Johann Wolfgang von Goethe
Geschichte Gottfriedens von Berlichingen mit der eisernen Hand
Johann Wolfgang von Goethe

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Erster Aufzug

Eine Herberge

Zwei Reutersknechte an einem Tisch, Ein Bauer und ein Fuhrmann am andern beim Bier

1. Reuter Trink aus, daß wir fortkommen, unser Herr wird auf uns warten. Die Nacht bricht herein; und es ist besser eine schlimme Nachricht als keine, so weiß er doch woran er ist.

2. Reuter Ich kann nicht begreifen wo der von Weisung hingekommen ist. Es ist als wenn er in die Erd geschlupft wäre. Zu Nershem hat er gestern übernachtet, da sollt er heute auf Crailsheim gangen sein, das ist seine Straß, und da wär er morgen früh durch den Winsdorfer Wald gekommen, wo wir ihm wollten aufgepaßt und für's weitere Nacht Quartier gesorgt haben; unser Herr wird wild sein, und ich bin's selbst daß er uns entgangen ist, just da wir glaubten wir hätten ihn schon.

1. Reuter Vielleicht hat er den Braten gerochen, denn selten daß er mit Schnuppen behaft ist. Und ist einen andern Weg gezogen.

2. Reuter Es ärgert mich!

1. Reuter Du schickst dich fürtrefflich zu deinem Herrn. Ich kenn euch wohl. Ihr fahrt den Leuten gern durch den Sinn und könnt nicht wohl leiden daß euch was durch fährt.

Bauer (am andern Tisch) Ich sag dir's, wenn sie einen brauchen, und haben einem nichts zu befehlen, da sind die vornehmsten Leut just die artigsten.

Fuhrmann Nein geh! Es war hübsch von ihm und hat mich von Herzen gefreut, wie er geritten kam und sagte: liebe Freund, seid sogut, spannt eure Pferd aus und helft mir meinen Wagen von der Stell bringen. Liebe Freund sagt er, wahrhaftig es ist das erstemal daß mich so ein vornehmer Herr lieber Freund geheißen hat.

Bauer Danks ihm ein spitz Holz; wir mit unsern Pferden waren ihm willkommner als wenn ihm der Kaiser begegnet wär. Stack sein Wagen nicht im Hohlweg zwischen Tür und Angel eingeklemmt. Das Vorderrad bis über die Axe im Loch, und 's hintere zwischen ein Paar Steinen gefangen; er wußt wohl was er tat wie er sagte liebe Freund. Wir haben auch was gearbeit bis wir 'n herausbrachten.

Fuhrmann Dafür war auch 's Trinkgeld gut. Gab er nit jedem drei Albus. He!

Bauer Das lassen wir uns freilich jetzt schmecken, aber ein großer Herr könnt mir geben die Meng und die Füll, ich könnt ihn doch nicht leiden ich bin ihnen allen von Herzen gram, und wo ich sie scheren kann so tu ich's. Wenn du mir heut nit so zugeredt hätt'st, von meintwegen säß er noch.

Fuhrmann Narr! Er hatte drei Knechte bei sich, und wenn wir nicht gewollt hätten, würd er uns haben wollen machen. Wer er nur sein mag, und warum er den seltsamen Weg zieht kann nirgends hinkommen als nach Rotbach und von da nach Mardorf, und dahin wär doch der nächst und best Weg über Crailsheim durch den Winsdorfer Wald gangen.

1. Reuter Horch!

2. Reuter Das wär!

Bauer Ich weiß wohl. Ob er schon den Hut so in's Gesicht geschoben hatte kannt ich ihn doch an der Nasen. Es war Adelbert von Weislingen.

Fuhrmann Der Weislingen, das ist ein schöner ansehnlicher Herr.

Bauer Mir gefällt er nich er ist nit breitschultrig und robust genug für einen Ritter, ist auch nur fürn Hof. Ich mögt selbst wissen was er vorhat daß er den schlimmen Weg geht. Seine Ursachen hat er denn er ist für einen pfiffigen Kerl bekannt.

Fuhrmann Heut Nacht muß er in Rotbach bleiben, denn im dunkeln über die Furt ist gefährlich.

Bauer Da kömmt er morgen zum Mittag Essen nach Mardorf.

Fuhrmann Wenn der Weg durch 'en Wald nit so schlimm ist.

2. Reuter Fort geschwind zu Pferde. Gute Nacht ihr Herren

1. Reuter Gute Nacht.

Die Andern Beide Gleichfalls

Bauer Ihr erinnert uns an das was wir nötig haben. Glück auf 'en Weg.

Die Knechte ab

Fuhrmann Wer sind die?

Bauer Ich kenn sie nicht. Reutersmänner vom Ansehn; dergleichen Volk schnorrt das ganze Jahr im Land herum, und schiert die Leut was tüchtigs. Und doch will ich lieber von ihnen gebrandschatzt und ausgebrennt werden, es kommt auf ein bissel Zeit und Schweiß an so erholt man sich wieder. Aber wie's jetzt unsre gnädige Herren anfangen, uns bis auf den letzten Blutstropfen auszukeltern, und daß wir doch nicht sagen sollen: ihr machts zu arg! nach und nach zu schrauben. Seht das ist eine Wirtschaft, daß man sich's Leben nicht wünschen sollte, wenn nicht Wein und Bier gäb sich manchmal die Grillen wegzuschwemmen, und in tiefen Schlaf zu versenken.

Fuhrmann Ihr habt recht. Wir wollen uns legen.

Bauer Ich muß doch morgen bei Zeiten wieder auf.

Fuhrmann Ihr fahrt also nach Ballenberg.

Bauer Ja nach Haus.

Fuhrmann Es ist mir leid daß wir nit weiter miteinander gehn.

Bauer Weiß Gott wo wir einmal wieder zusammen kommen.

Fuhrmann Euern Name guter Freund

Bauer Georg Metzler. Den eurigen.

Fuhrmann Hans Sivers von Wangen.

Bauer Eure Hand! und noch einen Trunk auf glückliche Reise.

Fuhrmann Horch! Der Nachtwächter ruft schon ab. Kommt! kommt.

Zweite Scene

Vor einer Herberge, im Winsdorfer Wald

Unter einer Linde, ein Tisch und Bänke, Gottfried auf der Bank in voller Rüstung, seine Lanze an Baum gelehnt, den Helm auf dem Tisch.

Gottfried Wo meine Knechte bleiben? Sie könnten schon sechs Stunden hier sein! Es war uns alles so deutlich verkundschaftet, nur zur äußersten Sicherheit schickt ich sie fort; sie sollten nur sehen. Ich begreifs nicht. Vielleicht haben sie ihn verfehlt, und er kommt vor ihnen her. Nach seiner Art zu reisen ist er schon in Crailsheim, und ich bin allein. Und wärs! Der Wirt und sein Knecht sind zu meinen Diensten. Ich muß dich haben Weislingen, und deinen schönen Wagen Güter dazu.

er ruft

Georg! – Wenns ihm aber jemand verraten hätte. Oh (er beißt die Zähne zusammen) Hört der Junge nicht? (lauter) Georg! Er ist doch sonst bei der Hand, (lauter) Georg! Georg!

Der Bub (in dem Panzer eines Erwachsnen) Gnädger Herr!

Gottfried Wo stickst du? Was fürn Henker treibst du für Mummerei.

Der Bub Gnädger Herr

Gottfried Schäm dich nicht Bube. Komm her! Du siehst gut aus. Wie kommst du dazu. Ja wenn du ihn ausfülltest. Darum kamst du nicht wie ich rief.

Der Bub Ihro gnaden sein nicht böse. Ich hatte nichts zu tun, da nahm ich Hansens Küraß und schnallt ihn an, und setzt sein Helm auf, schlupft in seine Armschienen und Handschuh, und zog sein Schwert und schlug mich mit den Bäumen herum; wie ihr rieft konnt ich nicht alles geschwind weg werfen.

Gottfried Braver Junge! Sag deinem Vater und Hansen, sie sollen sich rüsten, und ihre Pferde satteln. Halt mir meinen Gaul parat. Du sollst auch einmal mit ziehen.

Bube Warum nicht jetzt?, laßt mich mit Herr. Kann ich nicht fechten, so hab ich doch schon Kräfte genug euch die Armbrust aufzubringen. Hättet ihr mich neulich bei euch gehabt wie ihr sie dem Reuter an Kopf wurft, ich hätt sie euch wiedergeholt und sie wär nicht verloren gangen.

Gottfried Wie weißt du das.

Bube Eure Knechte erzählten mirs. Wenn wir die Pferde striegeln, muß ich ihnen pfeifen, allerlei Weisen, und davor erzählen sie mir des Abends was Ihr gegen den Feind getan habt. Laßt mich mit gnädger Herr.

Gottfried Ein andermal Georg. Wenn wir Kaufleute fangen, und Fuhren wegnehmen. Heut werden die Pfeil an Harnischen splittern, und klappern die Schwerter über den Helmen. Unbewaffnet wie du bist sollst du nicht in Gefahr. Die künftigen Zeiten brauchen auch Männer, Ich sag dir's Junge es wird teure Zeit werden. Es werden Fürsten ihre Schätze bieten um einen Mann, den sie jetzt von sich stoßen. Geh Georg sag's deinem Vater und Hansen.

Der Bub geht.

Meine Knechte! Wenn sie gefangen wären und er hätte ihnen getan, was wir ihm tun wollten. – Was schwar[zes] im Wald? Es ist ein Mann.

Bruder Martin kommt.

Gottfried Ehrwürdiger Vater, guten Abend! Woher so spät. Mann der heiligen Ruhe ihr beschämt viel Ritter.

Martin Dank euch edler Herr. Und bin vor der Hand nur armseliger Bruder, wenns ja Titel sein soll; Augustin mit meinen Klosternamen. – Mit euerer Erlaubnis (er setzt sich) Doch hör ich am liebsten Martin meinen Taufnamen.

Gottfried Ihr seid müd Bruder Martin, und ohnezweifel durstig. Georg!

Der Bub kommt.

Gottfried Wein.

Martin Für mich einen Trunk Wasser. Ich darf keinen Wein trinken.

Gottfried Ist das euer Gelübde.

Martin Nein gnädger Herr, es ist nicht wider mein Gelübde Wein zu trinken, weil aber der Wein wider mein Gelübde ist so trink ich keinen Wein.

Gottfried Wie versteht ihr das.

Martin Wohl euch daß ihr's nicht versteht. Essen und trinken mein ich ist des Menschen Leben.

Gottfried Wohl.

Martin Wenn ihr gessen und trunken habt seid ihr wie neu geboren. Seid stärker, mutiger, geschickter zu eurem Geschäft. Der Wein erfreut des Menschen Herz und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn ihr Wein getrunken habt seid ihr alles doppelt was ihr sein sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

Gottfried Wie ich ihn trinke, ist es wahr.

Martin Davon red ich auch. Aber wir –

Der Bub mit Wasser und Wein

Gottfried (zum Buben heimlich) Geh auf den Weg nach Crailsheim, und leg dich mit dem Ohr auf die Erde ob du nicht Pferde kommen hörst, und sei gleich wieder hier.

Martin Aber wenn wir gessen und trunken haben sind wir grade das Gegenteil von dem was wir sein sollen. Unsre schläfrige Verdauung stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwäche einer überfüllten Ruhe, erzeugen sich Begierden die ihrer Mutter leicht über den Kopf wachsen.

Gottfried Ein Glas Bruder Martin wird euch nicht im Schlaf stören. Ihr seid heute viel gangen. Alle Streiter!

Martin In Gottes Namen (sie stoßen an) Ich kann die müßigen Leut nicht ausstehn, und doch kann ich nicht sagen daß alle Mönche müßig sind, sie tun was sie können. Da komm ich von St Veit, wo ich die letzte Nacht schlief, der Prior führt mich in Garten, das ist nun ihr Bienen Korb. Fürtrefflichen Salat! Kohl nach Herzenslust. Und besonders Blumenkohl und Artischocken wie keine in Europa.

Gottfried Das ist also eure Sach nicht (er steht auf, sieht nach dem Jungen und kommt wieder)

Martin Wollte Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten gemacht, ich könnt glücklich sein. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Weissenfels in Sachsen, er weiß ich kann nicht ruhen da schickt er mich herum wo was zu betreiben ist; ich geh zum Bischof von Constanz.

Gottfried Noch eins! Gute Verrichtung.

Martin Gleichfalls!

Gottfried Was seht ihr mich so an Bruder.

Martin Daß ich in euern Harnisch verliebt bin.

Gottfried Hättet ihr Lust zu einem! Es ist schwer und beschwerlich ihn zu tragen.

Martin Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt; und mir kommt nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein zu dürfen. Armut, Keuschheit, und Gehorsam! Drei Gelübde deren jedes einzeln betrachtet der Natur das unausstehlichste scheint; so unerträglich sind sie alle, und sein ganzes Leben unter dieser Last, oder unter der weit niederdrückendern Bürde des Gewissens mutlos zu keichen! O Herr was sind die Mühseligkeiten eures Lebens, gegen die Jämmerlichkeiten eines Standes der die besten Triebe, durch die wir werden wachsen und gedeihen, aus mißverstandner Begierde Gott näher zu rücken verdammt.

Gottfried Wäre euer Gelübde nicht so heilig ich wollt euch bereden, einen Harnisch anzulegen, wollt euch ein Pferd geben, und wir zögen mit einander.

Martin Wollte Gott meine Schultern fühlten sich Kraft den Harnisch zu ertragen, und mein Arm die Stärke einen Feind vom Pferd zu stechen. Arme, schwache Hand von jeher gewöhnt Kreuze und Friedensfahnen zu tragen, und Rauchfässer zu schwingen, wie wolltest du Lanzen und Schwert regieren. Meine Stimm nur zu Ave und Halleluja gestimmt, würde dem Feind ein Herold meiner Schwäche sein wenn ihn die eurige vor euch her wanken machte. Kein Gelübde sollte mich abhalten wieder in den Orden zu treten den mein Schöpfer selbst gestiftet hat.

Gottfried (sieht nach dem Jungen kommt wieder und schenkt ein) Glückliche Retour.

Martin Das trink ich nur für euch. Wiederkehr in meinen Käfig ist im[mer unglücklich.] Wenn ihr wiederkehrt H[err, in eure] Mauern, mit dem Bewuß[tsein eurer] Tapferkeit und Stärke der keine Müdigkeit etwas anhaben kann, euch zum erstenmal nach langer Zeit sicher für feindlichem Überfall entwaffnet auf euer Bette streckt, und euch nach dem Schlafe dehnt, der euch besser schmeckt als mir der Trunk nach langem Durst. Da könnt ihr von Glück sagen.

Gottfried Davor kommt's auch selten.

Martin (feuriger) Und ist wenns kommt ein Vorschmack des Himmels. Wenn ihr zurückkehrt mit der Beute unedler Feinde beladen, und euch erinnert, den stach ich vom Pferde eh er schießen konnte, und den rannt ich samt [dem Pferd nie]der und dann reitet ihr [zu eurem Sch]loß hinauf, und –

Gottfried Warum haltet ihr ein

Martin Und eure Weiber! (er schenkt ein) Auf Gesundheit eurer Frau (er wischt sich die Augen) Ihr habt doch eine.

Gottfried Ein edles fürtreffliches Weib.

Martin Wohl dem der ein tugendsam Weib hat des lebet er noch eins so lange. Ich kenne keine Weiber und doch war die Frau die Krone der Schöpfung.

Gottfried (vor sich) Er dauert mich! das Gefühl seines Zustandes frißt ihm das Herz.

Der Junge (gesprungen) Herr! Ich höre Pferde im Galopp! Zwei oder drei.

Gottfried Ich will zu Pferde. Dein Vater und Hans sollen aufsitzen, es können Feinde sein so gut als Freunde. Lauf ihnen eine Ecke entgegen wenns Feinde sind so pfeif und spring ins Gebüsch. Lebt wohl teurer Bruder Gott geleit euch. Seid mutig und geduldig, Gott wird euch Raum geben.

Martin Ich bitt um euern Namen.

Gottfried Verzeiht mir. Lebt wohl.

|: er reicht ihm die linke Hand :|

Martin Warum reicht ihr mir die Linke? bin ich die ritterliche Rechte nicht wert.

Gottfried Und wenn ihr der Kaiser wärt ihr müßtet mit dieser vorlieb nehmen. Meine Rechte obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich. Sie ist eins mit ihrem Handschuh, ihr seht er ist Eisen.

Martin So seid ihr Gottfried von Berlichingen! Ich danke dir Gott daß du mich ihn hast sehn lassen, diesen Mann den die Fürsten hassen, und zu dem die Bedrängten sich wenden, (er nimmt ihm die rechte Hand) Laßt mir diese Hand. Laßt mich sie küssen.

Gottfried Ihr sollt nicht.

Martin Laßt mich. Du mehr wert als Reliquien Hand durch die das heiligste Blut geflossen ist. totes Werkzeug, belebt durch des edelsten Geistes Vertrauen auf Gott –

Gottfried setzt den Helm auf und nimmt die Lanze.

Martin Es war ein Mönch bei uns vor Jahr und Tag, der euch besuchte wie sie euch abgeschossen ward vor Nürnberg. Wie er uns erzählte was ihr littet, und wie sehr es euch schmerzte zu eurem Beruf verstümmelt zu sein, und wie euch einfiel von einem gehört zu haben der auch nur eine Hand hatte, und als tapfrer Reutersmann doch noch lange diente. Ich werde das nie vergessen.

Die zwei Knechte kommen.

Gottfried geht zu ihnen sie reden heimlich.

Martin (fährt inzwischen fort) Ich werde das nie vergessen. Wie er im edelsten einfältigsten Vertrauen zu Gott sprach: Und wenn ich zwölf Händ hätte und deine Gnad wollt mir nicht was würden sie mir fruchten, so kann ich mit einer –

Gottfried In den Mardorfer Wald also. Lebt wohl, werter Bruder Martin. (er küßt ihn)

Martin Vergeßt mich nicht, wie ich eurer nicht vergesse.

Gottfried ab.

Martin Wie mir's so eng um's Herz ward da ich ihn sah. Er redete nicht's, und mein Geist konnte doch den seinigen unterscheiden, es ist eine Wollust einen großen Mann zu sehn.

Georg Ehrwürdiger Herr sie schlafen doch bei uns

Martin Kann ich ein Bett haben.

Georg Nein Herr ich kenn Better nur vom Hörensagen, in unsrer Herberg ist nichts als Stroh.

Martin Auch gut. Wie heißt du.

Georg Georg! ehrwürdiger Herr.

Martin Georg! Du hast einen tapfern Patron.

Georg Sie sagen mir er wäre ein Reuter gewesen das will ich auch sein.

Martin Warte, (er zieht ein Gebet Buch heraus und gibt dem Buben einen Heiligen) Da hast du ihn. Folg seinem Beispiel sei tapfer und fromm.

Martin geht.

Georg Ach ein schöner Schimmel, wenn ich einmal so einen hätte und die golden Rüstung. Das ist ein garstiger Drach! Jetzt schieß ich nach Sperlingen. Heiliger Gorg, mach mich groß und stark, gib mir so eine Lanze, Rüstung und Pferd. Dann laß mir die Drachen kommen.

 

Gottfrieds Schloß

Elisabeth seine Frau, Maria seine Schwester, sein Söhngen

Carl Ich bitte dich liebe Tante, erzähl mir das noch einmal vom frommen Kind 's is gar zu schön.

Maria Erzähl du mirs kleiner Schelm da will ich hören ob du acht gibst.

Carl Wart e biß, ich will mich bedenken – es war einmal – ja – es war einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin –

Maria Nicht doch. Da sagte die Mutter liebes Kind –

Carl Ich bin krank –

Maria Und kann nicht ausgehn,

Carl Und gab ihm Geld, und sagte, geh hin und hol dir ein Frühstück. Da kam ein armer Mann,

Maria Das Kind ging, da begegnet ihm ein alter Mann, der war – nun Carl,

Carl der war – alt.

Maria Freilich! Der kaum mehr gehen konnte, und sagte: liebes Kind

Carl Schenk mir was, ich hab kein Brot gessen gestern und heut, Da gab ihm 's Kind das Geld

Maria Das für sein Frühstück sein sollte

Carl Da sagte der alte Mann.

Maria Da nahm der alte Mann das Kind –

Carl Bei der Hand, und sagte, und ward ein schöner glänziger Heiliger, und sagte liebes Kind –

Maria Für deine Wohltätigkeit, belohnt dich die Mutter Gottes durch mich, welchen Kranken du anrührst –

Carl Mit der Hand, es war die rechte glaub ich

Maria Ja.

Carl Der wird gleich gesund.

Maria Da lief 's Kind nach Haus, und konnt für Freuden nichts reden,

Carl Und fiel seiner Mutter um den Hals und weinte für Freuden.

Maria Da rief die Mutter, wie ist mir, und war, nun Karl –

Carl Und war – und war.

Maria Du gibst schon nicht acht, und war gesund. Und das Kind kurierte König und Kaiser und wurde so reich daß es [ein] großes Kloster baute.

Elisabeth Was folgt nun daraus?

Maria Ich dächte die nützlichste Lehre für Kinder, die ohnedem zu nichts geneigter sind als zu Habsucht und Neid.

Elisabeth Es sei. Karl hol deine Geographie

Carl geht.

Marie Die Geographie? Ihr könnt ja sonst nicht leiden, wenn ich ihn draus was lehre.

Elisabeth Weil mein Mann nicht leiden kann es ist auch nur daß ich ihn fortbringe. Ich mocht's vorm Kind nicht sagen. Ihr verderbts mit euern Mährgen, es ist so stillerer Natur als seinem Vater lieb ist, und ihr macht's vor der Zeit zum Pfaffen. Die Wohltätigkeit ist ein edle Tugend, aber sie ist nur das Vorrecht starker Seelen Menschen die aus Weichheit wohltun immer wohltun, sind nicht besser als Leute die ihren Urin nicht halten können.

Maria Ihr redet etwas hart.

Elisabeth Dafür bin ich mit Kartoffeln und Rüben erzogen, das kann keine zarte Gesellen machen

Maria Ihr seid für meinen Bruder geboren.

Elisabeth Eine Ehre für mich. – Euer Wohltätig Kind freut mich noch. Es verschenkt was es geschenkt kriegt hat. Und das ganze gute Werk besteht drin daß es nichts zu Morgend ißt. Gib acht wenn der Carl ehstens nicht hungrig ist tut er ein gut Werk und rechnet dirs an.

Maria Schwester, Schwester ihr erzieht keine Kinder dem Himmel.

Elisabeth Wären sie nur für die Welt erzogen, daß sie sich hier rührten, drüben würds ihnen nicht fehlen.

Maria Wie aber wenn dies rühren hier dem ewigen Glück entgegen stünde.

Elisabeth So gib der Natur Opium ein, bete die Sonnenstrahlen weg, daß ein ewiger unwürksamer Winter bleibe. Schwester Schwester ein garstiger Mißverstand. Sieh nur dein Kind an, wies Werk so die Belohnung. Es braucht nun Zeit lebens nicht's zu tun als in heiligem Müßiggang herumzuziehen, Hände auf zu legen und krönt sein edles Leben mit einem Klosterbau.

Maria Was hättst du ihm dann erzählt.

Elisabeth Ich kann kein Mährgen machen, weiß auch keine, Gott sei dank, ich hätt ihm von seinem Vater erzählt; wie der Schneider von Hailbronn der ein guter Schütz war, zu Cölln das Best gewann und sie's ihm nicht geben wollten, wie ers meinem Mann klagte und der die von Cölln so lang kujonierte, bis sies herausgaben. Da gehört Kopf und Arm dazu. Da muß einer Mann sein! Deine Heldentaten zu tun braucht ein Kind nur ein Kind zu bleiben.

Maria Meines Bruders Taten sind edel und doch wünscht ich nicht daß seine Kinder ihm folgten. Ich leugne nicht daß er denen die von ungerechten Fürsten bedrängt werden, mehr als Heiliger ist, denn seine Hülfe ist sichtbarer, wurf er aber nicht dem Schneider zu helfen drei Cölnische Kaufleute nieder, und waren dann nicht auch die Bedrängte, waren die nicht auch unschuldig. Wird dadurch das allgemeine Übel nicht vergrößert, da wir Not durch Not verdrängen wollen.

Elisabeth Nicht doch meine Schwester. Die Kaufleute von Köln waren unschuldig! Gut! allein was ihnen begegnete, müssen sie ihren Obern zuschreiben. Wer fremde Bürger mißhandelt verletzt die Pflicht gegen seine eigne Untertanen, denn er setzt sie dem Wiedervergeltungsrecht aus. Sieh nur wie übermütig die Fürsten geworden sind, seit dem sie unsern Kaiser beredet haben einen allgemeinen Frieden auszuschreiben. Gott sei Dank, und dem guten Herzen des Kaisers daß er nicht gehalten wird. Es könnt s kein Mensch ausstehn. Da hat der Bischof von Bamberg meinem Mann einen Buben nieder geworfen, unter allen Reutersjungen den er am liebsten hat. Da könntst du am kaiserlichen Gerichtshof klagen zehen Jahr und der Bub verschmachtete die beste Zeit im Gefängnis. So, ist er hingezogen da er hörte es kommt ein Wagen mit Gütern für den Bischof, von Basel herunter, ich wollte wetten er hat ihn schon, da mag der Bischof wollen oder nicht der Bub muß heraus.

Maria Das Gehetz mit Bamberg währt schon lang.

Elisabeth Und wird so bald nicht enden. Meinem Mann ist's einerlei, nur darüber klagt er sehr daß Adelbert von Weislingen, sein ehmaliger Kamerad, dem Bischof in allem Vorschub tut, und mit tausend Künsten und Praktiken, weil er sichs im offnen Feld nicht untersteht, das Ansehn und die Macht meines Liebsten zu untergraben sucht.

Maria Ich hab schon oft gedacht, woher das dem Weisling kommen sein mag.

Elisabeth Ich kanns wohl raten –

Carl (kommt) Der Papa! Der Papa! Der Türmer bläst das Liedel: Heißa! mach's Tor auf! Machs Tor auf!

Elisabeth Da kommt er mit Beute.

1. Reuter (kommt) Wir haben gejagt! wir haben gefangen! Gott grüß euch edle Frauen. Einen Wagen voll sachen, und was mehr ist als zwölf Wägen Adelberten von Weislingen

Elisabeth Adelbert

Marie Von Weislingen.

Knecht Und drei Reuter.

Elisabeth Wie kam das.

Knecht Er geleitete den Wagen das ward uns verkundschaftet, er wich uns aus, wir ritten hin und her und kamen in Wald vor Mardorf an ihn.

Marie Das Herz zittert mir im Leib.

Knecht Ich und mein Kamerad wies der Herr befohlen hatte, nistelten uns an ihn als wenn wir zusammen gewachsen wären und hielten ihn fest. Inzwischen der Herr die Knechte überwältigte und sie in Pflicht nahm.

Elisabeth Ich bin neugierig ihn zu sehen.

Knecht Sie reiten eben das Tal herauf. Sie müssen in einer Viertelstunde hier sein.

Marie Er wird niedergeschlagen sein.

Knecht Er sieht sehr finster aus.

Marie Es wird mir im Herzen weh tun, so einen Mann, so zu sehn.

Elisabeth Ah! – Ich will gleich s essen zurechte Machen, ihr werdt doch alle hungrig sein.

Knecht Von Herzen.

Elisabeth Schwester da sind die Schlüssel, geht in Keller, holt vom besten Wein, sie haben ihn verdient.

sie geht.

Carl Ich will mit Tante.

Marie Komm.

sie gehn.

Knecht Der wird nicht sein Vater, sonst ging er mit in Stall.

ab.

Gottfried in voller Rüstung nur ohne Lanze,
Adelbert auch gerüstet nur ohne Lanze und Schwert.
2 Knechte

Gottfried (legt den Helm und das Schwert auf den Tisch) Schnallt mir den Harnisch auf, und gebt mir meinen Rock. Die Ruhe wird mir wohl schmecken. Bruder Martin du sagtest wohl. Drei Nacht ohne Schlaf! Ihr habt uns im Atem gehalten Weislingen.

Adelbert geht auf und ab und antwortet nichts.

Gottfried Wollt ihr euch nicht entwaffnen habt ihr keine Kleider bei euch, ich will euch von meinen geben. Wo ist meine Frau.

1. Knecht In der Küche.

Gottfried Habt ihr Kleider bei euch? Ich will euch eins borgen. Ich hab just noch ein hübsches Kleid ist nicht kostbar nur von leinen aber sauber, ich hatts auf der Hochzeit meines gnädgen Herrn des Pfalzgrafen an. Eben damal, wie ich mit euerm Freund, euerm Bischof Händel kriegte. Wie war das Männlin so böse. Franz von Sickingen und ich wir gingen in die Herberg zum Hirsch in Hailbron, Die Trepp hinauf ging Franz voran, eh man noch ganz hinauf kommt ist ein Absatz und ein eisern Geländerlin da stund der Bischof, und gab Franzen die Hand und gab sie mir auch wie ich hinten drein kam. Da lacht ich in meinem Herzen und ging zum Landgrafen von Hanau das mir ein gar lieber Herr war, und sagte, der Bischof hat mir die Hand geben, ich wett er hat mich nicht gekannt; das hort der Bischof denn ich redts laut mit Fleiß und kam zu uns und sagt: wohl weil ich euch nicht kannt gab ich euch die Hand. Sagt er. Da sagt ich Herr ich merkts wohl daß ihr mich nicht kannt habt, Da habt ihr sie wieder. Da wurde er so rot wie ein Krebs am Hals vor Zorn, und lief in die Stube zu Pfalzgraf Ludwig und zum Fürsten von Nassau und klagt's ihnen. Macht Weisling. Legt das Eiserne Zeug ab, es liegt euch schwer auf der Schulter.

Adelbert Ich fühl das nicht.

Gottfried Geht. Geht. Ich glaub wohl daß es euch nicht leicht um's Herz ist. Demohngeachtet, – ihr sollt nicht schlimmer bedient sein als ich. Habt ihr Kleider.

Adelbert Meine Knechte hatten sie.

Gottfried Geht fragt darnach.

Knechte ab.

Gottfried Seid frisches Mut's. Ich lag auch zwei Jahr in Hailbronn gefangen, und wurd schlecht gehalten. Ihr seid in meiner Gewalt, ich werd sie nicht mißbrauchen.

Adelbert Das hofft ich eh ihr's sagtet, und nun weiß ich's gewisser als meinen eignen Willen. Ihr wart immer so edel als ihr tapfer wart.

Gottfried O wärt ihr immer so treu als klug gewesen, wir könnten denen Gesetze vorschreiben denen wir – warum muß ich hier meine Rede teilen? Denen Ihr dient, und mit denen ich Zeit lebens zu kämpfen haben werde.

Adelbert Keine Vorwürfe Berlichingen, ich bin erniedrigt genug.

Gottfried So laßt uns vom Wetter reden. Oder von der Teurung die den armen Landmann an der Quelle des Überflusses verschmachten läßt. Und doch sei mir Gott gnädig, wie ich das sagte nicht euch zu kränken, nur euch zu erinnern was wir waren. Leider daß die Erinnerung unsers ehemaligen Verhältnisses ein stiller Vorwurf für euch ist.

Die Knechte mit den Kleidern.
Adelbert legt sich aus und an.

Carl (kommt) Guten Morgen Papa.

Gottfried (küßt ihn) Guten Morgen Junge. Wie habt ihr die Zeit gelebt.

Carl Recht geschickt Papa! Die Tante sagt ich sei recht geschickt.

Gottfried (vor sich) Desto schlimmer.

Carl Ich hab viel gelernt.

Gottfried Ei.

Carl Soll ich Ihnen vom frommen Kind erzählen.

Gottfried Nach Tisch.

Carl Ich weiß auch noch was.

Gottfried Was wird das sein.

Carl Jaxthausen ist ein Dorf und Schloß an der Jaxt gehört seit zweihundert Jahren denen Herrn von Berlichingen, Erbeigentümlich zu.

Gottfried Kennst du die Herrn von Berlichingen?

Carl sieht ihn starr an.

Gottfried (vor sich) Er kennt wohl für lauter Gelehrsamkeit seinen Vater nicht. – Wem gehört Jaxthausen?

Carl Jaxthausen – ist ein Dorf und Schloß an der Jaxt.

Gottfried Das frag ich nicht. So erziehen die Weiber ihre Kinder, und wollte Gott sie allein. Ich kannt alle Pfade, Weg und Furten eh ich wußt wie Fluß Dorf und Burg hieß. Die Mutter ist in der Küche.

Carl Ja Papa! Sie kocht weiße Rüben und einen Lammsbraten.

Gottfried Weißt du s auch Hans Küchenmeister.

Carl Und vor mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.

Gottfried Kannst du sie nicht roh essen?

Carl Schmeckt so besser.

Gottfried Du mußt immer was aparts haben. Weislingen ich bin gleich wieder bei euch, ich muß meine Frau doch sehn. Komm mit Carl.

Carl Wer ist der Mann.

Gottfried Grüß ihn bitt ihn er soll lustig sein.

Carl Da Mann hast du eine Hand, sei lustig das Essen ist bald fertig.

Adelbert (hebt ihn in die Höh und küßt ihn) Glücklich Kind, das kein Unglück kennt als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott laß euch viel Freud am Knaben erleben Berlichingen.

Gottfried Wo viel Licht ist, ist starker Schatten, doch wäre mir's willkommen. Wollen sehn was es gibt.

sie gehn.

Adelbert (allein. – Er wischt sich die Augen) Bist du noch Weislingen? Oder wer bist du. Wohin ist der Haß gegen diesen Mann? Wohin das Streben wider seine Größe. Solang ich fern war konnt ich Anschläge machen. Seine Gegenwart bändigt mich fesselt mich. Ich bin nicht mehr ich selbst, und doch bin ich wieder ich selbst. Der kleine Adelbert der an Gottfrieden hing wie an seiner Seele. Wie lebhaft erinnert mich dieser Saal, diese Geweihe, und diese Aussicht über den Fluß an unsre Knabenspiele, sie verflogen die glücklichen Jahre und mit ihnen meine Ruhe. Hier hing der alte Berlichingen, unsre Jugend ritterlich zu üben einen Ring auf. O wie glühte mir das Herz wenn Gottfried fehlte, und traf ich dann und der alte rief, brav Adelbert du hast meinen Gottfried überwunden. Da fühlt ich – was ich nie wieder gefühlt habe. Und wenn der Bischof mich liebkost und sagt, er habe keinen lieber als mich, kenne keinen am Hof im Reich größern als mich. Ach denk ich, Warum sind dir deine Augen verbunden daß du Berlichingen nicht erkennst, und so ist alles Gefühl von Größe mir zur Qual. Ich mag mir vorlügen, ihn hassen, ihm widerstreben. – O warum mußt ich ihn kennen, oder warum kann ich nicht der zweite sein.

Gottfried (mit ein Paar Bouteillen Wein und einem Becher) Bis das essen fertig wird laßt uns eins trink[en]. Die Knechte sind im Stall, und die Weibsleute haben in der Küche zu tun. Euch glaub ich kommt's schon seltner daß ihr euch selbst oder eure Gäste bedient uns armen Rittersleuten, wächst's oft in Garten.

Adelbert Es ist wahr ich bin lange nicht so bedient worden.

Gottfried Und ich hab euch lang nicht zugetrunken. Ein fröhlig Herz!

Adelbert Bringt vor her ein gut Gewissen!

Gottfried Bringt mir's wieder zurück.

Adelbert Nein ihr solltet mir's bringen.

Gottfried Ha – (nach einer Pause) So will ich euch erzählen – Ja – Wie wir dem Margraf als Buben dienten, wie wir beisammen schliefen, und mit einander herumzogen. Wißt ihr noch, wie der Bischof von Cöln mit aß, es war den ersten Ostertag, das war ein gelehrter Herr der Bischof. Ich weiß nicht was sie redten, da sagte der Bischof was von Castor und Pollux, da fragte die Markgräfin was das sei, und der Bischof erklärt's ihr; ein edles Paar! das will ich behalten sagte sie; die Müh könnt ihr sparen sagte der Margraf, sprecht nur wie Gottfried und Adelbert. Wißt ihrs noch.

Adelbert Wie was von heute. Er sagte Gottfr. und Adelbert. – Nichts mehr davon ich bitt euch.

Gottfried Warum nicht. Wenn ich nichts zu tun hab denk ich gern an's Vergang[n]e. Ich wüßt sonst nichts zu machen. Wir haben Freud und Leid mit einander getragen Adelbert, und damals hofft ich so würds durch unser ganzes Leben sein. Ah! wie mir vor Nürnberg diese Hand weggeschossen ward, wie ihr meiner pflegtet, und mehr als Bruder für mich sorgtet; Da hofft ich Weislingen wird künftig deine Rechte Hand sein, und jetzt trachtet ihr mir noch nach der armen andern.

Adelbert Oh!

Gottfried Es schmerzen mich diese Vorwürfe, vielleicht mehr als euch. Ihr könnt nicht glücklich sein, denn euer Herz muß tausendmal fühlen daß ihr euch erniedrigt. Seid ihr nicht so edel geboren als ich, so unabhängig, niemand als dem Kaiser Untertan. Und ihr schmiegt euch unter Vasallen. Das wär noch – Aber unter schlechte Menschen, wie der von Bamberg, den eigensinnigen neidischen Pfaffen, der das bißgen Verstand das ihm Gott schenkte nur ein Quart des Tags in seiner Gewalt hat, das übrige verzecht und verschläft er. Seid immerhin sein erster Ratgeber, ihr sei[d] doch nur der Geist eines unedlen Körpers. Wolltet ihr wohl in einen scheußlichen bucklichen Zwerg verwandelt sein. – Nein, denk ich. Und ihr seid's sag ich und habt euch schändlicher Weise selbst dazu gemacht.

Adelbert Laßt mich reden –

Gottfried Wenn ich ausgeredt habe, und ihr habt was zu antworten. Gut. Eure Fürsten spielen mit dem Kaiser auf eine unanständige Art, es meints keiner Treu gegen das Reich noch ihn. Der Kaiser bessert gern und bessert gern, Da kommt alle Tage ein neuer Pfannenflicker, und meint so und so. Und weil der Herr geschwind was begreift und nur reden darf um tausend Händ in Bewegung zu setzen, so meint er es wär auch alles so geschwind und leicht ausgeführt. Da ergehn denn Verordnungen über Verordnungen, und der Kaiser vergißt eine über die andre, da sind die Fürsten eifrig dahinter her, und schrein von Ruh und Sicherheit des Staats, bis sie die geringen gefesselt haben, sie tun hernach was sie wollen.

Adelbert Ihr betrachtets von eurer Seite.

Gottfried Das tut jeder es ist die Frage auf welcher Licht und Recht ist, und eure Gänge und Schliche scheuen wenigstens das Licht.

Adelbert Ihr dürft reden, ich bin der Gefangene.

Gottfried Wenn euch euer Gewissen nichts sagt, so seid ihr frei. Aber wie war's mit dem Landfrieden. Ich weiß noch ich war ein kleiner Junge und war mit dem Markgrafen auf dem Reichstag was die Fürsten vor weite Mäuler machten, und die Geistlichen am ärgsten, euer Bischof lärmte dem Kaiser die Ohren voll, und riß das Maul so weit auf als kein andrer, und jetzt wirft er selbst mir einen Buben nieder, ohne daß ich in Fehd wider ihn begriffen bin. Sind nicht all unsre Händel geschlichtet, was hat er mit dem Buben.

Adelbert Es geschah ohne sein Wissen.

Gottfried Warum läßt er ihn nicht wieder los.

Adelbert Er hatt sich nicht aufgeführt wie er sollte

Gottfried Nicht wie er sollte! Bei meinen Eid er hat getan was er sollte, so gewiß er mit Eurem und des Bischofs wissen gefangen worden ist. Glaubt ihr ich komme erst heut auf die Welt, und mein Verstand sei so plump weil mein Arm stark ist. Nein Herr, zwar euren Witz und Kunst hab ich nicht, Gott sei Dank, aber ich habe leider so volle Erfahrung, wie Tücken einer feigen Mißgunst unter unsre Ferse kriegen, einen Tritt nicht achten, wenn sie uns nur verwunden können –

Adelbert Was soll das alles?

Gottfried Kannst du fragen Adelbert, und soll ich antworten. Soll ich den Busen aufreißen den zu beschützen, ich sonst den meinigen hinbot. Soll ich diesen Vorhang deines Herzens wegziehen, dir einen Spiegel vorhalten –

Adelbert Was würd ich sehn?

Gottfried Kröten und Schlangen. Weislingen, Weislingen. Ich sehe lang daß die Fürsten mir nachstreben. Daß sie mich töten oder aus der Würksamkeit setzen wollen, sie ziehen um mich herum, und suchen Gelegenheit. Darum nahmt ihr meinen Buben gefangen, weil ihr wußtet ich hatte ihn zu Kundschaften ausgeschickt, und darum tat er nicht was er sollte, weil er mich euch nicht verriet. – Und du tust ihnen Vorschub – Sage nein – und ich will dich an meine Brust drücken

Adelbert Gottfried –

Gottfried Sage nein – Ich will dich um diese Lüge Liebkosen, denn sie war ein Zeugnis der Reue. –

Adelbert nimmt ihm die Hand.

Gottfried Ich habe dich verkennen lernen, aber tu was du willst du bist noch Adelbert. Da ich ausging dich zu fangen, Zog ich wie einer der ängstlich sucht was er verloren hat. Wenn ich dich gefunden hätte!

Carl (kommt) Zum Essen Papa.

Gottfried Kommt Weislingen, ich hoff meine Weibsleute werden euch muntrer machen, ihr wart sonst ein Liebhaber, die Hoffräulen wußten von euch zu erzählen. Kommt! Kommt.

 

Der Bischöfliche Palast in Bamberg
Der Speisesaal

Der Nachtisch und die großen Pokale werden aufgetragen. Der Bischof in der Mitten, der Abt von Fulda rechter Olearius beider Rechten Doktor, linker Hand, Hofleute

Bischof Studieren jetzt viele Deutsche von Adel zu Bologna?

Olearius Vom Adel und Bürger Stand. Und ohne Ruhm zu melden tragen sie das größte Lob davon. Man p[f]legt im Sprichwort auf der Akademie zu sagen, so fleißig wie ein Deutscher von Adel, denn indem die Bürgerlichen einen rühmlichen Fleiß anwenden, durch Gelehrsamkeit den Mangel der Geburt zu ersetzen, so bestreben sich jene, mit rühmlicher Wetteiferung dagegen, indem sie ihren angebornen Stand durch die glänzendsten Verdienste zu erhöhen trachten.

Abt Ei!

Liebetraut Sag einer! Wie sich die Welt alle Tag verbessert. So fleißig wie ein Teutscher von Adel. Das hab ich mein Lebtag nicht gehört. Hätt mir das einer geweissagt wie ich auf Schulen war, ich Hätt ihn einen Lügner geheißen. Man sieht man muß für nichts schwören.

Olearius Ja sie sind die Bewundrung der ganzen Akademie, es werden ehstens einige von den ältsten und geschicktsten als Doctores zurück kommen. Der Kaiser wird glücklich sein seine Gerichte damit besetzen zu können.

Bamberg Das kann nicht fehlen.

Abt Kennen sie nicht zum Exempel einen Junker – er ist aus Hessen –

Olearius Es sind viel Hessen da.

Abt Er heißt – Er ist von – Weiß es keiner von euch – Seine Mutter war eine von – Oh! Sein Vater hatte nur ein Aug – und war Marschall.

1. Hofmann von Wildenholz

Abt Recht von Wildenholz.

Olearius Den kenn ich wohl, ein junger Herr von vielen Fähigkeiten, besonders rühmt man ihn wegen seiner Stärke im disputieren

Abt Das hat er von seiner Mutter.

Liebetraut Nur wollte sie ihr Mann niemals drum rühmen. Da sieht man wie die Fehler deplazierte Tugenden sind.

Bamberg Wie sagtet ihr daß der Kaiser hieß der euer Corpus Juris geschrieben hat.

Olearius Justinianus.

Bamberg Ein Trefflicher Herr. Er soll leben!

Olearius Sein Andenken

sie trinken.

Abt Es mag ein schön Buch sein.

Olearius Man mögts wohl ein Buch aller Bücher heißen. Eine Sammlung aller Gesetze, bei jedem Fall der Urteilsspruch bereit, oder was ja noch abgängig oder dunkel wäre ersetzen die Glossen, womit die gelehrtesten Männer das fürtreffliche Werk geschmückt haben.

Abt Eine Sammlung aller Gesetze! Potz! Da müssen auch wohl die zehen Gebote drinne stehen.

Olearius Implicite wohl nicht explicite.

Abt Das mein ich auch, an und vor sich, ohne weitere explication.

Bamberg Und was das schönste ist, so könnte wie ihr sagt ein Reich in sicherster Ruh und Frieden leben, wo es völlig eingeführt und recht gehandhabt würde.

Olearius Ohne Frage.

Bamberg Alle Doctores iuris!

Olearius Ich werds zu rühmen wissen. (sie trinken) Wollte Gott man spräche so in meiner Vaterstadt.

Abt Wo seid ihr her, Hochgelahrter Herr.

Olearius Von Franckfurth am Mayn, Ihro Eminenz zu dienen.

Bamberg Steht ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben? Wie kommt das?

Olearius Ganz natürlich? Ich war da meines Vaters Erbschaft abzuholen, der Pöbel hätte mich fast gesteinigt wie er hörte, ich sei ein Jurist.

Abt Behüte Gott.

Olearius Daher kommt's der Schöppenstuhl, der in großem Ansehn weitumher steht, ist mit lauter Leuten besetzt die der Römischen Rechte unkundig sind. Es gelangt niemand zur Würde eines Richters als der durch Alter und Erfahrung, eine genaue Kenntnis des innern und äußern Zustandes der Stadt, und eine starke Urteilskraft sich erworben hat das vergangne auf das gegenwärtige [anzuwenden]. So sind die Schöffen, lebendige Archive, Chroniken, Gesetzbücher, alles in einem, und richten nach altem Herkomm, und wenigen Statuten ihre Bürger und die Nachbarschaft.

Abt Das ist wohl gut.

Olearius Aber lange nicht genug. Der Menschen leben ist kurz und in einer Generation kommen nicht alle Casus vor. Eine Sammlung solcher Fälle vieler Jahrhunderte ist unser Gesetz Buch, und dann ist der Wille und die Meinung der Menschen schwankend; dem deucht heute das recht was der andre Morgen mißbilligt, und so ist Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich, das alles bestimmen unsre Gesetze. Und die Gesetze sind unveränderlich.

Abt Das ist freilich besser.

Liebetraut Ihr seid von Franckfurt, ich bin wohl da bekannt, bei Kaiser Maximilians Krönung, haben wir euern Bräutigams was vor geschmaust. Euer Nam ist Olearius? Ich kenne so niemanden.

Olearius Mein Vater hieß Öhlmann. Nur den Mißstand auf dem Titel meiner lat. Schriften zu vermeiden, nannt ich mich, nach dem Beispiel und auf Anraten würdiger Rechtslehrer Olearius.

Liebetraut Ihr tatet wohl daß ihr euch übersetztet, Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande, es hätt euch in eurer Muttersprach auch so gehn können.

Olearius Es war nicht darum.

Liebetraut Alle Dinge haben ein Paar Ursachen.

Abt Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande.

Liebetraut Wißt ihr auch warum hochwürdiger Herr.

Abt Weil er da geboren und erzogen ist.

Liebetraut Wohl. Das mag die eine Ursach sein, die andre ist, weil bei einer nähern bekanntschaft mit denen Herrn der Nimbus Ehrwürdigkeit und Heiligkeit wegschwindet den uns eine neblige Ferne um sie herum lügt. Und dann sind[s] ganze kleine Stümpfgen Unschlitt.

Olearius Es scheint ihr seid dazubestellt, Wahrheiten zu sagen.

Liebetraut Weil ich's Herz dazu hab, so fehlt mirs nicht am Maul.

Olearius Aber doch an Geschicklichkeit, sie wohl anzubringen.

Liebetraut Vesikatorien sind wohl angebracht wo sie ziehen.

Olearius Bader erkennt man an der Schurze, und nimmt in ihrem Amt ihnen nichts übel. Zur Vorsorge tätet ihr wohl wenn ihr eine Schellenkappe trügt.

Liebetraut Wo habt ihr promoviert. Es ist nur zur Nachfrage. Wenn mir einmal der Einfall käm, daß ich gleich für die rechte Schmiede ginge.

Olearius Ihr seid sehr verwegen.

Liebetraut Und ihr sehr breit.

Bamberg und Fuld lachen.

Bamberg Von Was anders. Nicht so hitzig ihr Herren. Bei Tisch geht alles drein. Einen andern Diskurs Liebetraut.

Liebetraut Gegen Franckf[urt] liegt ein Ding über, heißt Sachsenhausen.

Olearius (zum Bischof) Was spricht man vom Türkenzug Ihr Bischöfliche Gnaden?

Bamberg Der Kaiser hat nichts angelegners vor als vorerst das Reich zu beruhigen, die Fehden abzuschaffen und das Ansehn der Gerichte zu befestigen, dann sagt man wird er persönlich gegen die Feinde des Reichs und der Christenheit ziehen. Jetzt machen ihm seine Privat Händel noch zu tun, und das Reich ist trutz ein 40 Landfriedens noch immer eine Mördergrube. Francken Schwaben der Obere Rhein und die angrenzenden Ländern, werden von übermütigen und kühnen Rittern verheert. Franz Sickingen, Hans Selbitz mit dem einen Fuß, Gottfried von Berlich, mit der eisernen Hand, spotten in diesen Gegenden dem Kaiserlichen Ansehn.

Fuld Ja wenn ihro Maj. nicht bald dazu tun; so stecken einen die Kerl am End in Sack.

Liebetraut Das müßt ein elep[h]antischer Ries sein wenn er das Weinfaß von Fuld in Sack schieben wollte.

[Bamberg] Letzterer ist besonders seit viel Jahren mein unversöhnlicher Feind, und molestiert mich unsäglich; aber es soll nicht lang währen hoff ich. Der Kaiser hält jetzo seinen Hof zu Augspurg. Sobald Adelbert von Weislingen zurück kommt, will ich ihn bitten, die Sache zu betreiben. Herr Doktor wenn sie die Ankunft dieses Mannes erwarten, werden sie sich freuen, den edelsten, verständigsten, und angenehmsten Ritter in einer Person zu sehn.

Olearius Es muß ein fürtrefflicher Mann sein, der solche Lobes Erhebungen aus solch einem Munde verdient.

Liebetraut Er ist auf keiner Akademie gewesen.

Bamberg Das wissen wir.

Liebetraut Ich sags auch nur für die Unwissenden. Es ist ein fürtrefflicher Mann hat wenig seines gleich. Und wenn er nie an Hof gekommen wäre, könnte er unvergleichlich geworden sein.

Bischof Ihr wißt nicht was ihr redt, der Hof ist sein Element.

Liebetraut Nicht wissen was man redt und nicht verstanden werden kommt auf ein's naus.

Bischof Ihr seid ein unnützer Gesell.

Die Bedienten laufen ans Fenster.

Bischof Was gibts.

1. Bedienter Eben reit Farber, Weislingens Knecht zum Schloßtor herein.

Bischof Seht was er bringt. Er wird ihn melden.

Liebetraut geht. sie stehen auf und trinken noch eins
Liebetraut kommt zurück.

Bamberg Was für Nachrichten.

Liebetraut Ich wollt es müßt sie euch ein andrer sagen. Weislingen ist gefangen.

Bamberg O!

Liebetraut Berlichingen hat ihn, euern Wagen und drei Knechte bei Mardorf weggenommen. Einer ist entronnen euch's anzusagen.

Fuld Eine Hiobs Post!

Olearius Es tut mir von Herzen leid.

Bamberg Ich will den Knecht sehen. Bringt ihn herauf. Ich will ihn selbst sprechen, bringt ihn in mein Cabinet.

ab.

Fuld (setzt sich) Noch ein Glas! (Die Knechte schenken ein)

Olearius Belieben Ihro Hochwürden eine kleine Promenade in den Garten zu machen. Post coenam stabis seu passus mille meabis.

Liebetraut Wahrhaftig das sitzen ist Ihnen nicht gesund. Sie kriegen noch ein Schlagfluß.

Fuld hebt sich auf.

Liebetraut (vor sich) Wenn ich ihn nur draußen hab, will ich ihm für's Exercitium sorgen.

 

Jaxthausen

Marie. Adelbert

Marie Ihr liebt mich, sagt ihr. Ich glaub es gern, und hoffe mit euch glücklich zu sein, und euch glücklich zu machen.

Adelbert Ich fühle nichts, als nur daß ich ganz dein bin. er umarmt sie

Marie Ich bin euch laßt mich. Einen Kuß hab ich euch zum Gottespfennig erlaubt, ihr scheint aber schon von dem Besitz nehmen zu wollen, was nur unter Bedingungen euer eigen ist.

Adelbert Ihr seid zu streng Marie. Unschuldige Liebe erfreut die Gottheit, statt sie zu beleidigen.

Marie Es sei, aber ich bin nicht dadurch erbaut. Man lehrte mich, Liebkosungen sein wie Ketten stark durch ihre Verwandtschaft, und Mädgen wenn sie liebten, sein schwächer als Simson nach dem Verlust seiner Locken.

Adelbert Wer lehrte euch das.

Maria Die Äbtissin meines Klosters. Bis in mein sechzehntes Jahr war ich bei ihr, und nur mit euch empfind ich das Glück das ich in ihrem Umgang empfand. Sie hatte geliebt. Und durfte reden. Sie hatte ein Herz voll Empfindung! Sie war eine fürtreffliche Frau.

Adelbert Da glich sie dir. (er nimmt ihre Hand) Wie soll ich dir danken, daß dir mein Unglück zu Herzen ging. Daß du mir das liebe Herz schenktest, allen Verlust mir zu ersetzen.

Marie (zieht ihre Hand zurück) Laßt mich Könnt ihr nicht reden ohne mich anzurühren. Wenn Gott Unglück über uns sendet gleicht er einem erfahrenen Landmann der den Busen seines Ackers, mit der schärfsten Pflugschar zerreißt, um es Himmlischen samen und Einflüssen zu öffnen. Ach da wächst unter andern schönen Kräutlein, das Stäudlein Mitleiden. Ihr habt es keimen gesehen, und nun trägt es die schönsten Blüten der Liebe sie stehn in vollem Flor

Adelbert Meine süße Blume.

Marie Meine Abtissin verglich die Lieb auch oft den Blüten. Weh dem rief sie oft der sie bricht! Er hat den Samen von Tausend glückseligkeiten zerstöret. Einen Augenblick Genuß, und sie welkt hinweg und wird hingeworfen in einem verachteten Winkel zu verdorren und zu verfaulen. Jene reifende Früchte, rief sie mit Entzückung, Jene Früchte meine Kinder sie führen sättigenden Genuß für uns und unsre Nachkommenen in ihrem Busen. Ich weiß es noch es war im Garten an einem Sommerabend ihre Augen waren voll Feuer. Auf einmal, ward sie düster, sie blinzte Tränen aus den Augewinkeln, und ging eilend nach ihrer Zelle.

Adelbert Wie wird mirs werden wenn ich dich verlassen soll.

Marie Ein bißgen eng hoff ich, denn ich weiß wie mirs sein wird. Aber ihr sollt fort. Ich warte mit schmerzen auf euren Knecht den ihr nach Bamberg geschickt ha[b]t. Ich will nicht länger unter einem Dach mit euch sein.

Adelbert Traut ihr mir nicht mehr Verstand zu.

Marie Verstand! Was tut der zur Sache. Wenn meine Abtissinn guten Humors war, pflegte sie zu sagen: Hütet euch ihr Kinder für den Mannsleuten überhaupt nicht so sehr, als wenn sie Liebhaber oder gar Bräutigams geworden sind. Sie haben Stunden der Entrückung, um nichts härters zu sagen, flieht so bald ihr merkt daß der Paroxismus kommt, und da sagte sie uns die Symptomen, ich will sie euch nicht wiedersagen um euch nicht zu lächerlich und vielleicht gar bös zu machen, dann sagte sie hütet euch nur alsdenn an ihren Verstand zu appellieren, er schläft so tief in der Materie, daß ihr ihn mit allem Geschrei der Priester Baals nicht erwecken würdet und so weiter. Ich dank ihr erst jetzo da ich ihre Lehren verstehen lerne daß sie uns, ob sie uns gleich nicht stark machen konnte wenigstens vorsichtig gemacht hat.

Adelbert Eure hoch würdige Frau scheint die Klassen ziemlich passiert zu haben.

Marie Das ist eine lieblose Anmerkung. Habt ihr nie bemerkt, daß eine einzige eigne Erfahrung, uns eine Menge fremder benutzen lehrt.

Gottfried (kommt) Euer Knecht ist wieder da. Er konnte für Müdigkeit und Hunger kaum etwas vorbringen. Meine Frau gibt ihm zu essen. So viel hab ich verstanden, der Bischof will den Knaben nicht herausgeben, es sollen Kaiserliche Commissarii ernannt ein Tag ausgesetzt werden, wo die Sache denn verglichen werden mag. Dem sei wie ihm wolle Adelbert ihr seid frei ich verlange nichts als eure Hand, daß ihr inskünftige meinen Feinden weder öffentlich noch heimlich Vorschub tun wollt.

Adelbert Hier faß ich eure Hand, laßt von diesem Augenblick an Freundschaft und Vertrauen gleich einem ewigen Gesetz der Natur unveränderlich unter uns sein. Erlaubt mir zugleich diese Hand zu fassen.

er nimmt Mariens

und den Besitz des edelsten Fräuleins.

Gottfried Darf ich ja für euch sagen.

Marie Bestimmt meine Antwort, nach seinem Werte, und nach dem Werte seiner Verbindung mit euch.

Gottfried Und nach der Stärke der Neigung meiner Schwester, Du brauchst nicht rot zu werden. Deine Blicke sind Beweis genug. Ja denn! Weislingen. Gebt euch die Hände. Und so sprech ich Amen. Mein Freund und Bruder! Ich danke dir Schwester du kannst mehr als Hanf spinnen, du hast einen Faden gedreht diesen Paradiesvogel zu fesseln. Du siehst nicht ganz frei. Was fehlt dir. Ich –! bin ganz glücklich; was ich nur in Träumen hoffte, seh ich und bin wie träumend. Ah! nun ist mein Traum aus. Ich träumt heute Nacht ich gab dir meine rechte eiserne Hand, und Du hieltest mich so fest, daß sie aus den Armschienen ging wie abgebrochen. Ich erschrak und wachte drüber auf. Ich hätte nur fortträumen sollen, da würd ich gesehen haben, wie du mir eine neue lebendige Hand ansetztest. Du sollst mir jetzo fort. Dein Schloß und deine Güter in vollkommnen Stand zu setzen. Der verdammte Hof hat dich beides versäumen machen. Ich muß meine Frau rufen. Elisabeth.

Marie Mein Bruder ist in voller Freude.

Weislingen Und doch dürft ich ihm den Rang streitig machen.

Gottfried Du wirst anmutig wohnen.

Marie Franken ist ein gesegnetes Land.

Weislingen Und ich darf wohl sagen mein Schloß liegt in der gesegnetsten und anmutigsten Gegend.

Gottfried Das dürft ihr, und ich wills behaupten. Hier fließt der Mayn. Und allmählig hebt der Berg an, der mit Äckern und Weinbergen bekleidet, von eurem Schlosse gekrönt wird, jenseit.

Elisabeth (kommt) Was schafft ihr.

Gottfried Du sollst deine Hand auch dazugeben, und sagen Gott segn euch. Sie sind ein Paar.

Elisabeth So geschwind.

Gottfried Aber doch nicht unvermutet.

Elisabeth Mögtet ihr euch immer so nach ihr sehnen als bisher da ihr um sie warbt, und dann Möget ihr so glücklich sein als ihr sie lieb behaltet.

Weislingen Amen! Ich begehre kein Glück als unter diesem Titel.

Gottfried Der Bräutigam meine liebe Frau, tut eine Reise, denn die große Veränderung zieht viel geringe nach sich. Er entfernt sich vorerst vom Bischöflichen Hofe, um diese Freundschaft nach und nach erkalten zu lassen, dann reißt er seine Güter eigennützigen Pachtern aus den Händen. Und – Kommt meine Schwester, kommt Elisabeth, wir wollen ihn allein lassen, sein Knecht hat ohne Zweifel geheime Aufträge an ihn.

Adelbert Nichts als was ihr wissen dürft.

Gottfried Ich bin nicht neugierig. Francken und Schwaben, ihr seid nun verschwisterter als jemals. Wie wollen wir denen Fürsten den Daumen auf dem Aug halten.

Die Drei gehen.

Adelbert O warum bin ich nicht so frei wie du! Gottfr[ied] Gottfr[ied]! vor dir fühl ich meine Nichtigkeit ganz. Abzuhängen! Ein verdammtes Wort, und doch scheint es als wenn ich dazu bestimmt wäre. Ich entfernte mich von Gottfrieden um frei zu sein; und jetzt fühl ich erst wie sehr ich von denen kleinen Menschen abhange die ich zu regieren schien. Ich will Bamberg nicht mehr sehn. Ich will mit allen brechen, und frei sein. Gottfr[ied] Gottfr[ied] du allein bist frei dessen große Seele sich selbst genug ist und weder zu gehorchen noch zu herrschen braucht um etwas zu sein.

Knecht (tritt auf) Gott grüß euch gestrenger Herr. Ich bring euch so viel Grüße daß ich nicht weiß wo anzufangen. Bamberg und zehen Meilen in die Runde, entbieten euch ein tausendfaches Gott grüß euch.

Adelbert Willkommen, Franz. Was bringst du mehr.

Franz Ihr steht in einem Andenken, bei Hof und überall, daß nicht zu sagen ist.

Adelbert Das wird nicht lang dauren.

Franz So lang ihr lebt! und nach euerm Tode Wirds heller blinken als die messingnen Buchstaben auf einem Grabstein. Wie man sich euern Unfall zu Herzen nahm!

Adelbert Was sagte der Bischof.

Franz Er war so begierig zu wissen, daß er mit der geschäftigsten Geschwindigkeit von Fragen, meine Antwort verhinderte. Er wußt es zwar schon, denn Färber der vor Mardorf entrann, bracht ihm die Botschaft. Aber er wollte alles wissen, er fragte so ängstlich ob ihr nicht versehrt wäret. Ich sagte er ist ganz von der äußersten Haarspitze, bis zum Nagel des kleinen Zehs. Ich dachte nicht dran daß ich sie euch neulich abschneiden mußte, ich trauts aber doch nicht zu sagen, um ihn durch keine Ausnahme zu erschröcken.

Adelbert Was sagte er zu den Vorschlägen.

Franz Er wollte gleich alles herausgeben, den Knaben und noch Geld drauf nur euch zu befreien. Da er aber hörte ihr solltet ohne das loskommen, und nur der Wagen das Äquivalent gegen den Buben sein, da wollt er absolut den Berlichingen vertagt haben. Er sagte mir hundert Sachen an euch, ich hab sie vergessen, es war eine lange Predigt über die Worte: Ich kann Weislingen nicht entbehren.

Adelbert Er wirds lernen müssen.

Knecht Wie meint ihr. Er sagte: mach ihn eilen es wartet alles auf ihn.

Adelbert Es kann warten, ich gehe nicht an Hof.

Franz Nicht an Hof, Herr! Wie kommt euch das. Wenn ihr wüßtet was ich weiß, Wenn ihr nur träumen könntet was ich gesehen habe.

Adelbert Wie wird dir's.

Franz Nur von der bloßen Erinnerung komm ich außer mir. Bamberg ist nicht mehr Bambe[rg.] Ein Engel in Weibergestalt macht es zum Vorhof des Himmels.

Adelbert Nicht's weiter.

Franz Ich will ein P[f]aff werden, wenn ihr sie seht, und nicht sagt zu viel zu viel.

Adelbert Wer ist's denn.

Franz Adelheid von Walldorf.

Adelbert Die! Ich habe viel von ihrer Schönheit gehört.

Franz Gehört. Das ist eben als wenn ihr sagtet ich habe die Musik gesehen. Es ist der Zunge so wenig möglich eine Linie ihre[r] Vollkommenheiten auszudrücken, da das Auge so gar in ihrer Gegenwart sich nicht selbst genug ist.

Adelbert Du bist nicht gescheit.

Franz Das kann wohl sein. Das letztemal daß ich sie sah, hatt ich nicht mehr Sinnen als ein Trunkener. Oder vielmehr kann ich sagen ich fühlte in dem Augenblick wie's den heiligen bei himmlischen Erscheinungen sein mag. Alle Sinne stärker, höher, vollkommner, und doch den Gebrauch von keinem.

Adelbert Das ist seltsam.

Franz Wie ich vom Bischof Abschied nahm saß sie bei ihm, sie spielten Schach. Er war sehr gnädig reichte mir seine Hand zu küssen, und sagte mir viel vieles, davon ich nichts vernahm. Denn ich sah seine Nachbarin, sie hatte ihre Augen auf's Brett geheftet, als wenn sie einem großen Streich nachsänne. Ein feiner laurender Zug Halb Phisiognomie Halb Empfindung, um Mund und Wange. Schien mehren als nur dem Elfenbeinenen König zu drohen. Inzwischen daß Adel und Freundlichkeit gleich einem Majestätischen Ehpaar über den schwarzen Augenbrauen herrschten, und die dunklen haare gleich einem Pracht vorhang um die königliche Herrlichkeit herum wallten.

Adelbert Du bist gar drüber zum Dichter geworden.

Franz So fühl ich denn in dem Augenblick was den Dichter macht. Ein volles ganz von Einer Empfindung volles Herz. Wie der Bischof endigte, und ich mich neigte Sah sie mich an und sagte: auch von mir einen Gruß unbekannter Weis! Sag ihm er mag ja bald kommen. Es warten neue Freunde auf ihn, er soll sie nicht verachten, wenn er schon an alten so reich ist. Ich wollte was antworten, aber der Paß vom Gehirn zur Zunge war verstopft ich neigte mich; ich hätte mein Vermögen gegeben, die Spitze ihres kleinen Fingers küssen zu dürfen, wie ich so stund wurf der Bischof einen Bauern herunter, ich fuhr darnach und berührte im aufheben den Saum ihres Kleids, das fuhr mir durch alle Glieder, und ich weiß nicht wie ich zur Türe hinausgekommen bin.

Adelbert Ist ihr Mann bei Hofe.

Franz Sie ist schon vier Monat Witwe, um sich zu zerstreuen hält sie sich in Bamberg auf. Ihr werdet sie sehen. Wenn sie einem ansieht es ist als ob man in der Frühlingssonne stünde.

Adelbert Es würde eine schwächere Würkung auf mich machen.

Franz Ich höre ihr seid so gut als verheuratet.

Adelbert Wollte ich wärs. Meine sanfte Marie wird das Glück meines Lebens machen. Ihr[e] süße Seele bildet sich in ihren Blauen Augen. Und weiß wie ein Engel des Himmels, gebildet aus Unschuld und Liebe, leitet sie mein Herz zur Ruh und glückseligkeit. Pack zusammen! Und dann auf mein Schloß, ich will Bamberg nicht sehen und wenn der heilige Gregorius in Person meiner begehrte.

Ab.

Franz Glaubs noch nicht. Wenn wir nur einmal aus der Atmosphäre haus sind, wollen wir sehn wies geht. Marie ist schön, Und einem Gefangnen und Kranken kann ich nicht übel nehmen sich in sie zu verlieben, in ihren Augen ist Trost, gesellschaftliche Melancholie. Aber um dich Adelheid ist eine Atmosphäre von Leben, Mut, tätiges Glück! – Ich würde – Ich bin ein Narr! – Dazu machte mich ein Blick von ihr. Mein Herr muß hin. Ich muß hin. Und da will ich sie solang ansehn. Bis ich wieder ganz gescheit oder völlig rasend werde.

 


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