InhaltInhalt
- Jacob und Wilhelm Grimm
- Kapitel 2
- Vorwort
- 1. Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich
- 2. Katze und Maus in Gesellschaft
- 3. Marienkind
- 4. Märchen vom einem, der auszog das Fürchten zu lernen
- 5. Der Wolf und die sieben jungen Geißlein
- 6. Der treue Johannes
- 7. Der gute Handel
- 8. Der wunderliche Spielmann
- 9. Die zwölf Brüder
- 10. Das Lumpengesindel
- 11. Brüderchen und Schwesterchen
- 12. Rapunzel
- 13. Die drei Männlein im Walde
- 14. Die drei Spinnerinnen
- 15. Hänsel und Gretel
- 16. Die drei Schlangenblätter
- 17. Die weiße Schlange
- 18. Strohhalm, Kohle und Bohne
- 19. Von dem Fischer un syner Fru
- 20. Das tapfere Schneiderlein
- 21. Aschenputtel
- 22. Das Rätsel
- 23. Von dem Mäuschen, Vögelchen und der Bratwurst
- 24. Frau Holle
- 25. Die sieben Raben
- 26. Rotkäppchen
- 27. Die Bremer Stadtmusikanten
- 28. Der singende Knochen
- 29. Der Teufel mit den drei goldenen Haaren
- 30. Läuschen und Flöhchen
- 31. Das Mädchen ohne Hände
- 32. Der gescheite Hans
- 33. Die drei Sprachen
- 34. Die kluge Else
- 35. Der Schneider im Himmel
- 36. Tischchen deck' dich, Goldesel, und Knüppel aus dem Sack
- 37. Daumesdick
- 38. Die Hochzeit der Frau Füchsin
- 39. Die Wichtelmänner
- 40. Der Räuberbräutigam
- 41. Herr Korbes
- 42. Der Herr Gevatter
- 43. Frau Trude
- 44. Der Gevatter Tod
- 45. Daumerlings Wanderschaft
- 46. Fitchers Vogel
- 47. Von dem Machandelboom
- 48. Der alte Sultan
- 49. Die sechs Schwäne
- 50. Dornröschen
- 51. Fundevogel
- 52. König Drosselbart
- 53. Sneewittchen
- 54. Der Ranzen, das Hütlein und das Hörnlein
- 55. Rumpelstilzchen
- 56. Der Liebste Roland
- 57. Der goldene Vogel
- 58. Der Hund und der Sperling
- 59. Der Frieder und das Catherlieschen
- 60. Die zwei Brüder
- 61. Das Bürle
- 62. Die Bienenkönigin
- 63. Die drei Federn
- 64. Die goldene Gans
- 65. Allerleirauh
- 66. Häsichenbraut
- 67. Die zwölf Jäger
- 68. De Gaudeif un sien Meester
- 69. Jorinde und Joringel
- 70. Die drei Glückskinder
- 71. Sechse kommen durch die ganze Welt
- 72. Der Wolf und der Mensch
- 73. Der Wolf und der Fuchs
- 74. Der Fuchs und die Frau Gevatterin
- 75. Der Fuchs und die Katze
- 76. Die Nelke
- 77. Das kluge Gretel
- 78. Der alte Großvater und der Enkel
- 79. Die Wassernixe
- 80. Von dem Tode des Hühnchens
- 81. Bruder Lustig
- 82. De Spielhansl
- 83. Hans im Glück
- 84. Hans heiratet
- 85. Die Goldkinder
- 86. Der Fuchs und die Gänse
- 87. Der Arme und der Reiche
- 88. Das singende springende Löweneckerchen
- 89. Die Gänsemagd
- 90. Der junge Riese
- 91. Dat Erdmänneken
- 92. Der König vom goldenen Berg
- 93. Der Rabe
- 94. Die kluge Bauerntochter
- 95. Der alte Hildebrand
- 96. De drei Vügelkens
- 97. Das Wasser des Lebens
- 98. Doktor Allwissend
- 99. Der Geist im Glas
- 100. Des Teufels rußiger Bruder
- 101. Der Bärenhäuter
- 102. Der Zaunkönig und der Bär
- 103. Der süße Brei
- 104. Die klugen Leute
- 105. Märchen von der Unke
- 106. Der arme Müllerbursch und das Kätzchen
- 107. Die beiden Wanderer
- 108. Hans mein Igel
- 109. Das Totenhemdchen
- 110. Der Jude im Dorn
- 111. Der gelernte Jäger
- 112. Der Dreschflegel vom Himmel
- 113. De beiden Künigeskinner
- 114. Vom klugen Schneiderlein
- 115. Die Klare Sonne bringt's an den Tag
- 116. Das blaue Licht
- 117. Das eigensinnige Kind
- 118. Die drei Feldscherer
- 119. Die sieben Schwaben
- 120. Die drei Handwerksburschen
- 121. Der Königssohn, der sich vor nichts fürchtet
- 122. Der Krautesel
- 123. Die Alte im Walde
- 124. Die drei Brüder
- 125. Der Teufel und seine Großmutter
- 126. Ferenand getrü und Ferenand ungetrü
- 127. Der Eisenofen
- 128. Die faule Spinnerin
- 129. Die vier kunstreichen Brüder
- 130. Einäuglein, Zweiäuglein, Dreiäuglein
- 131. Die schöne Katrinelje und Pif Paf Poltrie
- 132. Der Fuchs und das Pferd
- 133. Die zertanzten Schuhe
- 134. Die sechs Diener
- 135. Die weiße und die schwarze Braut
- 136. Der Eisenhans
- 137. De drei schwatten Prinzessinnen
- 138. Knoist un sine dre Sühne
- 139. Dat Mäken von Brakel
- 140. Das Hausgesinde
- 141. Das Lämmchen und Fischchen
- 142. Simeliberg
- 143. Up Reisen gohn
- 144. Das Eselein
- 145. Der undankbare Sohn
- 146. Die Rübe
- 147. Das junggeglühte Männlein
- 148. Des Herrn und des Teufels Getier
- 149. Der Hahnenbalken
- 150. Die alte Bettelfrau
- 151a. Die drei Faulen
- 151 b. Die zwölf faulen Knechte
- 152. Das Hirtenbüblein
- 153. Die Sternthaler
- 154. Der gestohlene Heller
- 155. Die Brautschau
- 156. Die Schlickerlinge
- 157. Der Sperling und seine vier Kinder
- 158. Das Märchen vom Schlauraffenland
- 159. Das Dietmarsische Lügenmärchen
- 160. Rätselmärchen
- 161. Schneeweißchen und Rosenrot
- 162. Der kluge Knecht
- 163. Der gläserne Sarg
- 164. Der faule Heinz
- 165. Der Vogel Greif
- 166. Der starke Hans
- 167. Das Bürle im Himmel
- 168. Die hagere Liese
- 169. Das Waldhaus
- 170. Lieb und Leid teilen
- 171. Der Zaunkönig
- 172. Die Scholle
- 173. Rohrdommel und Wiedehopf
- 174. Die Eule
- 175. Der Mond
- 176. Die Lebenszeit
- 177. Die Boten des Todes
- 178. Meister Pfriem
- 179. Die Gänsehirtin am Brunnen
- 180. Die ungleichen Kinder Evas
- 181. Die Nixe im Teiche
- 182. Die Geschenke des kleinen Volkes
- 183. Der Riese und der Schneider
- 184. Der Nagel
- 185. Der arme Junge im Grabe
- 186. Die wahre Braut
- 187. Der Hase und der Igel
- 188. Spindel, Weberschiffchen and Nadel
- 189. Der Bauer und der Teufel
- 190. Die Brosamen auf dem Tisch
- 191. Das Meerhäschen
- 192. Der Meisterdieb
- 193. Der Trommler
- 194. Die Kornähre
- 195. Der Grabhügel
- 196. Oll Rinkrank
- 197. Die Krystallkugel
- 198. Jungfrau Maleen
- 199. Der Stiefel von Büffelleder
- 200. Der goldene Schlüssel
- Kinderlegenden
Autorenseite
<< zurück weiter >>
157. Der Sperling und seine vier Kinder
Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest. Wie sie nun flügge sind, stoßen böse Buben das Nest ein, sie kommen aber alle glücklich in Windbraus davon. Nun ist dem Alten leid, weil seine Söhne in die Welt kamen, daß er sie nicht vor allerlei Gefahr erst verwarnet und ihnen gute Lehren fürgesagt habe.
Im Herbst kommen in einem Weizenacker viel Sperlinge zusammen; allda trifft der Alte seine vier Jungen an, die führt er voll Freuden mit sich heim. »Ach, meine lieben Söhne, was habt ihr mir den Sommer über Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; höret meine Worte und folget eurem Vater und sehet euch wohl vor: kleine Vöglein haben große Gefährlichkeiten auszustehen!« Darauf fragte er den älteren, wo er sich den Sommer über aufgehalten und wie er sich ernährt hätte. »Ich habe mich in den Gärten gehalten, Räuplein und Würmlein gesucht, bis die Kirschen reif wurden.« »Ach, mein Sohn,« sagte der Vater, »die Schnabelweid ist nicht bös, aber es ist große Gefahr dabei, darum habe fortan deiner wohl acht, und sonderlich wenn Leute in Gärten umhergehen, die lange grüne Stangen tragen, die inwendig hohl sind und oben ein Löchlein haben.« »Ja, mein Vater, wenn dann ein grün Blättlein aufs Löchlein mit Wachs geklebt wäre?« spricht der Sohn. »Wo hast du das gesehen?« »In eines Kaufmanns Garten,« sagt der Junge. »O mein Sohn,« spricht der Vater, »Kaufleut, geschwinde Leut! bist du um die Weltkinder gewesen, so hast du Weltgeschmeidigkeit genug gelernt, siehe und brauch's nur recht wohl und trau dir nicht zu viel.«
Darauf befragt er den anderen: »Wo hast du dein Wesen gehabt?« »Zu Hofe,« spricht der Sohn. »Sperling und alberne Vöglein dienen nicht an diesem Ort, da viel Gold, Sammet, Seide, Wehr, Harnisch, Sperber, Kautzen und Blaufüß sind, halt dich zum Roßstall, da man den Hafer schwingt, oder wo man drischet, so kann dir's Glück mit gutem Fried auch dein täglich Körnlein bescheren.« »Ja, Vater,« sagte dieser Sohn, »wenn aber die Stalljungen Hebritzen machen und ihre Maschen und Schlingen ins Stroh binden, da bleibt auch mancher behenken.« »Wo hast du das gesehen?« sagte der Alte. »Zu
Hof, beim Roßbuben.« »O, mein Sohn, Hofbuben, böse Buben! bist du zu Hof und um die Herren gewesen und hast keine Federn da gelassen, so hast du ziemlich gelernt und wirst dich in der Welt wohl wissen auszureißen, doch siehe dich um und auf; die Wölfe fressen auch oft die gescheiten Hündlein.«
Der Vater nimmt den dritten auch vor sich: »Wo hast du dein Heil versucht?« »Auf den Fahrwegen und Landstraßen hab ich Kübel und Seil eingeworfen und da bisweilen ein Körnlein oder Gräuplein angetroffen.« »Dies ist ja,« sagt der Vater, »eine feine Nahrung, aber merk gleichwohl auf die Schanz und siehe fleißig auf, sonderlich wenn sich einer bücket und einen Stein aufheben will, da ist dir nicht lang zu bleiben.« »Wahr ist's,« sagt der Sohn, »wenn aber einer zuvor einen Wand- oder Handstein im Busen oder Tasche trüge?« »Wo hast du dies gesehen?« »Bei den Bergleuten, lieber Vater, wenn sie ausfahren, führen sie gemeinlich Handsteine bei sich.« »Bergleut, Werkleut, anschlägige Leut! bist du um Bergburschen gewesen, so hast du etwas gesehen und erfahren.
Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl gut acht,
Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold umbracht.«
Endlich kommt der Vater an den jüngsten Sohn: »Du mein liebes Gackennestle, du warst allzeit der albernste und schwächeste, bleib du bei mir, die Welt hat viel grober und böser Vögel, die krumme Schnäbel und lange Krallen haben und nur auf arme Vöglein lauern und sie verschlucken; halt dich zu deinesgleichen und lies die Spinnlein und Räuplein von den Bäumen oder Häuslein, so bleibst du lang zufrieden.« »Du, mein lieber Vater, wer sich nährt ohne anderer Leut Schaden, der kommt lang hin, und kein Sperber, Habicht, Aar oder Weih wird ihm nicht schaden, wenn er zumal sich und seine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treulich befiehlt, welcher aller Wald- und Dorfvöglein Schöpfer und Erhalter ist, der auch der jungen Räblein Geschrei und Gebet höret, denn ohne seinen Willen fällt auch kein Sperling oder Schneekünglein auf die Erde.« »Wo hast du das gelernt?« Antwortet der Sohn: »Wie mich der große Windbraus von dir wegriß, kam ich in eine Kirche, da las ich den Sommer die Fliegen und Spinnen von den Fenstern ab und hörte diese Sprüche predigen, da hat mich der Vater aller Sperlinge den Sommer über ernährt und behütet vor allem Unglück und grimmigen Vögeln.« »Traun! mein lieber Sohn, fleuchst du in die Kirchen und hilfest Spinnen und die sumsenden Fliegen
aufräumen und zirpst zu Gott wie die jungen Räblein und befiehlst dich dem ewigen Schöpfer, so wirst du wohl bleiben und wenn die ganze Welt voll wilder tückischer Vögel wäre.
Denn wer dem Herrn befiehlt seine Sach,
schweigt, leidet, wartet, betet, braucht Glimpf, thut gemach,
bewahrt Glaub und gut Gewissen rein,
dem will Gott Schutz und Helfer sein.«
*
*
*
<< zurück weiter >>