Munde hineingeht, nach vierundzwanzig Stunden zum After wieder herausgeht. Sie bilden sich ein, daß das, was sie als verdauen bezeichnen, die Umwandlung der Nahrung in Kot sei, und nach der Entleerung sprechen sie davon, daß sie Verdauung gehabt haben. Nach ihnen ist der Mensch eine Hackmaschine; oben wird Fleisch hineingestopft und unten kommt die fertige Wurst zum Vorschein. Sie erwarten, daß die Menge der Entleerung der der Nahrung entspricht, und sind unglücklich, wenn das einmal nicht der Fall ist. Zu dieser Annahme gehört nun wirklich ein gut Stück Gedankenlosigkeit. Wie soll wohl ein Kind wachsen oder ein Erwachsener dick werden, wenn alles, was gegessen und getrunken wird, wieder fortgeht. So einfach kann der Vorgang nicht sein, und die Nahrungsaufnahme muß andre Zwecke haben, als nur den leeren Bauch zu füllen.

Über diese Zwecke kann sich jeder bei der nachdenklichen Beschäftigung des Nägelschneidens klarwerden. Irgendwoher müssen die Nägel doch das Material bekommen, um immer wieder lang zu werden, und so bloß aus den Fingern saugen sie sich das Wachstum nicht, sonst müßten die Finger dünn werden. Der Mensch rasiert sich auch zuweilen oder läßt sich die Haare schneiden, oder, wenn es eine Frau ist, kämmt sie sich Haare aus. Aber diese Haare wachsen wieder, selbst wenn sie irgendeiner Schönheit auf Lippe und Backe sehr ärgerlich sind. Der Stoff, aus dem sich die Haare bilden, muß dem Körper zugeführt werden. Wo soll er anders herkommen als aus der Nahrung?

Denn das bildet sich kaum jemand ein, daß sich die Haare aus den bunten und duftenden Haarmitteln bilden, etwa so, daß diese herrlichen Essenzen in die Kopfhaut eindringen und dadurch das Material zum knielangen Frauenhaar geben. Ach nein, die hochgepriesne Flüssigkeit dringt nicht in den Kopf ein, selbst wenn es ein ganz leerer ist. Der Spiritus, das einzige, was daran allenfalls von Wert ist, und der ebenso viele Groschenstücke kostet, wie das Haarmittel Markstücke, reizt die Haut, weiter tut er nichts. Frauen und Maidlein mögen es ruhig glauben: die Haare, denen sie nachtrauern, wachsen von selbst wieder. Ein Haarmittel zu erfinden ist ein einträgliches, aber sonst nutzloses Geschäft. Ein jedes Haar fällt, wenn es eine gewisse Länge erreicht hat, aus, wird aber alsbald durch ein andres ersetzt, und alljährlich zur Frühlings- und Herbstzeit, das eine mal mehr, das andre mal weniger, gehn sie in Mengen aus, ohne daß je der Kopf dadurch kahl würde. Nur wenn das Haar oder die Kopfhaut krank ist, kommt kein neues wieder. Aber dann hilft auch das teuerste Mittel des besten Friseurs nichts. Dann heißt es mit Verstand behandeln.

Man kennt die Geschichte von dem Augenarzt, der, als es ihm in der Praxis nicht glückte, auf den Bällen die Damen mit aufrichtigem Entsetzen darauf aufmerksam machte, daß ihnen die Augenbrauen und Wimpern ausgingen. Wer es nicht glaubte, den bat er, daran zu zupfen, und verhökerte dann der erschreckten Schönen, da sie natürlich zwischen den Fingern ausgefallne Wimpern fand, ein Fläschchen Haarwuchselixier. Der Mann soll reich geworden sein. Aber ein jeder meiner Leser kann sich davon überzeugen, daß auch ihm die Wimpern ausgehn. Sie wachsen auch wieder.

Stets versuchen die Haarkünstler ihre Kunden damit zu kirren, daß sie von Schuppen auf der Kopfhaut reden. Auch davor braucht man sich nicht zu ängstigen. Wie das Haar nach einer bestimmten Lebensdauer ausfällt, so stößt sich auch fortwährend die oberste Schicht der Haut in kleinen Schuppen ab, nicht nur am Kopf, sondern überall, nur bleiben in den Haaren die Schuppen zurück; daran ist nichts Krankhaftes. Nun, wem es Spaß macht, sein Geld zum Friseur zu tragen, der möge es tun. Ich finde es sehr nett, wenn die Menschen für ihre Schönheit sorgen. Nur sollen sie auch auf Reinlichkeit bedacht sein. Haare müssen gewaschen werden, und nicht nur alle vier Wochen. Oder glauben die Frauen, daß die Haare gefeit sind gegen Schmutz? Freilich, durch das Waschen verliert das Frauenhaar seinen Duft, und das wäre schade. Er ist ja so oft von Dichtern und Liebenden gepriesen worden, wie es sonst wohl mit keiner Art von Unreinlichkeit geschehn ist.

Man verzeihe die Abschweifung! Worauf es mir ankam, war darzulegen, daß der Körper fortwährend Substanzverluste erleidet, die ersetzt werden müssen und eben durch die Nahrung ersetzt werden. Es ist nicht richtig, daß dieselbe Quantität im Kot ausgestoßen wird, die in Speise und Getränk aufgenommen wird. Vielmehr wird im Darmkanal ein nicht geringer Teil der eingeführten Stoffe vom Körper aufgesogen und zum Aufbau der Zellen und Organe benutzt oder als Heizmaterial für die Arbeit des Körpers verbrannt. Hunger und Durst sind nicht deshalb gefährlich weil der Magen knurrt und die Zunge am Gaumen klebt, sondern weil der Körper bei mangelnder Nahrungszufuhr sich selbst zerstört. Denn ebenso wie sich die Nägel, die Haare, die obersten Hautschichten vom Körper ablösen, so geht in allen Teilen des Menschen, in den Muskeln wie im Gehirn wie im Knochen und der Lunge, fortwährend Material zugrunde, das ersetzt werden muß. Immer und immer stirbt etwas im Menschen und immer tritt neues Leben an Stelle des abgestorbnen.

Der Mensch verwandelt sich ununterbrochen in all seinen Bestandteilen, er verbraucht auch ununterbrochen Wasser, Eiweiß, Kohlehydrate, Fette, Salze als Mittel seiner Arbeit, für seine Bewegungen, seine Empfindungen, sein Denken und Fühlen. Wird ihm das alles nicht von außen zugeführt und in dem Darmkanal schmackhaft zubereitet und gekocht, dann nimmt er es, wo er es am leichtesten in seinem Innern finden kann, etwa aus den Fettzellen der Haut, aus dem Muskel oder sonst woher. Er ißt sich selbst auf und trinkt sich selbst leer. Dabei hält er eine bestimmte Speisenfolge inne, voller Verstand und Überlegung, so daß er mit den wertlosesten Dingen beginnt, mit dem überflüssigen Wasser und mit dem Fett; die lebenswichtigen Organe, Gehirn, Herz, Lungen, die blutbildenden Gewebe läßt er fast unberührt.

Daß der Körper sich wirklich selbst verzehrt, kann jeder feststellen, wenn er sich abends und morgens auf die Waage stellt. Er wird dann sehn, daß er während der Nacht selbst dann an Gewicht beträchtlich abnimmt, wenn er weder Darmentleerungen noch Blasenentleerungen gehabt hat. Der Körper muß sich also, um den fortwährenden Verlust von Körpersubstanz zu ersetzen, aus dem Darminhalt neues Material holen.

Ich bezweifle nicht, daß viele meiner Leser hier ungeduldig werden und denken: wozu erzählt er nur das alles, wir wissen, daß der Körper Nahrung braucht; das weiß ein jeder; dazu ißt und trinkt man doch. Gewiß, daß man essen und trinken muß, das weiß jeder. Aber daß ein Teil von Speise und Trank in den Körper übergeht, das wissen sehr viele nicht. Oder vielmehr sie wissen es ebenso, wie sie wissen, daß die Erde ein winziges Ding im Weltall ist und daß der Mensch wiederum willenlos mit diesem Erdball durch die Luft fährt. Ebensowenig wie ihn diese Schulweisheit daran hindert, sich für den Weltmittelpunkt zu halten, ebensowenig hindern ihn seine Verdauungskenntnisse daran, vom Darm zu verlangen, er solle immer und unter allen Umständen jede vierundzwanzig Stunden dasselbe Quantum wieder herausgeben, das er eingenommen hat. Die meisten Menschen überzeugen sich gewissenhaft durch den Augenschein, daß das auch wirklich der Fall ist. Geschieht es einmal nicht, so bringen sie dem Faulpelz mit einem Abführmittel Gehorsam bei. Aber wer sagt denn diesen klugen Leuten, daß der Körper unter allen Umständen innerhalb von vierundzwanzig Stunden mit seiner Auswahl aus dem Inhalt des Darms fertig sein muß? Es ist doch anzunehmen, daß das hin und wieder länger dauert, und daß er deshalb dem Darm verbietet, sich allzufrüh zu entleeren. Ja, wer hat je bewiesen, daß der Mensch jeden Tag eine Öffnung haben muß? Das ist einfach eine unbewiesene Behauptung, die an das Doktorexamen in Molières Lustspiel erinnert, wo jede Frage nach der Behandlung der Kranken mit dem Wort Abführmittel und Klistier zur großen Befriedigung der medizinischen Fakultät beantwortet wird.

Es ist nicht wahr, daß der Stuhlgang täglich stattfinden muß. Bei Dreiviertel der Menschen ist das nicht der Fall. Man kann aber nicht die Mehrzahl der Menschen mit Abführmitteln traktieren, bloß weil es einmal eine Zeit gegeben hat, wo man jeden Menschen, ob gesund oder krank, purgierte. Es ist die natürlichste Sache der Welt, daß die meisten Menschen zeitweilig verstopft sind, ja man kann ruhig sagen, das muß so sein und ist gut so, weil eben nicht jeder Darm zu jeder Zeit innerhalb Tagesfrist mit seiner Kocherei und Zubereitung fertig wird. Da von Verstopfung oder gar von Krankheit zu sprechen und womöglich die gut gemeinte und höchst nützliche Langsamkeit des Bauchs sinnlos zu beschleunigen, ist eine arge Unsitte, die weniger von den Ärzten als von den Laien gepflegt wird. Eine große Zahl von Menschen ist von Natur auf zwei- oder dreitägige Entleerungszeiten eingestellt, ja man begegnet nicht selten solchen, die normalerweise nur alle acht Tage zu Stuhle gehn, vollständig gesund dabei sind und es auch bleiben, bis sie durch irgendeinen neunmal Weisen und keinmal Klugen auf die Abführmittel gebracht werden.

Man lasse doch ruhig den Darm gewähren. Er hat nur eine Öffnung, und da kommt früher oder später die Sache zum Vorschein. Platzen tut der Darm nicht, vollgestopft, wie die Menschen sich einbilden, ist er auch nie, denn er hat eine beträchtliche Länge von etlichen Metern und läßt sich zu einer wunderbaren Dicke ausdehnen. Das Märchen von den Blinddarmentzündungen, die daraus entstehn sollen, braucht auch niemand zu glauben, noch weniger das von den Darmverschlingungen. Man warte es ruhig ab, zwei Tage, drei Tage, es können auch zwei, drei Wochen sein, selbst vier, wenn das auch nur sehr selten vorkommt. Irgendwann kommt die Entleerung von selbst, das zweite Mal dauert die Zeit der Verstopfung schon nicht mehr so lange, und nach und nach stellen sich regelmäßige Entleerungen ein, täglich oder alle zwei bis drei Tage, je nachdem der Körper eingestellt ist. Aber man gebe weder Abführmittel noch Klistiere.

Deshalb braucht man nicht untätig zu sein. Es gibt genug Speisen, die den Darm zur Arbeit anregen: Obst, Kompott, Honig, Buttermilch, dicke Milch, grobes Brot und anderes mehr. Vor allem ist es gut, wenn der Darm ein paar Tage nichts mehr von sich gegeben hat, auch nichts in ihn hineinzubringen, die festen Speisen einige Zeit bis zur Entleerung zu vermeiden und sich von Flüssigkeiten zu nähren; denn oft bilden die Druckverhältnisse, wie sie durch die Mahlzeiten geschaffen werden, das Haupthindernis für die Fortbewegung der Kotmassen, und dann bringt die Veränderung des Binnendrucks beim Hungern raschen Erfolg. Zweckmäßige Bewegungen, bei denen die Knie gegen den Bauch gedrückt werden, tiefes Atmen und Übungen der Bauchmuskulatur, etwa so, daß man sich aus dem flachen Liegen in die Sitzstellung ohne Hilfe der Arme bringt, oder daß man den Bauch einige Male stark nach innen zieht und wieder nach vorn stößt, Liegen auf den Knien und Ellenbogen oder platt auf dem Leib tun das Ihre. Gesellt sich dazu eine den Verhältnissen angepaßte Massage, so wird bis auf die Ausnahmen der Darmverengung durch Geschwülste, Narben und so weiter, man kann wohl sagen, stets die Behandlung glücken. Der gewohnheitsmäßige Gebrauch von Abführmitteln oder Klistieren dagegen führt mit ziemlicher Sicherheit eine Verschlimmerung der Beschwerden herbei.

Die Wasserklistiere dehnen die untern Darmpartien aus, stumpfen auch ihre Reizbarkeit ab, so daß ihre Zahl und Menge gesteigert werden müssen, schließlich ohne Erfolg. Schlimmer noch sind die Abführmittel. Sie verwöhnen den Darm. Er ist an sich zur Trägheit geneigt; wenn er nun merkt, daß täglich durch irgendeine Wunderpille ihm die schwierige Mühe abgenommen wird, daß er mit Hilfe dieses Zaubers in acht Stunden erledigen kann, wozu er sich sonst ein bis zwei Tage abarbeiten mußte, dann faulenzt er und tut von selbst gar nichts mehr, genau wie ein Junge, der zu viel geprügelt wird, ohne den Stock nicht mehr arbeitet. Eine lange Zeit hegen dann die Kotmassen und die Darmgase irgendwo unbeweglich fest, drücken auf die benachbarten Organe, Nerven und Blutgefäße und richten schon so allerlei Unheil an. Vor allem befördern sie Vorgänge, die unter dem Namen der Selbstvergiftung, der Autointoxikation in den letzten Jahren viel von sich reden machen.

Dabei stellt man sich vor, daß aus dem Darminhalt Fäulnisprodukte aufgesogen werden, in die Blutbahn gelangen und Vergiftungserscheinungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen und so weiter herbeiführen. An und für sich sollte man denken, daß aus den faulenden Massen im Darm fortwährend Giftstoffe in den Körper übergehn müßten. Warum das nicht der Fall ist, darüber wird man sich wohl noch einige Zeit den Kopf zerbrechen müssen. Bisher weiß man es nicht. Man behauptet aber, daß durch Stuhlträgheit derartige Selbstvergiftungen herbeigeführt würden. Das ist nicht richtig. Nur etwa in den ersten zwei Tagen der Verstopfung treten solche Erscheinungen auf, und auch nur dann, wenn der Darm durch unzweckmäßiges Essen oder durch Arzneimittel gereizt war. Läßt man der Verstopfung ihren Lauf, so verschwinden etwa vom dritten Tage an die Anzeichen der Selbstvergiftung. Das ist auch verständlich. Die Darmwand ist so eingerichtet, daß sie die Flüssigkeit des Darminhalts möglichst aufsaugt, so daß die Kotmassen um so fester werden, je länger sie in dem Darm bleiben. Da die Darmwand aber im allgemeinen keine festen Stoffe aufsaugt, sondern nur solche, die in der Flüssigkeit gelöst sind, so hört mit dem Härterwerden des Kots die Aufnahme der Fäulnisgifte von selbst auf.

Ganz anders verlaufen die Dinge, wenn dauernd Abführmittel gegeben werden. Dann wird der Darminhalt ungenügend ausgetrocknet, er kommt in breiigem oder gar flüssigem Zustande in die untern Darmabschnitte, wird dort durch die heftigen Bewegungen des gereizten Darms durcheinandergeschüttelt, so daß sich recht viele Fäulnisbestandteile in der Flüssigkeit lösen, ähnlich wie sich das Salz in der Suppe rascher löst, wenn sie umgerührt wird. Diese untern Darmpartien haben aber gerade die Aufgabe, Flüssigkeiten aufzusaugen. So ist es erklärlich, daß die Erscheinungen der Selbstvergiftung durch das gewohnheitsmäßige Einnehmen verschlimmert werden. Auch die Bildung von Fäulnisgasen wird durch die künstliche Beschleunigung der Darmtätigkeit gesteigert, da weder den Verdauungssäften noch den Darmbakterien genügend Zeit gelassen wird, dagegenzuwirken. Das Gefühl des Vollseins, dessentwegen so häufig irgendein Stuhlmittel genommen wird, verschwindet vielleicht für den Augenblick, kehrt aber sehr rasch wieder, da es nicht durch Speisereste, sondern durch die Luft im Bauche, durch den aufgetriebnen Bauch hervorgerufen wird.

Besonders unangenehm wird das alles, wenn die Abführmittel nicht alle Kotmassen heraustreiben, wenn in irgendeiner Ausbuchtung des Darms Kot liegen bleibt. Das kommt verhältnismäßig oft vor, namentlich dort, wo der Darm rechts an der Leber vorbeiläuft; dann haben die Kranken allerdings regelmäßige Entleerungen, sind auch sehr stolz darauf, aber der zurückgebliebne Kot, der die eilige Fahrt durch den Darm nicht mitgemacht hat, macht es sich in seiner Ecke behaglich, dickt sich ein und wächst allmählich durch Stückchen, die an ihm hängenbleiben. Dann kommt es mitunter zu den seltsamsten Dingen. Zuweilen versperrt der Kotballen eines Tages die Passage ganz. Die bedrohlichsten Erscheinungen, abnorm hohes Fieber, unstillbares Erbrechen, plötzlicher Verfall der Kräfte treten auf, und es dauert nicht lange, so liegt der Kranke unter dem Messer, das ihm den Bauch aufschneidet; damit ist man heutzutage in der Ära der Blinddarmentzündungen und Bauchoperationen rasch bei der Hand. Oder der Kotballen wird von außen fühlbar, man hält ihn für eine Krebsgeschwulst, und wieder kommt das Messer. Oder – und das ist das häufigste – es lösen sich von dem festen Klumpen hie und da Stücke ab und geraten in den Abführbrei. Dort werden die in ihm konzentrierten Giftstoffe ausgelaugt, sie kommen in den Kreislauf und führen in unregelmäßigen Zeiträumen gefährliche Vergiftungen herbei. Unter Umständen werden dadurch schwere organische Erkrankungen, ja selbst Geisteskrankheiten vorgetäuscht. Setzt sich nun gar der ganze Kloß in Bewegung, entweder zufällig oder nach einer vernünftigen Behandlung, dann geht es selten ohne stürmische und besorgniserregende Vorfälle ab. Der Körper wird plötzlich mit Giften überschwemmt, und Arzt und Kranker sind dankbar, wenn sie es glücklich überstanden haben.

Ich muß hier noch ein Wort über den Verstopfungswahnsinn einschalten, ein Leiden, das in erstaunlichem Maße verbreitet ist und das man unter dem Sammelnamen Nervosität, Neurasthenie, Hysterie und so weiter unterzubringen pflegt. Unter dem Einfluß der falschen Vorstellung, daß ein jeder täglich Entleerungen haben müsse, ist es Erziehungsgrundsatz geworden, den Kindern von früh ab einzuprägen: ihr müßt täglich Stuhlgang haben, sonst werdet ihr krank. Nun, es ist gewiß sehr zu billigen, wenn Eltern außer den Experimenten zur Charakterbildung auch das leibliche Wohl ihrer Kinder im Auge behalten, ihre Funktionen überwachen, und es ist sogar wünschenswert, daß sie den kleinen Fressern gelegentlich, etwa nach Weihnachten oder nach den Geburtstagen, den Bauch mit Sennesblättern oder Rizinusöl ausfegen. Aber die tägliche stereotype Frage: hast du etwas gemacht? mit dem darauffolgenden Stirnrunzeln: Du mußt alle Tage aufs Klosett gehn, sonst wirst du krank, frißt sich nach und nach so tief in die Seele ein, daß sie zum Bestand des Menschen wird und ihn durch das ganze Leben begleitet. Nur fällt später der Nachdruck nicht mehr auf die Frage, sondern auf die Ergänzung: nun werde ich krank. Und dann geht der Blödsinn des Abführens los mit allen seinen Folgen, und jeden Morgen läuft solch ein mißratnes Geschöpf elterlicher Angst ein paarmal auf den Abtritt, um zu probieren. Ja, da lacht man. Aber es ist durchaus nicht zum Lachen. Man sehe sich nur im Verwandten- und Bekanntenkreise um, da wird man bald einen oder eine finden, deren Gedanken und dringende Wünsche stündlich zum Klosett eilen, ja manch einem kommt dieser begehrenswerte stille Ort stunden- und tagelang nicht aus dem Sinn, und das wird dann weiter auf Kind und Kindeskind vererbt; man kann ganze Geschlechter hindurch die Verstopfungsnarrheit verfolgen. Nichts ist ja ansteckender als die Angst. Man sollte öfter, als es geschieht, des Unheils gedenken, das durch unsre übertriebne Gesundheitsmacherei angerichtet wird. Die Gesundheit ist durchaus nicht das beste Gut des Menschen, im Grunde genommen ist sie etwas Nebensächliches, wie denn Geschichte und tägliches Leben uns lehren, daß Krankheit große Leistungen nicht ausschließt; und auf die Leistung des Lebens kommt es an. Mut, Selbstvertrauen sollten die Kinder lernen, aber wie sollen sie das wohl bekommen, wenn Mama sich täglich die Zunge zeigen läßt, in den Hals guckt und die Klosettfrage stellt? Auf die Weise züchtet man die Angst, und davon haben wir wirklich genug in unsrer hochkultivierten Welt.

Freilich, man braucht deshalb nicht in das andre Extrem zu fallen und so zu tun, als ob Darm und Entleerung überhaupt nicht vorhanden wären. In dieser Beziehung sind die Männer auch wieder bevorzugt. Niemand hindert die Knaben, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen. Aber die armen Mädchen werden von Müttern, Erzieherinnen und Freundinnen methodisch dazu abgerichtet, so zu tun, als ob sie nur aus Kopf, Hals, Armen und allenfalls noch Füßen beständen; was dazwischen liegt, das ist von Übel. Wird solche unkeusche Keuschheit gelehrt oder auch nur geduldet, so kann man sich nicht wundern, wenn die Mädchen bleichsüchtig und die Frauen unterleibskrank werden; sie wollen und müssen durchaus beim Gang zum Stuhle unbemerkt bleiben, und da das nicht immer geht, so vergewaltigen sie die Natur, verpassen die Gelegenheit und behalten lieber ihren Kot, die Fäulnisgase und allen Schmutz tage- und wochenlang bei sich.

Ich erwähnte vorhin schon, daß dagegen nichts einzuwenden ist, gelegentlich ein Abführmittel oder ein Klistier, sei es nun als Wasser-, Kamillentee-, Öl- oder Glyzerinklistier, zu geben, um die Gedärme reinzufegen. Ja unter Umständen muß man das ein paar Wochen fortsetzen, nur eben irgendwann soll man aufhören. Rechtzeitiges Purgieren wirkt Wunder. Die tausendfachen Magenverstimmungen verlangen eine Reinigung des Verdauungskanals, Rizinusöl und Wassersuppe. Namentlich bei Kindern verschwinden oft die schwersten Fiebererscheinungen im Handumdrehen auf eine gute Portion eines Abführmittels hin, und die meisten Mütter versuchen es auch erst damit, ehe sie zum Arzt schicken; aber häufig bestehn dabei gar keine Verstopfungen, viel eher Erbrechen und Durchfälle, die sichern Zeichen, daß irgend etwas im Darm ist, was der Bauch gern los sein möchte. Denn genauso wie der Körper sofort durch Husten sich zu helfen sucht, wenn dem Menschen etwas in die falsche Kehle geraten ist, wenn er sich verschluckt hat, so bestrebt sich der Verdauungsapparat, falls er in Speise und Trank oder sonstwie gefahrbringende Stoffe bemerkt, sie nach oben oder unten zu entleeren; bekannt ist das ja bei allen Vergiftungen, aber auch der sogenannte verdorbene Magen pflegt sich zunächst von aller Last zu befreien. Da die gute Absicht der Natur, die sich in Erbrechen und Durchfall kundgibt, durchkreuzen, die Diarrhöe etwa mit Opium stillen, ist verkehrt. Im Gegenteil, wenn irgendwo, ist hier ein Abführmittel angebracht. Und wiederum ist es zweckmäßig, den gewaltsamen Entleerungen eine mehr oder weniger lange Fastenzeit folgen zu lassen, damit die allzu früh gereichte Nahrung den aufgeregten Darm nicht von neuem beleidige.

Häufig ist auch die seltsame Erscheinung, daß Verstopfungen mit Diarrhöen wechseln; es stecken dann gewöhnlich alte Speisereste im Darm, die sich oberflächlich erweichen, allerlei Verwesungsstoffe dem Darminhalt beimischen und dadurch die Schleimhaut reizen und zur vermehrten Wasserabsonderung und Bewegung anregen. Eine starke Diarrhöe ist die Folge davon. Dabei werden die obersten Schichten, die die Quelle der Vergiftung sind, von den vorbeifließenden Massen mit fortgerissen, ältere und härtere Schichten kommen an die Oberfläche, die ihr Gift nicht so leicht abgeben, die Diarrhöe kommt zum Stehn, und an ihre Stelle tritt Verstopfung, und so geht es weiter. Selbstverständlich muß man auf irgendeine Weise die alten Reste herausschaffen. Mit dem Abführmittel allein ist es da nicht getan, obwohl es meist unentbehrlich ist. Da kommen die erweichenden Einlaufe, namentlich solche von Olivenöl oder Seifenwasser in Betracht, während man gleichzeitig durch verständiges Kneten des Leibes die alten Massen aus ihren Schlupfwinkeln herauszutreiben versucht.

Eine besondre Bedeutung unter den diarrhöischen Darmerkrankungen haben die Brechdurchfälle der Kinder. Es ist ja bekannt, daß ihnen jährlich Tausende und Abertausende zum Opfer fallen, man weiß auch männiglich, daß die Gründe zu dieser in Wahrheit schlimmsten Seuche unsrer Zeit in der unzweckmäßigen Ernährung der Säuglinge liegen. Hier ist nun wirklich einmal ein Gebiet, wo Prophylaxe, Verhütung der Erkrankung not tut, wo sie große Wirkungen hervorbringt. Die Hauptschuld liegt an der künstlichen Ernährung mit Kuhmilch oder allerlei Ersatzmitteln für die Muttermilch. Verzeihung für den Ausdruck Ersatzmittel. Es gibt nichts, was die Muttermilch ersetzen kann, und ein Kind, das nicht an der Mutterbrust aufwächst, ist von vornherein einer schweren Gefahr ausgesetzt.

Mit ihrer ganzen Kraft und Energie treten seit Jahrzehnten die Ärzte dafür ein, daß der Säugling zunächst mit der Milch der Mutter genährt werden soll; Tausende und Tausende von ihnen tragen diese Lehre immer wieder in das Volk hinein, mit wachsendem Erfolge, immer wieder und wieder treten sie bittend, mahnend und warnend an den Staat heran, daß er helfe. Aber der Staat stopft sich die Ohren zu. Er bildet sich ein, er könne nicht helfen und dürfe nicht helfen. Nun, vielleicht ist es wahr, daß er die Mütter nicht zwingen darf, ihre Pflicht zu tun, obwohl ein solcher Zwang tausendmal entschuldbarer wäre als so mancher andre, den er ohne Gewissensbisse ausübt. Aber das wird auch gar nicht von ihm verlangt. Was die Ärzte und unter ihrer Führung alle, die es ehrlich mit unserm Lande und unserm Volke meinen, verlangen, ist, daß den Müttern erlaubt wird, ihre Kinder zu stillen. So lange Millionen von ihnen infolge der unzureichenden Erwerbsquellen der Männer gezwungen sind, von früh bis spät zu arbeiten, mangelt der Frau einfach Zeit und Gelegenheit, dem Kinde die Brust zu geben. Hier kann der Staat helfen und hier muß er helfen, und wenn er in seiner Angst vor Revolutionen nicht fähig ist, das Übel mit der Wurzel auszurotten, das heißt jedem Deutschen die Möglichkeit einer Existenz zu geben, so soll er wenigstens die Mütter dafür, daß sie ihm Bürger gebären, bezahlen; dafür kann er ja die Form der Zwangsversicherung wählen, die er so liebt und die er so falsch anwendet. Das wäre selbst für ihn nicht allzu schwierig, nachdem private Tätigkeit ihm die Wege mit den Mutterschaftskassen und den Stillgeldern gewiesen hat. Tut er es nicht, und zwar etwas rasch, so kann es ihm passieren, daß er an Entkräftung stirbt. Und wie lange soll es noch dauern, bis in den Milchhandel Ordnung gebracht wird? Es ist doch bei dem steten Sinken der Bevölkerungszunahme keine gleichgültige Sache, ob jährlich Tausende von Kindern hinsterben, von denen die meisten gerettet werden könnten. Die Geschichte wird nicht sanft über unser Zeitalter urteilen, und sie wird recht darin haben.

Der Arzt kann die Welt nicht zwingen, ihre Pflicht zu tun, aber er kann wenigstens sagen, was bei diesem ungeheuerlichen Übel zu tun und zu lassen ist. Ein Kind, das am Brechdurchfall leidet, soll nichts zu essen und nichts zu trinken bekommen, absolut nichts, das ist die Grundregel. Jeder Tropfen, der in einen so erkrankten Darm hineinkommt, wird zu Gift und verschlimmert das Leiden. Man habe keine Angst. Ein Kind, das nicht ohnehin dem Tode verfallen ist, stirbt nicht daran, daß es einmal vierundzwanzig Stunden hungert und durstet. Wohl aber gewinnt der Körper auf diese Weise Zeit, seine Kräfte einzig und allein auf die Heilung des Darmleidens zu verwenden. Man hängt leider immer noch viel zu sehr an der Gewohnheit, jedem Kranken möglichst Nahrung einzuflößen, in der Annahme, man könne damit die Kräfte erhalten. Aber alles zu seiner Zeit. Im Grunde genommen kommt es ja nicht darauf an, daß der Mensch ißt, sondern daß er das, was er ißt, für seinen Körper ausnützt. Während der stürmischen Erscheinungen des Brechdurchfalls ist jedoch der Darm nicht fähig, auch nur das geringste für den Körper auszunutzen. Im Gegenteil, jeder Tropfen Flüssigkeit, jedes bißchen Nahrung bringt nur neues Erbrechen, neue Diarrhöe hervor; es heißt geduldig abwarten, bis ein wenig Ruhe eingetreten ist. Trockne Hitze, feuchte Wärme unter dem Prießnitzverband, Breiumschläge, Kamillenteeumschläge und ähnliche Dinge können verwendet werden.

Sind etwa drei Stunden ohne neue Entleerungen verstrichen, so versuche man dem Kinde einen Teelöffel heißen Wassers einzuflößen. Behält es das bei sich, so mag man nach einer Stunde einen zweiten Teelöffel geben und dann nach und nach öfter, alle halbe Stunde, alle viertel Stunde. Je geringer die Menge ist, die zur Zeit gereicht wird, um so besser. Sobald von neuem Erbrechen kommt, müssen die Pausen verlängert werden oder gar mit dem Wasserreichen für einige Stunden ganz aufgehört werden. Irgend etwas andres als Wasser zu geben, ist ganz zwecklos, ja sogar gefährlich. Wasser stellt die geringsten Anforderungen an die Kraft des Darms. Und daß es heiß sein soll, hat seinen Grund darin, daß die Hitze einmal das beste Beruhigungsmittel für den aufgeregten Darm ist, und dann, daß ein heißes Getränk besser den Durst löscht und die Lebensgeister anfacht als ein kaltes.

Bei dem heißen Wasser kann man und soll man eine Zeitlang bleiben. Der menschliche Körper, auch der kindliche, kann lange Tage ohne Schaden jede Nahrung entbehren, wenn ihm nur Wasser zugeführt wird. Alles: Eiweiß, Kohlehydrate, Fette, Salze kann der Körper aus seinen eignen Beständen sich verschaffen oder er kann den Verbrauch vollkommen einstellen, Wasser aber muß ihm zugeführt werden. Die Vorräte, die er davon hat, sind bald erschöpft, da mit jedem Atemzuge, mit jeder Entleerung, mit jeder Zeitspanne der Körperausdünstung Wasser verlorengeht. Und da der Organismus zu Dreiviertel aus Wasser besteht, so ist es klar, daß der Mensch zugrundegehn muß, wenn ihm längre Zeit die Wasserzufuhr abgeschnitten wird. Jede Mutter weiß ja auch, daß Wasser das einzige unentbehrliche Nahrungsmittel ist und daß Milch für das Kind nicht unentbehrlich ist, da nach der Geburt ziemlich lange Zeit verfließt, ehe ihm überhaupt Milch gegeben wird. Was man dem Neugebornen nicht zumutet, sollte man dem Schwerkranken erst recht nicht zumuten.

Für die Behandlung der chronischen Durchfälle gilt im allgemeinen derselbe Grundsatz, den ich eben für den Brechdurchfall anführte: man soll den kranken Darm so wenig wie möglich belasten, ihm so wenig wie möglich Arbeit zumuten. Allerdings muß man sich dabei klar sein, daß die chronischen Diarrhöen, noch häufiger als die akuten, Folgeerscheinungen andrer Störungen im Organismus sind und durch Veränderungen der Ernährungsweise nicht beseitigt werden; eine Reihe der schwersten Allgemeinerkrankungen, beispielsweise die Tuberkulose, gehn mit Abweichen einher, Zirkulationsstörungen im Bauchkreislauf, vor allem auch psychische Läsionen haben Diarrhöen im Gefolge. Auch in den chronischen Fällen ist absolute Entziehung aller Nahrung, der festen wie der flüssigen, das begehrenswerte Mittel der Behandlung. Nur läßt sie sich selten durchführen. Man ist gezwungen, Nahrung zu geben, auch ist die Nahrungsaufnahme längst nicht so schädlich wie bei den rasch verlaufenden akuten Diarrhöen. Man muß dann sehn, die Anforderungen an den Darm auf andre Weise herabzudrücken, etwa so, daß man eine Zeitlang immer nur eine Speise reicht, wie es bei der reinen Milchdiät gemacht wird; es braucht aber durchaus nicht Milch zu sein, unter Umständen ist eine ausschließlich Fleischnahrung oder Käsenahrung oder Brotnahrung oder Gemüsenahrung oder Suppennahrung ebenso und besser wirksam, es kommt dann nur darauf an, daß es ein und dasselbe Fleisch, ein und dieselbe Suppe, ein und dasselbe Gemüse, ein und dasselbe Obst ist.

Muß man sich auf eine längere Dauer der Behandlung gefaßt machen – und das ist häufig der Fall –, so muß Abwechslung in den Speisezettel gebracht werden. Dann soll man aber jede Speise für sich geben, so daß immer nur eine Sache zur Zeit in den Magen kommt, etwa in der Weise, daß zunächst Fleisch genossen wird, ein oder zwei Stunden darauf Gemüse und wieder nach einer Pause Obst oder Käse oder Eier und so weiter. Natürlich muß dabei auch das Essen vom Trinken getrennt werden, eine Maßnahme, die in der Behandlung oft eine große Rolle spielt. Die Auswahl der Speisen hat dabei viel weniger Bedeutung, als man gemeinhin glaubt. Man kann meist unbeschadet Dinge geben, die als abführend verrufen sind, während einen andrerseits die bekannten stopfenden Speisen häufig im Stich lassen. Die einzelnen Mengen, die Art und Zeit der Darreichung und Zubereitung, das Kauen und langsame Essen und Trinken, kurz das Wie der Ernährung sind vor allem zu beachten, wie denn für jede Behandlung, Arzneimittel, Bäder, Elektrizität, Massage, Bewegung, Diät und so weiter der Fundamentalsatz gilt: nicht darauf kommt es zuerst an, was für ein Mittel verordnet wird, sondern wie das Mittel verwendet wird. Man kann fast immer ein Mittel durch das andre ersetzen, keins ist unbedingt das richtige und einzig mögliche, aber in der richtigen Weise muß jedes gebraucht werden.

Meine gewissenhaften Leser werden es vielleicht seltsam finden, daß ich, da ich zunächst von den Entleerungen statt von der Nahrungszufuhr gesprochen habe, diesen Abschnitt von der Ernährung am verkehrten Ende angefangen, gewissermaßen das Pferd am Schwanz aufgezäumt habe. Das hat aber seinen besondern Grund. Ungeduldige Leser und solche, die etwas von der Sache verstehn, pflegen vieles in den Büchern zu überschlagen. Will man sie dazu bringen, alles zu lesen, oder wenigstens den größten Teil – und welcher Autor wünschte das nicht –, so tut man gut, ihnen zunächst irgend etwas aufzutischen, wofür sie sich interessieren, sie sozusagen mit einem Köder in die Falle zu locken. Dann ist allenfalls Aussicht, daß sie auch die langweiligen Stellen mitnehmen. Wenn ich mit Fett, Kohlehydraten, Eiweiß, Kalorien und ähnlichen Dingen angefangen hätte, so würde gewiß einer oder der andre gedacht haben: das weiß ich längst und weiß es besser, womit er vielleicht nicht unrecht hat. Bei dem Wort Verstopfung horcht aber ein jeder auf, denn ein jeder hat entweder am eignen Leibe seine Erfahrungen gemacht, oder er leidet mit unter den Verdauungsverhältnissen seiner Umgebung; man glaubt gar nicht, was für ein ergiebiger Unterhaltungsstoff das ist. Wer sich aber erst in ein Kapitel hineingelesen hat, der nimmt auch ein paar Seiten gründliche Langeweile mit, ehe er mit dem Überschlagen beginnt. Ich gedenke jetzt nachzuholen, was ich versäumt habe, allerdings möglichst kurz.

Wenn man an einem Spezereiwarengeschäft vorübergeht und sieht dort im Schaufenster all die tausend Waren liegen, oder wenn man in einem Bierpalast die Speisekarte betrachtet, sollte man denken, es gäbe zahllose Arten von Ernährungen für den Menschen. Geht man jedoch der Sache auf den Grund, so stellt sich heraus, daß der Körper von all diesen Herrlichkeiten nur sehr wenig für sich gebraucht, daß er aus der Masse der Speisen lediglich ein paar Stoffe herausnimmt. Ich sagte schon, er verliert fortwährend Material, das muß er ersetzen, häuft es wohl auch in den Vorratskammern seines Innern an. Im wesentlichen ist der Mensch zusammengesetzt aus Wasser, Eiweißstoffen, Fetten, Kohlehydraten und ein paar Salzen. Für seine Verbrennungsarbeit braucht er dann noch Sauerstoff. Mit diesen wenigen chemischen Substanzen baut er die verschiedensten Formen und Organe auf, das Auge so gut wie den Nagel der kleinen Zehe, Herz, Nieren und Hirn, Knochen und Haut, kurz alles und jedes. Diese wenigen Substanzen sind auch die einzigen, die er aus alledem auswählt, was wir in den Magen hineinbringen. Seine Ernährung ist also im Grunde genommen sehr eintönig. Zunge und Gaumen, Magen und Darm verlangen Abwechslung in den Mahlzeiten und verweigern sogar das Rebhuhn auf die Dauer. Aber der Körper selbst kümmert sich um all diese Finessen nicht, er läßt sich vom Darm den Fasan und die Schnepfe zu genau demselben menschlichen Eiweiß zurechtkochen wie etwa den Limburger Käse oder den Salzhering. Die schönste Ananaserdbeere, die Artischocke, selbst die Trüffel opfert dieser gefühllose Darm in seiner Barbarei denselben Zwecken wie das gemeinste Schwarzbrot, der Bildung von Zucker. Ob der Mensch die frischeste Tafelbutter der Welt auf das Brot streicht oder Margarine, ob er Tran oder selbst Talglichter ißt, das ist dem Körper ganz gleichgültig; aus allem macht er dasselbe Menschenfett. Und auch am Kaffee, am Tee, der Schokolade und dem Bier ist ihm das wesentliche der Wassergehalt. Allerdings hat er eine bedenkliche Vorliebe für das Naschen, bedenklich deshalb, weil er sich als Leckerbissen bestimmte Gifte aussucht wie den Alkohol, das Koffein, Arsenik, allerlei Fleisch- und Pflanzengifte. Aber das interessiert uns hier bei der Ernährungsfrage nicht.

Die grundlegende Tatsache ist, daß unsre Speisen, wenn sie dem Körper zugute kommen sollen, nicht nur von der Köchin zubereitet werden müssen, sondern vom Darm in bestimmte Formen umgewandelt werden müssen. Das ist ein komplizierter Vorgang, über den wir noch immer nicht volle Klarheit erlangt haben, der sehr große Anforderungen an die Arbeitskraft der Eingeweide stellt, weshalb es eigentlich ungerecht ist, vom faulen Bauch zu reden. Nicht minder setzt dieser Vorgang eine scharfe Beobachtungsgabe und einen nicht unerheblichen Verstand des Darms voraus, so seltsam das auch klingen mag. Wir Menschen sind leider sehr oberflächliche und hochmütige Gesellen und erkennen die Arbeit nur an, wenn sie sich wie bei den Möbelträgern durch trinkgeldhungriges Keuchen bemerkbar macht, und Verstand pflegen wir bloß uns selbst zuzutrauen. Aber es wäre doch nützlich, einmal darüber nachzudenken, was aus dem Menschen würde, wenn der Bauch nicht fleißiger und weiser wäre als sein Träger. Das beweist schon eine flüchtige Betrachtung dessen, was der Mensch zu seiner Ernährung tut und was der Bauch zu demselben Zwecke ausführt. Vor uns steht der gedeckte Tisch; nehmen wir an, es ist ein gut bürgerliches Essen aufgetragen, etwa Fleischbrühe, Braten, Kartoffeln, Gemüse, Kompott, Brot, Butter und Käse. In diesem Menü ist alles enthalten, was der Körper braucht, Eiweiß, Fette, Kohlehydrate, Wasser, Salze und so weiter. Nur, und das ist wichtig, diese Stoffe sind in allen möglichen Hüllen fest verpackt und mit einer Menge unbrauchbaren Materials umgeben, etwa wie das Erz in dem Gestein. Will man das gewinnen, so muß man die Massen zerkleinern und das Erz aus dem Gestein herauslösen. So müssen auch die Speisen gründlich zerkleinert werden, da sonst die Verdauungstätigkeit gar nicht bis zu den verkapselten Nahrungsstoffen vordringt. Aus der Masse der zerriebnen und zermahlnen Speisen muß der Darm dann das, was für den Körper notwendig ist, durch fortwährendes Durchspülen herauswaschen, etwa wie das Gold in der Wäscherei vom Sande geschieden wird. Ist das geschehn, so müssen die Nahrungsstoffe in eine flüssige Form gebracht werden, damit sie in den Körper eindringen und von den kreisenden Säften zu den verschiednen Organen gebracht werden können. Und schließlich müssen sie in ihrer chemischen Beschaffenheit so geändert werden, daß sie Bestandteile des Menschen sind, sie müssen vermenschlicht werden, es muß, wie ich oben sagte, aus dem Eiweiß des Hühnereis oder der Milch Menscheneiweiß bereitet werden, aus dem Hammeltalg oder der Pflanzenbutter Menschenfett.

Das Zerkleinern, das Herbeischaffen der Flüssigkeit zum Spülen, das Auswaschen selbst, das Umwandeln mittels verwickelter chemischer Hilfsmittel, das Aufsaugen in richtigem Mengen- und Zeitverhältnis, das alles zusammengenommen ist doch wohl ein tüchtiges Stück Arbeit, die viel Fleiß, Geschick und Intelligenz erfordert. In unsre gewerbliche Tätigkeit übertragen brauchte sie ein ganzes Laboratorium und einen so hervorragenden Chemiker, wie ihn die Welt noch nicht hervorgebracht hat; denn es ist bisher niemandem gelungen, das, was der Darm täglich und stündlich vollführt, ohne daß er irgendeinen Preis oder Titel dafür bekommt, nachzuahmen.

Ja gewiß, der faule Bauch tut das alles, der Mensch selbst, dieser Gipfel der Intelligenz, tut so gut wie nichts dabei, und wenn er etwas tut, so ist es im Grunde genommen eine ziemliche Dummheit. Seine Arbeit besteht darin, daß er sich zu Tisch setzt, mit Messer und Gabel Braten, Gemüse und so weiter etwas zerschneidet, die Bissen in den Mund steckt, kaut, einspeichelt und hinunterschluckt. Mehr kann er nicht tun, alles andre muß er ratlos und hilflos so geschehn lassen, wie es der Darm für richtig befindet; hat er erst einmal den Bissen verschluckt, so entzieht sich der Vorgang völlig seiner Macht, dann kann er nichts mehr dazu und nichts davon tun. Bei Lichte betrachtet ist das, was der Verstand des Menschen für seine Ernährung tut, nichts weiter als der grobe Dienst eines Handlangers, der das Material herbeischleppt. Die einzige Arbeit, die ihm sonst noch von der Natur anvertraut wird, ist, das Material ein wenig durch Kauen zu zerkleinern, was etwa die Intelligenz eines Steinklopfers voraussetzt. Aber die Natur hat sich dabei als mäßige Menschenkennerin erwiesen, denn selbst für diesen Tagelöhnerberuf sind die meisten unbrauchbar. Sie kauen schlecht, sei es nun, daß sie zu faul sind oder geistig zu hoch stehn, zu gebildet sind. Sie schlingen, als ob sie zur Familie der Hühnerhunde oder Riesenschlangen gehören, und dann, wenn die groben Bissen schwer wie Steine im Bauch liegen, schelten sie noch auf den lieben Gott, daß er ihnen solch schwachen Magen gegeben hat.

Aber selbst wenn es sich um einen guten Menschen handelt, der die richtige Andacht zum Essen mitbringt, der – wie man zu sagen pflegt – mit Verstand ißt, auch solch einer bringt nur dummes Zeug zustande. Er löffelt seine Suppe, kaut Fleisch und Gemüse, Obst, Brot und Käse und trinkt ein paar Glas Wein dazu, alles ohne auch nur einen Moment daran zu denken, wie schwer er es damit seinen Verdauungsorganen macht. Er nennt das ein einfaches, bekömmliches Essen. Nun, ihm macht es ja auch keine Mühe weiter, aber noch ehe der erste Bissen zum Munde geführt ist, werden eine solche Menge Kräfte in Bewegung gesetzt, daß es schier wunderbar ist.

Zunächst fangen Auge und Nase an zu arbeiten; sie taxieren die Menge und Art der Speisen, denn der Darmkanal muß alles zum Empfang der Nahrung vorbereiten, er ist ein sparsamer Hausvater, der genau wissen will, auf wieviel er sich einzurichten hat. Aus langer Erfahrung kennt er es, daß er für eine Scheibe Fleisch von dem und dem Verdauungssaft – es stehn ihm mehrere zur Verfügung – so und so viele Tropfen braucht, für ein Stück Brot so und so viel von einem andern Saft und für eine Birne wiederum eine andre Menge, und da er nicht geneigt ist, von seinen mühsam hergestellten Präparaten mehr abzugeben, als recht und billig ist, auch nicht weniger, um nicht ein Knauser genannt zu werden, so hat er mit den Sinnesorganen und dem Appetit Abmachungen getroffen, daß die ihm Nachricht über die Menge, Art und Folge der Speisen geben.

Das alles ist buchstäblich zu verstehn, so wie ich es hinschreibe. Man hat die Experimente an Hunden gemacht und herausgefunden, daß immer nur die Art und Menge Verdauungssaft abgesondert wird, die gerade auslangt, um die eingeführte Nahrung zu bewältigen, so daß beispielsweise ganz andre Verdauungsvorbereitungen getroffen werden, wenn dem Hunde ein Stück Wurst vorgehalten wird, als wenn man ihm ein Stück Zucker hinwirft. Das ist doch wahrlich kein Kinderspiel, sondern ein recht verwickeltes Kunststück.

Nun bedenke man aber einmal, was der gute Mann mit dem gesunden Menschenverstand dem Bauch durch seinen einfach bürgerlichen Mittagstisch für unnötige Schwierigkeiten bereitet. Da müssen die Vorrichtungen nicht für ein Stück Wurst oder etwas Brot getroffen werden, sondern für Fleisch, Sauce, Blumenkohl, Kartoffeln, Salz, Obst, Butter, Käse, Brot. Es muß im Moment ein Rechenexempel von den wahrnehmenden Organen angestellt werden, an dem ein tüchtiger Chemiker eine Stunde zu tun hat, es muß dabei noch die seltsame Gewohnheit des Suppeessens berücksichtigt werden, die ja eine Menge Flüssigkeit in den Darm bringt, alle Säfte also von vornherein verdünnt, und schließlich muß ungefähr Durst und Laune des Mannes erraten werden, ob er wohl zwei oder vier Gläser in den Magen gießen wird. Das alles geschieht in dem Bruchteil einer Sekunde, denn schon ehe der verständige Mann noch die Serviette ausgebreitet hat, läßt der dumme und materialistische Körper das Wasser im Munde zusammenfließen, ein Zeichen, daß er seine Verdauungsarbeit mit Absonderung von Speichel begonnen hat. Und nun geht es in ununterbrochener Folge: so und so viel Labferment, so und so viel Pepsin, so und so viel Salzsäure; die Leber hat diese Menge Galle zu liefern, die Bauchspeicheldrüse jene Menge ihres Safts, für die Darmdrüsen bleibt das zu tun übrig; und die Wände sollen sich darauf einrichten, nachher so und so viel Eiweiß, Fett, Kohlehydrate, Salz und Wasser aufzusaugen. Sie sollen sich in acht nehmen, nicht zu eilig trinken, es ist Wein dabei; für die Fortschaffung der Reste hat sich die Darmmuskulatur bereitzuhalten. Ist es denn ein Wunder, wenn dem Organismus dabei Irrtümer unterlaufen, wenn er zu viel oder zu wenig absondert? Nein, daß der Irrtum so selten vorkommt, das ist ein Wunder. Schon beim ganz gewöhnlichen Essen, das er auswendig kennt, kann es passieren, daß ihm mitten in die schönste Verdauungsarbeit noch ein nachträgliches Glas Wein oder Wasser in den Magen geschüttet wird. Da hat er dann alle Kräfte anzustrengen, um rasch noch ein paar Tropfen Saft zu liefern, da ihm sonst alles verwässert ist. Aber was kann er wohl mit Gerichten anfangen, die er nur mangelhaft oder gar nicht kennt, etwa mit Champignons oder Marzipan oder Schwalbennestern? Man weiß wirklich nicht, was soll man mehr anstaunen, den großartigen Apparat der Verdauung, der alle Aufgaben löst, oder die aufgeblasne Narrheit des Menschen, der alles als selbstverständlich hinnimmt und dabei von Einfachheit spricht. Ich will durchaus nicht den Prediger in der Wüste spielen und den Menschen Heuschrecken und Honig und das härene Gewand anraten. Im Gegenteil, die Fähigkeit, Speise und Trank bewußt zu genießen, gehört nach meiner Meinung zum Begriff des harmonisch ausgebildeten Menschen. Wem das Herz nicht aufgeht vor einem Glas edlen Weins, beim Anblick einer Gänseleberpastete oder eines ausgesucht schönen Apfels, wer das nicht als eine Lebensfreude empfindet, der kann mir gestohlen bleiben. Und wen man wacker zugreifen sieht, von dem weiß man wenigstens, daß er nicht ganz schlecht ist, daß er sich zum mindesten etwas Kindlichkeit gerettet hat, mag er sonst noch so sehr vom Leben verdorben sein.

Tue, was deine Hand zu tun findet, das aber tue mit der ganzen Macht deiner Kraft, heißt es. Ein jeder sollte es sich ins Innerste prägen, daß Essen, Trinken, Schlafen, Gehen, Atmen nicht minder edle und wertvolle Beschäftigungen sind wie Bilder malen, Staaten regieren, Mikroskopieren oder Gedichte machen. So lange man malt, soll man es mit ganzer Seele tun, aber wenn man sich ausruhn will, soll man auch die Courage haben, wirklich alle Viere von sich zu strecken und faul zu sein. Wer schläft, schlafe mit Leib und Seele, tief und fest, wer atmet, atme mit Freuden, wer sieht, sehe scharf, ohne nach der Seite zu schielen oder vor Taschendieben auf der Hut zu sein, wer ißt, der esse auch wirklich ohne Sorge um gestern und morgen. Und auch die Ausschweifung, falls sie gelegentlich betrieben wird und nicht Gewohnheit ist, hat ihre Berechtigung, wie die Entbehrung. Der Mensch muß frei sein; ja, nur der hat das Recht, sich gesund zu fühlen, der ebenso frisch vierundzwanzig Stunden lang um und um zechen und schmausen kann, wie er etwa einen Tag lang durstet und hungert, ohne darunter zu leiden. Selbstbeherrschung? Man beginne mit seinen Gewohnheiten; wenige haben sie in der Gewalt.

Aber bei aller Anerkennung für den Wert des Essens erlaube man mir, die Bezeichnung einfach bürgerliches Essen lächerlich zu finden. Man vergesse doch nicht, daß der Taglöhner jetzt Leckerbissen auf dem Tisch hat, nach denen die Cäsaren Roms mit all ihrer Macht vergeblich verlangt hätten. Für die Gäste des sprichwörtlichen Schlemmers Lukullus war eine Schüssel Kirschen ein unglaubliches Wunder der Verschwendung, eine Stadt, in der gutes Weißbrot gebacken wurde, hatte Weltruf, kein Krümchen Zucker war im römischen Reiche zu haben, Zimt und Gewürze unerschwinglich für jeden, der nicht das Geld mit Scheffeln zählte, Kaffee, Tee, Bier, Kartoffeln kannte man nicht. Also spreche man nicht von einfachem Essen. Wozu sollte man auch wie im Altertum einfach, das heißt schlecht essen, wenn man es mühelos und kostenlos besser haben kann? Wir sind ja wohl allzumal Sünder, aber haben nicht allzumal Lust und Verpflichtung, Fastengelübde für alles, was gut schmeckt, abzulegen. Gesundsein heißt alles können und nichts müssen. Wer gesund ist, kann und soll essen, was und wieviel er will. Für ihn ist die Frage, ob etwas bekömmlich ist oder nicht, leicht oder schwer verdaulich, einfach oder raffiniert, ganz gleichgültig. Er verdaut zur Not auch Kieselsteine; er soll nicht einfach leben, sondern frei.

Aber nicht alle Menschen sind gesund, und wer krank ist, der muß sich gefallen lassen, daß die Schranken des Lebens für ihn enger sind, daß er einfach leben und, wenn er am Magen oder Darm leidet, sich einfach nähren muß. In dem Wort einfach liegt es schon drin, wie er das tun, am leichtesten tun kann. In einem Fach, in einer Speise zusammengepackt nimmt er die Nahrung zu sich, er ißt jede Speise für sich, einzeln, nicht vermischt mit andern, sondern immer nur eine Sache zur Zeit. Wenn er Fleisch ißt, so ißt er nur Fleisch, keine Sauce dazu, keine Kartoffeln, kein Brot, kein Gemüse dazu; er trinkt auch nicht zum Essen, sondern wartet eine geraume Zeit damit. Und nach ein, zwei, drei Stunden, je nach den Anforderungen der Sachlage, ißt er sein Gemüse, wieder nur Gemüse, und später nur Obst oder nur Käse oder nur Gurkensalat. Und die einzelne Menge, die man nimmt, sei nicht zu groß: denn je kleiner etwas ist, umso größer ist die Oberfläche, und je größer die Oberfläche ist, umso leichter dringen die Verdauungssäfte ein, die ja von allen Seiten angreifen. Deshalb ist es unter Umständen wünschenswert, ein Ei zu Schaum zu schlagen, ehe man es reicht, denn dadurch vervielfacht sich die Oberfläche; deshalb kann es wünschenswert sein, einen Löffel Griessuppe zehnmal im Munde herumzuwälzen, damit der Speichel des Mundes die Stärkekörner der Suppe gut durchdringt; deshalb ist es vor allem geboten zu kauen, zu kauen, zu kauen.

Aber bitte, wer gesund ist, überschlage doch all diese Seiten. Sie sind nur für Kranke geschrieben und haben für den Gesunden keinen Sinn; sie machen ihn höchstens ängstlich, und nichts ist mir widerwärtiger als ein Gesunder, der um seine Gesundheit bangt.

Die meisten unter meinen Lesern werden hier den Wunsch äußern, daß auch die Kranken nichts von meinen Ansichten hören oder wenigstens nicht darauf achten. Einem Menschen, der Magenkranken Gurkensalat empfiehlt, ist überall nicht zu trauen. Aber ich empfehle ihn nochmals und Radieschen auch, und Rettiche nicht minder, und Käse und Heringe erst recht, selbst eine Fischmayonnaise hat ihre guten Seiten. Wer aber Salz, Pfeffer, Essig und Senf liebt, der verzichte nur nicht darauf, ebensowenig wie auf Anis und Kümmel, sie sind ihm gut trotz aller altjüngferlichen Weisheit, und auf das Sprüchlein: Das vertrage ich nicht, gibt es nur eine vernünftige Antwort: Dann lernen Sie es vertragen.

In der Tat, wo nicht besonders verwickelte Verhältnisse eine Lebensgefahr bedingen, gibt es nichts, was der Magen- und Darmkranke nicht vertrüge. Idiosynkrasien kommen vor – etwa gegen Erdbeeren, Hummer, Krebse, Eier und so weiter –, aber dann handelt es sich nicht um Magenkranke, sondern um Leute, für deren Gesamtorganismus, meist infolge einer Blutgefäßerkrankung, diese Dinge Gift sind, deren Magen und Darmkanal aber vollkommen leistungsfähig sind. Alle andern haben nur ihren Bauch verwöhnt, und da muß ihnen gezeigt werden, daß ihnen alles bekommt. Und wenn sie ein Glas Milch nicht vertragen, so gebe man ihnen einen Eßlöffel oder meinetwegen auch nur fünf Tropfen, aber man gebe Milch, man gebe Gurken, wenn es auch nur ein Viertelscheibchen ist. Man erziehe den Darm! Wenn man den Menschen mit erzieht, umso besser. Aber nie, niemals lasse man sich durch das immer und immer wiederholte Angstgeschrei des Kranken, der sich schon im Grabe sieht, weil er irgend etwas Schwerverdauliches essen soll, zu der Antwort hinreißen: Dann lassen Sie es fort. Lieber jage man ihn, wenn er durchaus nicht gehorchen will, zum Tempel hinaus. Der Kranke kommt zum Arzt, um sich den Weg zur Genesung zeigen zu lassen. Der einzige Dank, den er für die Bereitwilligkeit des Arztes, ihm zu helfen, geben kann, ist Gehorsam, unbedingter, blinder Gehorsam. Oder glaubt wirklich jemand, daß man den Arzt mit Geld bezahlen könne? Darüber kann ich nur lachen. Für das, was wir tun, gibt es nur ein Entgelt: Vertrauen und Gehorsam.

Für die Abneigung gegen Gurken, Radieschen, Rettiche, Zwiebeln und so weiter führen die Kranken gewöhnlich an, daß ihnen danach aufstößt. Ja, das soll es gerade, das ist der Zweck der Sache. Luft wird mit jeder Speise verschluckt, im kranken Magen bilden sich eben in krankhafter Weise Gase. Sie dann zu lassen, ist ein Fehler, und man soll froh sein, daß es Speisen gibt, die den Magen zur starken Zusammenziehung bringen, so daß er die Gase wieder herausbefördert. Man fühle nur einmal den Bauch von solchen Leuten an, was sie für eine sonderbare Trommel mit sich schleppen. Oder man klopfe ihnen die Lungengrenzen ab, da wird man finden, wie hoch das Zwerchfell steht und wie Lungen und Herz dadurch beengt sind.

Will man durchaus etwas verbieten, so sei es die Kohlensäure und das Hinunterstürzen großer Wassermengen. Diese Kranken haben meist großen Durst und treiben den größten Unfug mit dem Trinken. Bei dem hastigen Gießen gerät eine Menge Luft mit hinunter, und außerdem befördert die Flüssigkeit im Magen die Zersetzungsprozesse, die Gasbildung. Man behauptet ja allerdings vielfach, die Luft im Magen käme nur oder hauptsächlich durch Luftverschlucken hinein. Das ist ganz gewiß falsch. Bei weitem die größte Menge der Darm- und Magengase bildet sich aus Zersetzungs- und Gärungsprozessen. Mit dem Teelöffel Flüssigkeit nehmen, das ist recht für Verdauungskranke. Die Kohlensäure bläht sie nur noch mehr auf, sie regt den Magen nicht zur Zusammenziehung an, sondern nur dann kommt ein wenig davon wieder nach oben, wenn der gespannte Magen sich nicht mehr weiter ausdehnen kann. Es versteht sich danach von selbst, daß das Nehmen von doppelkohlensaurem Natron eine recht verkehrte Maßnahme ist, die dadurch, daß sie so häufig verwendet wird, nicht vernünftiger wird.

Die Magen- und Darmgase haben eine außerordentliche Bedeutung für das Befinden des Menschen. Unsre Sitten wirken da geradezu gefährlich, da sie den Menschen nötigen, bei sich zu behalten, was heraus will. Aber der Kranke sollte sich außerhalb der Sitte stellen. Wenn man erst allgemein weiß, daß der abnorm aufgeblähte Darm durch die große Spannkraft und das Ausdehnungsbedürfnis der Gase die verschiedensten Erscheinungen hervorrufen kann, vom Alpdruck an bis zur fürchterlichsten Herzangst, bis zum rasenden Herzklopfen und zum Aussetzen des Pulses, daß Schlaflosigkeit, kurzer Atem, Ischias, das Heer der Gebärmutter- und Eierstocksleiden, Gallen- und Nierenkoliken, Schreibkrampf und Kopfschmerzen oft nur dadurch bedingt sind, wird man doch wohl verständig genug sein, die Sitte zugunsten der Genesung zu biegen. Es handelt sich ja um Kranke; Gesunde mögen sich den Anstandspflichten fügen.

Die Gasbildung im Darm ist an sich nichts Krankhaftes, hat vielmehr ihre besondern Aufgaben für das Leben des Menschen. Sie gibt recht eigentlich dem Bauche Form und Halt. Ganz abgesehn von der Schönheit des Leibes, für die die formvolle Wölbung des Bauchs eine Grundbedingung ist, was sollte aus den Eingeweiden des Brust- und Bauchraums werden, wenn es keine Darmgase gäbe? Der Bauch ist ja nicht von Knochen umgeben, seine einzige Stütze ist das Becken, die Eingeweide aber werden in Wahrheit von dem luftgespannten Darm an ihrem richtigen Platz gehalten. Sinkt die Spannung unter eine gewisse Größe, so müssen fast alle Organe sich senken, sie tun es auch oft genug. Daß die Gase ebenso wie die Rückstände der Speisen, die Kotmassen, wesentliche Faktoren für die Blut- und Säfteverteilung sind, erwähne ich hier nur kurz.

Bei diesen Erwägungen fällt all die Mühe, die sich große Gelehrte gegeben haben, um die Nahrung tunlichst konzentriert zu geben, etwa in Pillenform, so daß man jederzeit gleichsam aus der Westentasche heraus eine Mahlzeit einnehmen und die Fourage einer Armee auf einem Leiterwagen transportiert werden könnte, der Lächerlichkeit anheim, und man begreift nicht, wie irgend jemand auf solchen absurden Gedanken kommt. Mit Pillen stillt man nicht einmal den Hunger, geschweige denn, daß man den Körper damit leistungsfähig erhält. Rückstände, Gase sind unentbehrlich für den Bestand des Körpers, sie gehören zum Menschen. Deshalb ist auch die Idee, das Leben durch Abtöten der Darmbakterien zu verlängern, nicht erörterungsfähig. Die Gärungsprozesse, die Gasentwicklung wird durch sie geregelt. Es wird damit gehn wie mit dem Soxhletapparat; noch vor zehn Jahren galt es als Frevel, wenn einer den Nutzen des unbedingten Sterilisierens der Milch in Zweifel zog. Seitdem ist es still geworden von diesem Spezifikum gegen Brechdurchfall. Bakterien sind notwendig für die Verdauung, und wenn wir bisher auch ihre Leistungen nicht genau bestimmen können, so darf man doch annehmen, daß hier ähnliche Verhältnisse vorliegen wie im Ackerbau und in der Forstwirtschaft, wo man die Abhängigkeit des Wachstums einiger Pflanzen von der Existenz bestimmter Mikrobenarten nachgewiesen hat.


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