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Der alte Gothland (tritt auf, laut rufend).
      Meinen ältsten Sohn
      Ruf ich zum Zweikampfe!
Gothland (mit verstellter Stimme).
      Gereuts dich, daß
      Du ihn gezeugt?
Der alte Gothland.
      Wohl reut' es mich, – er sei verflucht!
Gothland.
      Den Fluch auf dich! Wer hatte dir das Recht
      Verliehn, das Leben ihm zu geben?! Fluch der Geilheit,
      Die dich antrieb!
Der alte Gothland.
      Gut mach ich meinen Fehler,
      Indem ich ihn vertilge!
Gothland.
      Darfst du das?
Der alte Gothland.
      Hab ich ihn nicht erzeugt, ernährt, erzogen?
Gothland.
      Ho, dafür braucht dein Sohn dir nicht einmal zu danken!
      Verdammte Schuldigkeit ists, daß
      Ihr die Geschöpfe, welche ihr zu eurer Lust
      In diese Welt der Qual setzt, auch ernährt!
Der alte Gothland.
      Wes ist die Zunge, die hier leugnet, daß
      Der Vater richten darf den Sohn?
Gothland.
      Und wenn
      Du ihn vertilgen darfst, kannst du es auch?
Der alte Gothland.
      Verspottest du mein graues Haar? Wer du
      Auch bist, wahr dich vor meiner Faust! Noch fühlt
      Sie ihre alte Kraft!
Gothland.
      So raffe denn
      Die alte Kraft zusammen, und versuch es doch,
      Vertilge seine Seele, du Gewaltiger!
      – Ohnmächtiger, vermagst du's nicht? – Wer einmal
      Geboren ist, muß ewig leben, er
      Mag wollen oder nicht, denn von
      Dem ersten Augenblicke seines Seins
      Gehöret er der Hölle zu!
      Drum Fluch der Welt, wo jeder Bauerlümmel
      Mit Hülfe einer Viehmagd
      Etwas Unsterbliches verfertgen kann!
      Drum Fluch den Vätern! Jammer und
      Unfruchtbarkeit den Müttern! Wehe den
      Gebornen!
Der alte Gothland.
      Lästrer! Hochverräter!
      Verschworen scheints, bist du
      Mit meinem Sohne, um
      Zu rebellieren wider mich! Ist denn
      Die Erde seit der vorgen Nacht
      Aus ihrem tausendjährgen Gleis geworfen?
      Und nehmen unsre Kinder jetzt
      Die Rute in die Hand? Nein, ehe ich das dulde,
      Fall ich im Kampfe für das älteste
      Der Rechte, für das Vaterrecht!
(Er geht auf Gothland los.)
Gothland (weicht rasch zurück).
      Ich will
      Mit dir nicht kämpfen, retten will ich dich!
(Kriegerische Musik; Berdoa, Rossan, Usbek und andere ziehen im Hintergrunde mit Heerhaufen vorbei. Die Schlacht beginnt von neuem und scheint sich zu entfernen.)
Gothland.
      Siehst du's?
      Der Finne ist verstärkt zurückgekehrt;
      Willst du nicht abgeschnitten sein, so eile fort
      Von hier; – dort durch den Hohlweg schleich; er wird
      Dich vor des Feindes Blick bedecken
      Und führt auf einem Umwege zum Heer
      Des Königs.
Der alte Gothland.
      Ich begreif dich nicht, – indes
      Du machst dein Reden gut durch deine Tat.
(Geht ab.)
Gothland (zieht die Kappe vom Gesicht).
      Mit meinem Vater bin ich wett; er gab
      Ein Leben mir, ich rettete ihm eins;
      Begegne ich ihm noch einmal, so weich
      Ich vor ihm nicht! – Keinen Vater mehr?
(Schmerzlich, die Hand auf der Brust.) O hier
      Sind traurige Ruinen!
(Die Schlacht kommt wieder näher; abermalige Flucht der Finnen; waffenlose Soldaten stürzen herein; dann kommt Usbek; Gothland tritt auf die Seite und beobachtet das Vorfallende.)
Usbek (verzweiflungsvoll)
      Alles ist
      Verloren! Unsre Erschlagnen decken das
      Gefild! Geh unter Sonne! und beschein
      Es nicht!
(Irnak kommt, den Arm in einer Binde.)
Usbek.
      Verwundet?
Irnak.
      Kaum gestreift. (Ihm ins Ohr.) 's ist aus
      Mit uns! – Wo ist Berdoa?
Usbek.
      Im Schlachtreihn, –
      Fruchtlos sah ich ihn Sturm auf Sturm versuchen, –
      Der Widerstand verdoppelt seine Kraft!
(Berdoa, Rossan und Finnen.)
Berdoa.
      Trompeter, blast den Kampf zu neuen Flammen,
      Den Mut der Finnen blaset wieder an!
Rossan.
      Das hilft Euch nichts. Das Volk ist zu verzagt.
      Zweimal wards nun an diesem Tag geschlagen.
Berdoa.
      So will ich denn zum letzten Mittel greifen:
      Ich lasse sie verzweifeln! Finnen! Wir
      Sind hoffnungslos verloren! (Wehgeheul.) Nimmer seht
      Ihr eurer Heimat Küsten, nimmer seht
      Ihr eure Weiber, eure Kinder wieder;
      Auf dieser fremden Erd, wo heute schon
      So viele Kameraden fielen, werdet
      Ihr unbeweint verwesen!
Die Finnen.
      Rette uns!
      Errette uns!
Berdoa.
      Die Schweden treiben uns
      Wie 'n Rudel Wild zusammen, – rings sind wir
      Umzingelt; auf dem Meere (länger darf
      Ichs nicht verschweigen) kreuzt die Feindesflotte
      Und droht mit einer Landung unsren Rücken; auf
      Dem Lande dringen, wie vier fürchterliche Schnitter,
      Der König Olaf, der Graf Holm, der Graf
      Arboga, dem der Pferdeschweif den Helm
      Umflattert, und der alte Herzog Gothland,
      Mit ihren Schwertern Finnlands Jugend un-
      Barmherzig niedermähend, auf uns ein!
      Schon harren über uns die Krähn Auf unsren Tod,
(nahende Trommeln und Geschrei) schon nahn mit Siegsgejauchz
      Die Schweden –
Die Finnen.
      Rette! rette uns!
Berdoa.
      – und nichts
      Als nur Verzweiflung kann uns retten!
Ein finnischer Hauptmann (tritt ein).
      Ein schwedscher Herold ruft: sein König sichre
      Den Finnen einen freien Abzug zu, wenn
      Sie das verfemte Haupt des Herzogs Gothland
      Freiwillig überliefern würden.
Berdoa (boshaft).
      Was
      Verhindert uns, es auszuliefern? (Zu Usbek.) Schlags
      Ihm ab!
Erik.
      O Gott! mein armer Herr!
Gothland (leise und dringend zu Rossan).
      Hast du
      Getan, was du versprachest?
Rossan.
      Meine Scharen
      Sind Euch gewonnen.
Gothland.
      Kann ich mich darauf
      Verlassen?
Rossan.
      Als wärs auf Euch selbst!
Gothland.
      So sei
      Gewärtig!
Usbek (zu Gothland, das Schwert erhebend).
      Bück dich!
Berdoa (zu Usbek).
      Haue doch nur zu!
Gothland.
      Mohr, mäßge dich! Gefallen ist der Trug,
      Der mir das Haupt umfing; ich weiß es, wie
      Du mich betört!
Berdoa (mit unmäßigem Hohn).
      Weißt du's, Dummkopf? Das freut mich!
      Was ich befohlen, hast du wohl erfüllt:
      Den Bruder, welcher dir noch lebte, hast
      Du totgeschlagen, – schade, daß ich dich nun nicht
      Mehr brauchen kann – du hast ja keine Brüder mehr!
      Merkt Finnen! so bestraf ich die, die mich
      Verhöhnen; dieser Schwede wollte einst
      In seinem Übermut mich peitschen lassen –
      Heut lasse ich den armen Sünder köpfen!
      – Beinah erbarmt mich sein; der Tropf erwürgte
      Den Bruder, weil ich – Seht, wie er vor Furcht
      Erbleicht!
Gothland (mit dem schrecklichsten Ausbruche seiner Wut).
      Du irrst dich! er erbleicht vor Zorn!
      – Zurück du Hund, und knurre nicht!
(Er stößt ihn von sich weg; große Bewegung unter den Finnen.)
Usbek (mit Finnen auf Gothland eindringend).
      Erschlagt ihn!
Rossan (mit andren Finnen dem Usbek entgegentretend).
      Wir schützen ihn!
Usbek.
      Das ist Empörung!
Gothland (zu Berdoa).
      Plaudre
      Kein Wort von dem, was zwischen mir und dir
      Geschehn ist! Schweig, schweig! Du bist bös,
      Doch dreifach bös bin ich, denn vorher war
      Ich gut; drum hüt dich!
Berdoa (wütend auf ihn eindringend).
      Hüte du dich selber;
      Sehr blutbegierig sind die Tiger!
Usbek.
      Ich bin
      In Tod und Leben dir zur Seite!
(Rossan hält mit seinen Leuten den Anhang der Beiden auf.)
Gothland.
      Haltet; hört
      Mich erst, eh fruchtlos Blut vergossen wird!
      Womit hat dieser Schwarze eure Liebe
      Verdient?
Berdoa.
      Schlagt doch die Trommeln!
Gothland.
      – Vielleicht, weil er
      Die Ersten eures Volks hinrichten ließ,
      Um ihre häupterlosen Rümpfe zu
      Den Stufen seiner Macht zu machen?
Berdoa.
      Trommeln!
Einzelne Stimmen.
      Nein, hört ihn, hört!
Berdoa.
      Verdammtes Finnenpack!
Gothland.
      Vernehmet ihr sein Schmähn? So lohnt ers jetzt,
      Daß ihr ihn, als er barfuß, bettelnd in
      Eur Land kam, wie 'nen König aufnahmt und
      Mit Purpur seine Blöße decktet!
Ein Finne.
      Ja, er
      Kam barfuß in das Land; ich weiß es noch.
Gothland (zu Berdoa).
      All diese vielen tausend Finnen, die
      Hier stehn, die sich auf deinen Mut und Witz
      Verlassend, dich zum Feldherrn wählten und
      Dir folgten, hast du hergeführt auf dieses
      Schlachtfeld, wie auf 'ne Schlachtbank, hast sie prahlrisch
      Mit Siegsverheißungen getäuscht und nun
      Durch deine Einfalt sie im Garn des Tods
      Verstrickt! – Wo bleibt jetzt deine Kriegskunst? Hast du
      Schon ihren ganzen Vorrat aufgebraucht?
(Auf die Finnen deutend.) Errett sie doch! Zweimal hast du's bereits
      Versucht und zweimal haben dich die Schweden
      Wie 'nen begoßnen Pudel wieder
      Zurückgejagt; nicht wert bist du ein Feldherr
      Zu sein; ich setz dich ab, und fortan dienst
      Du als Gemeiner unter Rossans
      Bataillonen!
Berdoa.
      Gift und Hölle!
(Er geht auf Gothland los.)
Rossan und Finnen (ihn abhaltend).
      Nieder mit
      Dem Neger !
Usbek und Finnen.
      Nieder mit dem Gothland!
Gothland.
      Usbek! hör noch ein einzig Wort! Du kennst
      Die Sitte deines Volks, die Blutrache?
Usbek.
      Wie ich mich selbst!
Gothland.
      Ward nicht dein Vater meuchlings
      Erschlagen?
Berdoa (schnell und heftig einfallend).
      Rührt die Trommeln!
Gothland.
      Dieser Mohr
      Erwürgte ihn!
Usbek.
      Das lügst du!
Rossan (gibt dem Usbek ein Papier).
      Hier ist der Beweis.
Usbek (in das Papier blickend).
      O Mörder! Teufel! Teufel! Gothland,
      Ich bin der Dein'ge! Nieder mit dem Neger!
Alle Finnen (indem nun auch die Letzten dem Beispiele Usbeks folgen).
      Nieder, nieder mit dem Neger!
(Irnak, der bisher schweigend auf Berdoas Seite gestanden hat, verläßt ihn jetzt ebenfalls. – Berdoa, da er sich von allen verlassen sieht, will racheglühend auf Gothland zuspringen, aber plötzlich stürzt er besinnungslos, niedergeworfen von seiner inneren Erschütterung, an den Boden.)
Usbek (zu Gothland).
      Wenn du ihn willst getötet haben, so
      Trag mir es auf – laß mich den Vater rächen!
Rossan (leise zu Gothland).
      Treibt es fürs erste nicht zu weit; schon wird
      Der Pöbel nach der alten Weise wieder
      Mitleidig, – immer hält er es mit dem,
      Der unterliegt!
Gothland.
      Wie wahr das ist, mein lieber Rossan!
(Für sich.) – Erst Grausamkeit zur Folie und dann
      Ein bißchen Großmut drauf geflickt – das wirkt,
      Das muß zu Tränen rühren – jetzt
      Die Großmut! (Laut.) Usbek, wie mich dünkt, ist er
      Für jetzt genug bestraft; bewahr mich Gott,
      Daß ich an dem Ohnmächtigen mich räche! – Wenn
      Er wieder sich erholt hat, dann soll
      Dich niemand hindern, es mit ihm
      In offnem Kampfe auszufechten. – Irnak,
      Berdoa ward von dir am wenigsten
      Beleidigt; beim Erwachen, denk ich, sieht er
      Dich lieber als uns andre; bringe ihn
      In Sicherheit, und wenn dir meine Gnade auch
      Nur etwas gilt, so pfleg ihn wie 'nen Freund.
(Irnak und Soldaten bringen den Neger von der Bühne.)
Rossan.
      Ist das nicht edel?
Die Finnen.
      Ja, großmütig ists
      Gehandelt!
Gothland (schnell ein flüchtiges Lächeln unterdrückend).
      Lobt mich nicht; ich tat ja nur,
      Was jeder Mensch tun würde. – Wie es mit
      Euch steht, das wißt ihr selbst; Berdoa hats
      Euch schon gesagt; – die schwedsche Landarmee
      Umzieht uns enger stets und enger, –
      Die schwedsche Flotte macht sehr drohende
      Bewegungen – Neunhundert Reiter könnten euch
      Bequem zusammenhaun! – Was gebt
      Ihr mir, wenn ich eur Leben rette?
      – Daß ich es kann, das glaubt ihr schon; ihr kennt
      Den Herzog Theodor von Gothland aus
      Den Schlachten, die er siegreich gegen euch
      Gefochten hat!
Rossan.
      Sehr billig ist es, für
      Das Höchste auch das Höchste dir zu bieten:
      Rett uns und Finnlands Krone sei dein Lohn!
Die Finnen.
      Errett uns und sei König!
Gothland.
      Ist
      Das euer Ernst?
Die Finnen.
      Ja, du bist unser König!
Gothland.
      Ists so?
Rossan, Usbek und Finnen.
      Wir alle sind dir untertänig!
Gothland.
      So schwört, mir treu zu sein in Glück und Not!
Rossan, Usbek und Finnen.
      Wir schwören, dir zu folgen in den Tod!
Gothland.
      Den straf ich Hochverrats, der dieses log!
Rossan, Usbek und Finnen.
      Der König Finnlands, Gothland lebe hoch!
(Tusch.)
Gothland (laut gebietend).
      Wohlan, so reißet aus die finnischen Paniere
      Und pflanzet auf die Banner meines Hauses!
(Es geschieht.) – Fortan ist Rossan euer Obergeneral,
      Usbek bleibt Kommandeur der Reiterei! –
      – Der schwedsche König hat 'nen Preis
      Von tausend Stücken Goldes auf mein Haupt
      Gesetzt, – ich setze funfzigtausend auf
      Das seinige! – Herold, sitz auf und rufs
      Den Feinden zu – (indem er in seine Brieftasche schreibt) mach dich zugleich
      An ihren Oberfeldherrn, an
      Den Grafen von Arboga, grüße ihn
      Von Gothland, laß ihn dieses lesen, und
      Meld mir, was er darauf beginnt! (Der Herold geht ab.) Wo ist
      Mein Sohn?
Ein Finne.
      Ich sah ihn bei der Vorhut.