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Die Ostseeküste bei Nyköping
Biörn (tritt auf).
      Wie? Seh ich recht? Die Küstenwachen fliehn!
(Ein Soldat kommt voller Eile.)
      Wohin Soldat?
Soldat.
      Ich suche Euch.
Biörn.
      Was gibts
      Am Ostseestrand?
Soldat.
      Der Finne landet!
Biörn.
      Landet?
      Hoho, hörst du das sturmgeschlagne Meer
      An jenen Felsenufern branden?
      Den möcht ich sehn, der jetzo wagt zu landen!
Soldat.
      Der Finne wagts! Blickt nordwärts!
Biörn.
      Ja, fürwahr!
      Dort steurt die Finnenflotte! – ha, sie scheitert!
      Der Wind treibt sie zur Küste! ihre Masten,
      Die sturmzerfetzten Segel schwingend, wanken
      Hoch zwischen Meer und Himmel!
Berdoa (hinter der Szene).
      Zieht
      Die Segel ein!
Soldat.
      Hört, hört!
Biörn.
      Was war das?
Soldat.
      Die Finnenfeldherrn kommandieren!
Berdoa (hinter der Szene).
      Werft über Bord die Masten!
Biörn.
      Ist
      Das nicht der Ruf des blutbefleckten Negers?
Soldat.
      Er ist es; bebend hab ich oftmals in
      Den Schlachten ihn vernommen!
Biörn.
      Horch! schon wieder!
Berdoa (hinter der Szene).
      Ihr Finnen! Blöcke Eises, welche sich
      Vom Eismeer losgerissen, wirft die Flut
      An unsrer Schiffe Bretterseiten; drum
      Verlaßt die Schiffe, eh sie euch verlassen;
      Nehmt eure Degen zwischen eure Zähne,
      Stürzt euch ins wütge Meer, erringt
      Der See zum Trotz die Schwedenküste, wagt
      Wie ich den Tanz im Wasser! Folgt
      Mir nach!
Viele Stimmen (hinter der Szene).
      Wir folgen dir!
Biörn.
      Weh euch, ihr Städte Schwedens!
      Weh! eure hohen Türme werden fallen!
      Kein strandbewachend Heer ist aufgestellt,
      Nichts dämmt den Einbruch dieser Mörderhorden!
(Zu dem Soldaten.)
      Wirf dich aufs Pferd und nach Upsala flieg
      Und meld dem Kön'ge, was du hier gesehen!
      Leb wohl! – Ich rufe zur Verteidigung
      Des Landes schnell die Strandbewohner auf!
      Auf! laßt die Feuerglocken tosen, laßt
      Die Notsignale weithin lodern, greift
      Die Waffen! Bauer, Städter! zu den Waffen!
      Die Finnen sind gelandet! Von den Bergen
      Und von den Türmen ruft es durch das Land!
(Er geht ab; Stimmen in der Ferne rufen.)
      Die Finnen sind gelandet! die Finnen sind gelandet!
(Usbek tritt sehr rasch auf, in der Hand ein finnisches Feldzeichen; Finnen folgen ihm.)
Usbek.
      Da stehe ich, zuerst von allen Finnen,
      Auf Schwedens Küste, seiner Felsenschwelle,
      Und pflanze meines Volkes Schlachtpanier
      Der Christenheit zum Hohn in schwedschen Boden!
(Er tut es. – Zu einem Krieger.)
      Bewach es mit gezücktem Schwert. – Hier standen
      Zwei Schweden; sendet Reiter aus, sie zu
      Verfolgen!
(zu den Finnen, die sich im Hintergrunde sammeln.)
      Steht!
(Hinter der Szene wird gerufen.)
      Den Mohren rettet! Rettet ihn!
Ein Finne (tritt auf).
      Herr –
Usbek.
      Was bedeutet jener Auflauf?
Der Finne.
      Unheil!
      Dem Oberfeldherrn schleuderten die Wogen,
      Als er zum Ufer schwamm, 'nen Balken
      Aus einem Schiffswrack knochenbrechend an
      Die Brust!
Usbek.
      Ist er gerettet??
Der Finne.
      Glücklich ward er
      Dem Meer entrissen, doch –
Usbek.
      Welches Doch?
Der Finne.
      Jetzt droht ein Blutsturz seinem Leben.
Usbek.
      Fällt
      Der Mohr, so ist auch Finnlands Fall nicht fern.
      Die Götter hassen uns! – Wo find ich ihn?
Der Finne.
      Seht,
      Dort kommt er selbst, von Irnak hergeführt.
      »Im Angesicht des Heers«, so sprach er, »will
      Ich leben oder sterben!«
(Berdoa kommt, langsam, gestützt auf Irnak – Usbek – Finnen.)
Irnak.
      Jetzt steht Ihr vor
      Der weitgedehnten Fronte unsres Heers.
Berdoa.
      Was sagst du, Irnak?
Irnak.
      Jetzt steht Ihr, sag ich, vor
      Der weitgedehnten Fronte Eures Heers.
Berdoa (zu Usbek).
      Euch Reitern ist wohl manches Pferd ertrunken?
Usbek.
      Auch nicht ein einziges, mein Feldherr; schaut, dort
      Am Meere halten meine mutigen
      Schwadrone.
Berdoa.
      Seh es nicht; ein dunkler Flor
      Umhüllt mein Auge und raubt mir die Sonne.
Irnak.
      Das kommt vom Blut; es stieg Euch ins Gesicht.
Berdoa.
      Schweig! mahn mich nicht daran; es meldet sich schon
      Von selbst! – Ho, faßt mich! – Da erneuet sich
      Der Blutsturz! Luft! Luft, Luft! Zerrissen sind
      Mir alle Adern in der Brust!
(Sehr heftig.) O, welch
      Erbärmlich Flickwerk ist der Menschenleib!
      Jetzt fühl ichs recht, daß mich ein Weib gebar!
Irnak.
      Sprecht leis!
      Ihr röchelt!
Usbek.
      Auf dem Boden, Feldherr, dampft
      Dein Blut, – es brennt mir schmerzlich durch das Aug
      Bis in die Seele!
Berdoa.
      Schwatzt nicht! Helfer! Helft,
      Wenn ihr es könnt! Setzt diesem Blutsturz Grenzen, –
      Er schwemmt mich weg, – das Eingeweide löst
      Sich los, – er höhlt mir Brust und Leib aus,
(in höchster Angst, lautschreiend)
      Es ist vorbei mit mir, – wer kann mich retten?
Die Finnen. Weh, Wehe, Wehe!
Usbek (tieferschüttert).
      Weh, nur Töten, nichts
      Als Töten habe ich gelernt!
Berdoa.
      So klag nicht; auch
      Mit deinem Töten, Freund, kannst du mir dienen!
Usbek.
      Wie könnt ich das?
Berdoa.
      Ihr weint um mich, ihr Finnen,
      So rächt mich auch! – Ein Held liebt Tränen; doch
      Nicht solche wie ein Weib sie weint; die Tränen,
      Die roten Wunden, das Geseufz der Feinde
      Erfreuen sein Gemüt! – – Hexerei
      Der schwedschen Christenpriester – quäl sie Gott! –
      Hat mir dies Unglück angetan. Warum
      Traf jener Balken grade meine Brust?
      Die Pfaffen hatten ihn auf meinen Leib
      Gehetzt! Rächt mich an ihnen, Finnen!
      Ich, euer Oberfeldherr und eur Oberpriester,
      Gebiet es euch als heilge Pflicht; zerschmettert
      Mit ihrer Kirchen Einsturz ihre Häupter!
Usbek.
      Sie sollen blutge Buße tun, zertreten
      Von meiner Pferde mordgewohnten Hufen!
Irnak.
      Sie sollen winseln unter diesem Säbel!
Rossan (tritt auf).
      Ein schwedischer Gesandter will Gehör.
Berdoa.
      Wie? ein Gesandter? Laßt den Schweden kommen.
(Rossan geht ab.)
      Der Blutsturz hat mir Leib und Seel empört;
      Der Europäer mag sich hüten, mich
      Zu reizen. –
(Graf Holm und Rossan treten auf.)
Holm.
      Führt euch der Neger an?
Rossan.
      Der Pöbel schimpft
      Ihn Oberfeldherr. Dort siehst du ihn stehn.
      Als er nach Finnland kam, da trug er Fetzen,
      Doch jetzt umhüllen Purpurmäntel ihn.
      Ein Blutsturz will ihn an den Boden schmeißen.
      Beliebts, so red ihn an.
(Sie treten vor.)
Rossan (zu Berdoa).
      Der Gesandte. –
Berdoa.
      Wer sendet dich?
Holm.
      Der Schwedenkönig.
Berdoa.
      Reiten
      Des Königs Boten auf dem Winde? Kaum
      Gelandet, so sind auch Gesandte da!
Holm.
      Auch ich dacht euch in Finnland erst zu treffen,
      Nicht unterwegs.
Berdoa.
      Ha, ich verstehe dich:
      Wir haben dir die Reise übers Meer
      Erspart.
Holm.
      Im Namen meines großen Königs,
      Des Herrn und Fürsten dieses Bodens, frag
      Ich dich, das Oberhaupt
      Der Finnenrepublik, was führet euch
      Gerüstet, drohend und mit Heeresmacht
      Zu diesen Küsten?
Berdoa.
Gott hat uns geführt!
      Er ging den Schiffen gnadenvoll vorauf,
      Und ebnete des Meeres rauhe Wege;
      Es war Sein Wind, der unsre Segel schwellte,
      Und als die Schiffe brachen – Hei, da rührt
      Sich mein empörtes Blut!
Holm.
      Es straft dich für
      Die Gotteslästerung!
Berdoa.
      Der Gotteslästrung, Schwede, zeihst
      Du mich? Ha, dafür brennen
      Noch heute abend vierzehn schwedsche Dörfer!
      Usbek, du zündest sie mir an!
Usbek (ruft aus der Szene).
      Versehet euch
      Mit Feuerbränden, Reiter!
Holm.
      Mohr, du stehst
      Am Grabesrand; der rohste Heide denkt
      In seiner letzten Stunde, wo dies Leben
      Zu Nichts, die Ewigkeit zu Allem wird,
      An die Vergeltung, sucht voll heißer Reue
      Durch Tränen und Gebet die Fürchterliche
      Mit seinem Leben zu versöhnen; Neger,
      Du hast genug zu büßen; Neger, tritt nicht
      Von frischem Mordbrand dampfend vor sie hin!