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Zweiter Akt

Erste Szene

(Schlafgemach des Kalifen.)

Harun (im Fenster lehnend).
— — — — Und Licht auf Licht verlöscht!
Und jeder Schimmer in den niedern Hütten
Der jetzt noch einmal zuckt und dann erstirbt,
Läßt einen Streifen Neides in mir nach:
Dort legt ein Rudel Menschen sich zur Ruh,
Und nistet sich zurecht, und schlummert bald –
Nur meinen Lidern will der Schlaf nicht kommen,
Und dürsten doch wie ihre: Ach, so müde
Sänk heute keine Seele auf ihr Lager
Als meine – da! dort wieder eins – und dort!
        (Tritt vom Fenster zurück)
Ach Gott, wie wild und elend fühl ich mich!
Ein Bettler um ein Augvoll satten Schlafs!
Und heiße Fürst und Herr! – So komme Schlaf!
        (Bitter lachend in die Hände klatschend)
Der Fürst und Herr befiehlt's!

Masrur (eintretend).                         Du riefst! 176

Harun.                                                                 Nicht dir!
Dem Schlafe rief ich nur in meiner Qual,
Ihrer zu spotten! Geh! Nein – stell die Uhr!
Ich mag die Tropfen heut nicht fallen hören,
Ihr Glucken zittert schmerzhaft mir durchs Hirn.
Sie rinnen wohl zu Stunden ineinander,
Doch ist es mir, als ob nur einer falle,
Und dieser eine, gleiche, tausendmal,
In öder, tötender Einförmigkeit.
Was soll ich tun, Masrur?

Masrur.                                     O Fürst der Gläubigen,
Laß dir vom Arzte einen Schlaftrunk mischen!

Harun (sich besinnend).
Nein – nicht – Schlaf, nicht Vergiftung! Und es heißt:
Alles Berauschende sei dir verboten!

Masrur. So mußt du dir die leeren Stunden füllen!

Harun. Ja ja, doch wie?

Masrur.                           O Herr der Welt, das Beste
Was der erhab'ne Gott dem Mann zur Kühlung
Und Würze seiner schwülen Nächte schuf, 177
Es ist das Weib! Wie manche süße Frucht
Schwellt ungepflückt in deinem Harem noch!

Harun (sich besinnend).
Laß das! Ich habe einen übeln Tag –
Ich schmachte, doch ich habe keinen Durst!

Masrur. So rufe die Vertrauten deines Tisches,
Im Vorsaal harren alle deines Winks;
Djaffar und Abu, Ischak und die Dichter –

Harun. Ich mag sie nicht! mich langweilt schon die Liste –

Masrur. Du meinst es nur! Denk nur an Ischaks Laute!

Harun. Mein Ohr ist wund!

Masrur.                                 An Abus Geist und Laune!

Harun. Ich bin zu stumpf, um ihrer nur zu denken!

Masrur. Die Dichter –

Harun.                           Dummes Zeug! 178

Masrur.                                                     O Herr der Welt!
Wenn sie dich heute nicht berauschen können,
Wer weiß, so schläfern sie vielleicht dich ein!

Harun (schwach lachend).
Das wäre schon verlockend! – Doch hinweg!

Masrur. So treibe mit dem Kanzler Staatsgeschäfte –

Harun. Mit diesen trüben Sinnen!

Masrur.                                           Spiele Schach!
Das zieht dich ab von dir.

Harun.                                       Ich habe Kopfweh!

Masrur. So laß dir noch einmal den Derwisch rufen,
Der gestern dich so wohl erschüttert hat!

Harun. Still! – (Für sich) Ist's von diesem, daß ich heute blute?

Masrur (sich niederwerfend).
O Herr der Welt, nun weiß ich nur noch eins,
Dann ist dein Hund und Sklave blind und stumm: 179
Hau mir den Kopf ab! Dieses kühlt vielleicht
Dir Hand und Auge! – Blut, o Herr, das kühlt!

Harun (eine Scholle lachend).
Geh, du bist drollig! laß es gut sein, Alter!
Behalt den Kopf und wähl dir eine Gnade! –
Wie dieses Lachen schmerzte! Hart, scharfbrüchig
Kam es heraus, die Wände drin zerstoßend –
Ich bin doch krank! – Ich weiß nicht, was mich quält,
Und doch, es drückt mich alles!

Masrur.                                                 Nicht doch, Herr!
Es ist die schwarze Galle nur, die dich
So bitter stimmt –

Harun (heftig).               Die schwarze Galle nur?
Es ist genug, wenn sie das kann! Geh her
Und mach sie hell und süß!

Masrur.                                         O Herr der Welt!
Schon bot ich alles, was ich weiß und kann,
Den Kopf zuletzt, doch du verschmähst ja alles!
Du bist zu reich und groß und zu erhaben,
Und hast und kannst ja alles – – 180
Harun.                                           Schweige, Hund!
Hinaus mit dir und deinen Lästerungen!
        (Masrur zieht sich zurück)
Da liegt's! da liegt's! Das sagte mir der Stich!
Der »alles hat und kann«. Elender, wie?
Was kann ich alles und was hab ich alles?
Kann ich nur schlafen, wenn ich will und müßte?
Und was hab ich von allem, was dies Herz
In ewig brünstiger Begehrung sucht,
Und was mein Stolz und meine Herrschermacht,
Um nicht dahinzuschmelzen, haben muß?
Hab ich die Tore von Byzanz? Zerbrach
Vor meinem Schwert, dem Erbe des Propheten,
Der römische Thron, der Gräu'l im Auge Gottes?
Ja scheucht mich nicht von meines Reiches Grenzen
Der Chuaresmier zurück auf hundert Meilen,
Und trotzt mir nicht fast vor der Hauptstadt Toren
Mit wildem Hohne Babek der Rebell?
Hier bohrt der Wurm, von da entquillt mein Kummer,
Von dem ist Kopf und Herz mir so entzündet!
Geh, lasse mich allein –
        (Masrur ab)
                                          Und ist dies alles,
Um das ich weinen möchte? Was ich habe,
Es ist ja nichts! und was ich kann, ist nichts! 181
Und was ich bin, ist nichts! ein schweres Nichts!
Ein schwüler Hauch nur aus dem Mund des Lebens,
In dieses irdene Gefäß gespannt
Und bis zum Brechen üherlastet, bis!
Nur bis zum Brechen! brechen darf ich nicht!
Ein Hunger ist in mir, er wird nie satt,
Ein wilder Durst, der keine Löschung findet,
Ein Wille, der umsonst nach Stillung ringt!
Wonach? Ich weiß es nicht? Nach Tat, nach Macht,
Nach Ruhm und Rausch, Glück, Liebe, Leben, Tod –
Ich weiß es nicht! Vielleicht nach allem! Ja,
Das mag es sein! Ich dürste heiß nach allem,
Und leide drum an jedem Durst, an jedem!
Wie? Leben? – Leben? – Hab ich schon gelebt?
Mein Haar ist weiß gemustert und ich frage:
Ob ich gelebt? – Mit einem Fuß im Grabe,
Schau ich den fünfzigjährigen Weg zurück
Und sehe keine Spuren hinter mir –
So glatt und eben liegt der Sand, als ob
Ein Traum mich hergetragen, und ich weiß:
Mit hunderttausend Rossen ritt ich aus!
War das mein Leben, meine Macht, mein Reich?
Ein schwüler Dunst – sonst nichts – –!
                                                                  In meinem Harem
Sind tausend Weiber, und ich frage wieder:
Hab ich geliebt? Schlang je ein Weibesarm 182
Aus Liebe sich um meinen Mannesnacken?
Ich sah nur Wangen rot vor Scham und Augen
Heiß nur von Eitelkeit, doch nie von Liebe!
Und tausend Männer stehn um meinen Thron,
Und hundert sitzen mit mir im Diwan,
Und zehne laß ich zu an meinen Tisch,
Und wieder frag ich: hab ich einen Freund?
Wird einer zitternd an der Mauer lehnen,
Und in den Mantel beißen, wenn ich gehe?
Wie? liebt mich einer? wie? und ehrt mich einer,
Und kann mich einer lieben, einer ehren?
Was tat ich Ehr- und Liebenswertes – Gott!
Wo war ich schön, wo lieb, wo war ich groß?
O einen Zug nur aus dem vollen Becher
Des ungehemmten Lebens laß mich tun,
Nur einen Zug von Größe laß mich spüren,
Der frei aus meines Wesens Tiefe bricht,
Und keiner Mühe Frucht ist! Und – o Gott!
Laß einen Tropfen Liebe, echter Liebe
In dieses dürre, öde Dasein fallen – –
O warum legtest du die schwere Last
Auf diese schwache Schulter – Was ist das?
Woher dies Licht – der Spiegel wirft es her –
Doch woher denn –
        (Dreht sich um und blickt durch ein Fenster)
                                  – bei Gott! Masrur! (Klatscht) Du Hund!
Was geht in meinem Kleinod vor? 183

Masrur.                                                   O Herr!
Ich weiß von nichts –

Harun.                                 Du weißt von nichts? Dort sieh:
Mein Kleinod strahlt im hellsten Kerzenschein
Und ich bin hier!

Masrur.                       Gott strafe mich, wenn ich – –

Harun (klatscht). Djaffar! – Djaffar!

Djaffar (eintretend).                             Hier! Fürst der Gläubigen – –

Harun. Hund, das ist dein Werk!

Djaffar (sich niederwerfend).
Was, Herr!

Harun.               Fünfhundert Hiebe für die Frage!
Wie? bin ich noch bewacht in meinem Hause?
Bin ich der Hund und muß ich selber bellen –
Dein Auge fragt noch immer! Tausend Hiebe!
Es ist ja doch dein Werk! 184

Djaffar.                                     Nimm gleich das Leben –
So sterb ich ohne Schuld, auch ohne Wissen!

Harun. Gesteh, wem du mein Gartenhaus geschenkt!

Djaffar. Dein Gartenhaus?

Harun.                                 Dort sieh hinaus!

Djaffar.                                                             Du rasest –
Verzeih mein Fürst! – Doch sag, wie sollt ich wagen –

Harun. Was hast du nicht gewagt? Was für ein Neffe
Feiert dort Hochzeit oder ein Zechgelage?

Djaffar. Herr, laß mich sterben, wenn ich etwas weiß!

Harun (drohend aus dem Fenster).
So frech kann nur ein Barmekide sein!

Djaffar. Mein Fürst und Herr! laß doch Masrur und mich – –
Wir wollen gehn – –

Masrur.                             O Fürst, vergönn ein Wort:
Du kannst nicht schlafen, und – bei Achmeds Bart! 185
Der Vorgang dort scheint mir so rätselhaft –
Weil unerhört! – daß er ein Abenteuer
Seltsamer Art mir zu verheißen scheint – –
Wie wär es, wenn du selber schauen wolltest?

Harun (lebhaft eingehend, besänftigt).
Bei Gott! das will ich! rüstet das Gewand,
Und ruft Selim, daß er den Bart mir färbe!
Du (zu Masrur) folge uns mit Mannschaft – sei bereit!
Doch weh dir (zu Djaffar), sag ich, wenn es sich bewährt,
Daß dort ein Barmekide zecht und – buhlt! (Ab)

 

Der Vorhang fällt. 186

 

Zweite Szene

(Prächtiger Hallenbau. Im Hintergrund offene Säulenstellung und Terrasse mit reicher Balustrade; an den Wänden und Säulen Spiegel, Leuchter und Waffenschmuck; vorn ein Lustlager von Diwanen um niedrige Tische, die einen mit Früchten und Gebäck, andere mit Rauchgeräten beladen; weiter rückwärts auf der andern Seite noch ein breiter Diwan mit Bärenfell.)

Ali, Suleika und Ibrahim beim Essen.

Ibrahim. Du bist schon satt?

Ali.                                           Mein Hunger ist nicht groß,
Der Durst ist's mehr!
        (Greift nach dem Kruge, setzt an und ab, schüttelt sich)
                                    Wie schal es heute schmeckt!
Es ist ein Fieber in mir, Brot und Wasser
Versagen mir den Dienst! Sag lieber Wirt:
Es glüht der Schlund und lechzt nach etwas Scharfem –
Giebts keinen Wein bei dir, ich hätte Lust
Zu einem Zechen – –

Suleika (bittweise).               Lieber! Heute nicht – 187

Ali. Warum nicht heute? Ist's ein andres heute
Als sonst – und doch –

Suleika.                                 Du bist entzündet –

Ali.                                                                           Ja!
Und ebendrum! – Es ist ein andres heute,
Und schwärzer diese Nacht, als andre: wilder,
Tiefer und schwerer von Entscheidungen –
So ragt sie vor mir, eine dunkle Wand,
Die mit verstockter Stirne ich berenne!
Was für ein neuer Tag pocht hinter ihr?
Und grade drum! schaff Wein her, wenn du kannst –
Es spukt ein sonderbar Gelüst in mir
Mit jedem Hohn Gott ins Gesicht zu lachen,
Mit allem was ich kann! Du, sei nicht feig,
Und tanze mit! (Aufzuckend) Gib den Dinar heraus,
Den Jussuf gab – (Zu Ibrahim) das letzte, was wir haben!
Ein treuer guter Kerl, den ich verdarb –
Wie eine Maus, wenn man sein Haus verbrennt! –
Gab ihn uns auf den Weg! Wie sagt er doch?
Nimm's hin, es ist kein Gold wie andres Gold:
»Schweiß und Entsagung sind darin verdichtet –
Das wägt nur Gott allein, der alles wägt, 188
Und auch das Unwägbare! Nimm ihn hin
Und heb ihn auf, für eure letzte Not!« – (Lacht)
Ha: »letzte Not!« was lachst du nicht, mein Mädchen,
Wenn du mein Mädchen bist! – Heraus damit!
Wir wollen ihn vertrinken!
        (Ibrahim belauert sie, gefesselt)

Suleika.                                       Ali!

Ali.                                                       Nun?
Was zagst du wieder?

Suleika.                             Zag ich? wieder? – Ali!

Ali (heftig).
Was sonst denn und wann nicht?

Suleika (empört).                                 Ha!

Ali (fortfahrend).                                         Zug um Zug
Muß ich den Flug ins Freie mir erwinden!

Suleika (glühend). Erwinden? Gegen wen und was? Ist's Feigheit
Wenn ich dein knabenhaft Gelüst hier hemme!

Ali (wütend). Mein – knabenhaft? 189

Suleika (auftrotzend).                     Dein knabenhaft Gelüst!
Wärst du gesund, und frei, und nicht gepreßt –
Du übtest deinen Mut nicht an der Großtat!

Ali (ist aufgefahren, knirscht und schnaubt und tritt dann nahe an sie heran, nachdrücklich).
Du! – stell mich nicht zu oft an diesen Rand!
Hörst du? – Wenn wir zusammen bleiben sollen!

Suleika (ist aufgestanden, stellt sich ihm).
Dies – rat ich dir!

(Sieht ihn an; sie messen sich; Ibrahim ist entzückt; nach einer Weile fängt Ali an, unruhig zu werden; er kann ihren Blick nicht aushalten, sucht auszuweichen, schnappt nach einem Worte, wendet sich, geht ein paar Schritte weg, kehrt wieder um, will wieder was sagen, findet es nicht, kehrt jäh um und verläßt mit geschwinden Schritten den Saal. Ibrahim macht eine bedauerliche Miene, ihn aufzuhalten; Suleika wehrt es rasch)

Suleika (mit gedämpfter Stimme).
Laß nur! er läuft nur einmal um das Haus,
Oder auch zweimal – oder dreimal auch!
Es reißt ihn wohl einmal zum Unrecht fort,
Doch laß es ihn erspähn, von ferne nur,
Durch einen Schlitz der blinden Raserei,
So kehrt er dir zurück und macht es gut –
Da ist er wieder – –

(Verstummt; Ali kommt langsam zurück, etwas linkisch, aber doch als ob nicht viel vorgefallen; kaltblütig ergreift er den 190 Krug, trinkt einen längeren Schluck, setzt dann ab, in den Mundbewegungen sein Mißbehagen am Wasser ausdrückend)

Suleika (hat ihn unter strahlender Aufheiterung beobachtet; jetzt nähert sie sich ihm in schalkhafter Zärtlichkeit, einen Jackenzipfel schon hochhebend).
Ali – wir wollen ihn vertrinken!

Ali (herumfahrend).                               Herz!

Suleika (von der Seite herrlich zu ihm hinaufsehend).
Zu unsrer Lust! – Nicht mehr aus – Not!

Ali (wieder im Schreie des Jubels).                       Herz! – Ha –

(Umarmt sie nicht, aus Scheu vor dem dritten, sondern tritt still an sie heran; mit bezwungener Stimme)

So muß es sich entscheiden, Fall um Fall!

Suleika (ihm die Hand reichend).
Warum auch nicht? Glück auf! – von Fall zu Fall!

(Sie stehen Hand in Hand und sehen sich glücklich an)

Ibrahim (steht auf, tritt hinter sie heran und tätschelt beide auf die Schultern).
Kinder! – Das ist schon mehr von Hub zu Hub!
Zankt nur so fort und streitet euch hinauf!
Und jetzt – jawohl! jetzt wollen wir eins zechen!
Ich bin dabei!

(Suleika hat den Jackenzipfel zum Mund geführt, und beißt und nestelt daran herum) 191

                        Geh, laß es stecken, Täubchen!
Halt's warm im Flügeljäckchen! – Daß ihr's wißt –
Doch sagt es niemand – sonst bin ich – – erkannt:
Ich hab ein Fäßchen (Schnalzt) Roten! – Kein Rubin
Sprüht euch so rot von dunkler Glut, und heiß – –
Der Teufel, sag ich euch, trinkt keinen heißern!
Nur einen Augenblick!

(Watschelt fort; er ist kaum verschwunden, so fliegen sie sich in die Arme und stehen in langer schöner Umarmung da, dann lösen sie sich ein wenig, er erfaßt ihren Kopf und blickt ihr zärtlich in die Augen, sie schimmernd zu ihm empor)

Ali. Herz! – Leben du, in dem ich atme – Heimat! –
Ich rase, denk ich dran, von dir zu scheiden!
Es ist nicht denkbar, nicht uns zu gehören!
So lange diese Brust und diese Rippen
Das schwache Uhrwerk drin zusammenhalten,
So lange leb ich nur in dir, für dich, durch dich! – –
Ich will auch fassen mich und zähmen mich,
Wenn mich der Dämon der Zerstörung schüttelt
Und mich auch wider dich empört, du weiches,
Du starkes Band, das mich ans Leben knüpft – –

Suleika. Denk nicht mehr dran! – Leb hin! ich will dir stehn
Und, denk ich, gut und treu – – geh! bst! er kommt!

(Sie lösen ihre Umarmung ganz, Ibrahim kommt zurückgewackelt, ein kleines Fäßchen vor sich tragend; sie müssen lachen) 192

Ali. Bei Gott, ich glaub, du bringst den ganzen Keller!
An welch ein Zechen denkst du denn?

Ibrahim.                                                         Mein Lieber!
Ich will nicht jedesmal zum Keller laufen,
Wenn ich erst sitze und den langen Faden
Durchs Feuchte ziehen kann! O liebe Kinder,
Es ist ein fürchterlicher Durst in mir
Nach – Blut und Wein! Das bleiche, schale Zeug,
Das mich so lang umwässert, hab ich satt!
Heut will ich zechen, Kinder, Blut und Wein!
Den größern Rausch an euch! Ein Leben lang
Hab ich auf euch gewartet! Dank ihm nun,
Dem großen Leben, das euch so geballt,
Der Zeit, die euch gebracht, dem Augenblick,
In dem ich jetzt euch hab! –
        (Hat inzwischen das Fäßchen aufgesetzt und immer herumtrippelnd für ein Tischchen und Becher gesorgt)
                                                Kommt, lagert euch!
Und jetzt mal eingeschenkt, Wein! Blut! und – Weisheit!
Das röteste und heißeste von euch,
Das bleich- und kühlere von mir – doch Kinder:
So bleich auch Weisheit scheint und ist, vor Blut,
Sie feuert doch! Kommt her, ich will euch heizen – 193
Laßt mich nur erst im rechten Zuge sein!
        (Hat eingeschenkt, den Pokal erhebend)
Das erste Glas – wem bringen wir's? – – dem Lichte!

Ali (feurig). Dem Lichte? Ja! Dem Höchsten, Leichtesten,
Das diese Welt durchzuckt, und uns das Dunkel
So schwer und unerträglich macht!

Suleika.                                                     Sehr richtig!
Und gut, daß ihr es einseht! Drum so weigre
Mir länger doch die kleine Bitte nicht,
Die Leuchter anzustecken!

Ibrahim.                                       Liebes Kind!
Wozu denn? Ist dies nicht das schönste Licht,
Das dort die goldne Himmelsampel spendet?

Suleika. Das kann ich sehn in jeder schönen Nacht,
Doch dieser Saal will Glanz!

Ibrahim.                                         Die Stunde auch?
Stimmt dies nicht mehr zu dieser Zaubernacht?
Das weiche bleiche Licht des Monds, ich lieb es:
In solcher Nacht rückt man von selbst zusammen 194
Und Brücke schlägt sich leicht von Mund zu Mund,
Von Stirn zu Stirn, wie auch von Brust zu Brust –
Geh, laß es uns, wozu das harte Licht?

Suleika. Wie? Licht ist hart? und drückt dich Glanz?
Um meine Schultern fügt er neue Flügel –
Ich liebe ihn –!

Ibrahim.                   Ich gönn ihn dir! doch Kind,
Dem Glücke dieser Nacht ist er gefährlich!

Suleika. Warum denn nur?

Ibrahim.                               Ich sagte dir ja schon:
Er zieht Nachtvögel an! – Kind, dieses Haus
Liegt hoch und schimmert weit ins Land hinein!
Heut hab ich Ruhe, weil es dunkel liegt –
Mach's hell und: »Ah!« – macht da und dort ein Kerl
Von meinen guten Freunden in der Stadt –
»Ah! Ibrahim hat Gäste!«

Suleika.                                     Laß sie doch!
Es müssen nicht die schalsten Köpfe sein,
Die »Ah!« bei deinem Namen machen! 195

Ibrahim (sich windend).                                   Ja!
Das schon! Das schon! Doch gönne mir die Freude,
Euch ungemischt zu haben, diese eine
Glorreiche Nacht! – (Suleika schmollt)
                                    Was maulst du denn, mein Täubchen?

Suleika. Ich bin so unzufrieden! – Muß die Lust
Denn stets an einem dunkeln Striche kranken?
Ja, säßen wir dort im Cypressenhain,
Oder wandelten durch diese Laubengänge,
Oder lägen wir auf der Terrasse da
Im Anschaun all der Herrlichkeit versunken –
Ich wollte mich vor keinem Schatten fürchten
Und keinem Schauern in den dunklen Büschen –
Ich tränk mich satt und froh an dieser Dämmrung!
Doch dieser Saal will Licht! Geh, Väterchen
        (Umschmeichelt ihm die Wange)
Geh, laß die Sorgen! geh, schenk mir den Glanz!

Ibrahim (in komischer Entzückung, wie ein in Wonne Ertrinkender aufschnappend).
Ah – ah – was war das? – Noch einmal! – Ich schwelge!
Ich spürte etwas Weiches in der Luft –
Ich kann nicht mehr – nun denn, es werde Licht! 196

Suleika (läuft aufjubelnd einher und steckt alle Leuchter an; der bisher sanft dämmrige Saal wird taghell, sie steht in der Mitte).
Oh! – unvergleichlich! – Nun erst leb ich ganz!
        (Nähert sich Ibrahim noch einmal und streichelt ihm wiederholt vorsichtig die Wange)

Ibrahim (wollüstig aufkreischend und sich sträubend wie ein alter Kater).
Ah! Noch einmal! Es war nur ihre Hand!
Nur ihre Hand! – doch jetzt begreif ich voll,
Warum der Drohne sterben muß, wenn ihn
Die Königin – geküßt! – Mir ist ganz schwach!
Und war nur ihre Hand an meiner Wange!
Kinder! – Kinder! ich spür's: das giebt ein Lied –
Es juckt schon in der Kehle! Jetzt begießt's –
Es wird schon keimen, hält man's feucht genug! (Trinkt)

Suleika. Ein Lied? ein Lied? heraus damit!

Ibrahim.                                                         Gemach!
Es muß – ist es gekeimt – nun sprossen, wachsen
Und blühn und reifen! Laß es nur der Mutter
Neun solcher Monde lang (Erhebt seinen Pokal) im Leibe (Trinkt aus) – Jetzt
Nur achte noch! – Schenkt ein und rückt zu mir! 197
Halt, erst das Rauchzeug noch! Ein blaues Wölkchen
Soll, würzigen Duftes, noch den Raum durchkräuseln –
Da – auf dem Tischchen – rück es her! – ist alles:
Den Tschibuk mir! liebst du das, Nargileh?

Ali. Wenn du erlaubst, bleib ich bei meinem Stummel
        (Zieht ein Pfeifchen aus dem Gürtel)
Ich hab's von einem wackern Kerl und Blutsfreund!
        (Stopft es sich)

Ibrahim. Und du, mein Täubchen?

Suleika.                                           Gib – ich dreh mir eine!

(Dreht sich eine Zigarette; Ibrahim stopft den Tschibuk; sie geben sich Feuer und rauchen ein paar Züge)

Ibrahim. Jetzt ist es echt! jetzt wird es echt! – nur müssen
Noch helle Augen ineinander blitzen
Von Stern zu Stern sich seltne Kundschaft sagend,
Verwandt und doch sich fremd: ein jeder Blick –
Er kommt und senkt sich fragend in den deinen
Als wie aus einer andern Welt! – Mein Sohn,
Dies ist der erste und der letzte Reiz,
Daß wir uns grad so fremd sind wie verwandt –
So können wir uns – lieben! – Nun schieß los! 198
Wirf einen Knochen – daß wir ihn benagen!
Doch feucht ihn an! (Trinkt)

Ali.                                   Nun, wenn ich werfen soll,
So bist du einen Brückenschlag noch schuldig –
        (Trinkt Suleika zu)

Ibrahim. Das gibt schon wieder Grund zu einem Schluck –
So viel ich weiß, gehn Brücken über Feuchtes!
        (Trinkt wieder)

Suleika (lachend) Der Gründe wirst du noch genügend finden! –

Ali. So sag mir denn, wie war dein Wort gemeint:
»Wenn du nicht leben und nicht sterben kannst,
So tu etwas Verrücktes!« – Sag doch: was?

Ibrahim. Welch dumme Frage! wie soll ich das wissen!
Bin ich verrückt! und habe ich zu tun?
Und wüßt ich es, so wär ich nicht verrückt,
Und tät ich was Verrücktes, wüßt ich's nicht –
Nur keine Sorge drum! – Das muß und wird
Von selber dieser Wiese hier (Trommelt an die Stirne) entsprießen – 199
Zum sprießen können muß gegossen sein – (Trinkt)
Wenn erst der fruchtbar heiße Augenblick
Gekommen ist, und unter deinem Deckel
Das Hirn dir schwabbelt – schwabbelt? prost! (Trinkt)
                                                                              Dir schwabbelt
Als wie der Schöpfungsbrei – Brei? (Sieht das Glas an)
                                                              nein! (Setzt es hin) ein Brei
Ist mir nicht Fluß genug – ah – »Fluß«! das fließt!
        (Trinkt wieder)
Dann aber tu etwas – (Sich verbessernd) tust du etwas –
Und wer nicht leben und nicht sterben kann
Und doch was tut, der – tut etwas Verrücktes!

Suleika. Und wohin sollt es führen?

Ibrahim (verbessernd).                       Führt es!

Suleika.                                                               Also?

Ibrahim. Ins Tollhaus oder Grab – –

Suleika (auffahrend).                           Ha – schöne Aussicht! 200

Ibrahim (fortfahrend).
Oder – zurück – (Schnell sich verbessernd) nein vorwärts zur Gesundheit
»Zur Gesundheit!« prost! (Trinkt) – um eine Windung höher!

Ali (düster). Doch überstanden muß es werden!

Ibrahim (zwinkernd).                                               Freilich!

Suleika. Mir schwindelt ganz davon! Ihr beide sprecht
Und mehr noch: schweigt in Rätseln und in Schwüle!

Ibrahim (trinkend). »In Schwüle?« – ah – da trinkt sich's gut! Mein Kind –
Ihr beiden Kinder, laßt mich's weiter deuten:
Verrücktheit ist kein Trost und keine gute
Und keine böse Sache. Liebe Kinder,
Sie ist ein Mittel und ein Ausweg nur
Zwischen Unmöglichkeiten! Liebe Kinder,
Sie ist was Göttliches! (Flüsternd) der Ausweg Gottes!
Das Mittel ist's ihm zur Unsterblichkeit!
        (Immer flüsternd, man beginnt ihm die Trunkenheit anzumerken)
Könnt er verrückt nicht werden, müßt er sterben – 201
Wär er schon lange tot – maustot – gar nie gewesen!
Doch so wirf er verrückt, rast eine Weile,
Und wacht dann wieder auf, in Scham und Glut,
Faßt sich in Trost um das Vergangene
Und in Geduld für alles Kommende,
Er betet wieder, schafft, und schläft, gesund –
Und eine neue Welt ergrünt um ihn,
Auf die er froh und stolz ist – bis – (Trinkt)

Suleika.                                                       Bis –

Ibrahim.                                                                 Bis?
Ha – bis er wieder mal nicht weiter kann
Und wieder mal verrückt wird – –

Suleika (spottend).                                   Und wie oft?

Ibrahim (erst warnend, mit erhobenem Finger).
Kind, Gott ist Gott, und über aller Zeit!
Und weil er jenseits ist von aller Zeit!
        (Plötzlich den Ton wechselnd, schnell sprudelnd)
So geht das alles heidenmäßig schnell,
Und während ich die Hand hier schließ und öffne,
War er schon neunzigtausendmal verrückt
Und neunzigtausendmal – wieder vernünftig –
(flüsternd). Kinder! – er funkelt vor Verrücktheit, sag' ich!
        (Beide lachen verschieden auf) 202

Suleika. Du funkelst auch!

Ibrahim (den Becher füllend). Der auch! (Trinkt) Und du!
Im Dunkeln ist gut funkeln! – Schau hinaus –
Es sind nur Funken, die herniederblitzen,
Doch jeder Blitz sieht eine Welt!

Suleika.                                                 Also –
Wohl einen Wahnsinn Gottes?

Ibrahim (beleidigt).                           Einen? – Einen?
Millionen! – Billionen! – Trillionen!
Unzählbare! – allein vergiß mir nicht:
Auch ebensoviele Vernünftigkeiten!
Sonst wär es keine Welt! – Ich sag's nochmal:
Sie ist ein Blitz, ein Klang, ein Schrei, ein Schmerz
Und eine Lust vom Kampfe dieser beiden,
Und dieser Kampf ist ewig! Gib ihm Ruhe
Und Gott muß faulen; Ohnmacht – er wird rasen!
Ein Gott sich fühlen und ohnmächtig sein,
Nicht sterben und nicht leben können – Kinder!
Muß das nicht rasend machen – ihm zum Heil!
Dies Rasen bringt den in sich selbst Verzwickten –
Kennt ihr das Wort nicht? – außer sich! O Glück, 203
Mal außer sich zu kommen, wenn's in sich
Nicht auszuhalten ist! Dies Rasen erst,
Dies göttliche, zwingt über Schutt und Trümmer,
Durch Rauch und Stank, durch Lachen Bluts und Schmerz
Ihn über sich hinaus zu neuem Werden,
Neuwerden, Anderswerden, höher, tiefer!
So ward die Stufenreihe der Geschöpfe
Vom Staub durchs Kraut und Tier herauf zu uns,
Die noch nach einem höhern Ausweg suchen.

Ali (ist unruhig aufgestanden).
Und werden wir ihn finden?

Ibrahim (zugespitzt).                     Wer weiß was?
Gebahnten sicher nicht! Und vor dem Unweg
Scheut die Vernunft – Vernunft ist immer klug –
Und muß es sein als – Gegenführerin!
Doch immer klug wird einmal dumm! – Verrücktheit,
Die hat das Zeug, durch alles durchzubrechen,
Weil sie den eignen Schädelbruch nicht scheut,
Die haut sich Gassen, die erzwingt sich Luft!

Ali (wild). Hörst du das alles? spricht er nicht von mir?
Ahnt er nicht mich, mein Leiden, meinen Weg,
Lehrt er nicht – mich! 204

Suleika (flehend).                 Hör nicht zu sehr auf ihn!
Es ist auch Wein und Rausch in seinen Worten!

Ibrahim (trinkend). Wein? – haha! – und Rausch! Zum Überfließen!
Vom Weine werd ich voll und von der Weisheit
Nicht leer! – Ein Glas noch und – ein offnes Ohr!

(In den Säulenstellungen des Hintergrundes erscheinen Harun al Raschid in der einfachen Tracht als Kaufmann aus Mosul, mit ihm Djaffar. Sie bleiben lauschend und spähend stehen, während Ibrahim mit hundert Gesten weiter predigt)

Harun (im Ton des höchsten Erstaunens, gedämpft).
Der heilige Ibrahim! – sieh da! sieh da! (Gesten)
Und dieses Paar, bei Gott, wer mag das sein!
Wie mir der Zorn erlahmt, da ich sie sehe!
Der Schönheit wahrlich wird doch viel verziehn!
Sieh nur dies Mädchen, Feuer ganz und Reiz,
Und noch im Taumel eines halben Rausches
Nicht ohne Stolz und Würde; schleierlos
Und doch nicht schamlos; ganz zersprengte Form
Und doch bewahrte Zucht – wie wunderbar!
Und dieses jungen Mannes edle Bildung!
Der wilde Kopf, das Auge düstern Feuers,
Ein Angesicht von Leiden ganz durchfurcht –
Sahst du was Edleres, Unseligeres? 205
Wie es mich drängt, dies Schicksal zu erforschen,
Das hier sich malt auf dieser breiten Stirn,
Das Leiden, das in diesem Aug noch schwält –
Und ist mir nicht, als säh ich schon einmal –
        (Schüttelt den Kopf)
Doch hören wir den heiligen Ibrahim!

Ibrahim (in lebendiger Geste).
—   —   —   —   —   —   —   —   —   —
Der Brand des Lebens ist das Rasen Gottes,
Die Formen all, in denen du es schaust,
Sind abgekühlte Welten, abgekühlt,
Doch noch ein Lehn vom Vaterfeuer tragend:
Erloschen bis zur Lebenslosigkeit,
Und wieder warm, hinauf zum Rand der Gottheit,
Heiß bis zur Tollheit, schön bis zum toll machen,
Schön bis zur Unerfindlichkeit hinan,
Und häßlich wieder bis zu ihr hinab!
Schau nur und lausch hinaus in diese Nacht,
Fühl diesem Weben nach, das dich umfängt,
Bis dir vergangen ist, was Luft und Licht
Und Klang und Weiche, sondern all in eins,
In dich verwoben ist und du in es –
Erfinde doch mir das! denk es! – erschaff es!
Erdenke mir die Piniengruppe doch,
Die dort ihr dunkel, schöngewölbtes Dach 206
Auf wildvergabelten und krummen Sparren
Zum hellen Himmel reckt, von blauem Schimmer
Ein wenig übergossen; ja erdenk
Die feine Silberlinie – siehst du sie? –
Die licht ihr dunkeles Gewölbe säumt!
Erfinde mir den Sang der Nachtigallen,
Den Duft der Rosen, diesen Hauch der Luft,
Der in den Binsen dort des Weihers zittert,
Des Mondes Bild darin gerinnen macht!
Und kommt dir alles das natürlich vor,
So sieh dies Mädchen an, alles in einem,
Was dich verzücken macht: Licht, Duft und Farbe
Und linder Hauch und lieblicher Geschmack,
Und Geist darüber, eine Seele drin,
Ein Feuermeer von Leben, Leidenschaft
Und Freudenschaft – (Trinkt)

Harun.                                 Der heilige Ibrahim!

Ibrahim. Erdenk es doch! erfinde sie mir doch,
In dieser Mischung grad, mir halber schmollend
Und lächelnd doch, und Süßigkeit und Reiz –
Erfind es doch, wenn du verrückt nicht bist!
        (Gelächter)
Und jetzt – und jetzt – jetzt sing ich euch mein Lied – 207
Jetzt sing ich euch mein Lied – mein Lied – mein Lied –
        (Probiert dabei seine Stimme)
Das Kind ist reif –
        (Will sich erheben, es geht nicht mehr)
                                Hallo, was ist denn das?
Bin ich so schwer davon?

Suleika (lachend).                     Vom Weine wohl!

Ibrahim. Du hältst mich wohl für voll?

Suleika.                                                     Für leer gewiß nicht!

Ibrahim (etwas hackend). Die Wahrheit über alles! Liebes Kind, ich bin nicht so voll, wie es dir vorkommt von deiner Leere aus – aber auch nicht so leer, wie es mir vorkommt von meiner Unerfüllbarkeit aus, dies ist eine meiner göttlichen Eigenschaften! Jedenfalls aber bin ich in einem höchst gesegneten Zustande! Mein Täubchen, geh, da deine Schwingen nicht so triefschwer sind, wie die meinen, geh flieg mal dort an die Wand und hol die Helferin! (Deutet auf eine Laute) 208

Suleika (sie bringend).
Hier ist die Traute – o wie schön sie ist!
Sie mahnt mich an die meine!
        (Probiert und schlägt einen Triller)

Ibrahim.                                             Teufel auch!
Du hast ja eine Drossel in der Kehle!
Sing lieber du – ich kratz euch nur das Ohr!

Suleika. Nach dir, mein Lieber! jegliche Sekunde
Wird deine Zunge schwerer!

Ibrahim.                                           Ja, 's ist gut!
Nur her! (Nimmt die Laute, probiert sie und seine Stimme)
                Paßt auf!

Suleika.                           Wir passen!

Harun.                                                   Bin ganz Ohr!

Ibrahim (singt).
Ich fühlte etwas Weiches in der Luft –
Dem weißen Täubchen gleich kam es geschwirrt,
Ein Saitenklang, zu meinem Ohr verirrt,
Von Süßigkeit durchtränkt und Ambraduft, 209
Und glatt und prickelnd wie die Haut der Schlange –
So traf es meine Wa – ha – haha – Wange!

Suleika. Traf ist ein hartes Wort! Danach könnte es auch eine Maulschelle gewesen sein!

Ibrahim. Laß gut sein! es sollte mir auch darauf nicht ankommen! von dir!

Harun. Zu glauben wär's!

Ibrahim. Nun einen Schluck und dann Vers zwei!
        (Trinkt und räuspert sich; singt)
Was war es denn? – War es ein Taubenflügel,
Der seiden mich in leichtem Flug gestreift,
War es ein Strahl, vom Monde abgeschweift,
Ein süßer Ton, ins trunkne Ohr geträuft,
Ein schwüler Duft von einem sonnigen Hügel?
O nein, o nein, o na – ha – haha – nein –
Was frag ich lang, was kann es andres sein,
        (Lang anhaltender Ton)
Als, Mädchen, deine Hand, die leichte, rasche!
Nun seht doch meiner Wange lichten Brand –
Furchtbares Weib, es war nur deine Hand –
War es dein Kuß – zerfiel ich gleich zu Asche! 210
Und küßlich war das schon! Im Wirbeltanz
Umbrandet mich ein Rausch – ich lichterlohe!
Helft! löscht und rettet! löscht die Dichterlohe!
Beschattet mir die Stirn mit einem Kranz –
Und dann noch eine Fla – ha – haha – Flasche!

(Lautenfinale in Beifallslachen und Klatschen. Ibrahim ergreift seinen Becher und hält ihn ganz wie ein trunkener Silen hoch)

Suleika (jubelnd). Den Kranz, den sollst du haben – und das gleich –
        (Sieht sich um)

Ibrahim. Ja, kränz uns, Mädchen! Efeu mir und Wein
Auf meine räudige Platte! – Dornige Rosen
Auf diesen wilden Strupp! – Komm, trinkt mal, Kinder!
Vier W-en bring ich's, die dem Leben heizen:
Wein, Weib und Weisheit und – ein tiefes Weh!
        (Füllt einen Pokal)
Komm, Mädchen, weih ihn mit den süßen Lippen!

Suleika. Gib her denn, alter, böser Seelenfänger! (Trinkt)

Ibrahim. Trink weiter, Junge, den süß vergebenen Kelch!

Ali. Ich bring's mit Dank dem närrischen Seelenwirt! 211

Ibrahim. Und nun den Rest mir! Kinder, liebe Kinder!
Gebt mir den Rest damit – (Schlürft ihn aus) Ich glaub, er ist's –
Wo bleibt der Kranz, mein Herzchen? – Laß mich nicht
Als ungeschmückte Leiche in das Grab –
Das Hemd mag man mir ausziehn – doch 'nen Zweig –
Soll man mir um die Platte legen – (Taumelt zurück)

Suleika (in lachendem Aufbruch).               Gleich!
Noch eh du tot bist – –
        (Will nach hinten eilen, bemerkt die Gäste, hält mit einem Schreckenslaut inne)
                                        – Ha! – da ist ja wer!

Ibrahim (sich mühsam umdrehend).
Was ist – was ist –?

Suleika.                           Da ist wer!

Ibrahim (aufstehend).                         Was ist wer?
Da hat überhaupt niemand zu sein –

Harun (zu Djaffar). Nun vor, da wir entdeckt sind! (Sie treten hervor)

Ibrahim (in der Richtung nach ihnen taumelnd). Wa – was sind denn das für drei Kerle? 212

Suleika (auflachend). Du – du! es sind nur zwei!

Ibrahim (den Weg weiter suchend). Nur zwei? – das sind immer noch zuviel! – Zähl sie nochmal!
        (Stolpert über einen Teppich und fällt auf den Diwan, der mit dem Bärenfell bedeckt ist)
Holla, holla! – h – was ist denn das – ein Tier – ein Bär!
Ein Bär! – Ali, hilf! hilf! (Ringt mit dem Felle)
Verfluchtes Vieh! – weg! weg! – Ali! –
W – w – wegch – wegch – gch – grch – rch

(Schläft schnarchend ein. Suleika tanzt vor Lachen, Ali streckt und reckt sich vor dem komischen Anblick, Harun und Djaffar stehen wie bescheiden immer noch im Hintergrunde, aber auch von Gelächter erschüttert)

 

Der Vorhang fällt. 213

 


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