Franz Grillparzer
Medea
Franz Grillparzer

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

König.
Laß sie erst fort sein und du sollst es sehn.
Hin vor's Gericht der Amphiktyonen
Tret ich für dich, verfechte deine Sache
Und zeige, daß nur sie es war, Medea,
Die das verübt, was man an dir verfolgt;
Daß sie die Dunkle, sie die Frevlerin.
Gelöset wird der Bannspruch, und wenn nicht,
Dann stehst du auf in deiner vollen Kraft,
Schwingst hoch das goldne Banner in die Luft,
Das du geholt vom Äußersten der Länder,
Und stromweis' wird die Jugend Griechenlands
Um dich sich scharen gegen jedermann,
Um den Gereinigten, den Neuerhobnen,
Den starken Hort, des Vlieses mächt'gen Held.
Du hast es doch?

Jason.
    Das Vlies?

König.
        Jawohl!

Jason.
            Ich nicht!

König.
Doch nahm's Medea mit aus Pelias' Haus.

Jason.
So hat denn sie's!

König.
    Sie muß es geben, muß.
Dir ist's der künft'gen Größe Unterpfand.
Du sollst mir groß noch werden, groß und stark,
Du meines alten Freundes einz'ger Sohn!
Es hat der König Kreon Macht und Gut,
Und gern teilt er's mit seinem Tochtermann.

Jason.
Auch meiner Väter Erbe fordr' ich dann,
Vom Sohn des Oheims, der mir's vorenthielt.
Ich bin nicht arm, wird alles mir zurück.

König.
Sie kommt, die uns noch stört, bald ist's getan.

(Medea kommt mit Gora aus dem Hause.)

Medea.
Was willst du mir?

König.
    Die Diener, die ich sandte,
Du schicktest sie mit harten Worten fort
Und von mir selbst verlangtest du zu hören
Was ich geboten und was dir zu tun.

Medea.
So sag's.

König.
    Nichts Fremdes, Neues künd ich dir.
Ich wiederhole nur den schon gesprochnen Bann
Und füge zu, daß du noch heute gehst.

Medea.
Und warum heute noch?

König.
    Die Drohungen,
Die du gesprochen gegen meine Tochter –
Denn die gen mich veracht ich allzusehr, –
Der wilde Sinn, den du nur erst gezeigt
Sie nennen mir gefährlich deine Nähe
Und darum sollst du heute mir noch gehn.

Medea.
Gib mir die Kinder und ich tu's vielleicht.

König.
Du tust's gewiß. – Die Kinder aber bleiben!

Medea.
Wie, meine Kinder? Doch, wem sag ich das?
Mit dem da laß mich sprechen, mit dem Gatten!

König (zu Jason).
Tu's nicht!

Medea (zu Jason).
    Ich bitte dicht

Jason.
        Wohlan, es seit
Damit du siehst, daß ich dein Wort nicht scheue.
Laß uns, o König, hören will ich sie.

König.
Ich tu es ungern; schlau ist sie und listig.
(Er geht.)

Medea.
So, er ist fort. Kein Fremder stört uns mehr,
Kein Dritter drängt sich zwischen Mann und Weib;
Wir können reden, wie das Herz gebeut.
Und nun sag an mir, was du denkst?

Jason.
    Du weißt's.

Medea.
Ich weiß wohl was du willst, nicht was du meinst.

Jason.
Das erstere genügt, denn es entscheidet.

Medea.
So soll ich gehen?

Jason.
    Gehn!

Medea.
        Noch heute?

Jason.
            Heute!

Medea.
Das sagst du und stehst ruhig mir genüber
Und Scham senkt nicht dein Aug' und rötet nicht die Stirn?

Jason.
Erröten müßt' ich, wenn ich anders spräche.

Medea.
Das ist recht gut und sprich nur immer so,
Wenn du vor andern dich entschuld'gen willst,
Doch mir genüber laß den eiteln Schein!

Jason.
Die Scheu vor Greueln nennst du eiteln Schein?
Verdammt hat dich die Welt, verdammt die Götter,
Und so geb ich dich ihrem Urteil hin.
Denn wahrlich unverdient trifft es dich nicht!

Medea.
Wer ist der Fromme denn, mit dem ich spreche?
Ist das nicht Jason? und der wär' so mild?
Du Milder, kamst du nicht nach Kolchis hin
Und warbst mit Blut um seines Königs Kind?
Du Milder! schlugst du meinen Bruder nicht?
Fiel nicht mein Vater dir, du Frommer, Milder?
Verlässest du das Weib nicht, das du stahlst
Du Milder, du Entsetzlicher, Verruchter!

Jason.
Du schmähest. Das zu hören ziemt mir nicht.
Du weißt nun was zu tun, und so leb wohl!

Medea.
Noch weiß ich's nicht , drum bleibe, bis ich's weiß.
Bleib! Ruhig will ich sein. Ruhig wie du.
Verbannung wird mir also? und was dir?
Mich dünkt auch dich traf ja des Herolds Spruch?

Jason.
Sobald bekannt, daß ich am Frevel rein
Am Tod des Oheims, löst der Bann sich auf.

Medea.
Und du lebst froh und ruhig fürder dann?

Jason.
Ich lebe still, wie's Unglücksel'gen ziemt.

Medea.
Und ich?

Jason.
    Du trägst das Los das du dir selbst bereitet.

Medea.
Das ich bereitet! Du wärst also rein?

Jason.
Ich bin's!

Medea.
    Und um den Tod des Oheims hast
Du nicht gebetet?

Jason.
    Ihn befördert nicht!

Medea.
Mich nicht versucht, ob ich's nicht üben wollte?

Jason.
Der erste Zorn spricht manches sprudelnd aus
Was reifer überdacht er nimmer übt.

Medea.
Einst klagtest du dich selber dessen an
Nun ist gefunden, der die Schuld dir trägt.

Jason.
Nicht der Gedanke wird bestraft, die Tat!

Medea (rasch).
Ich aber tat es nicht!

Jason.
    Wer sonst?

Medea.
        Ich nicht!
Hör mein Gemahl und dann erst richte mich.
Als ich an die Pfoste trat,
Das Vlies zu holen,
Der König auf seinem Lager;
Da hör ich schreien; hingewendet
Seh ich den Mann vom Lager springen
Heulend, bäumend sich umwindend.
Kommst du Bruder, schreit er,
Rache zu nehmen, Rache an mir!
Noch einmal sollst du sterben, noch einmal!
Und springt hin und faßt nach mir,
In deren Hand das Vlies.
Ich erbebte und schrie auf
Zu den Göttern, die ich kenne.
Das Vlies hielt ich mir vor als Schild.
Da zuckt Wahnsinns Grinsen durch seine Züge,
Heulend faßt er die Bande seiner Adern,
Sie brechen, in Güssen strömt hin sein Blut
Und als ich um mich schaue, entsetzt, erstarrt,
Liegt der König zu meinen Füßen
Im eignen Blut gebadet,
Kalt und tot.

Jason.
Das sagst du mir, Zaub'rische! Gräßliche?
Hebe dich weg von mir! Fort!
Mir graut vor dir! Daß ich dich je gesehn!

Medea.
Du hast es ja gewußt. Das erstemal
Als du mich sahst, sahst mich in meinem Dienst.
Und doch verlangtest, strebtest du nach mir.

Jason.
Ein Jüngling war ich, ein verwegner Tor
Der Mann verwirft was Knaben wohlgefällt.

Medea.
O schilt das goldne Jugendalter nicht!
Der Kopf ist rasch, allein das Herz ist gut!
O wärst du, der du warst, mir wäre besser!
Nur einen Schritt komm in die schöne Zeit,
Da wir in unsrer Jugend frischem Grünen
Uns fanden an des Phasis Blumenstrand.
Wie war dein Herz so offen und so klar
Das meine trüber und in sich verschloßner
Doch du drangst durch mit deinem milden Licht
Und hell erglänzte meiner Sinne Dunkel.
Da ward ich dein, da wardst du mein. O Jason!
So ist dir ganz dahin, die schöne Zeit,
So hat die Sorge dir für Haus und Herd
Für Ruf und Ruhm dir ganz getötet
Die schönen Blüten von dem Jugendbaum?
O sieh, in Schmerz und Jammer, wie ich bin,
Denk ich noch oft der schönen Frühlingszeit
Und warme Lüfte wehn mir draus herüber.
War dir Medea damals lieb und wert
Wie ward sie dir denn gräßlich und abscheulich?
Du kanntest mich und suchtest dennoch mich,
Du nahmst mich wie ich war, behalt mich, wie ich bin!

Jason.
Der Dinge denkst du nicht, die seither sind geschehn!

Medea.
Entsetzlich sind sie, ja ich geb es zu,
Am Vater hab ich schlimm, am Bruder schlimm getan!
Und ich verdamme selber mich darob
Man strafe mich, ich will ja gerne büßen,
Doch du sollst mich nicht strafen, Jason, du nicht!
Denn was ich tat, zu Liebe tat ich's dir.
Komm, laß uns fliehn, vereint, mitsammen fliehn!
Es nehm' uns auf ein fernes Land!

Jason.
    Und welches?
Wohin?

Medea.
    Wohin?

Jason.
        Du rasest und du schiltst mich,
Daß ich mit dir nicht rase. Es ist aus.
Die Götter haben unsern Bund verflucht,
Als einen der mit Greueltat begann
Und in Verbrechen wuchs und Nahrung suchte.
Laß sein, daß du den König nicht getötet;
Wer war dabei, wer sah's, wer glaubt dir?

Medea.
    Du!

Jason.
Und wenn auch ich, was kann ich? was vermag ich?
Drum laß uns weichen dem Geschick, nicht trotzen!
Die Strafe nehme jedes büßend hin,
Du, da du fliehst, wo du nicht bleiben kannst,
Ich, da ich bleibe, wo ich fliehen möchte.

Medea.
Den schwerem Teil hast du dir nicht erwählt!

Jason.
So wär' es leicht, zu leben als ein Fremdling
In fremden Haus, von fremden Mitleids Gaben?

Medea.
Dünkt's dir so schwer, was wählst du nicht die Flucht?

Jason.
Wohin und wie?

Medea.
    Einst warst du minder sorglich,
Als du nach Kolchis kamst, die Vaterstadt verlassend,
Und eitelm Ruhme nach durch ferne Länder zogst.

Jason.
Ich bin nicht der ich war, die Kraft ist mir gebrochen,
Und in der Brust erstorben mir der Mut.
Das dank ich dir. Erinnrung des Vergangnen
Liegt mir wie Blei auf meiner bangen Seele
Das Aug' kann ich nicht heben und das Herz.
Auch ist der Knabe Mann seit dem geworden,
Und nicht mehr kindisch mit den Blüten spielend,
Greift er nach Frucht, nach Wirklichkeit, Bestand.
Die Kinder sind mir und kein Ort für sie,
Besitztum muß ich meinen Enkeln werben.
Soll Jasons Stamm, wie trocknes Heidekraut,
Am Wege stehn, vom Wanderer getreten?
Hast du mich je geliebt, war ich dir wert,
So zeig es, da du mich mir selber gibst
Und mir ein Grab gönnst in der heim'schen Erde!

Medea.
Und auf der heimischen Erd' ein neues Ehebett?
Nicht so?

Jason.
    Was soll das!

Medea.
        Hab ich's nicht gehört
Wie er Verwandt dich hieß und Sohn und Eidam?
Kreusa locket dich, und darum bleibst du?
Nicht also? Hab ich dich?

Jason.
    Du hattest nie mich,
Und hast auch jetzt mich nicht.

Medea.
    So willst du büßen?
Und darum soll Medea fort von dir?
Stand ich denn nicht dabei, dabei in Tränen,
Wie du mit ihr vergangne Zeit durchgingst
Bei jedem Schritte stillstandst, süß verweilend,
Zum Echo schwandest der Erinnerung?
Ich aber geh nicht, nicht!

Jason.
    So ungerecht,
So hart und wild wie immer!

Medea.
    Ungerecht?
So wünschest du sie nicht zum Weib? Sag: Nein!

Jason.
Den Ort such ich, mein Haupt zur Ruh' zu legen;
Was sonst kommt weiß ich nicht!

Medea.
    Ich aber weiß es,
Und denk es noch zu wehren, hilft ein Gott.

Jason.
Du kannst nicht ruhig sprechen, leb denn wohl.
(Er geht.)


 << zurück weiter >>