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Der regelmäßige Gartenstil hatte mit dem Zeitalter Ludwigs XIV. eine Höhe erreicht, die nicht mehr überschritten werden konnte. Ein genialer Künstler, ein alles vermögender Herrscherwille, ein technisches Können, dem nichts unüberwindlich schien, die freudige Sicherheit einer Schar bildender Künstler, mit ihren Schöpfungen an einem Gesamtkunstwerke teilzunehmen, das doch dem Einzelnen zur glücklichen Geltung verhalf, alles das hatte eine organisch gewordene, in ihrem Wesen bodenständige Kunst auf den Gipfel ihres Wachstums gehoben. In Frankreich war der nordische Gartenstil geschaffen worden, und er ward nun zum glänzenden Vorbild für ganz Mittel- und Nordeuropa. Der Zaubername Versailles bannte alle Blicke; diesem Kunstwerk nahe zu kommen, galt als das höchste Ziel des Ehrgeizes. Daß dieses Ziel von keiner der zahlreichen Nachahmungen erreicht werden konnte, lag in den Umständen, die nicht ein zweites Mal so glücklich sich zusammenfinden können. Die eminente Bedeutsamkeit dieses Stiles aber liegt in seiner Anpassungsfähigkeit an die Bedingungen der nördlichen Natur und in seiner leichten Faßlichkeit und Lehrbarkeit. So sehen wir denn das seltene Schauspiel, daß, obgleich unmittelbar nach Ludwigs XIV. Tode sich im malerischen Stile schon der Feind erhob, der dieser ganzen jahrtausendalten Kunstübung den Todesstoß versetzen wollte, noch jahrzehntelang eine Fülle der schönsten regelmäßigen Gärten entstand. In Einzelheiten, besonders in der Zeichnung des Parterres, passen diese sich der wechselnden Mode in den verschiedenen Ländern an; neue schöpferische Gedanken konnten sie nicht mehr hervorbringen, doch fehlen auch wirkliche Zeichen eines Verfalles, so daß besonders in Ländern wie Deutschland, Rußland, Schweden nochmals eine hohe Blüte dieser Kunst entstehen konnte.
Frankreich aber wurde die Lehrmeisterin Europas, nicht nur durch die Anschauung mustergültiger Beispiele; fast von gleicher Wichtigkeit für die leichte Verbreitung war das Lehrbuch, das zuerst 1709 anonym unter dem Titel »Théorie et Pratique du Jardinage« erschien. Eine dritte Auflage schrieb es dem Architekten Le Blond zu, der sich auch als Gartenbaumeister ausgezeichnet hatte, andere nennen D'Argenville Dezalliers als Verfasser. Niemals wieder hat ein Buch mit so klarer faßlicher Sicherheit das Wesen eines Stiles in Lehrsätze umgegossen. Es rühmt sich, das erste zu sein, das sich ganz der Anlage von Lustgärten gewidmet. Die Nutzgärten werden mit gleichgültiger Nachsicht beiseite geschoben. »In den großen Gärten findet man wohl auch herrliche, sehenswerte Nutzgärten, doch liegen diese vom Hause entfernt und sind nicht dazu angetan, seine Schönheit und Pracht zu vermehren« La Théorie et la Pratique du Jardinage, 1739, p. 3.. Nur Boyceau und Mollet will der Verfasser in einigen Stücken als Vorgänger ansehen. Die große Vielseitigkeit der Gartenkunst, die allen andern Künsten eine Heimstätte gewährt, zwingt den Gartenkünstler, sich selbst zu einer vielgestaltigen Bildung zu erziehen. »Er muß ein wenig Geometer sein, die Architektur verstehen und gut zeichnen können, die Ornamentik meistern, die Eigenheit und Wirkung aller Pflanzen, deren man sich in den schönen Gärten bedient, kennen; er muß leicht erfinden, und zu alledem eine Intelligenz und einen guten natürlichen Geschmack haben, den er sich am Anblick schöner Dinge, durch die Kritik schlechter und durch ein umfassendes Eindringen in die Gartenkunst verschafft hat« La Théorie et la Pratique du Jardinage, p. 16.. Le Nôtre hatte schon eine Generation von Schülern erwachsen lassen, die, zu solcher Vielseitigkeit erzogen, überall seine Kunst mit Leichtigkeit anzuwenden wußten. Le Blond, der zum mindesten mit Zeichnungen an dem Werke beschäftigt war, war selbst unmittelbarer Schüler von Le Nôtre. Er läßt den Garten methodisch vor uns erstehen. Nach eingehender Prüfung der Lage wird die ebene oder ganz sanft geneigte dem steilen Abfall des Geländes vorgezogen. Darum verwirft er sehr hohe Terrassen, übermäßige Steintreppen, zu viel Treillage, zu vielen Figurenschmuck. Der Gegensatz gegen den italienischen Renaissancestil ist hier klar ausgesprochen. Umsonst hatte man sich diesseits der Alpen oft beeifert, den Effekt der italienischen Gärten nachzubilden, meist war es ein vergebliches Bemühen, das zu schaffen, was den Italienern so leicht wurde und sich in jenem klassischen Ausspruch kristallisierte, »le cose che si murano sono superiori a quei che si piantano«. Der französische Garten schafft dafür die Pflanzenarchitektur, der die Skulpturen der Statuen, der Brunnen, des Wassers sich anbequemen müssen. Das Haus muß natürlich etwas erhöht mit seiner Terrasse den Garten überschauen, dessen Anlage von vier Grundsätzen geleitet werden muß: die Kunst der Natur unterzuordnen, den Garten nicht zu sehr zu beschatten, ihn nicht zu offen anzulegen, ihn immer größer erscheinen zu lassen als er ist. Der erste Grundsatz, den bald der malerische Gartenstil dem regelmäßigen als vernichtende Kritik vorhalten sollte, bedeutet hier nur den oben berührten Gegensatz der Pflanzenarchitektur zur italienischen gemauerten Architektur. Die andern entsprechen dem Bestreben des französischen Gartens, mit der strengsten Regelmäßigkeit höchste Abwechslung zu verbinden. Haus und Garten ist hier so in einen Gedanken zusammengefaßt, daß ihre Größe in festgelegten Verhältnissen gegenseitig bedingt ist, dem dann auch der offene Garten, die Parterres und ihre Reliefs, die Bosketts, genau entsprechen müssen. In der Kunst der Parterreanlage ist Le Blond vielleicht über Boyceau am wenigsten hinausgegangen. Dieser schon kannte alle Arten: die Parterres de broderie, jene aus Buchs gezeichneten Arabeskenmuster, die ein ganzes Parterre zu einer großen Zeichnung verbanden, jetzt die beliebtesten, oder die älteren, welche geometrische Blumenbänder mit Buchs einfaßten. Sie waren jetzt etwas aus der Mode gekommen, man verband sie höchstens mit dem Parterre de broderie, um eine reichere Abwechslung zu haben. Von England herüber war noch die Mode gedrungen, das Parterre im Rasenmassiv auszulegen, ein Muster in bunter Erde hineinzuzeichnen und ringsum einen Streifen von Blumen oder niederen Zwergbäumen zu pflanzen. Um so reicher an immer neuer, bis dahin unbekannter Abwechslung entfaltete sich die Gestaltung der Bosketts, welche »alles, was das Schönste in einem Garten ist, enthalten«. Diese Ausgestaltung haben wir zur Genüge an Le Nôtres großem Werke kennen gelernt. Solche Bosketts als notwendigen Hintergrund der offenen Parterres mußte jeder Garten haben, sie bargen das Geheimnis und die variété für den Beschauer von der Hausterrasse, dessen Blick, über die offenen Parterres schweifend, hier halt machte; dort war der nötige ununterbrochene Schatten für die Lustwandelnden, der Schauplatz für die Feste, der Schutz vor allen rauhen Winden, die Abgeschlossenheit. Von ihrer Vielgestaltigkeit hing die Bedeutung und Pracht eines Gartens ab, aber auch der einfachste und schmuckloseste konnte mit einem solchen Bosketthintergrund, mit zierlichen Wegen in das Massiv der Weißbuchen, mit denen diese Wäldchen meist bepflanzt waren, geschnitten, Ryhthmus und Schönheit erhalten. Trotz des Verlangens nach variété vertritt das Lehrbuch den Ruf nach Einfachheit, der die letzte Schaffensperiode Le Nôtres bestimmte. Es warnt vor aller kleinlichen Zersplitterung, in der es, wie die Entwicklung zeigte mit Recht, den größten Feind des französischen Gartens sah. Die vielgestaltigen Portiken, aus Heckengrün verschnitten, die überreiche Verwendung von Treillage, die extravaganten Baumverschnitte zu Tieren, Menschen zu Fuß und zu Pferde und sonst allerlei Gestalt, verwirft der Verfasser. Im holländischen Garten fänden sie übermäßige Verwendung, auch Italien und Spanien liebe sie sehr. Der französische Garten braucht für seine großen Linien vor allem die einfachen hohen Hecken, alles Mesquine ist zu vermeiden, auch in der Gartenskulptur lieber keine Statuen als schlechte! Diesen großen Linien entspricht auch die Behandlung des Wassers. Gleich bei der Anlage der Alleen und Plätze muß darauf gesehen werden, daß sie eine vorteilhafte Umrahmung des Wasserspiels bilden. Er verwirft auch hier alle Zerkleinerung in Muscheln und kleine Bassins, die er wahre »colifichets« nennt. Man muß die Hauptbrunnenanlagen möglichst alle von einem Hauptpunkt aus sehen können Ebenda, p. 349.. Wahrlich, einen klareren, vornehmeren Lehrmeister hätte Le Nôtres Kunst nicht finden können. Es mußten schon mächtige innere Gründe sprechen, um den Untergang einer so edlen Kunst herbeizuführen. Glänzend war denn auch der Erfolg des Werkes. Auflagen über Auflagen erschienen, mehr aber noch Nachdrucke und Übersetzungen in andere Sprachen. Ihm verdankt man vor allem die leichte Hand und die Übung, mit der die Fülle von Gärten in jener Zeit entstand.
Frankreich, besonders in den nördlichen, vom Pariser Hof unmittelbar beeinflußten Gebieten, tritt mit seinen Schöpfungen im XVIII. Jahrhundert hinter den anderen Ländern zurück. Nach Versailles gab es hier nur noch ein Zurückgehen. Der Stil entartete zwar nicht, er würde sonst nicht die ungeheure Zeugungskraft für das übrige Europa gehabt haben, aber der Hof hatte sich, wie wir sahen, in seinem Geschmack geändert. Das Jahrhundert war nicht mehr feierlich und prächtig, und für Neuschöpfungen, die sich auch nur entfernt mit denen des XVII. Jahrhunderts messen könnten, fehlten auch dem durch die langen Kriege erschöpften Staatsschatz die Gelder. So spricht sich der Geist nach Ludwigs XIV. Tode in einer Anlage wie dem ersten Garten von Klein-Trianon aus; in einer immer größeren Zierlichkeit der Parterres entwickelt sich hier am stärksten ein Übergangsgarten, von dem noch später gesprochen werden wird.
Ehe wir aber der Wirkung Frankreichs in den andern Ländern Europas nachgehen, soll noch einer Gartenschöpfung gedacht werden, die abseits von dem Bannkreise der höfischen Entwicklung steht, des sogenannten Jardin de la fontaine in Nîmes Léon Ménard, Histoire des Antiquités de la Ville des Nismes, Nismes 1803, Neue Ausg. 1826, p. 62 f.; Bazin, Nîmes galloromain, Nîmes 1892, p. 51 ff. (Abb. 442). Dieser Garten ist vielleicht das bedeutendste Werk, das das neuerwachte Interesse für die antike Kunst unmittelbar erzeugt hat. Als man Ende der dreißiger Jahre des XVIII. Jahrhunderts die Substruktionen großartiger römischer Anlagen, die einst die uralte Stadtquelle geschmückt hatten, entdeckte, flammte die Begeisterung der Bevölkerung so auf, daß sie eine Wiederherstellung verlangte. Diese wurde im Jahre 1740 dem Festungsbaumeister Maréchal übertragen, der nun, zum größten Teil auf den alten Fundamenten, ein überaus imposantes System von Terrassen, Treppen, Bassins, Statuen und Gartenanlagen entwarf; es ist beste Barockarbeit, die den Geist der römischen Anlagen in den großen Zeitstil übersetzte. Einst hatten hier Tempel, Bäder, Portiken mit reichem Statuenschmuck und Theater gestanden. Der Hauptgarten ist axial auf die Prachtstraße der Stadt, den Boulevard de la République, angeordnet, antike Bäderfundamente hat man zu Kanälen benutzt, die die einzelnen Terrassen umfließen; dort, wo jetzt auf hohem Postament eine lagernde Nymphe mit Putten die Insel des Bäderbassins krönt, hatte einst die Statue des Augustus gethront auf einem Stylobat, dessen vier Ecken geschmückte Säulen zierten. Die Quelle selbst liegt etwas abseits dieser Hauptachse, unmittelbar am Fuße des Berges, dessen Spitze, la tour magne, ein römischer Wachtturm krönt, noch weiter seitlich erhebt sich ein Dianatempel, in dem auch die Quellnymphe verehrt wurde. Diese erzwungene Abweichung von der axialen Anordnung, in der wir ein sicheres Kennzeichen römischen Geistes sehen, klingt in dieser Anlage nur wie ein besonderer bedeutender Rhythmus, denn in allem Schmuck, den überall umlaufenden Balustraden, den Statuen, Eckvasen, Treppen und Brücken, herrscht ein streng einheitlicher Geist (Abb. 443). Der echte Geist des Altertums, der den Baumeister band, bewahrt diese späte Schöpfung, ebenso wie die fast gleichzeitige Villa Albani in Italien, vor allem Kleinlichen, Überzierlichen der höfischen Werke Nordfrankreichs.
Zunächst aber gilt es, die Zeit zu betrachten, in der sämtliche Länder Europas von der Zentralsonne des eigentlichen Frankreich, von Versailles, so lange dies noch seinen vollen Glanz ausstrahlt, direkt oder vermittelt beeinflußt werden.