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41.

Zwölf Sybillen Weissagungen, viel wunderbarer Zukunft, vom Anfang bis zum Ende der Welt besagend. Auch der Königin von Saba dem König Salomon gethane Prophezeyung. Wie auch merklicher zukünftiger Dinge, von St. Brigitten, Cyrillo, Methodio, Joachimo, Bruder Reinhard, Johannes Lichtenberger, und Bruder Jakob aus Hispanien beschrieben. Auf's neue wieder gedruckt. Cöln und Nürnberg.

 

Alle Zukunft ist so nothwendig durch die Gegenwart bedingt, wie die Natur jedes Gewächses in der Natur des Samens gegeben ist, aus dem es sich entwickelt. Weissagen heißt, sich hineindenken in die bildende Gottheit, oder vielmehr aufgenommen werden in den Gedanken des fortschaffenden Naturgeistes, und die Gabe daher in diesem Sinne, da sie keinen innern Widerspruch enthält, wie jede höhere Genialität keineswegs ein Gegenstand der logischen Discussion. Man hat Sterne am Himmel plötzlich hell aufglühen und wieder erlöschen sehen; die Konstellationen führten durch ihre wechselseitige Verbindung eine solche Periode einer erhöhten Genialität des Gestirns herbei: auch im Reiche der Geister ist ein solches Aufflammen eines einzelnen Gottbegeisterten denkbar, daß tiefer in ihn sich die Oberwelt herabsenkt, heller der Gedanken in ihm zündet, und prophetisch ein Lichtstrahl die fernen, dunkeln, ungebohrnen Zeiten schon enthüllt, und durch freies Hingeben der Intelligenz in sie vorbildlich vom Weltgeist hineingedacht wird, was erst später nachbildlich in die Wirklichkeit eingebohren wird, so daß also der gewöhnliche Gang des Denkens sich nun umkehrt, und die Reflexion dem Gegenstande voreilt, statt daß sie ihm im gemeinen Lauf der Dinge folgt. Wenn wir dergleichen gedenken, dann wird unser Urtheil über den Gegenstand vorsichtiger und bescheidner seyn. Gerade die historische Weissagerei, die man einzig gelten lassen will, ist, wenn sie über den Kreis, der unmittelbar den Weissagenden umschreibt, hinausgeht, so nichtig wie die Meteorologie, weil beide von Millionen Fäden nur Wenige beachten, Jene nämlich, die sie gerade selber mit hineingesponnen haben. Allein auch sie in Ehren, wenn sie sich nicht mit Vollendung brüstet, und nur als ein nothwendiges Ziel aller geistigen Entwickelung sich geltend macht.

In dem gegenwärtigen Buch sind zwölf Sibyllen aufgestellt, wie die Geschichtschreiber sie uns überliefert haben: eine Persica, Lybica, Delphica, Cumeria, Tiburtina u. s. w., und Jeder werden eine Reihe Sprüche meist aus den Propheten des alten Testamentes in den Mund gelegt. An Diese schließt die Königin von Saba sich an, die besonders vom jüngsten Tage weissagt. Die Idee eines jüngsten Tages, gegründet auf die Annahme einer gleichen Perfectibilität des Bösen wie des Guten, und der daraus folgenden Nothwendigkeit der eintretenden Ueberwucht des Lasters über das Gute durch das Eingreiffen einer höheren richterlichen Gewalt abzuhelfen, ist eine der Grnndansichten der menschlichen Natur, die besonders in der Entwickelung des Christenthums zu Tage getreten ist. Wieder war es natürlich, da man Christus als das Haupt aller Tugend und alles Guten anerkannte, die sich dann ihm wie die Glieder eines Leibes zur Bildung der Kirche anfügten, daß man auch gleicherweise einen Antichrist anerkannte, dessen Leib alle Lügengeister und alle Teufelsapostel angehörten, und der eben am jüngsten Tage besiegt dem Guten erliegen muß.

»Hierauf wird bald eine Aenderung und neu Regiment, Fried und Einigkeit in der ganzen Christenheit entstehen, sagt die Königin von Saba, und das römische Kaiserthum, als vor das Griechische ein Ende nehmen, und wird sich alsdann der Antichrist nahen gebohren zu werden, nämlich zu der Zeit, so ein fremder Kaiser Gewalt über Rom gewinnt, der sich nicht einen römischen Kaiser schreibt, und dennoch ein Christ ist. Unter demselbigen wird der Antichrist zu Babylon geboren voller Teufel, und wird sich heimlich halten, bis ins dreißigste Jahr. Alle verborgenen Schätze werden dem offenbahret, damit wird er die Christen und andere Völker an sich reizen. Der Geiz und die Liebe des Geldes wird so groß auf Erden, daß die bösen Christen Leib und Seele darum geben werden« u. s. w.

Dann folgen die Prophezeyungen der heiligen Brigitta, historisch, verwirrt, doch mit wenig Witz deutbar auf die Zeit. Dann von des heiligen Propheten Predigt und Ermahnung, der Frankreich, Italien und Hispanien durchgezogen ist im Jahr 1509, leeres, emphatisches Mönchsgesalbader. Endlich die Zeichen von dem jüngsten Tage, welche die Zukunft des Herrn verkündigen, aus der Schrift gezogen. Alles zusammen, wie es dasteht, durchaus unschädlich in den Händen des Volkes, und vielmehr von manchen Seiten möglicherweise Nutzen gewährend.

Panzer führt in seinem Verzeichnisse eine Schrifft an: Offenbahrung der Sibillen Weissagung mit viel andern Prophetien künftiger Ding, die noch bis zu Ende der Welt geschehen sollen. Oppenheim 1516, die wie das Volksbuch zwölf Sibillen in Holzschnitten enthält, und bei jeder eine Weissagung aus einem Propheten, Alles zusammen 6½ Bogen. Ohne Zweifel ist daher das Letztere von dem Andern ausgegangen.


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