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Kein zweites Land hat so sehr die Feindseligkeit der Anhänger des neuen malerischen Stiles zu erdulden gehabt wie Holland. Alles, was verzwickt, kleinlich, abgeschmackt und naturwidrig erschien, wurde im XVIII. und XIX. Jahrhundert als holländischer Garten bezeichnet. Ja, man war mehr und mehr geneigt, alle Fehler des alten Stiles diesem Lande allein in die Schuhe zu schieben. In England, von wo diese Feindseligkeiten ausgingen, ist diese Stellung wohl lokal bedingt und verständlich. Aber ein Blick auf die Entwicklung der Gärten dieses Landes, der uns noch einmal zurückführen muß zu seiner ersten Blüte, soll die eigentümliche Stellung, die dieses Glied in der Entwicklungskette der Gartenkunst einnimmt, beleuchten. Verführt durch dieses Feldgeschrei, zu dem »The Dutch Garden« im England des XVIII. Jahrhunderts geworden war, hat man immer wieder einen Versuch gemacht, einen besonderen holländischen Stil herauszufinden. Die bedeutsame Rolle, die der Kanal im ganzen Landschaftsbilde Hollands und daher auch in seinem Garten spielt, hat besonders in neueren Untersuchungen die Ansicht veranlaßt, als wäre der holländische Garten ein Hauptfaktor in der Entwicklung des französischen Kanalgartens geworden A. Forbes Sieveking, Three Essays on Early Dutch Gardens: Country Life, 1905.. So einleuchtend bei den nahen Beziehungen der beiden Länder dies auch auf den ersten Blick erscheinen könnte, so hat doch der ganze Lauf unserer Darstellung gezeigt, wie dies Verdienst ganz allein in dem organischen Wachstum des französischen Gartens selbst liegt. Wenn aber auch Holland – dies hatte schon Hirschfeld eingesehen Hirschfeld, Theorie der Gartenkunst I, S. 52. – in der Geschichte der Gartenkunst keine so bedeutsame Stellung zukommt, so hat es doch seinen eigenartigen, lokal bedingten Stil entwickelt. Holland tritt entsprechend seiner ganzen Kulturentfaltung ziemlich spät in der Gartenkunst auf. Der niederländische Garten, der uns in der Renaissance als ein blühender Zweig der deutschen Gartenkunst beschäftigte, hatte sich in den südlichen belgischen Provinzen entwickelt. In den reichen Gartenentwürfen, die z. B. ein de Vries hinterlassen hat, spielt der Kanal gar keine, ja das Wasser eine geringere Rolle als in manchen anderen Gebieten, selbst Deutschlands. Später war Belgien, wie in aller anderen Kultur so auch in der Gartenkunst, zu einem Zweige der französischen Entwicklung geworden. Ein Garten wie der, den sich die Herzöge von Enghien (Abb. 539) um die Mitte des XVII. Jahrhunderts anlegten, ist nur zu verstehen, wenn man sich die Hauptmotive, die der große Stil Ludwigs XIV. brachte, noch unorganisch ergriffen und der Renaissancepraxis verbunden denkt. Noch sind die Einzelgärten mit ihrer Vielheit und Kleinheit nicht unter einem großen, gemeinsamen Plan gemeistert.
Der Kanal ist als bedeutsame Mittelachse eines Seitengartens benutzt. Ganz eigenartig ist die große konzentrische Boskettanlage, die einen festungsartigen Charakter trägt, und von der aus lange Alleen das ganze Parkgebiet durchziehen. In Holland aber beschäftigte in dem späteren, für die Gartenentwicklung so wichtigen XVI. Jahrhundert der lange Befreiungskrieg von der spanischen Herrschaft Adel und Städte noch so ausschließlich, daß weder Zeit noch Sicherheit vorhanden war, das bedrohte offene Land mit der Friedenskunst der Gärten zu schmücken. Nach dem Waffenstillstand freilich äußerte sich der ungeheuere Aufschwung des Handels, der schon zu Beginn des XVII. Jahrhunderts Holland zu den reichsten und blühendsten Ländern Europas zählen ließ. Vieles kam dann bei diesem Aufblühen des Landes zusammen, um eine Entwicklung aller Gartenkultur zu unterstützen. Vor allem der Kampf mit dem Meere um die Herrschaft des Landes. Zwar verdankten die Holländer schon seit dem XII. Jahrhundert die Sicherheit ihrer Wohnstätten ihrer eigenen Arbeit, mit der sie dem Meere seine Schranken errichteten. Erst als der immer wachsende Handel das Kapital auch für das eigene Land kräftig und unternehmungslustig machte, begann man aber daran zu denken, der wachsenden Bevölkerung mehr Raum zu schaffen und dem Meere durch die sogenannte Einpolderung der Binnenwässer neue Landstrecken abzugewinnen. Dieses Land, das, tiefer liegend als der Meeresspiegel, durch hohe Dämme geschützt wurde, brauchte breite Kanäle, um das überflüssige Wasser aufzunehmen und abzuleiten: Kanäle sind für das völlig ebene Land ohne Gefälle die durchaus notwendigen Bewässerungsregulatoren. Sie wurden von jeher für dies wasservertraute Volk neben den Flüssen zu bequemen Verkehrsstraßen. Eine große Menge überaus fruchtbaren Landes gewann man so im Anfange des XVII. Jahrhunderts durch Einpolderung einer ganzen Reihe dieser Binnengewässer. Eine regelmäßige Bebauung verstand sich für Holland, das den Gedanken einer gleichmäßig rationellen Bewirtschaftung am frühesten begriffen hat, von selbst; ihr ordnete man nicht nur die Felder und Nutzgärten unter, sondern ebenso die Villen und Landhäuser mit ihren Gärten, die sich auf dem Polder in der Nähe der großen Stadt besonders gerne ansiedelten.
Ein Beispiel mag hier für viele gelten. In den Jahren 1624–58 wurde das sogenannte Diemermeer von der Stadt Amsterdam trocken gelegt, ein großer Teil des gewonnenen Bodens wurde für Vorstadtvillen aufgeteilt. Jedes dieser nicht großen Häuser erhielt ein ebenfalls nicht sehr großes Gartenstück, das sich nach dem Kanal zu erstreckte. Dieser Kanal schloß die Gärten ab, diente als Verbindungsweg und, neben einem jenseits laufenden Weg, als öffentliche Verkehrsstraße. Da man sich daran gewöhnte, in dem Wasser Verbindung sowie Grenze zu sehen, so grenzte man sich auch gegen den Nachbar mit einem schmalen Kanal ab, so daß die meisten Gärten von drei Seiten von Kanälen umgeben wurden. Diese Gärten waren nun häufig nichts weiter als ein offenes Parterre, das als Mittelpunkt meistens einen Brunnen hatte und mit dem holländischen Sinn für äußerste Reinlichkeit, Zierlichkeit und Nettigkeit im Stile der Zeit mit Buchs und bunter Erde ausgelegt wurde, die die Blumenbeete in reichen Mustern umgaben. Der Reichtum der Besitzer und der kleine Raum, der gerade solche Anlagen beschränkte, ließ sie an Schmuck soviel anhäufen, als nur irgendwie Platz finden wollte. Statuen, kleine Pavillons, vielfacher Heckenverschnitt versuchten auch in diesen Gärtchen der dringenden Zeitforderung nach Abwechslung nachzukommen. Dem Bedürfnis nach größerer Ausdehnung in Parkanlagen, das der einzelne nicht befriedigen konnte, kam man entgegen durch gemeinsame Anlagen auf der Landseite der Häuser; so zeigt eine Stichsammlung Watergreefs of Diemermeer bij de Stadt Amsterdam, 1705. des Diemermeeres eine große Mailbahn, die zu gemeinschaftlicher Benutzung der Anwohner sich hinter den Häusern mit mehrreihigen Alleen hinzieht. Diese Art der Bebauung mit Vorstadtvillen und Gärten ist eine durchaus typische in Holland, die sich oft meilenweit hinzog und auch heute noch häufig anzutreffen ist.
Einen weiteren großen Einfluß auf die Gartenentwicklung in Holland gewann die Art seiner Blumenzucht, durch die es sich im Beginn des XVII. Jahrhunderts in der eigentümlichen Verquickung mit Handel und Spekulation lange Zeit einen unbestrittenen Weltruhm erwarb. Es ist schon früher erwähnt worden, wie schnell gegen das Ende des XVI. Jahrhunderts die Zwiebelgewächse in dem botanischen Interesse den ersten Platz einnahmen. Hollands Handel hatte sie bald zum Mittelpunkt des Blumenmarktes gemacht. Wie sich dann weiter die Spekulation bis zum tollen Schwindel des Terminhandels der Zwiebel, besonders der Tulpen, bemächtigte, verdient nur noch der Kuriosität halber Erwähnung, gehört aber nicht mehr der botanischen Sphäre, geschweige der der Gartenkunst, zu. Doch hat die Leidenschaft für die Blüten der Blumenzwiebeln auch die holländische Gartenkunst beeinflußt. Sie hat diesen Garten zwar vor der Blumenfeindschaft bewahrt, die zeitweilig das französische und englische Parterre beherrscht, hat aber auch den Beeten eine besondere Steifheit und nicht zum mindesten eine Neigung zu großer Buntheit verliehen. Diese Gewöhnung des Auges an die vielfachen, leuchtenden Farben der vergänglichen Blüten hat gewiß auch dazu beigetragen, daß der Holländer für die verhältnismäßig langen Zeiten, in denen er das Blühen seiner Lieblingsblumen entbehren mußte, einen Ersatz brauchte. Die bunten Kugeln, die in allen Farben das Bild des Gartens widerspiegeln, sind zwar nicht eine holländische Erfindung, der Renaissancegarten aller Länder schmückte sich gerne mit solchem Zierat, man denke an eine Gartenschilderung wie die Bacons; doch erst hier, auf einen kleinen Raum zusammengedrängt, im Bunde mit Glockenspielen, der bunten Erde und den noch bunteren Statuen, drängte sich dieser Schmuck so auf, daß der übersättigte Geschmack sich später zu gewaltsamer Änderung gedrängt fühlte. Die Statuenplastik im Holland des XVII. Jahrhunderts fand in den Gärten eine Stätte, in der sie sich als ein Nebenzweig der großen Kunst der Malerei zu äußerstem Realismus entwickelte. Wir haben auch in anderen Ländern gesehen, wie mit den ersten Anfängen des Barocks eine naturalistisch genrehafte Plastik in den Gärten, die schon Alberti nicht abgelehnt hatte, Eingang fand, in Italien füllte sie später die Lücken aus, die die Museen in den hohen plastischen Schmuck der Gärten rissen. Doch blieben ihre Leistungen dort immer so sparsam, mit anderen Bildern gemischt; auch in den Ländern jenseits der Alpen hat sich diese Plastik mit den reinen Idealgestalten der Götter und Nymphen teilen müssen. In Holland aber drang der Naturalismus mehr und mehr herrschend durch und machte sich noch bemerkbarer durch die Buntheit der Bemalung, der nicht selten auch noch eine mechanische Bewegung und Ton zugesellt war. Um möglichst viel Schmuck in die kleinen Gärten hineinzuzwängen, wurden diese Genreszenen häufig in kleinem Format gebildet, eine Anhäufung von groteskem Baumverschnitt vollendete endlich den eigenartigen Anblick dieses Gartens im XVII. und XVIII. Jahrhundert.
Der Eindruck wurde natürlich noch aufdringlicher, wenn er sich dem Auge des Reisenden, der gemächlich auf der Wasserstraße vorüberfuhr, hundertfach immer wiederholte, denn »die Gartenliebhaberei ist die allgemein herrschende, und man wendet viel Geld darauf. Wer es nur möglich machen kann, besitzt bald näher, bald entfernter von der Stadt einen Garten, in welchem er vom Sonnabend bis Montag mit den Seinen lebt« Johanna Schopenhauer, Reisen durch England und Schottland, 1818, I, S. 50..
Johanna Schopenhauer, die um das Jahr 1812 Holland besucht und die holländischen Gärten mit wohlwollenden Augen anschaut, findet zu ihrem Leidwesen den englischen Stil in lebhaftem Vordringen. Doch schildert sie in dem Dorfe Broek Anlagen, die augenscheinlich in ihrer Übertreibung wahre Reinkulturen dieses einst viel weiter verbreiteten holländischen Geschmacks bilden. »Die Gärten vor den Häusern sind ebenso wunderlich anzuschauen. Alles ist darin zu finden, nur keine Natur. Da sieht man Bäume, die gar nicht mehr wie Bäume aussehen, so verschnitzt sind ihre Kronen, die Stämme werden zu größerer Zierlichkeit mit weißer Ölfarbe angemalt. Da stehen alle möglichen und unmöglichen Tiere der bekannten und unbekannten Welt, aus Buchsbaum geschnitten, neben Säulen, Pyramiden und Ehrenpforten aus Taxus. In der Mitte des Gärtchens erhebt sich noch eine ganz auserlesene Verzierung, etwa ein bunt bemalter, auf einem Fasse sitzender Holländer, oder ein Türke, der sein Pfeifchen raucht, oder ein ungeheuerer Blumenkorb, aus welchem ein kleiner, ganz weiß angemalter Gärtner mit vergoldeten Extremitäten schalkhaft hervorblickt. Den Boden bedecken unzählige krause Schnörkel aus Buchsbaum, nett gezogen, als wären sie mit der Feder gerissen; ausgefüllt mit bunten Glaskorallen, Muscheln, Steinen und Scherben in allen möglichen Farben nach der schönsten steifsten Symmetrie gleichen sie kolossalen geschmacklosen Stickereien« J. Schopenhauer, Reisen I, S. 61/62.. Aber selbst in diesem kleinen, abgeschlossenen Dorf hat die verheerende Neuerung zerstörend gewirkt. Hier und dort hat sich noch eines dieser Gärtlein erhalten (Abb. 540). Die farblose Photographie hier gibt nur unvollkommen den Eindruck des zierlich Überladenen, Spielkastenhaften. Vor dem kleinen Tempel zur Seite, dessen antikisierende Schnitzerei weiß lackiert ist, steht auf einem tischartigen Postament eine kleine buntbemalte Musikbande, die gewiß einst ihre mechanische Musik hat hören lassen. Auch die übrigen kleinen Holzfiguren sind bunt bemalt und stehen auf Barockpostamenten. Das Mittelstück bildet die Brunnenschale; über einem aus bunten Steinen ausgelegten Herzstück mit den Emblemen von Glaube, Liebe, Hoffnung trägt sie eine Fama als Bekrönung. Rings ist das in Buchs ausgelegte Parterre mit bunten Blumen gefüllt. Zu dem Zierat des XVIII. Jahrhunderts gehört die selten fehlende indische oder chinesische Pagode, die auch hier figuriert. So sahen in jener Periode wohl die meisten holländischen Privatgärten aus, doch werden solche letzte Ausschreitungen, wie in jenem von Riat »Jardin minéralogique« genannten Garten, auch in Holland nur seltsame Kuriosa geblieben sein; hier wurde nämlich keine Spur von Vegetation zugelassen, ringsum waren die Mauern mit bunten Muscheln geziert, das Parterre wurde in roten, weißen, gelben und schwarzen Steinen ausgelegt, als weiterer Schmuck dienten Fayencevasen, vergoldete Vögel, Statuen von Menschen und Tieren in Muscheln; Wasserfälle aus Glas fielen in Bassins von Schildpatt; nur einige Beete mit Tulpen waren zugelassen Riat, L'Art du jardin, p. 266/268; Jean Walter, Recueil de fleurs fruits etc., Strasbourg 1656 à 1665; Garten im Hause Nassau, 1660..
Daß neben diesen kleinen Gärten schon im XVII. Jahrhundert schöne und bedeutende Gärten auch in Holland wie in den ganzen Niederlanden angelegt wurden, versteht sich bei dem wachsenden Reichtum von selbst. Nur muß betont werden, daß in dem großen Stile Frankreich sowohl unmittelbar vor Le Nôtre wie nachher immer den entscheidenden Einfluß ausgeübt hat und jeder Versuch, hier die holländische Gartenkunst in eine für Nordeuropa führende Stellung zu rücken, ein verfehlter sein muß von Sypenstein, Ond Nederlandsche Tuinkunst, 1910.. Im Jahre 1668 erschien das bedeutendste und vielgelesene niederländische Gärtnerwerk von Van der Groen: »Den nederlandschen Howenier«, das, um seiner nützlichen gärtnerischen Winke willen sofort ins Französische und Deutsche übersetzt, eine große Verbreitung fand. Die 200 Parterrevorlagen zeigen recht deutlich im Vergleich mit den bedeutend früheren französischen von Mollet und Boyceau, wie viel stärker der holländische Geschmack noch auf das Einfachere, Kleinere, wenn nicht Kleinlichere eingestellt ist. Freimütig erkennt man damals die Überlegenheit französischer Methode an. Groen war Gärtner beim Prinzen Wilhelm von Oranien. Das Haus Neuburg (Abb. 541), das sich Wilhelm II. in der Nähe von Rijswick erbaute, kann als ein Musterbeispiel vornehmer holländischer Gartenanlagen um die Mitte des XVII. Jahrhunderts gelten. Die völlige Ebene des Terrains machte den schon damals von Frankreich streng geforderten Rhythmus und die Abwechslung der Anlage nicht leicht. Die ganze breite Mittelachse ist in drei Quadrate geteilt, Parterres, die je durch Brunnen oder andere Statuen zusammengehalten sind. In Frankreich selbst hätte man damals in einem repräsentativen Garten die einzelnen Parterres kaum noch mit niederen Zäunchen, mit kleinen Eckpavillons, abgetrennt. Ein durch Berceaux gebildeter Halbkreis schließt diese Parterres ab. Völlig symmetrisch liegen rechts und links je zwei rechteckige Bassins, durch ein Boskett getrennt, die vorderen mit schönen Brunnengruppen geschmückt, schmale Bosketts zur Seite rahmen den ganzen Garten hübsch ein; die äußere Grenze bildet der von Baumalleen begleitete Kanal, der das ganze Besitztum umfließt. Die eigentlichen Parkbosketts liegen auf der andern Seite des Hauses, dessen beide Seiten giardini secreti schmücken.
Wilhelm III., dessen große Gartenliebe wir in England kennen gelernt haben, hat auch für Hollands fürstliche Gärten in dem letzten Drittel des XVII. Jahrhunderts Vorbildliches geschaffen. Des Königs Leibarzt W. Harris gab auf Befehl und Anregung der Königin Maria, die ihren Landsleuten gerne eine gute Vorstellung von Holland geben mochte, eine eingehende Schilderung des Landes, die ihn zu dem Schlusse kommen ließ, »daß die Holländer eine große Beachtung und Freundlichkeit von uns verdienen«. Durch ihn gewinnen wir ein anschauliches Bild der Gärten jener Zeit. Die Haupt- und Lieblingsschöpfung des fürstlichen Paares in der alten Heimat war Het Loo (Abb. 542), zu dem Maria selbst den Grundstein gelegt hatte, und das sie beide, auch nachdem sie nach Hampton Court übergesiedelt waren, niemals vergaßen. Het Loo wurde damals natürlich zum holländischen Versailles gestempelt. Mit viel Geschick ist in das Terrain Bewegung hineingebracht, indem der Hauptgarten mit seinen 8 großen Parterres tiefer gelegt ist, mit einem Terrassenumgang versehen und nach hinten durch eine Eichenallee abgeschlossen wird, durch deren offene Mitte der Prospekt frei bleibt auf den etwas höher gelegenen oberen Garten, der, mit einer halbrunden Galerie abschließend, mit einer Reihe von schönen Wasserwerken geschmückt ist.
Das italienische Renaissancemotiv des großen vertieften Parterres hatte ja auch der französische Garten mit Glück aufgenommen und häufig durchgeführt. Zwei große Gärten zu beiden Seiten des Hauses bewahren in Het Loo auch noch den Renaissancecharakter, den der ganze Garten noch in vielen andern Dingen zeigt. Zu beiden Seiten des Mittelgartens liegen die Bosketts, die in ihrer zum Teil barocken Ausgestaltung sich viel mehr von dem vornehm prächtigen Stil von Versailles entfernen als der Repräsentationsgarten. Der Kanal, der in doppeltem Arme den unteren und oberen Garten trennt, hat nicht die Bedeutung, Park und Garten zu verbinden. Daß die Größe des Areals nicht entfernt an Versailles heranreicht, bedarf bei den geringen Abmessungen des Hauses kaum der Erwähnung. Ähnlich in der Anlage wie Het Loo ist ein anderes Lustschloß, Haus Honslaerdyk (Abb. 543), das Wilhelm sich nicht weit vom Haag erbaute. Der Kanal umfließt hier nicht nur den Lustgarten, der das Haus von drei Seiten umgibt, sondern auch das Haus, das dadurch den Charakter eines Wasserschlosses erhält. Die Bosketts sind den kleineren Abmessungen entsprechend weit einfacher behandelt als in Het Loo.
Eine Reihe anderer fürstlicher Schlösser jener Zeit sind uns in Beschreibungen und Stichen aufbewahrt, von denen doch keines die Größe und den prächtigen Schmuck von Loo zeigte. Der schöne Garten von Heemstede in der Provinz Utrecht ist vom Verkehrskanal durch die Landstraße getrennt (Abb. 544). Die Zufahrt zu dem kleinen Wohnhaus, das in der Mitte des großen Gartens, von einem breiten Kanal umgeben, liegt, ist wie immer von der Landseite, von wo man durch eine große Menge von Bosketts zu einem freien Grasplatz bei dem Hause gelangt, zugänglich. Der eigentliche Ziergarten entfaltet sich nach dem Kanal zu: dem Hause zunächst ein prächtiges Parterre, auf das eines der in Holland so beliebten ovalen Bassins folgt.
Vom Beginn des XVIII. Jahrhunderts an erreichen die Gartenleidenschaft und das Können auch in Holland ihren höchsten Punkt, ja hier erhält die Gartengestaltung eine ganz besondere Note durch die eigenartige Gruppierung, die Aufreihung der Gartenbilder an dem gemeinsamen Bande des Kanals oder großen Flusses. Diese bilden dann unter sich eine lokal zusammengeschlossene Einheit, so daß jeder einzelne Garten wieder wie ein Boskett einer riesigen Gesamtanlage wirkte. Sehr bezeichnend ist es, daß auch die Stichfolgen diese Gemeinschaft anerkennen. Im XVIII. Jahrhundert stehen die holländischen Kupferstecher unbestritten an der Spitze dieser Kunstübung. Sie versorgen nicht nur Holland mit zahlreichen Stichen seiner eigenen Gärten und Lusthäuser, sondern decken, wie wir sahen, auch einen großen Teil des Bedarfes des übrigen Europas, besonders Englands. In Holland herrschen die geschlossenen Folgen vor: »Watergreefs of Diemermeer bij de Stadt Amsterdam« oder »Het zegenprahlende Kennemerland« oder die »Zegenprahlende Vecht« und viele ähnliche. Alle diese Villen zeigen ein offenes Parterre nach dem Kanal oder Strom, so daß die Reisen auf einer dieser Wasserstraßen, besonders auf einer der schönsten unter ihnen, der Vecht, nicht genug gerühmt werden. Hirschfeld bringt eine Schilderung seiner Zeit (1785): »Die Landhäuser und Gärten, die auf beiden Seiten liegen, machen eine Reise auf diesem Flusse durch diese Gegenden zu den angenehmsten, die sich menschliche Einbildungskraft schaffen kann. Alle Augenblicke verändert sich die Aussicht auf einen Garten mit Labyrinthen, dann auf eine in tausendfachen Formen künstlich geschnittene Hecke aus Linden, Ulmen oder Eiben, dann in lange Alleen von Lindenbäumen und Kastanien. Zuweilen geht ein Kanal zwischen durch, ein andermal trennt eine kleine Wiese zween Gärten, wieder ein anderer Garten hat die angenehmsten dicht zugezogenen Lauben und bedeckten Gänge. Zuweilen liegt hart am Ufer ein schönes Landhaus aus Backsteinen, ein andermal sind die Gärten mit eisernem Gitterwerk eingefaßt. Man sieht in Gärten und Gänge, die mit Bildsäulen besetzt sind, und an dem Ufer laufen lange Beete mit Blumen hin, unter denen jetzt die Tulpen eine herrliche Einfassung ausmachen ... Sie fallen hauptsächlich deswegen so angenehm ins Auge, weil der schnell vorüberfahrende Reisende, über die Abwechslung und Folge so vieler, die in jedem herrschende Einförmigkeit und ermüdende Regelmäßigkeit nicht bemerken kann« Die Serie dieser Stiche befindet sich auf der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums in Berlin unter dem Titel: 20 Ansichten von Sommerpalästen in Peking..
Dies setzt der dem malerischen Stile geneigte Reisende vorsichtig hinzu. Der Hauptgarten entfaltet sich dann in den größeren Besitzungen hinter dem Hause nach der der Wasserstraße abgewandten Seite in dem uns zur Genüge aus französischen Vorbildern und Lehrbüchern bekannten Geschmack. Die für französische und deutsche Begriffe jener Zeit kleinen Wohnhäuser sind fast nie durch eine Terrasse erhoben. Nur die alten eigentlichen Schlösser haben ihren Charakter als Wasserschlösser noch meist bewahrt und besitzen dann durch Gräben und Zugbrücken ein gewichtigeres Aussehen als die häufig nur pavillonartigeren Villen der neueren Zeit (Abb. 545).
Auch im Garten selbst wird eine Erdbewegung selten und dann nur mit Hilfe von künstlichen, mit einem Lusthaus gekrönten Hügeln (Abb. 546) oder durch ein vertieftes Parterre, ein boulingrin, hervorgebracht. Die Forderung der Zeit nach Abwechslung mußte in diesen ebenen Gärten in erster Linie durch das Wasser befriedigt werden. Doch so reich und vielgestaltig dieses auch verwandt wird, bald als großes spiegelndes Bassin (Abb. 547), das gerne den letzten Abschluß großer Gärten bildet, bald als vielfach gestaltete Fontäne und figurenreiche Brunnenschale, bald als Kanal, der den ganzen Garten oder auch einzelne Teile desselben umgrenzt (Abb. 548), es fehlt ihm doch bis auf geringe Ausnahmen naturgemäß eine seiner größten Zierden, die Kaskade.
Es kann kein Zweifel sein, daß um die Wende des XVII. Jahrhunderts der Durchschnitt der holländischen Gartenkunst außerordentlich hoch steht. Der Sinn für Ordnung und Sauberkeit kam der Unterhaltung der Gärten zugute, aber das Gefühl für eine gewisse bürgerliche Gleichheit läßt die Individualitäten in der Gartenkunst, die diese Zeit in Deutschland so besonders auszeichnen, nicht aufkommen.
Das Verbindungsglied, Fluß oder Kanal, verbreitet die einzelnen Motive zu unmittelbar, und die großen reichen Herren, der Adel wie die fürstlichen Kaufleute, waren gleich mit den Mitteln bereit, ihren Gärten jeden Schmuck, der modisch wurde, zuzuführen. Holland war durch diese, dem Reisenden so sichtbare und in dem kleinen Lande nahe zusammengerückte Gartenentfaltung in dieser Zeit ein guter Lehrer, und nach den französischen Gärtnern finden wir holländische häufig in fremden Diensten, wo sie schon als gute Blumenzüchter gesucht waren. Es soll auch nicht vergessen werden, daß Peter der Große z. B. in Holland zuerst die Gärten studiert hat, die er später in seinem Lande ausführte. Aber seinerseits muß auch der holländische Garten sich in die Schülerschaft Frankreichs einreihen und hier als Glied in dieser Entwicklung seine Stelle finden.