Franz Grillparzer
Medea
Franz Grillparzer

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Jason.
Und was entscheidest du?

König.
    Ich hab's gesagt.

Jason.
Gewährst du Schutz mir?

König.
    Ja.

Jason.
        Mir und den Meinen?

König.
Ich habe dir ihn zugesagt. – So folge!
Zuerst zum Opfer und sodann ins Haus.

Jason (zum Fortgehen gewendet, zu Kreusen).
Gönnst du mir deine Hand wie sonst, Kreusa?

Kreusa.
Kannst du sie doch nicht fassen so wie sonst.

Medea.
Sie gehn und lassen mich allein. Ihr Kinder
Kommt her zu mir, umschlingt mich! Fester! Fester!

Kreusa (umkehrend, vor sich hin sprechend).
Noch eine fehlt. Warum folgt sie uns nicht?
(Zurückkommend, aber in einiger Entfernung von Medeen stehend.)
Du gehst nicht mit zum Opfer, nicht ins Haus?

Medea.
Die Ungeladnen weist man vor die Tür.

Kreusa.
Allein mein Vater bot dir Herd und Dach.

Medea.
Ganz anders klang, was ich von euch vernahm.

Kreusa (nähertretend).
Beleidigt hab ich dich. Ich weiß. Verzeih!

Medea (sich rasch gegen sie kehrend).
O holder Klang! – Wer sprach das milde Wort?
Sie haben mich beleidigt oft und tief,
Doch keiner fragte noch, ob's weh getan?
Hab Dank! und wenn du einst in Jammer bist, wie ich,
Gönn' dir ein Frommer, wie du's mir gegönnt,
Ein sanftes Wort und einen milden Blick.
(Sie will ihre Hand fassen, Kreusa weicht scheu zurück.)
O weich nicht aus! Die Hand verpestet nicht.
Ein Königskind, wie du, bin ich geboren,
Wie du ging einst ich auf der ebnen Bahn
Das Rechte blind erfassend mit dem Griff.
Ein Königskind wie du, bin ich geboren,
Wie du vor mir stehst, schön und hell und glänzend,
So stand auch ich einst neben meinem Vater,
Sein Abgott und der Abgott meines Volks.
O Kolchis! o du meiner Väter Land!
Sie nennen dunkel dich, mir scheinst du hell!

Kreusa (ihre Hand lassend).
Du Arme!

Medea.
    Du blickst fromm und mild und gut
Und bist's auch wohl; doch hüte, hüte dich!
Der Weg ist glatt, ein Tritt genügt zum Fall!
Weil du in leichtem Kahn den Strom hinabgeglitten,
Dich haltend an des Ufers Blütenzweigen,
Von Silberwellen hin und her geschaukelt,
So hältst du dich für eine Schifferin?
Dort weiter draußen braust das Meer
Und wagst du dich vom sichern Ufer ab,
Reißt dich der Strom in seine grauen Weiten.
Du blickst mich an? Du schauderst jetzt vor mir.
Es war 'ne Zeit, da hätt' ich selbst geschaudert,
Hätt' ich ein Wesen mir gedacht, gleich mir!
(Sie verbirgt ihr Gesicht an Kreusens Halse.)

Kreusa.
Sie ist nicht wild. Sieh Vater her, sie weint.

Medea.
Weil eine Fremd' ich bin, aus fernem Land
Und unbekannt mit dieses Bodens Bräuchen,
Verachten sie mich, sehn auf mich herab,
Und eine scheue Wilde bin ich ihnen,
Die Unterste, die Letzte aller Menschen,
Die ich die Erste war in meiner Heimat.
Ich will ja gerne tun was ihr mir sagt,
Nur sagt mir was ich tun soll, statt zu zürnen.
Du bist, ich seh's, von sittig mildem Wesen,
So sicher deiner selbst und eins mit dir;
Mir hat ein Gott das schöne Gut versagt.
Doch lernen will ich, lernen, froh und gern.
Du weißt was ihm gefällt, was ihn erfreut,
O lehre mich, wie Jason ich gefalle
Ich will dir dankbar sein. –

Kreusa.
    O sieh nur, Vater!

König.
Nimm sie mit dir!

Kreusa.
    Willst du mit mir, Medea?

Medea.
Ich gehe gern, wohin du mich geleitest,
Nimm dich der Armen, der Verlaßnen an,
Und schütze mich vor jenes Mannes Blick!
(Zum König.)
Sieh nur nach mir, du schreckst mich dennoch nicht,
Obgleich, ich seh's, du sinnest was nicht gut.
Dein Kind ist besser, als sein Vater!

Kreusa.
    Komm!
Er will dir wohl! – Und ihr kommt auch, ihr Kleinen!

(Führt Medeen und die Kinder fort.)

König.
Hast du gehört?

Jason.
    Ich hab.

König.
        Und sie dein Weib?
Schon früher gab uns Kunde das Gerücht,
Doch glaubt' ich's nicht und nun, da ich's gesehn,
Glaub ich's fast minder noch! – Dein Weib!

Jason.
Du siehst den Gipfel nur, die Stufen nicht,
Und nur von diesen läßt sich jener richten.
Ich zog dahin in frischer Jugendkraft,
Durch fremde Meere zu der kühnsten Tat,
Die noch geschehn, seit Menschen sind und denken.
Das Leben war, die Welt war aufgegeben
Und nichts war da, als jenes helle Vlies,
Das durch die Nacht, ein Stern im Sturme schien.
Der Rückkehr dachte niemand und als wär'
Der Augenblick, in dem der Preis gewonnen,
Der letzte unsers Lebens, strebten wir.
So zogen wir, ringfertige Gesellen,
Im Übermut des Wagens und der Tat,
Durch See und Land, durch Sturm und Nacht und Klippen,
Den Tod vor uns, und hinter uns den Tod.
Was gräßlich sonst, schien leicht und fromm und mild,
Denn die Natur war ärger als der Ärgste;
Im Streit mit ihr und mit des Wegs Barbaren
Umzog sich hart des Mild'sten weiches Herz;
Der Maßstab aller Dinge war verloren,
Nur an sich selbst maß jeder was er sah.
Was allen uns unmöglich schien, geschah:
Wir sahen Kolchis' wundervolles Land,
O hättest du's gesehn in seinen Nebeln!
Der Tag ist Nacht dort und die Nacht Entsetzen,
Die Menschen aber finstrer als die Nacht.
Da fand ich sie, die dir so greulich dünkt;
Ich sage dir, sie glich dem Sonnenstrahl,
Der durch den Spalt in einen Kerker fällt.
Ist sie hier dunkel, dort erschien sie licht
Im Abstich ihrer nächtlichen Umgebung.

König.
Nie recht ist Unrecht, Schlimmes nirgends gut.

Jason.
Der Obern einer wandt' ihr Herz mir zu;
Sie stand mir bei in mancher Fährlichkeit.
Ich sah die Neigung sich in ihr empören,
Doch störrisch legt' sie ihr den Zügel an,
Und nur ihr Tun, ihr Wort verriet mir nichts.
Da faßt' auch mich der Wahnsinn wirbelnd an,
Daß sie's verschwieg, das eben reizte mich,
Auf Kampf gestellt rang ich mit ihr und wie
Ein Abenteuer trieb ich meine Liebe.
Sie fiel mir zu. Ihr Vater fluchte ihr.
Nun war sie mein – hätt' ich's auch nicht gewollt.
Durch sie ward mir das rätselvolle Vlies,
Sie führte mich in jene Schauerhöhle,
Wo ich's gewann, dem Drachen abgewann.
Sooft ich ihr seitdem ins Auge blicke,
Schaut mir die Schlange blinkend draus entgegen,
Und nur mit Schaudern nenn ich sie mein Weib.
Wir fuhren ab. Ihr Bruder fiel.

König (rasch).
    Durch sie?

Jason.
Er fiel der Götter Hand. – Ihr alter Vater,
Ihr fluchend, mir und unsern künft'gen Tagen, grub
Mit blut'gen Nägeln sich sein eignes Grab
Und starb, so heißt es, gen sich selber wütend.

König.
Mit bösen Zeichen fing die Eh' dir an.

Jason.
Mit schlimmern setzte sie sich weiter fort.

König.
Wie war's mit deinem Ohm? erzähl mir dies.

Jason.
Vier Jahr' verschob die Rückkehr uns ein Gott,
Durch Meer und Land uns in der Irre treibend.
In Schiffes Enge, stündlich ihr genüber,
Brach sich der Stachel ab des ersten Schauders;
Geschehn war, was geschehn – Sie ward mein Weib.

König.
Und nun daheim, in Jolkos bei dem Oheim?

Jason.
Verwischt war von der Zeit der Greuel Bild,
Und, halb Barbar, zur Seite der Barbarin,
Zog stolz ich ein in meiner Väter Stadt.
Im Angedenken noch des Volkes Jubel
Bei meiner Abfahrt, hofft' ich freudiger
Noch den Empfang, da ich als Sieger kehrte.
Doch still war's in den Gassen, als ich kam,
Und scheu wich der Begegnende mir aus.
Was dort geschehn in jenem dunkeln Land,
Vermehrt mit Greueln, hatt' es das Gerücht
Gesät in unsrer Bürger furchtsam Ohr;
Man floh mich und verachtete mein Weib –
Mein war sie, mich verschmähte man in ihr.
Mein Oheim aber nährte schlau die Stimmung
Und als ich forderte das Erbe meiner Väter,
Das er mir nahm und tückisch vorenthielt,
Da hieß er mich mein Weib von mir zu senden,
Die ihm zum Greuel sei mit ihrem dunkeln Streben,
Wo nicht, sein Land, der Väter Land zu meiden.

König.
Du aber?

Jason.
    Ich? Sie war mein Weib;
Sie hatte meinem Schutz sich anvertraut
Und der sie forderte, es war mein Feind.
Hätt' er auch Billiges begehrt, beim Himmel,
Er hätt' es nicht erlangt: so minder dies.
Ich schlug es ab.

König.
    Und er?

Jason.
        Er sprach den Bann.
Desselben Tags noch sollt' ich Jolkos meiden.
Ich aber wollte nicht und blieb.
Da wird der König plötzlich krank. Gemurmel
Läuft durch die Stadt, gar Seltsames verkündend.
Wie vor dem Hausaltar er sitze, wo
Das Wundervlies man weihend aufgehängt,
Mit unverwandtem Aug' es starr betrachtend.
Oft schrie er auf: sein Bruder schau' ihn an,
Mein Vater, den er tückisch einst getötet
Beim Wortstreit ob des Argonautenzugs,
Er schau' ihn an aus jenes Goldes Flimmer,
Das er mich holen hieß, der falsche Mann
Aus fernem Land, auf daß ich drob verderbe.
Als nun die Not des Königs Haus bedrängte,
Da traten seine Töchter vor mich hin,
Um Heilung flehend von Medeens Kunst.
Ich aber sagte. Nein! Sollt' ich den Mann erretten,
Der mein Verderben sann und all der Meinen?
Da gingen sie, die Mädchen, weinend hin,
Ich aber schloß mich ein, nichts weiter achtend.
Und ob sie wiederholt gleich flehend kamen
Ich blieb bei meinem Sinn und meinem: Nein!
Als ich darauf nun lag zu Nacht und schlief,
Hör ich Geschrei an meines Hauses Pforten,
Akastos ist's, des bösen Oheims Sohn.
Der stürmt mein Tor mit lauten Pöbelhaufen
Und nennt mich Mörder, Mörder seines Vaters,
Der erst gestorben, in derselben Nacht.
Auf stand ich und zu reden sucht' ich, doch
Umsonst, das Volksgebrüll verschlang mein Wort.
Und schon begann mit Steinen man den Krieg.
Da nahm ich dies mein Schwert und schlug mich durch.
Seitdem irr ich durch Hellas' weite Städte,
Der Menschen Greuel, meine eigne Qual,
Und, nimmst du mich nicht auf, ein Ganzverlorner!

König.
Ich hab dir's zugesagt und halt es auch.
Doch sie –

Jason.
    Eh' du vollendest höre mich!
Du nimmst uns beide, oder keinen, Herr!
Mein Leben wär' erneut, wüßt' ich sie fort,
Doch muß ich schützen, was sich mir vertraut.

König.
Die Künste, die sie weiß, sie schrecken mich,
Die Macht zu schaden zeugt gar leicht den Willen,
Auch ist ihr Schuld nicht fremd und arge Tat.

Jason.
Wenn sie nicht ruhig ist, so treib sie aus,
Verjag sie, töte sie, und mich – uns alle.
Doch bis dahin gönn ihr noch den Versuch,
Ob sie's vermag zu weilen unter Menschen.
Beim Zeus, der Fremden Schützer, bitt ich es,
Und bei dem Gastrecht fordr' ich's, das die Väter
In längstentschwundner Zeit uns aufgerichtet,
In Jolkos und Korinthos, solcher Schickungen
Mit klugem Sinn in vorhinein gedenkend.
Gewähre mir's, damit nicht einst den Deinen
In gleichem Unheil, gleiche Weigrung werde.

König.
Den Göttern weich ich, gegen meinen Sinn.
Sie bleibe. Doch verrät mir nur ein Zug
Die Rückkehr ihres alten, wilden Sinns,
So treib ich sie aus meiner Stadt hinaus
Und liefere sie denen, die sie suchen.

Hier aber, wo ich dich zuerst gesehn,
Erhebe sich ein heiliger Altar.
Der Fremden Schützer, Zeus, sei er geweiht
Und Pelias', deines Oheims blut'gen Manen.
Dort wollen wir vereint die Götter bitten,
Daß sie den Eintritt segnen in mein Haus,
Und gnädig wenden, was uns Übles droht.

Und nun komm mit in meine Königsburg.
(zu seinen Begleitern, die sich jetzt nähern.)
Ihr aber richtet aus, was ich befahl.

(Indem sie sich zum Abgehen wenden, fällt der Vorhang)


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