Johann Wolfgang von Goethe
Briefe von Goethe an Johanna Fahlmer
Johann Wolfgang von Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zweite Abteilung.
In Frankfurt

Nach ihrer Rückkehr von Düsseldorf um Ostern 1774 stockte der Verkehr Johannens mit Goethe; wahrscheinlich hatte er sich durch Nachrichten, welche die geschäftige Sophie la Roche, wie zu JacobiAuserles. Briefw. I, S. 161. 174. Briefw. mit Jacobi, Nr. 1., so auch in das Haus ihrer Tochter, von dem aus sie im Juli Johanna nicht besuchte, getragen hatte, von ihr abwenden lassen. Von Düsseldorf zurückgekehrt eilte er den 14. August dankbar zu der geduldigen Vermittlerin der neuen Freundschaft mit Jacobi (an Jac. No. 1). Dort scheint sie ihn an den Roman, welchen er Betty geschickt hatte (an Betty Nr. 2 u. 3) erinnert, an seinen neuen Planen ihre Theilnahme ausgedrückt zu haben.

XII.

(Ohne Nummer.)
Conceptpapier, Quartblatt.

(Ende August 1774)

Muss erst den zweiten TheilDes Romans: Der geistliche Don Quixote oder G. Wildgoosens Wanderschaften, aus dem Englischen von Joh. Gf. Gellius. Leipzig, Weidmann 1773. 3 Thle. 8. (S. Nr. XIV.) suchen Dancke besonders für die gütige Theilnehmung an der Schäzzung des Volcks die ich vornehme, vielleicht wird während der Zeit ein neuer Messias im Stall gebohren.Gemeint ist die Komposition des ewigen Juden, worüber u. a. Viehoff, Goethe's Leben II, S. 153 ff.

Sie haben mich herzlich zu lachen gemacht! Hier den Franzosen auf den Deutschen.Beaumarchais' Memoiren waren deutsch im Augustheft des deutschen Merkurs (8. Band) von Jacobi bearbeitet Heut oder Morgen giebts noch Clavigos.Gedruckte Exemplare erwähnt Goethe an Jacobi Nr. 1 am 14., Wieland (Jac. auserl, Briefw. I, Nr. 59) am 15. August. Vollendet war er vor dem 1. Juni (W.B. 27, S. 475). Drei Exemplare schickt G. am 31. August (an Jacobi, Nr. 4). »Das Dram das auf dem Rückweg ziemlich fertig geworden« (Hirzel, S. 180) scheint Mahomet gewesen zu sein. Meyern, dem er es versprach, hatte er am 15. Juni kennen gelernt (an Kestner, Nr. 100).

G.

XIII.

(Nr. 1.)
Gerändertes Octavblatt.
Hier beginnen die Sendungen auf gerändertem Octavpapier.

(Ende September 1774.)

Liebe Tante ein Wort zum Zeichen dass ich lebe. Was schreibt Friz? hat er Werthern?Er scheint ihn Mitte October erhalten zu haben (an G., Nr. 5, am 21. Octbr., mehrere Tage nach dem Empfang geschrieben). An Kestner wurde er vor dem 23. Septbr. geschickt. (Nr. 104.) ich mag ihm nicht schreiben, nichts schicken, um ihn nicht zu stören wenn er ihn hat.Dadurch erklärt sich die von Düntzer, Freundesb. S. 146, Anm. 1 bemerkte Lücke des Briefwechsels mit Jacobi. Hier ist auch was, das sie wird lachen machen in dem Röckgen.»Neueröffnetes moralisch-politisches Puppenspiel. 1774.« Wahrscheinlich hatte auch Jacobi ein phantastisch eingebundenes Exemplar erhalten sollen, und daher war es am 6. November noch nicht in seinen Händen. (An G., Nr. 7.) Vgl. Düntzer, Freundesb. S. 148. Adieu. Ein Wörtgen Antwort.

G.

XIV.

(Nr 2.)
Gewöhnliches Papier,
ungeränderter Zettel

(Mitte October 1774)

Ich mag nicht zu ihnen kommen l. Tante, ich bin unverträglich und unerträglich.Goethe war über die ungünstige Aufnahme, welche sein Werther bei dem beleidigten Kestner gefunden hatte, sehr verstimmt. Erst am 21. November erhielt er die versöhnliche Antwort Kestners auf seinen im October abgesandten Brief (Nr. 108. 109) Hier ist der geistl. Don Quix.S. zu XII. Was hören Sie von Friz? Wann kommt er wohl.Am 6. November spricht Jacobi von seinem Plane bald nach Frankfurt zu kommen (Nr. 7) Grüsen Sie ihn herzlich. Ich habe sonst wohl noch allerley guts, sizze aber wieder drachenartig drüber.Darunter wohl Satyros, den G. am 15. Novbr, von Böckmann zurückverlangt (Wagner c Nr. 41) Lebens halt wohl.

G.

XV.

Gewöhnliches Papier,
Quarto.,
mit einer Oblate verschlossen.

Msll Fahlmer

(15. November 1774)

Gestern Täntgen war ich auf dem Eise das nun unaufhaltsam dahinfliesst, von 1 Uhr bis 6. habe Bahn gemacht und gekehrt mit den Meinigen.Fast gleichlautend, wie sich denn G. überhaupt zuweilen in Briefen wiederholt, in dem ausführlichern Briefe vom 14. und 15. d. M. und J. an Prof. Böckmann in Karlsruhe (Wagner c Nr. 41). Am 15. fiel Thauwetter ein; am 21ten ging es wieder aufs Eis (an Kestner, Nr. 109) Ich bin immer noch in aller [ley] Zeichnung verfangen,Ebenso an Merck, (Wagner a Nr. 17. 18.) und habe auserdem eine Menge nichtsbedeutenden Zeugs auf mir. Die Tage sind kurz und die Kunst lang, hierbey gehet ein Portefeuille mit allerley Arbeit,Vgl. XIV. Es scheinen die auch an Merck überschickten Gedichte zu sein. dass ich doch auf eine Art zu Ihnen komme. Behalten Sies einige Tage dann mir wieder zurück. Ade. Frizen inliegendes.Die ersten Beiträge zur Iris, die im Januarheft 1775 erschienen: »Kleine Blumen«, »Mayfest«, »Der neue Amadis«.

XVI.

Gerändert

(Etwa 10.–12. Februar 1775)

Ich bin ein Esel iust gestern nicht etwas später gekommen zu seyn. hier das beygehende gesiegelte ist für Rosten.Diesen Namen hatte Heinse schon 1772 als Hauslehrer in Halberstadt angenommen, weil Gleim den echten Namen nicht für so passend hielt (Laube, Heinse's Schriften I, S. XXXII), und redigierte und corrigierte seit dem April 1774 die Iris mit 300 Thlr. Gehalt es enthält fünf Bogen Operette.Erwin und Elmire. Georg Jacobi war seit dem Ende October wieder in Halberstadt, Frizens Aufenthalt, der bis zum 5. Februar dauerte, hatte Goethe aufgehalten (der Brief an Merck, Wagner d Nr. 11, muß dieser Zeit angehören). (An Betty. Zöppritz, a. Jac. Nachlaß II, Nr. 190). Er eilte jetzt die Beiträge für das Märzheft der Iris, namentlich die Operette, zu vollenden. Sie war im Winter 1773 begonnen (Nr. VIII), im Sommer 1774 fortgesetzt worden. Am 20. Juli las G. daraus seinen Reisegefährten vor. (Lavater in den Br. v. G. an helvetische Freunde 1867. S. 29). Außerdem erschienen in demselben Hefte 3 Gedichte (s. Hirzel, G. Bibliothek, S. 13). Spediren Sies doch unverzüglich, wenn nicht mit andern Sachen – gleich allein – mit der [»fahrenden« durchstrichen] reitenden. Hier sind auch einige Bogen Abschrifft. Wenn Sie in kopiren wollen, kopiren Sie nicht mehr als die erste Scene für Georgen, etwa die zweite noch. Grüsen Sie ihn; Grüsen Sie Friz.Der sich damals in Mannheim aufhielt. Morgen kommt Jung!Der Tag von Jung's Ankunft zu der Augenoperation (W. 22, 281) ist nicht bekannt, es muß etwa der 10–12. Februar gewesen sein. Am 13. schreibt G. erfreut über die Besuche vieler edlen Menschen, die manchmal vorübergehn, manchmal verweilen. (an Auguste S. 31); Letzteres gilt von Jung. Franckfurt ist das neue Jerusalem wo alle Völcker aus und eingehn und die Gerechten wohnen.

XVII.

*
(bei Frau Schröder).
Gerändert.

(Mitte Februar 1775.)

Spediren Sie das doch gleich l. Tante. Ich schreib an der Operette. Sobald Sie können, schicken Sie mir – Oder vielmehr schicken Sie mir den zweiten Bogen den Sie haben nur auf eine Stunde dass ich den kann ausschreiben lassen. Dann können Sie ihn behalten solang sie wollen. Wünsch freundlichen Morgen. Warte sehr auf ein Wort von Merck und Fritz.Der am 24. wieder von Mannheim ankam und bis zum 2. März blieb. Düntzer, Frauenb. S. 151. Ein Brief von Merck aus dieser Zeit existiert nicht, Fritz Jacobi besuchte ihn nicht, und entschuldigte sich 3 Jahre später damit, daß der Kutscher ihn über Oppenheim statt über Darmstadt gefahren habe, während er dieses Mißverständniß in einem Briefe an Sophie la Roche aus Oppenheim verschweigt. (Wagner b S. 122).

G.

XVIII.

(Gerändert)

(Anfang März 1775.)

Hier Tante ein Zweig aus Lenzens Goldnem herzen [das erste Wort aus »Garten« corrigiert]. Wie werth ist mir's Ihnen so einen guten Morgen bieten zu können.

XIX.Die Zeit dieser Briefe bestimmt sich durch die citierte Stelle aus dem d. Merkur, dem Januarheft des J. 1775, worin S. 96 ein anzüglicher Zusatz Wielands zu einer Recension der Schrift von Lenz »Anmerkungen übers Theater« über die Genies steht. Dieses kann nicht später als im März in Goethes Hände gekommen sein. Am 21. März schreibt G. an Jacobi (Nr. 9 nach Düntzers Verbesserung aus der Handschrift Freundest, S. 152) »Du wirst nun wohl Abdrücke von den Arien haben und was von Lenz«. Jacobi verspricht ihm Nr. 10 am 25. März (so Düntzer richtig statt 25. May) Alles zurückzuschicken. Es handelte sich um Lenzens »Briefe über Werthers Moralität« und das beigelegte Gedicht »Freundin aus der Wolke«. Die Beilagen fand Jacobi vortrefflich, sie wurden im Augustheft der Iris 4, 27 S. 12 u. 147 abgedruckt.

(Gerändert).

(März 1775.)

Hier l. Tante was von Friz, [was für Friz (durchstrichen)!] – Wie stehts Ihnen! – krieg ich Lenzens Liebes Worte wieder.Also bezieht sich die Frage: »krieg ich – wieder?« auf Johanna nicht auf Jacobi. Wieland ist und bleibt ein Sch – kerl vid. pag. 96, Beygehenden Merkurii. Ewige Feindschafft sey zwischen meinem Saamen und ihrem Saamen.

Ich bin ganz unerträglich. Und darum fleisig an sinnlicher Arbeit.Am 13. Januar schrieb G. an Knebel Nr. 5, daß er einige sehr gute productive Tage gehabt habe, am 13. Februar an Auguste Nr. 1, von seinen Gedichten, Dramen und Zeichnungen, Er war also damals mit Stella beschäftigt. Ich kann nicht kommen. Geb Ihnen Gott was zu treiben. Mit mir nimmts kein gut Ende. Ade.

G.

Wann schicken sie was an Friz er soll Pätus und Arria haben.Pätus und Arria eine Romanze von Merck, wieder abgedruckt bei Düntzer, Studien S. 249 ff, erschien zuerst einzeln »Freistadt am Bodensee«, also im März. Goethe war damals ganz in seine Liebe zu Lili versunken, daher die Worte: »Mit – Ende«.

XX.

(Gerändert.)
(Sontag Morgen d. 5t F.)

(5. März 1775.)

Dancke herzlich liebe Tante für alles. Morgen oder übermorgen gewiss kommt Stella,An Stella schrieb G. am 7. März eine Scene; er verspricht bald das Drama (an Auguste Nr. 3). und ich vorher oder nach. Ich ging gestern von Ihnen grad nach Haus – von da – Oho – Ich hoffe Sie in unsern Kreis zu ziehen, bey Gott Tante, ganz übel kanns Ihnen nicht drinne seyn – Lili ist gar lieb und hat sie herzlich werth. Vielleicht thu ich Ihnen morgen meinen Vorschlag zur Promenade mit Mama u. mir. Ade. Bleiben Sie mir gut.

G.

(Schiks mir wieder F.)

XXI.

(Gerändert).
(Montag Morgen F.)

(16. März 1775.)

Hier sind die ersten Bogen der Stella. Wenn es Sie unterhält, so schreiben Sie sie ab, Frizzen wird dies Stück von ihrer Hand gewiss zehnmal lieber.

Zu promeniren ist heut nichts,»Es regnet sehr« schreibt G. am 6. an Auguste auf dem Lande; er war also erst Nachmittags nach Offenbach zu André gegangen. doch komm ich ein wenig und lese die Folge. Gestern bin ich mit den RunckelsLisette Runkel mit ihrer Mutter. Sie gehörten zum Freundeskreise Corneliens, aber nicht zu Schönemanns Bekannten. Daher Goethe's Verlegenheit. ums Thor gangen, Lili ist uns mit ihrer Mutter in einer Kutsche begegnet, ich war sehr dumm u. toll. Und habe mit der Loisgen u. RiesAntoinette Luise Gerock und Johann Jakob Riese. – Ueber diese Freunde und Freundinnen handelt belehrend Düntzer, Frauenb. S. 140, 162 ff. von sechs bis acht L'hombre gespielt. Ade. liebe Tante.

G.

XXII.Dieser adressierte Brief ist von Offenbach aus geschrieben, wo Lili erwartet wurde. Der Sonntag, an welchem G. Johanna zu besuchen verspricht, scheint der 12. oder 19. März zu sein, da G. am 21. März an Jacobi (Nr. 9) schreibt: »ich erwarte Stella.« Der 5. Akt war also damals noch nicht geschrieben, er muß vor dem August vollendet worden sein. Denn am 4. August schreibt G. an Lavater (Hirzel, Goethe-Bibliothek S. 182): »Schick Stella gleich an Lenz,« in demselben Monat an Merck Wagner b Nr. 25): »Hast du wegen meiner Mspten geschrieben?« worauf Mylins am 24. Oktober antwortet (Wagner b Nr. 21), er wolle Stella in Weimar in Empfang nehmen lassen. Daß Riemer II, S. 26 in Betreff des Monologs irrt, ist ausgemacht. Die eigenthümliche Betonung dieses und der vorhergehenden Briefe beweist, daß Johanna sich durch dies Stück besonders ergriffen fühlte; Jacobi aber verletzte es sehr (Briefw. Nr. 13); es scheinen persönliche Beziehungen darin gesucht worden zu sein, vgl. Auserles. Briefw. Nr. 53. 58, aber auch Betty an Goethe S. 11 u. 12, und an Jacobi Nr. 1.

(Quart-Briefpapier: Siegel Greif.)

(Offenbach März 1775).

Aussen: Msll Fahlmer

Liebe Tante, ich wusste was Stella ihrem Herzen seyn würde. Ich bin müde über das Schicksaal unsres Geschlechts von Menschen zu klagen, aber ich will sie darstellen, sie sollen sich erkennen, wo möglich wie ich sie erkannt habe, und sollen wo nicht beruhigter, doch stärcker in der Unruhe seyn.

In mir ist viel wunderbaares neues, in drey stunden hoff ich Lili zu sehn. Liebe Tante auf den Sontag!!! – Nehmen Sie das Mädgen an ihr Herz, es wird euch beyden wohlthun. Haben Sie das Verlangen zum fünften Ackt überwunden. Ich wollt sie hätten einen dazugemacht. Adieu. Stella ist schon ihre, wird durch das Schreiben immer Ihrer, was wird Friz eine Freude haben!

XXIII.

(Gerändert.)
(Außen:)

(Ende März 1775.)

Msll. Fahlmer

(Innen).

Ich bitte Sie um eine Portion Haar wachsen machende Pomade und um das Rezept.

G.

XXIV.

(Gerändert.)

(Ebenso.)

Hier Erwin

Und Klopstock ist hier! –

Also werden Sie wohlthun, nach Tisch etwa um drey sich zu uns tragen zu lassen. Wo sie ihn treffen werden.Beide Billets sind mit derselben ungeschnittenen Feder und in denselben Zügen geschrieben. Da Klopstock am 3. April in Göttingen war (Düntzer, Frauenb. S. 283), wird er in den letzten Tagen des März Goethe besucht haben. Den Empfang des Erwin, der im Märzheft der Iris erschienen war, zeigt Goethe Jacobi am 21. März an. Für wen die Pomade bestimmt war, bleibt ein Problem, etwa für den kahlköpfigen Freund Crespel, der öfters erwähnt wird, oder gar für Lili? denn er selbst erfreute sich eines stattlichen Haarwuchses. Wie sich aus der Adresse ergibt, ist der Brief Nr. XXIII aus Offenbach geschrieben.

XXV.H. L. Wagners Farce: Prometheus, Deukalion und seine Recensenten (abgedruckt bei Düntzer, Studien S. 211 ff.) war allgemein Goethe zugeschrieben worden. Schon am 22. März erklärte Jacobi an Wieland (auserl. Briefw. I, Nr. 71), daß dem nicht so sein könne. Wielands nicht erhaltene (oder nicht abgedruckte) Antwort wird er Goethen durch Johanna zugeschickt haben; wahrscheinlich war am Schlusse eine Drohung ausgesprochen, daß er die Sache dem Herzog von Weimar mittheilen werde. Diese hat er erfüllt, wenigstens verspricht Salzmann in einem Briefe an Knebel, 2. April (Hirzel, G.-Bibliothek S. 181), daß er Goethe'n dessen »und des besten Prinzen Empfindung über seine Satyre ganz mittheilen werde.« Des Herzogs wegen ließ dann Goethe seine Erklärung vom 9. April drucken, die am 21. April in den Frankf. gel. Anzeigen abgedruckt wurde. Darauf bezieht sich das folgende Billet.

(Gerändert.)

(Anfangs April 1775.)

Ich dancke liebe Tante für den Br. v. Fr. er ist lieb u gut wie immer – nur hab ich ihm noch nicht geschrieben, werd auch keinem Menschen über die Sache was schreiben. Werde mir auch um den Autor keine Mühe geben, noch euch auf die Spur helfen. Das Publikum mag von mir dencken was es will – der Trumpf womit Wiel. Brief schliest, thuts ihm gar nicht! über einen grosen Theil der Epistel hab ich gelacht, und über das Ende die Nase gerümpft. Gestern that mir's leid sie nicht anzutreffen. Ade. Grüsen Sie Friz u. bitten um fr.wohl »französische« Volkslieder. Liedgen.

G.

(Schiks wieder. F.)

XXVI.

(Gerändert.)

(Vor dem 9. April 1775.)

Ich sagts ia l. Tante! Ist wahres EvangeliumDaß Wagner der Verfasser sei. Dieselbe Betheuerung gebraucht einmal Herder 1774 (Wagner b Nr. 9).! – Vom Drucken reden wir mehr – Ja Tante sieLili – war sie etwa in Offenbach gewesen? war schön wie ein Engel, und ich hatte sie in 4 Tagen nicht gesehen. Und lieber Gott wie viel ist sie noch besser als schön.

G.

XXVII.

* Gerändert.
(bei Frau Schröder.)

(Um den 10. April 1775).

Ein gut Wort findt eine gute Stadt. Bin doch gleich nach Haus gangen, hab Claudinen aufgegraben.Claudine von Villa Bella war also längere Zeit, wohl im Strudel der durch den Umgang mit Lili veranlaßten Zerstreuungen, liegen geblieben. Als fast fertig bezeichnet sie G. am 14. April an Knebel (No. 4); fertig schickt er sie am 4. Juni. Das zur Nachricht, anbey die Ode. Wie gefall ich ihnen auf dünnen Prophetenstelzen, Fürsten und Herren ihre Pflicht einredend?Es kann kaum eine andere gemeint sein als »Gränzen der Menschheit.« Wenigstens wüßte ich keine sonst. Das Gedicht »Edel sei der Mensch« wenigstens ist erst 1782 gedruckt worden.

G.

XXVIII.

* Gerändert.
(Ebenso)

(April 1775.)

Sie sind recht lieb – ich hab meine Antwort an Fritz zurück gehalten denn sie war würklich mistisch. Doch thuts das klare und treffende auch nicht, das ist Wasser und keine Taufe. Wer davon trinkt den wirds wieder dürsten – Also lassen Sies gut seyn. Wild könnt ich wohl über Fritzen werden bös nie. AdeJacobi muß seine Erbitterung über Stella in einem heftigen Briefe ausgesprochen haben. Goethe wird von Johanna abgehalten worden sein heftig zu antworten. Statt dessen sandte er den (ob ganz?) im Briefwechsel Nr. 13) abgedruckten schönen Brief

Hier ist PrometheusDa Wagners Schrift, die G. in jenem Brief erwähnt, Johannen ohne Zweifel bekannt war, kann hier nur Goethens Ode gemeint sein, die Heinse am 8. September 1775 (Schriften VIII, S. 131) bewundert. Bekanntlich blieb sie in Jacobi's Händen und wurde von ihm ohne Goethe's Wissen 1785 in seiner Schrift über die Lehre des Spinoza veröffentlicht (Briefw. S. 89). »Das Drama« Prometheus schickte J. schon am 6. November 1774 zurück Nr. 7). – Noch gehts mit mir den Strom gefällig hinab – helfe auch wohl mit dem Ruder nach.Das Liebesglück war noch ungestört. Von Offenbach fuhr Goethe gern auf dem Main zurück, daher das Gleichniß. S. an Auguste S. 95 ff.

G

XXIX.

(Gerändert.)

(Sontag Morgen 23t 1775 F.)

Ich verstehe kein Wort davonDa Johanna das Datum dieses Billets bemerkt, muß es für sie ein besonderes Interesse gehabt haben; es scheint mit Nr. XXVIII in Verbindung zu stehen. beste Tante – nicht ein Wort – Groser Gott es geht uns bunt sehr bunt – und doch ists mir wie ein Lichtstrahl – dass Friz kommt – so ganz unerwartet – Was kann was soll ich sagen! – Sein lezt Billet erinner ich mich nicht – Wir müssen nun wohl harren. – Ich fühl was in Ihnen vorgeht – Ade. – Sollte das nicht ein alter Brief seyn vom leztenmal – liegen blieben zu Maynz?

Schweizerreise.

XXX.

(No. 1 F.)
Quartblatt. Siegel: Satyr.
Außen (mit Bleistift)

(16. Mai 1775.)Da der folgende Brief vom Pfingstmontag 22. Mai datiert ist, muß dieser Dienstag der 16. Mai gewesen sein. Also traten die Reisenden, Goethe mit den beiden Stolberg und Graf Haugwitz, die Reise, auf der sie sich in Darmstadt aufhielten, früher als Düntzer Frauenb. S. 297 und Viehoff 2, S. 191 meinen, gegen den 12. Mai an.

Msll. Fahlmer.

Ich bin liebe Tante in Manheim u. mir ist's toll genug. Sie müssen mir schreiben, nach Strasb. an Aktuar Salzmann die Adresse. Und wenn Erwin aufgeführt wird bitt ich doch um eine Relation. Denn eine Farce giebts doch – Und ob Lili drinn war? Und sonst. Grüsen Sie Friz. Adieu. Dienstag.

G.

XXXI.

(No. 2 F)
Quartbogen, Siegel: bärtiger Kopf.

(Straßburg 22. Mai 1775).

Außen:

An
Mademoiselle Fahlmer
nach
Franckfurt

francko.

Dancke herzlich liebe Tante für die Nachricht des herrlichen Tragierens, und für ihren lezten mit den Sachen. Ich bin sehr in der Lufft. Schlafen Essen Trincken Baden Reiten Fahren, war so ein paar Tage her der seelige inhalt meines Lebens. Ihr Brief hat uns allen viel Freude gemacht, Sie Habens sehr lebhafft gefühlt, und sehr dramatisch erzählt. Mir wars lieber als die Vorstellung selbst. Ich geh nach Schaffhausen den Rheinfall zu sehen, mich in die grose Idee einzuwickeln. Denn noch, fühl ich, ist der Hauptzweck meiner Reise verfehlt, und komm ich wieder, ists dem BärenDa G. seine Adresse in Straßburg angegeben hatte, muß dieser Brief von dort aus unmittelbar nach der Ankunft geschrieben worden sein. Das anstößige Baden (W. B. 22, S. 340) hat er also mitgemacht. Wann die Aufführung Erwins statt gefunden hat, weiß ich nicht. Der Reiseplan wurde erst in Straßburg verändert, indem G. sich entschloß, über Emmendingen und Schaffhausen zu reisen. Daß die Reise unternommen wurde, um sich an die Trennung von Lili zu gewöhnen, spricht er hier bestimmt aus. Die Reisegesellschaft war noch ungetrennt. Seine Bezeichnung als Bär (W. B. 21, S. 281. Lili's Park) war also schon damals geläufig. schlimmer als vorher. Ich weis es wohl ich bin ein Thor, Allein drum bin ich's doch – und warum soll man auch das Lämpgen auslöschen, das einem so artig auf dem Weege des Lebens vorleuchtet u. dämmert. Adieu Tante grüsen Sie Friz. Pfingst Montag. Schreiben Sie mir nach Emmedingen, sagen Sie auch der Mama dass mir alles hierhergeschickt werde biss ich abschreibe.

G.

Grüsen Sie die Max recht viel von mir.

XXXII.

(Nr. 3
        ;Auß der Schweiz F.)
Grober Quartbogen. Mit Bleistift geschrieben.

(24. 26. Mai 1775.)Dieser herrliche Brief erwähnt die Reisegesellschaft nicht: hatte sie sich damals schon getrennt? Boie schreibt am 24. Juni (Wagner a Nr. 24) »Göthe ist doch wohl nicht bis in die Schweiz mit ihnen gereis't.«

Liebe Tante! In freyer Lufft! einem Uralten Spaziergang hoher vielreih kreuzender Linden, Wiese dazwischen das Münster dort! dort die Ill. Und Lenz lauft den Augenblik nach der Stadt. Ich hab schon ein Mittagessen bestellt hier nah bey u. s. w. er kommt wieder &c. Dancke für den Brief, hoffe weiter! – Hoffe von der Vorstellung Erwins –, kein Wort als Autor! – – – Sie sind gut l. Tante und der Himmel auch! – Diese alte Gegend, iezt wieder so neu! – Das Vergangen und die ZukunftFriederike und Lili. – Gut denn – Unterweegs mich –Unleserliches Zeichen, einem K ähnlich. Etwa zu ergänzen: »traf mich Knebel?« Gemeint ist die Gesellschaft des Herzogs, die auf der Rückreise begriffen war. Der Erbprinz war jetzt verlobt, daher »als in der Hoffnung.« unerwartet, aber lieber, voller, ganzer als in der Hoffnung, die guten und die schlechten MenschenEtwa Graf Görtz? Auf ihn scheint sich die Klage Knebels vom 28. Januar über die Parteiungen in der Umgebung des Prinzen (Beaulieu-Marconnay, Anna Amalia S. 137) zu beziehen. in ihrer Art wahr. – LouiseDie Braut, Prinzessin von Hessen-Darmstadt. ist ein Engel, der blinckende Stern konnte mich nicht abhalten einige Blumen aufzuheben, die ihr vom Busen fielen und die ich in der Brieftasche bewahre wo das Herz ist. Weymar kam auch, und ist mir gut. – Von dem übrigen mündlich! – Alles ist besser als ich dachte. Vielleicht weil ich liebe find ich alles lieb und gut.

So viel diesmal vom durchgebrochnen Bären, von der entlaufenen Kazze! – – Ich habe viel, viel gesehen. Ein herrlich Buch die Welt um gescheuter daraus zu werden, wenns nur was hülfe. Grüsen Sie Friz tausendmal! Mama la Roche die wohl bey Ihnen seyn wird! Die Max! Meinen Vater und Mutter!Lili nicht!

Mittwoch d. 24 May 1775 – eine Viertelstunde von Strasburg.

G.

(Mit Tinte)

Soll mich der Teufel holen Tante ist Freytag der sechs u. zwanzigste u. bin noch Strasburg. Morgen aber gehts nach Emmedingen. Ist mir toll u. wunderlich überall wo ich bin. Ade. – beste Tante. Ihre Briefe find ich hoffentlich in Emmedingen.Von dort ist am 4 Juni (kurz vor der Abreise) der Brief an Knebel (Nr. 5) datiert. G. blieb also in Emmendingen vom 27. Mai bis 5. Juni.

XXXIII.

Quartblatt. Mit Bleistift geschrieben.

(7. Juni 1775.)

Hier l. Tante ein Paar Blicke in die freye Welt! Das schreib ich Schafhausen im Schwerdt. Gehe iezt aus den Rheinfall zu sehen. Morgen um diese Zeit bin ich bey Lavater.Also am 8. Juni kam G. in Zürich an. Von der weiteren Reise sind keine Briefe erhalten. Mir ists recht wohl. – Könnt ich nur recht tief in die Welt. Vermuthe aber ich werde nächstens wieder bey euch seyn! d. 7. Juni 1775.

G.

Innen Zeichnung: G. sitzt an der Straße vor einem Eßtisch an einem hohen Pfahl, ein Pack auf dem Schooß, dahinter Kapelle, Wald am Berg und Häuser.

XXXIV.

Gerändert.

(Ende August 1775.)

Lesen Sie das Tante dann mit fort zu Friz. Es ist von Lenz!Mit Goethe's eigenen Gedichten für den 4. Band der Iris. Darunter befindet sich das Gedicht »Im Herbst 1775,« das im Original (einem Quartblatt) vorliegt, natürlich mit der richtigen Lesart »Laub« ohne Apostroph. [»Laub« heißt in Franken speciell das Weinlaub. Sonstige Varianten gegen den Druck der Iris sind: Vers 1. Laub (nicht Laub!) 2. Rebengeländer nicht Rebengelender, 5. Zwillingsbeeren nicht Zwillings-Beere! 6. Schneller nicht Schneller, glänzend nicht glänzet, voller nicht voller. 8. Scheideblick nicht Scheideblik, 12. Zauberhauch nicht Zauberhauch; 14. Augen nicht Augen.] Da es schon im September erschien, muß es gegen Ende Augusts abgeschickt sein. Dies Gedicht (von Lenz) ist wahrscheinlich: »Auf eine Gegend bey St–g, L. an G.«, worin die stummen Bäume an Brief XXXIII erinnern (Iris 4 S. 147). Wenn Lenz an Merck am 14. März (1776 nicht 1775) im Begriff nach Weimar zu reisen (Wagner b Nr. 20) schreibt: »von verschiedenen Sachen, die theils unter der Presse, theils noch in Göthens Händen sind hab ich gar keine Abschrift«, so meint er wahrscheinlich Nr. 199 mit dem beigefügten Briefe bei Zöppritz 2, S. 314. Diese wird G. ebenfalls an Jacobi geschickt haben, bei dem sie liegen geblieben sind. Ich OnckelUnklar. Wird G. etwa durch »Tante« an den Onkel in Stella Akt IV erinnert? Oder hat Lenz ihn so genannt? krieche in den Windeln all meiner Kräffte und Fähigkeiten»Zeichne und schick!« schreibt er an Merck (Wagner a Nr. 25). herum, und bin auserwärts etwas rauch &c. Leben Sie wohl. ich zeichne, künstle &c. Und lebe ganz mit Rembrandt.

G.

XXXV.

Gerändert.

(August 1775)

Hier Frizzens Arbeit ich möcht nicht gern daß es so (durchstrichen) gedruckt würde, und doch sind so gute Sachen drinn.»Eduard Allwills Papiere,« Der erste Theil erschien dennoch im Septemberhefte der Iris 4, 193. Am 12. August meldet Jacobi den Empfang von Goethe's Wallfahrt (Nr. 12), woraus das Motto zu Allwill entnommen ist; wahrscheinlich hatte J. auch nur den Anfang geschickt; daher von dem fingierten Roman hier auch nur der 1. Theil angegeben wird. G's ungünstiges Urtheil theilte später auch nach maßlosem Entzücken Wieland (an Jacobi Nr. 78, an Frau Rath Nr. 7), Die Verstimmung zwischen G. und Jacobi datiert von dessen verletzter Eitelkeit; die Korrespondenz hört einstweilen auf.

Und ich –

Verworrenheiten
des
Diego und Juliens
1 Theil.

Spreche immer in tiefster Beklemmung mit mir u. meinem Esel,Bileams Esel weilst eine ganze kleine WeltDie der Verbindung mit Lili abgeneigten Eltern und Freunde. sich nach mir beschafftigt. Amen.

G.

(Schiks wieder F)

XXXVI.

*
(Bei Frau Schröder)
Einfaches Oktavblatt, Siegel: Oblate mit G.

(11. September 1775.)

Adresse:

Msll. FahlmerDas Datum dieses Briefes bestimmt sich durch die Messe, entweder die Ostermesse, welche am 2. April, oder die Herbstmesse, welche am 10. September anfing. Da der Ton des Briefs auf ein zerrissenes, nicht ein glückliches Herz deutet, auch im August und September der Aufenthalt in Offenbach regelmäßig Statt fand, habe ich mich für die letztere entschieden. Am 10. September feierte Goethe mit Lili die Hochzeit des Predigers Ewald und der Frl. Du Fay in Offenbach (Düntzer, Frauenb. S. 333). »Heut vor acht Tagen,« schreibt er an Auguste am 17. Sept. Nachts 10 Uhr, war Lili hier. Und in dieser Stunde war ich in der grausamst feyerlichst süsesten Lage meines ganzen Lebens.« Am 16. berichtet er an dieselbe: »Nach Mittage halb Vier. Offen und gut der Morgen, ich that was, Lili eine kleine Freude zu machen.« Dies wird die Überreichung des von Johanna besorgten Geschenks gewesen sein.
Man sieht, wie sehr der Dichter Ursache hat, seine Gefühle den Nächsten zu verbergen.
An einigen Stellen ist vom Briefe etwas abgerissen.

Liebste Tante ich komme von Offenbach! – kann Ihnen weder Blick noch Zug geben von der Wirtschaft. Mein Herz immer wie ein Strumpf, das äussere zu innerst, das innere zu äuserst gekehrt. Bitte! Bitte! – Sehen Sie sich in der Messe um, nach was – für Lili!!!! Galanterie Bijouterie, das neueste, eleganteste! – Sie fühlens allein un meine Liebe dazu! Aber heilig unter uns, der Mama nichts davon. Den Gerocks nichts. Ich bitte. Und schreiben Sie Was es kostet!!!! –

XXXVII.

Gerändert.

(24. September 1775.?)Da »die Woche« auf einen Sonntag schließen läßt, G. aber den 17. in Offenbach zubrachte (an Auguste Nr. 8.), Anfang Oktobers an Merk schreibt: »Ich bin leidlich« (Wagner b Nr. 22), habe ich diesen Brief auf den 24. gesetzt, um so mehr, weil G. am 18. 19. und 20. in der Comödie war. Dort hatte er Lili am 20. »sieben Worte« d. h. die letzten Worte mit biblischer Anspielung gesagt. Das ergreifende Bild der Zerstreuungen und Seelenkämpfe geben die Briefe an Auguste Nr. 7 und 8. »Jezt« scheint er zu einem Abschluß gekommen zu sein. Caeterum censeo er hätte Lili heirathen sollen. Denn daß »sie seine Seele nicht unberührt ließ« (Lewes, 1 S. 310 d. Übers.) beweisen auch die hier gegebenen Briefe.

Ich komme l. l. Tante! Diesen ganzen Morgen wollt ich an Sie schreiben. Ausgestanden hab ich die Woche schröcklich von allen Seiten, aber auch widerstanden! Weis Gott! – Jezt – o vielleicht ein Wort gegenwärtig davon, ich hab Sie immer in der Comödie gesucht. Ade!

G.


 << zurück weiter >>