Nikolai Gogol
Furchtbare Rache
Nikolai Gogol

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11

Sei ruhig, Kind, ein Traum muß ja nicht gleich die Wahrheit sagen!« sprach Gorobetz, der alte Oberst.

»Leg dich zur Ruhe, Liebste!« so mahnte seines Sohnes junges Weib. »Ich ruf' die alte Kartenschlägerin, die kluge Frau, – sie weiß Bescheid mit allen bösen Mächten. Sie weiß dir wohl ein Mittel gegen deine Angst.«

»Fürchte dich nicht!« rief des Obersten Sohn und schlug an seinen Pallasch. »Dir soll kein Leid geschehn!«

Mit schwerbewölkter Stirn und trüben Augen vernahm Frau Katherina ihrer Freunde Trost und fand kein Wort.

Sie trug ja selber Schuld an ihrem Unglück. Hatte nicht ihre eigene Hand den Vater aus dem Verlies befreit?

Und endlich sagte sie:

»Er läßt mir keine Ruhe! Zehn Tage bin ich nun bei euch in Kiew, aber mein Leid ist nicht um einen Tropfen kleiner. Ich hab' geglaubt, ich könnte ruhig leben und meinen Sohn zum Rächer auferziehen . . . Furchtbar, furchtbar war die Gestalt, in der mein Vater im Traume zu mir trat. Gott halte solches Grauen in seiner Gnade von euch fern! Noch immer klopft mein Herz vor Schrecken. Er schrie: ›Ich steche dir dein Kind tot, wenn du nicht mein Weib wirst!‹«

Katherina schluchzte und lief zur Wiege. Das Kind hob kläglich weinend die Hände zu ihr auf.

Der Sohn des Obersten kochte vor Zorn, da er das hörte. Auch Gorobetz, der Alte, fuhr grimmig auf.

»Soll er es doch versuchen, herzukommen, der Satan, der verfluchte! Dann merkt er bald, ob ich noch Kraft hab' in den alten Kosakenfäusten! Gott ist mein Zeuge, daß ich dem Bruder Burulbasch zu Hilfe eilte, was nur die Pferde laufen wollten! Aber es war in seinem heiligen Rate so beschlossen! Ich fand den Freund schon auf das kalte Bett gestreckt, das vielen aus der tapferen Kosakenschar zum letzten Bette wurde. Aber hab' ich ihm nicht ein üppiges Totenfest bereitet? Ist nur ein einziger von den Polacken lebend heimgekehrt? – Sei ruhig, Kind! Keiner krümmt dir ein Haar, solange wir beide leben, – ich und mein Sohn!«

So sprach der Oberst und trat an die Wiege hin. Der Kleine sah die silberbeschlagene rote Pfeife und sah den blanken Feuerstahl am Hals des Alten hangen. Er streckte seine Händchen danach aus und lachte.

»Der schlägt nach seinem Vater!« sprach der Oberst und gab dem Kind die Pfeife in die Hand. »Liegt doch der Kerl noch in der Wiege, aber das Rauchen, das gefällt ihm schon!«

Katherina seufzte und schaukelte die Wiege. Sie kamen überein, die Nacht zusammen zu verbringen. Nach einer Weile schliefen alle. Auch Katherinen fielen vor Müdigkeit die Augen zu.

Still war es in Hof und Hütte. Nur die Kosaken, die die Wache hatten, schliefen nicht.

Plötzlich fuhr Katherina mit einem wilden Aufschrei aus dem Schlummer und schreckte alle die andern jäh empor.

»Das Kind ist tot! Er hat das Kind erstochen!« schrie sie und stürzte auf die Wiege.

Die andern standen im Ring um sie, vor Schreck zu Stein erstarrt, da sie das Kind tot in der Wiege liegen sahen. Kein Laut kam über ihre Lippen; jeder Gedanke schwieg vor dieser unerhörten Greueltat.

 


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