Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vierter Akt

Erste Szene

(Kerker. Morgendämmerung.)

Ali liegt lang ausgestreckt auf dem Rücken, die Hände unter dem Kopfe, wie in großer Mattigkeit, seine Kleider sind zerfetzt; Ibrahim hockt auf einem Zipfel des Strohlagers.

Ibrahim (für sich). Hm! hm! da bist du ja mit dieser Beichte
Vors rechte Ohr gelangt.

Ali.                                           Was brummst du da?

Ibrahim. Nichts von Belang! Ich rechne nur so aus,
Was uns die Zeche kosten mag! (Für sich) Ich will
Den Jungen noch bei seinem Glauben lassen!
(Laut) Wenn nur der Trunk uns angekreidet wird,
So setzt es achtzig Hiebe auf den Mann –
Das ist so die gesetzliche Portion!
Allein verflucht! Wenn nun dein Mosulaner –
Aus Mosul, sagst du –? (Hebt den Krug und schnuppert hinein) 267

Ali.                                         Ja, so sagte er;
Und gerne wüßt ich mehr noch, ihrethalben!
Doch weiß ich sie in einer wackern Hand!

Ibrahim (für sich, den Krug zum Munde führend).
Den Teufel, ja, in einer wackern Hand! (Setzt an und spuckend wieder ab)
Pfui Teufel!

Ali (fortfahrend).   Ja, es war ein mächtiger Zug,
Der mich der fremden Stirn vertrauen hieß –

Ibrahim. Ach, geh mir weg damit! betrunken warst du!

Ali (scharf). Du sollst das Wort mir nicht mehr wiederholen!
Ich gebe zu, daß dieser Tropfe Wein
Genügte, mir das heiße Hirn zu spalten,
Doch ließ er klar mich wie am ersten Tag,
So klar wie heute kaum in dieser Kühle –

Ibrahim (lauernd). So würdest wieder du dem fremden Aug
Das Ungeheure zeigen, und den Schatz –
Gott, welch ein goldnes Ding! – dem fremden Mann –

Ali. Dem neuen Freund! vergiß das nicht! 268

Ibrahim.                                                         Zum Henker
Mit deinem Freund! – Ha, »Freund!« du kennst die Freunde! –
Der jetzt die Beichte zum Kalifen trägt
Zusamt der Beute – –

Ali (nach kurzer, scharfer Pause kalt).
                                      Reich den Krug mal her!

Ibrahim. Die Jauche?

Ali.                               Macht nichts!

Ibrahim.                                               Na – ich rate dir!

Ali. Ich will ihn dir nur an den Schädel schmeißen!

Ibrahim (verdutzt). Ich danke!

Ali.                                             Gut! dann lasse diese Scherze!
(Warm) Sein Auge blickte groß, so – vaterhaft,
Und edel blieb er, auch in seinem Zürnen.
Doch nun gib acht: das Mädchen gab ich hin,
Und heiß war mir dabei, wie ich auch heiß
Mich in die rettende Vernichtung schmiß. 269
Doch bin ich heut in wunderbarer Ruh,
Im Glücke fast darum! und meine Beichte,
Die gestern mir aus kochendem Schoße sprang,
Die will ich heut aus kühlem wiederholen –

Ibrahim (in gespanntem Schreck).
Was denkst du, was?

Ali.                                     Mich wundert dein Verwundern,
Da du mich jetzt doch kennst und meine Lage:
Ich will mich zum Kalifen führen lassen
Und da ein End dem langen Ende machen,
Und was noch heiß von gestern übrig blieb,
Ist nur der Dank, daß ich den Weg gefunden –
        (Stutzt, besinnt sich, rüttelt sich auf, zornig)
Nein! Zorn ist auch dabei! und noch was: Scham!
Daß ich den Wahnsinn brauchte und den Rausch,
Um ihn, so nah und klar er war, zu finden!

Ibrahim. Du, du, gib acht! du warst ja nicht betrunken!
Sag's noch einmal, so fliegt der Krug zurück! –
        (Den Neckton verlassend)
Das andre aber: hab ich's nicht gelehrt?
Verrücktheit haut sich Gassen! – (Wieder ernst) Doch nun heut? 270

Ali (ein Lächeln findend).
Heut folgt Vernunft der dunkeln Führerin!
Heut – leb ich meinen letzten Willen! – Sei's!

Ibrahim (mit feiner Schneide).
Und sie?

Ali (zuckt).     Laß das –! nein, mahn mich nur daran!
Da sitzt noch Schmerz, da ist noch Ungelöstes!
Ich hab zu früh von meinem Glück gesungen
Und auch zu laut! Sieh, es war viel zu zart:
Den Griff der Seele hielt es noch nicht aus!
Wie feines Stechen zieht es durch die Brust
Und schmerzhaft durchs Gehirn! – Noch viel, o Vater,
Des Ungelösten blieb in mir zurück!
Tat ich denn unrecht? – Ja, ich überraste
Die abgrundtiefe Weisheit des Gefühls,
In der ich ankerte, wie nur die Eiche
In felsenfester, treuer Tiefe wurzelt!
Und konnte mich entreißen, dich verraten! –
Nun schüttelt mich der unfruchtbare Zorn
Und schickt mich neu gespalten auf den Weg!
Und doch: getan ist, was ich tat! War's Wahnsinn,
So war es doch Natur und heischt Bewährung!
So ist es doch mein Weg, er führt zu mir!
Vorwärts und durch denn, rückwärts kann ich nicht! 271
Und ist sie mein, steht sie an diesem Wege!
In Leben oder Tod – ich kann nicht anders!
Ich kenne kein Zurück! ich breche durch:
Zum Leben oder Tod, zu ihr – zu mir –
Das ist nun alles eins – ich breche durch!
        (Will aufstehn, hält aber erschöpft inne)
Wie matt ich bin, und wund, wie ohne Haut!
Und überm Kopf liegt's wie ein Netz gespannt,
Auch wie ein heißer Helm – geh, laß mich ruhn!
Zum letzten Gange muß die Kraft noch reichen!

(Legt sich wieder hin; nach einer Weile, da Ibrahim nichts sagt, sondern auffallend ruhig vor sich hinsieht, dreht er den Kopf nach ihm)

Ibrahim (diese fragende Bewegung bemerkend, stockend und schüchtern beginnend).
Ich – sage nichts mehr! – das ist eine Sache,
Bei der, bei Gott, so manches anders wird! –
Nichts sag ich mehr – rein gar nichts – nicht ein Wort!
        (Plötzlich losbrechend und sich bis zur größten Zungengeläufigkeit steigernd)
Den Teufel auch! daß ich gerade heut,
Da mir das höchste Gut, der höchste Rausch,
Auf den ich nie gehofft, zuteil geworden,
Den Katzenjammerschädel haben muß!
        (Reibt sich verzweifelt den Glatzkopf)
's ist tragisch fast, wie immerdar das Gestern 272
Sich an das Heute hängt, der junge Wein
Vom alten Schlauche stinkend werden muß! (Speit)
Ha, wie dein Leben mir entgegendampft,
Dem alten Menschen-Leben-Gottessucher!
Mit welchen Worten, Junge, wollt ich's sagen,
Mit welchen Tönen singen, jubeln, geigen,
Mit welchen Farben malen, Bilder schildern –
Gottsdonner wollt ich dichten, lieber Junge,
Wenn ich's nur könnte – brrr! mit diesem Igel
Im Hals, und diesem Dunst und Sums im Kopf,
Und nichts zu trinken – (Trinkt heftig, speit wieder aus)
                                        Brrr! puah! – Gib acht:
Das ist ein Possen, den sich selbst zur Lust
Dort oben einer spielt, ein alter Herr –
Wie, wackelt nicht die Welt von seinem Lachen?
Oder ist's mehr als Schalkerei, ist's Liebe?
Will er das Glück mir so ertragbar machen?
Man schaut zur Sonne durch berußte Gläser –
So faß ich dich mit diesem Kopf! (Reibt ihn wild) Du lachst?

Ali. In meinem Leben sah ich keinen Affen
So drollig seinen Schädel kraun, wie dich!

Ibrahim (kläglich).
Nicht wahr!

Ali.                       Allein warum so wild? 273

Ibrahim.                                                     So wild?
Frägst du im Ernst? Ich rieche Leben – Leben!
        (Ergreift seinen Arm und schnuppert daran)
Ah – ah! kostbare Luft! kostbarer Duft!

Ali. Geh! du bist drollig!

Ibrahim.                           Laß! es ist genug,
Ein grausam langes Leben zu durchdüften
Vom Grab zur Wiege rückwärts! Laß ihn mir!
Du lebst, und ich an dir, und wär's auch nur
Ein Augenblick! Zeit ist ein Dunst des Hirns!
Ein Blitz genügt! Der letzte Blick des Auges,
Der letzte Funke, der dein Hirn durchsprüht,
Entscheidet alles! Wie du stirbst, mein Sohn,
Hast du gelebt und lebst auf ewig weiter!
Hab Dank dafür und – sterbend grüß ich dich!
        (Komisch-pathetische Geste)
In einer Stunde faß ich achtzig Hiebe,
Und vierzig reichen für die mürben Knochen:
Beim achtunddreißigsten will ich noch schmatzen,
Beim neununddreißigsten die blauen Lippen
Zu seligem Schmunzeln falten und beim nächsten
Dann sanft entschlafen! – Dank und Heil, mein Junge,
Zum Weiterleben! denn du hältst es aus! 274

Ali. Den Kopf ab?

Ibrahim.                 Dummheit! deine achtzig Hiebe!

Ali. Wie sonderbar, daß du an dies nur denkst –
Und nicht daran – –

Ibrahim.                           Der Henker soll mich holen,
Wenn ich Verwesung an dir rieche!

Ali.                                                             Denk doch!
Da doch dein Auge in mein Schuldbuch sah:
Wird je und kann der Sultan mir vergeben,
Wenn ich ihm dieses bringe!

Ibrahim (herauspolternd).             Dummheit! (Einen Ton zärtlicher) Schafskopf!
Das weiß er alles schon! Muß ich's noch sagen?

Ali (erstaunt). Das weiß er schon? – wie sollte er? – woher –?

Ibrahim (in launigem Ungestüm).
Zum Kuckuck denn! – dein Handelsherr aus Mosul –

Ali (in halbe Kniestellung auffahrend, sieht ihn starr an, dann, sich steigernd).
War der – – Kalife? 275

Ibrahim (noch scheltend).   Na, wer anders wohl?
Du Dummkopf! Hat ein Kaufmann Vateraugen? –
        (Abschweifend)
Ein Auge warmen Scheins, das, groß und dunkel,
Von einem Schatten rätselhaften Grams
Verschleiert, wie auf Ungewolltem ruht? –
        (Bemerkt Alis Benehmen, der sich, mit den Armen das Gesicht verschränkend, niedergleiten läßt)
Was hast du? (Zärtlich werdend) Schmerzt das so? Wie wunderbar:
Dem fremden Mann hast du dich anvertraut –
Nun, da du's weißt, krümmt es dich so darnieder?

Ali (noch einmal auftauchend, mit der Stimme furchtbaren Mitleids, sich vor Schmerz förmlich zusammenkrümmend, von Zuckungen geschüttelt).
Ich muß ihn fürchterlich zerrissen haben!

Ibrahim (sieht ihn eine Weile wie verwundert an; dann versteht er ihn ganz; er wird still und sanft, nähert sich ihm zögernd, legt ihm zärtlich die Hand auf die Schulter und sagt mit zitternder Stimme).
Hab Dank – von mir – du hast um mich geweint!

 

Der Vorhang fällt. 276

 

Zweite Szene

(Zimmer im Schlosse; Harun steht brütend, die Hand am Kinne; Suleika kniet in einiger Entfernung; später erhebt sie sich.)

Suleika. Nein Fürst, ich färbe nicht! Was wir getan,
Liegt nackt vor dir und fordert sein Gericht!

Harun. Das soll ihm werden!

Suleika.                                     Auch Gerechtigkeit?

Harun. Man nennt mich den Gerechten!

Suleika.                                                       Also hör mich,
Und laß dein Aug mich tiefer sehen lehren,
Bevor die blind und stumme Hand dir zuckt
Zu unheilbarer blutiger Entscheidung!
Auch ich hab lernen müssen! Was ich sage
Es kommt aus kaum geheilter Brust! Sieh her:
Ich lag die ganze Nacht auf meinen Knien 277
Und rang nach Lösung! O ein Berg
Unsäglicher Verwirrung lag auf mir
Und mußte durchgebrochen sein!
Verratne Liebe war zu Haß geworden,
Gebrochner Stolz zu wildester Verachtung,
Verlorenes Leben Gift – bis ich gerädert
Von namenloser Schlacht zur Klarheit kam:
Dies ist ja Aufruhr nur, und Sturm und Krankheit,
Und kann und muß vertoben! Ihn zu stillen
Und hier wie dort zu stillen bin ich hier!
Du sollst ihn kennen, um ihm Recht zu schöpfen!
Die Elemente alle, die ihn bilden,
Und sehn, daß keines schlecht darunter ist:
Unbändig starke Glieder, heißes Blut,
Untadlig edler Sinn, ein Stolz und Trotz,
Der noch kein Joch und keine Zügel duldet,
Kindliche Güte, die sich selbst verschenkt,
Ein Mut, der ihn zu jedem Wagnis reißt
Und warnende Vernunft als feig empfindet,
Und doch ganz Geist und Licht und tiefes Auge –
Zu tief nur fast, zu scharf und unbarmherzig
Die düstre Welt nach Ziel und Zweck durchforschend
Und keinen Schleier schonend, den ein Gott
Voll Gnade um die letzten Gründe wob!
Und siehst du: Leben ganz und Kraft und Durst,
Mit jeder Faser seines Seins zu wirken, 278
Doch selbst chaotisch, jeder Ordnung spottend,
Muß das zerstören nicht, sich oder andres,
Bis es den Ordner fand, des Künstlers Hand,
Die göttliche, die ihn zum Menschen formt? –
O wär's die deine, Fürst! O schone ihn!
Gib Raum und Zeit, daß er sich bilde, ihm!
Er ist ein Kind ja noch –

Harun.                                       Ein schrecklich Kind!

Suleika. O hab Geduld und lasse Mann ihn werden!

Harun. Geduld? Geduld? Wo fand sich die Geduld?

Suleika. Hat Gott sie nicht bewiesen?

Harun.                                                     Ja, bis heute,
Um heut ihn dem Gerichte auszuliefern!
Vergeblich ist dein stürmisches Bemühn,
Den ungeheuren Frevel zu entsühnen.
Und häuftest du mit deiner Rede Schmelz
Und aller Glut des treuverliebten Herzens –
Ich neid ihm wahrlich diesen seinen Anwalt! –
Und aller Schärfe deines hellen Geistes 279
Auf dieses Sünderhaupt, was Gunst nur heißt
Und Gunst dir wecken kann – es hilft dir nichts –
Du fegst den Greuel nicht aus meinem Aug,
Der Sühnung, Rache heischt –

Suleika.                                               Ist Rache Sühnung?
Wenn sie die Schuld unsinnig überlodert,
Und Rache nun zu sich zurückerweckt
Oder unfruchtbare Reue? Schon' ihn, Fürst
Und sei nicht blind dem Guten in dem Bösen!

Harun. Ich muß ihm blind sein, wo es mich verführt,
Den Richter mit dem Vater fälschen möchte –
Gerechtigkeit ist blind –!

Suleika.                                     Und nennt sich doch
Gerechtigkeit? die eingestanden blinde?
O herrlich! herrlich! – Um ein fünftel Böses –
Was, Böses? Unglück ist es nur und Krankheit! –
Verdirbt sie blind vierfaches Gut und Schönes!
Er ist mehr gut als bös, nein, er ist gut!

Harun. Du bist ein Weib und er dein Pfau. Das Rad
Das er mit schöngeaugtem Schweife schlägt, 280
Berauscht dein Auge. Sei er, wie er will.
Was schön und dein – du bist ein Weib – ist gut!
Hier aber sitzt das Recht: in eherner Hand
Läßt es der Wage stumme Zunge schwanken,
Die wohlberedte, bis sie sicher weist.
Mein Herz, daß ich gestehe, zittert. Fest,
Mit grausamer Gewalt muß ich es schmieden.
Weiß, fühl ich, färben sich zum Spruch die Lippen,
Und bricht die Hand den Stab, will sie fast selber!

Suleika. Und hat dies Zittern kein Gewicht für dich!
Und sagt das Zucken deiner Hand dir nicht:
Halt ein! kein Unrecht! – Wenn doch Recht so göttlich,
Muß es da freudig nicht der Seel entspringen?
Schleppt Göttliches so schwer und träg den Fuß?
Wo sind die Flügel, die dich tragen?

Harun.                                                         Kind!
Das ist des Stoffes Schwere, die mich hemmt!
Dort reckt den Arm das göttliche Gericht,
Der menschliche hier lahmt! An jener Feste
Gerechtigkeit hab ich mich anzuklammern,
An ihr das weichende Gemüt zu härten.
Es falle der Empörer!
Er ist ein Greuel, und ich rott ihn aus! 281
Und ob mein knirschend Herz daran zerbricht –
Gerechtigkeit!

Suleika.                     Gerechtigkeit? – O Spott!

Harun. Spott? Weib, genug! Ich seh ein rauchend Feld!
Dort bleicht ein ganzes Heer, von keiner Rache
Genügend zugedeckt!
Und dreißigtausend stumme Häupter fordern
Ihr Recht von meinem Szepter, dreißigtausend!

Suleika. Und wären's drei – sechs – zehnmal hunderttausend!
Bist du ein Krämer, daß du Menschen zählst
Wie Pfennige? Kein gottgesalbter Herrscher?
Glaubst du, Gott zähl die Menschen? Ha, er schaut
Und wägt und wählt mit einem einzigen Blick!
Und spricht, um einen einzigen zu erheben,
Millionen mitleidslos in blutigen Kot,
Aus Lust an diesem einen! Und du zählst?
Du dort, Gerechter, dem vor lauter Recht
Das Angesicht so weiß wie Käse wird,
Nun sag ich dir ein Wort – –

Harun.                                             Weib! – Deine Zunge! 282

Suleika. Ich will sie nachher dir zu Füßen speien!
Erst aber sag ich dies: die dreißigtausend,
Die Feldherrn obendrein, die dort dir fielen,
Und du dazu, du selbst – ein Abasside!
Und winselt um ein Glas vergossnen Bluts –
Ihr seid noch keines seiner Haare wert!
Sonst gab euch Gott nicht diesem Knaben preis
Als einen schlechten Schluck für seinen Durst –

Harun. Ha, Frechheit unerhört! Stürzt nicht der Himmel – –

Suleika. Der Himmel? Stürzen? Stürzte je der Himmel
Über einem Frevel ein? Und stürzte er –
So stürz er denn! Haha! was liegt am Himmel?

Harun. Bei Gott, du fällst mit ihm!

Suleika.                                               Hab Dank, Gerechter!
Roll nur das Auge, schieße deine Blitze,
Laß schäumen deinen Mund, knirsch mit den Zähnen,
Und zuck am Knaufe des gerechten Schwertes –
Du schreckst mich nicht, du machst mich wieder leben!
Ich dank dem Wort und danke deiner Hand – 283
Wenn sie mich trifft! Ich fühl's – ich muß es jauchzen:
Nun bin ich wieder sein! Im Tod ihm eins!
So trinkt die Löwin keinen Atemzug
Der eklen Luft mehr, die ihr all verpestet –
O Gott – sie war nur rein und süß durch ihn,
Weil er sie mit mir hauchte – fort mit uns!

Harun. Gemach, mein Täubchen! Und nicht falsch gerechnet:
Er stirbt, zu seiner Strafe, du zu deiner –
Bleibst hier und mein! Du bist mein Eigentum,
Das sich auf bösem Umweg zu mir findet!
Und wie es diese Faust hier sättigen soll,
Daß dort sie Rache nimmt, soll dieser Hand
Hier zwiefach lustvoll sein – der Löwin Zähmung!

Suleika. Wie? das sagst du? nach dem? zu mir? Gerechter?
Indes dein Herz so fromm vor Gott sich krümmt,
Schielt lüstern nach dem Weib das freche Auge?
Das mir? nur du? – nach ihm? – Ha, du, sieh her,
Sieh, so veracht ich dich! (Speit nach ihm)

Harun. Ha, unerhört! – Und doch, es hilft dir nichts!
Du schäumst mich an – doch süß nur schäumt das – Süße –

Suleika (auf ihn zutretend).
Noch einmal diesen Blick! 284

Harun.                                           Noch tausendmal!
Entzückt des deinen grünen Blitz zu trinken.

Suleika. Ha – trink auch das! (Ihm ins Gesicht schlagend, daß es klatscht)

Harun (taumelt zurück, die Hand an den Griff des Säbels legend; Suleika reißt den Dolch aus dem Haar, das aufgelöst in reicher Welle herniederflutet und steht funkelnd in Angriffsstellung da).
                                          Ha – – –

(Zu gleicher Zeit stürzt ein Sklave herein und wartet in stummer Neigung des Befehls)

Harun (wild auffauchend).                       Hund, was willst du?

Sklave (wirft sich nieder).                                                             Herr!
Du riefst!

Harun.             Ich? – rief? Dem Hund die Ohren ab!

Sklave (zitternd). Hinweg damit, wenn sie nicht klatschen hörten!

Harun. Klatschen? – 285

(Stutzt und besinnt sich; stummes Spiel; sein Blick kehrt in langsamer Wendung über den Diener und Suleika – die seit dem Eintritt des Sklaven in eine Haltung sich zurückgefunden hat, die das Dekorum des Herrschers zu wahren weiß – zu sich zurück, endlich, leise keuchend)


                                Nun gut –
        (Mit einem kurzen, zuckenden Blick auf Suleika einen Befehl erfindend, der alles rettet)
                                                  Führ sie zurück!

Suleika (die günstige Wendung erkennend und dankbar erfassend, etwas scheuen Blicks rasch mit dem Sklaven ab).

Harun (mechanisch mit einem Auge an ihrem Fortgang haftend, sonst aber ganz bemüht, sich aus seiner allgemeinen Betäubung zu erholen, fährt schließlich mit der flachen Hand instinktiv nach der geschlagenen Wange, sacht an ihr herunter und beguckt dann verwirrt die Handfläche, als ob er etwas von dem Ding an ihr sähe, endlich vermag er zu murmeln:)
                                                                                Ich weiß nicht –
Ohrfeige, glaub ich, nennen das die Menschen!
        (Sich jäh ein wenig ergrimmend, am Knaufe rüttelnd)
Bei Gott! ich hätt sie niederhauen müssen – (Stockend)
Und – weiß nicht – wie mir ist – und wird! – Ist's nicht, (Langsam anschwellend)
Als wich ein Strom von Blei mir unaufhaltsam
Von jäh befreiter Schulter? oder tauchte
Sie jäh befreit aus schwerer trüber Flut
Und wollte wohlig sich im Lichten recken? 286
So gibt es hier noch Leichtigkeit und Licht?
Noch seh ich nicht, doch fühl ich, und ist Fühlen
Ein Sehen nicht der Seele, ganzen Seele?
So laß dich segnen, kleine, süße, tapfre
Und wunderbare Hand, von der es strömt,
Und laß dich fühlen, unbekanntes Licht,
Das diese alpbeschwerte Nacht besiegt,
Und schon ein Netz von seinen goldnen Fäden
Um meine Seele spinnt, sie ganz durchwirkt,
Ein Netz so fein und schimmernd – wohlig zitternd,
Daß ich – ich weiß nicht – nein – – wo bleibt des Fürsten
Verletzte Hoheit? – mein – wahrhaftig meine –
        (Es zittert schon in seiner Stimme)
Ich müßte – müßte – nein ich muß schon – lachen –

(Er fängt schon mit diesem Wort an zu lachen, vom Kichern beginnend, anschwellend bis zum unaufhaltsamen, herzlichen, erquickenden Lachen. Er läßt sich dabei auf einen Diwan nieder, krümmt sich zusammen und lacht unaufhaltsam in sich hinein, legt endlich den Kopf auf ein Polster – einmal schnellt er noch auf:)

Bei Gott! die haut noch Gott auf seinem Thron!

(Legt sich zurück und lacht sich in abnehmenden Schollen in Schlaf, Pause; dann:)

Djaffar (tritt durch die Mitte ein; neigt sich).
Erhabener! Das Divan ist versammelt
Und harrt nur deiner – – – (Stutzt und erhebt vorsichtig die Augen) 287
                                              Wie? er schläft?

(Sieht sich um)
Masrur erscheint auf diesen Blick)

Djaffar.                                                                     Er schläft!

Masrur. Das ist nicht wunderbar: die ganze Nacht
Hat er kein Auge zugetan!

Djaffar.                                       Was nun?

Masrur. Was nun? – Der Sultan schläft, das Volk muß warten!

Eunuche (ist hinzugetreten, andere Vornehme des Hofstaats folgen nach).
Er schläft?

Djaffar.             Um auszuruhn! Es scheint zu schmecken.
Ein sattes Lächeln spielt um seinen Mund
Und seine Wange glüht – –

Eunuche (kichert).                       Er hat auch Grund
Zu lächeln und zu glühn – die Perserin –

Ein Anderer. Die schöne Perserin? 288

Andere (fragend).                                 Wer! – was? ah – ah –
        (Sie stecken tuschelnd die Köpfe zusammen)

Eunuche (schmelzend). Sie muß von wunderbarer Süße sein!

(Sie ziehen sich tuschelnd zurück)

 

Der Vorhang fällt.

 


 << zurück weiter >>