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VIII

PERSIEN NACH DER WIEDERHERSTELLUNG DER MONARCHIE DURCH ARTAXERXES

 

Jedes Mal, wenn Tacitus sich die Darstellung einer erhebenden Episode gönnt, wobei er dann von inneren Zuständen bei den Germanen oder Parthern berichtet, ist es ihm vorrangig darum zu tun, den Leser von dem gegenwärtigen Panorama des Verbrechens und allgemeinen Elends abzulenken. Seit der Herrschaft des Augustus bis in die Zeit des Alexander Severus hatte Rom nur innere Feinde: die Tyrannen und die Armee. Mit den Umwälzungen, die sich jenseits von Rhein oder Euphrat ereignen mochten, stand das Wohlergehen Roms nur in einem schwachen und entfernten Zusammenhang. Als dann aber infolge der Militärdiktatur die Macht des Herrschers, die Gesetze des Senats und schließlich sogar die Disziplin in den Kasernen zu wilder Anarchie ausgewachsen waren, wagten es die Barbaren des Ostens und des Nordens, die die Grenzen schon lange umlauert hatten, die Provinzen des untergehenden Weltreiches anzugreifen. Ihre Überfälle, die zunächst nur lästig waren, wuchsen bald zu ernsthaften Invasionen aus, und nachdem man sich zunächst lange Zeit hindurch nur gegenseitig Schaden zugefügt hatte, konnten sich schließlich viele der siegreichen Eindringlinge erfolgreich auf römischen Boden festsetzen. Um von diesen bedeutenden Ereignissen genauere Kenntnis zu gewinnen, müssen wir uns zunächst einen Eindruck vom Charakter, der Stärke und den Absichten dieser Nationen zu gewinnen suchen, welche die Sache des Hannibal und Mithradates rächen sollten.

 

ARTAXERXES STELLT DIE PERSISCHE MONARCHIE WIEDER HER 253 A.D.

In den dunklen Läuften der Frühgeschichte, als der Europa überdeckende Wald ein paar halbnomadischen Horden Zuflucht gewährte, lebten die Bewohner Asiens bereits in volksstarken Siedlungen und hatten große Staaten gegründet, welche die Heimat der Kunst, des Luxus und der Despotie werden sollten. Die Assyrer regierten den Orient, Ein antiker Chronist (Velleius Paterculus 1,6) bemerkt, dass die Assyrer, Meder, Perser und Makedonier in Asien insgesamt 1995 Jahre herrschten, gerechnet von der Thronbesteigung des Ninus bis zur Niederlage des Antiochus durch die Römer. Da das letztgenannte Großereignis im Jahre 189 Jahr v. Chr. stattfand, kann man ersteres wohl in das Jahr 2184 derselben Ära legen. Die astronomischen Aufzeichnungen, die Alexander in Babylon vorfand, gehen sogar noch fünfzig Jahre weiter zurück. bis irgendwann das Szepter des Ninus und der Semiramis ihren kraftlosen Nachfolgern aus der Hand fiel. Meder und Babylonier erbten ihre Machtstellung, bis beide in Persiens Monarchie aufgingen, deren Waffen sich nicht mit den engen Grenzen Asiens zufrieden geben konnten. Mit angeblich zwei Millionen Mann im Gefolge griff Xerxes, Nachfahre des Kyros, Griechenland an. Dreißigtausend Krieger reichten hin, um unter dem Kommando von Philipps Sohn Alexander – ihm vertrauten die Griechen ihren Ruhm und ihre Rache an – Persien zu unterwerfen. Die nachfolgenden Könige des Seleukidenhauses übernahmen die makedonische Herrschaft über den Osten und verloren sie wieder. Etwa zu der Zeit, als sie infolge eines schimpflichen Vertrages das Land diesseits des Taurusgebirges an die Römer abtreten mussten, wurden sie auch aus ihren Provinzen im oberen Asien vertrieben, und zwar durch die Parther, einem obskuren Volk skythischen Ursprungs. Die Großmacht der Parther, deren Reich sich von Indien bis an die Grenze Syriens erstreckte, wurde ihrerseits von Ardaschir (oder Artaxerxes) unterworfen; dieser war der Gründer einer neuen Dynastie, welche unter dem Namen der Sassaniden Persien beherrschte bis hin zum Einfall der mohammedanischen Araber. Jenes Großereignis, dessen fatale Auswirkungen auch die Römer bald zu spüren bekamen, fand statt im vierten Jahre der Regentschaft des Alexander Severus oder im Jahre 253 der christlichen Zeitrechnung. Im 538. Jahre der Ära der Seleukiden. Siehe Agathias 2,27. Dieser wichtige Vorgang – so weit geht die orientalische Sorglosigkeit! – wird von Eutychius ins zehnte Regierungsjahr des Commodus verlegt und von Moses Chorene in die Regierungszeit des Philipp. Ammianus Marcellinus (23,6) hat sich so sklavisch an seine Quellen gehalten, welche in der Tat sehr zuverlässig sind, dass für ihn die Arsaciden in der Mitte des vierten Jahrhunderts immer noch auf dem Thron Persiens sitzen.

Artaxerxes hatte im Heer des letzten Partherkönigs Artaban mit viel Auszeichnung gefochten, und es scheint, dass königlicher Undank, die übliche Belohnung für herausragende Verdienste, ihn in das Exil und die Rebellion getrieben hat. Seine Herkunft ist zweifelhaft, und diese Zweifel gab seinen Feinden ebenso viel Veranlassung zur Nachrede wie seinen Anhängern zur Schmeichelei: glauben wir den ersten, so ist Artaxerxes die illegitime Frucht der Beziehung einer Lohgerbers-Gattin mit einem gewöhnlichen Soldaten. Der Name des betrogenen Gerbers war Babec; der Soldat hieß Sassan; von ersterem leitete Artaxerxes seinen Beinamen Babegan ab, vom zweiten erhielten er und alle seine Nachkommen den Namen Sassaniden. Für seine Anhänger ist er der Abkömmling eines Seitenzweiges der alten persischen Königsdynastie, nur hätten Zeitläufte und Ungemach seine Vorfahren in den einfachen Stand von Bürgersleuten zurückversetzt. d'Herbelot unter ›Ardshir‹ in der Bibliotheque Orienthale. Als ein direkter Erbe der Monarchie reklamierte er sein Recht am Thron und unterzog sich dem edlen Unternehmen, das persische Volk von der Unterdrückung zu befreien, unter der es fünfhundert Jahre lang seit dem Tode des Darius geseufzt hatte. Die Parther wurden in drei großen Schlachten besiegt. In der letzten wurde ihr König Artaban getötet, und der Geist der parthischen Nation war für immer gebrochen. Cassius Dio, 80,3; Herodian 6,2; Abulpharagius, Historia Dynastiarium S. 80. Artaxerxes' Vorherrschaft wurde in einer großen Reichsversammlung feierlich anerkannt, welche zu Balch (Baktra) im Khorasan abgehalten wurde. Zwei jüngere Seitenlinien der Königsdynastie der Arsakiden lagen im Staub zwischen den niedergeworfenen Satrapen. Ein dritter glaubte sich mehr dem vergangenen Ruhm als der gegenwärtigen Notwendigkeit verpflichtet und versuchte sich mit zahlreichen Vasallen zu seinem Verwandten, dem König von Armenien, zurückzuziehen; indes fing ihn und seine kleine Armee die Wachsamkeit des Eroberers ab und machte sie nieder; letzterer selbst griff beherzt nach der Doppelkrone und dem Titel König der Könige, Siehe Moses von Choren, Historia Armeniaca, Buch 2, Kap 65-71. dessen sich bis dahin seine Vorfahren erfreut hatten. Aber anstelle dass diese leeren Titel der Eitelkeit des Persers genüge getan hätten, erinnerten sie ihn vielmehr an seine eigentliche Pflicht und entflammten in seiner Seele den Ehrgeiz, das Alte Reich und die Religion des Kyros in vollem Glanze wiederherzustellen.

 

REFORMATION DER RELIGION DER MAGIER

I. Während der langen Knechtschaft Persiens unter dem Joch der Makedonier und Parther hatten die Nationen Europas und Asiens den jeweils anderen Aberglauben übernommen und verunstaltet. Die Arsakiden übten die Religion der Magier, zersetzten und verunreinigten sie aber durch allerlei Ingredienzien und ausländische Götzenverehrung. Das Andenken an Zarathustra, Die Herren Hyde und Prideaux, welche die alten persischen Legenden und ihre eigenen Konjekturen zu einer recht schlüssigen Geschichte verwoben haben, machen Zarathustra zu einem Zeitgenossen von Darius Hystaspis. Es genügt wohl der Hinweis auf die zeitgenössischen griechischen Autoren, welche übereinstimmend Zarathustras Ära viele hundert oder gar tausend Jahre vor ihrer eigenen ansetzen. Die scharfsinnige Kritik des Herrn Moyle erkannte und verfocht gegen seinen Onkel Dr. Prideux die Meinung, dass der persische Prophet in grauer Vorzeit gelebt habe. Siehe Moyle, Works, Bd.2. den alten Propheten und Philosophen Persiens, war im Osten immer noch lebendig; aber der dunkle und geheimnisvolle Sprachduktus der Zend-Avesta Das alte Idiom nannte man das Zend. Die Sprache der Kommentatoren, die Pehlvi, ist zwar sehr viel moderner, wird aber seit langer Zeit ebenfalls nicht mehr unter die lebenden Sprachen gezählt. Diese Tatsache allein ist eine Gewähr für das hohe Alter der Schriften, welche Herr d'Anquetil nach Europa gebracht und in das Französische übersetzt hat. eröffnete ein ergiebiges Diskussionsforum für insgesamt siebzig Sekten, die die fundamentalen Glaubenssätze ihrer jeweiligen Religion in ganz verschiedener Weise darlegten und die dafür in ganz ähnlicher Weise verhöhnt wurden von der Masse der Ungläubigen, die die göttliche Sendung und die Wundertaten des Propheten einfach nicht wahrhaben wollten. Um nun die Götzenverehrer zu dämpfen, die Schismatiker neuerlich zu vereinigen und die Ungläubigen durch die unfehlbaren Festsetzungen eines allgemeinen Konzils zu widerlegen, lud der fromme Artaxerxes aus allen Teilen des Reiches die Magier zusammen. Diese Priester, die solange in Verachtung und Dunkelheit gedarbt hatten, gehorchten dieser Einladung mit Freuden; und am festgesetzten Tage erschienen ihrer achtzigtausend. Da aber die Debatten einer so unübersichtlichen Versammlung jedenfalls nicht durch die Stimme der Vernunft oder Kunstgriffe der Geschäftsordnung hätten gesteuert werden können, wurde diese Persische Synode schrittweise durch allerlei Trickerei auf vierzigtausend, dann auf viertausend, auf vierhundert, auf vierzig und endlich auf sieben Magier verkleinert, deren Gottesgelahrtheit und Frömmigkeit sie vor allen anderen auszeichnete. Einer von diesen, Erdaviraph, ein jugendlicher und dennoch heiliger Prälat, erhielt aus der Hand seiner Brüder drei Becher eines schlafspendenden Weines. Er trank ihn und fiel augenblicklich in einen langen und tiefen Schlummer. Sobald er wieder erwacht war, berichtete er dem Könige und der gläubigen Menge von seiner Himmelfahrt und seinem innigen Wechselgespräch, dessen er mit der Gottheit gepflogen. Vor dieser übernatürlichen Gewissheit nun musste jeder Zweifel verstummen. Und so wurden Zarathustras Glaubensartikel mit aller Autorität ausgestattet und mit Genauigkeit niedergeschrieben. Hyde, Veterum Persarum religionis historia, Kap 21. Eine kurzgefasste Darstellung dieses berühmten Glaubenssystems wird uns helfen, die Natur des persischen Volkes darzustellen sowie ihre wichtigsten friedlichen wie kriegerischen Transaktionen mit dem römischen Staat besser zu verstehen. Ich habe diese Darstellung in ihren Grundzügen der Zend-Awesta des Herrn d'Antequil entnommen, während die Darlegung der Saddah, des Glaubensbuches der Feueranbeter, Dr. Hyde's Abhandlung verpflichtet ist. Es muss jedoch schon jetzt eingestanden werden, dass die vorsätzliche Dunkelheit des Propheten, der metaphernselige Stil des Ostens und die Vermittlung durch die fehlerhafte lateinische oder französische Übersetzung uns zu Irrtum und Häresie bei dieser Kurzdarstellung persischer Theologie verleitet haben kann.

 

DIE RELIGION ZARATHUSTRAS

Der große und grundlegende Glaubensartikel des Systems war die berühmte Doktrin von den zwei Prinzipien; ein kühner, wenn auch untauglicher Versuch der östlichen Philosophie, die Existenz von physischen und moralischen Übeln mit der Existenz eines gütigen Weltenschöpfers und -herrschers in Einklang zu bringen. Das erste und ursprüngliche Sein, in welchem oder durch welches das Universum existiert, wird in Zarathustras Schriften Unendliche Zeit genannt; diese unbegrenzte Substanz ist jedoch zugegebenermaßen eher eine metaphysische Abstraktion des Verstandes als ein reales Objekt, welches sich seiner Selbst bewusst oder moralisch vollkommen wäre. Ob nun durch Zufall oder infolge einer vorsätzlichen Handlung dieser Unendlichen Zeit, welche dem griechischen Chaos doch recht ähnlich sieht: Es bestehen seit Ewigkeiten zwei untergeordnete, aber handelnde Prinzipien, Ormusd und Ahriman, beide mit Schöpferkraft begabt, aber beide aufgrund ihrer unwandelbaren Natur nur dazu imstande, sie zu jeweils entgegengesetzten Absichten einzusetzen. Das gute Prinzip ist in ein ewiges Licht gehüllt, das böse liegt in ewiger Dunkelheit begraben. Die weise Güte von Ormusd befähigte den Menschen zur Tugend, und im Übermaß versah er dessen Heimstatt mit allem Zubehör des Glücks. Durch seine wachsame Voraussicht, durch die Bewegung der Planeten, durch die Folge der Jahreszeiten und das Klima blieb die Mischung der Elemente bewahrt. Ahrimans Bosheit hingegen hat schon lange das Ei des Ormusd durchbohrt, oder, anders gesagt, sie hat die Harmonie seiner Schöpfung beschädigt. Seit jenem fatalen Ereignis sind Gut und Böse in kleinsten Teilchen miteinander durchmischt und aufgestört, unter den wirksamsten Heilpflanzen erwachsen die tödlichsten Giftpflanzen; Überschwemmungen, Erdbeben und Feuersbrünste zeugen vom Streit der Natur; und des Menschen kleine Welt ist beständig von Laster und Elend heimgesucht. Und während der eine Teil der Menschheit in ihres höllischen Widersachers Banden liegt, hält der gläubige Perser seine Anbetung für seinen Freund und Beschützer Ormusd aufgespart und kämpft unter dessen Banner des Lichts, im festen Vertrauen darauf, dass er am Letzten Tage an Seinem Triumphe teilhaben wird. In jener entscheidenden Zeit wird der Gottheit erleuchtete Weisheit Sorge tragen, dass die Macht des Ormusd über die tobende Bösartigkeit seines Feindes obsiegen wird. Ahriman und sein Gefolge werden, entwaffnet und unterworfen, in ihre Urfinsternis zurücksinken; und das Gute wird den ewigen Frieden und die Harmonie des Universums sicherstellen. Die modernen Parsen und in gewissem Umfang auch die Saddah erhöhen Ormusd zum ersten und allmächtigen Verursacher, während Ahriman nur ein untergeordneter, wiewohl aufsässiger Geist ist. Ihr Bedürfnis, den mohammedanischen Eroberern gefällig zu sein, hat wohl dazu beigetragen, ihr theologisches System an dieser Stelle zu überarbeiten.

 

GOTTESDIENSTLICHE VEREHRUNG

Die Theologie Zarathustras wurde von Fremden und von der großen Mehrheit seiner Bekenner nur dunkel erahnt; aber selbst die oberflächlichsten Beobachter waren von der kargen Schlichtheit der Persischen Religion verblüfft. ›Dieses Volk,‹ so Herodot, Herodot 1,131. Allerdings meint Herr Dr. Prideaux nicht ohne Grund, dass in der späteren Religion der Magier die Benutzung von Tempeln erlaubt war. ›will von Tempeln nichts wissen, nichts von Altären oder Statuen, und es amüsiert sich über die Torheit derjenigen Nationen, welche die Götter mit menschlichen Eigenschaften versieht oder sie sogar von Menschen abstammen lässt. Die Spitzen der höchsten Berge dienen ihnen für ihre Opfer; die wichtigsten Praktiken der Verehrung sind Hymnen und Gebete; an die oberste Gottheit, welche das ganze Himmelsrund erfüllt, sind sie gerichtet.‹ Und mit der rechten Glaubensgewissheit des Polytheisten beschuldigt er sie, die Erde, das Feuer, die Winde und Sonne und Mond zu verehren. Aber die Perser haben diesen Vorwurf stets zurückgewiesen und das missverständliche Verhalten so weit erklärt, dass es den Anschein von Plausibilität erhielt: Die Elemente, insbesondere Feuer, Licht und Sonne, die sie Mithra nannten, waren Gegenstand ihrer religiösen Verehrung, da sie in ihnen die reinsten Symbole, die edelsten Hervorbringungen sowie die mächtigsten Verbündeten der göttlichen Allmacht und Natur sahen. Hyde, Historia, Kap 8. Trotz aller ihrer Proteste und Abgrenzungsversuche, die aufrichtig genug zu sein scheinen, haben ihre Unterdrücker, die Mohammedaner, sie als abergläubige Feueranbeter stigmatisiert.

 

MORALVORSCHRIFTEN ERMUTIGUNG ZUM ACKERBAU

In jeder Art von Religion muss, damit sie im Menschengemüt einen tiefen und bleibenden Eindruck hinterlässt, eine Übung für unseren Gehorsam enthalten sein, etwa indem sie eindringlich zu Verehrungspraktiken mahnt, für die es eigentlich keinen Verstandesgrund gibt; und sie muss unsere Zustimmung erringen, indem sie uns moralische Pflichten auferlegt, die uns auch die Stimme unseres eigenen Herzens diktiert. Mit dem Ersteren war die Religion Zarathustras übervoll und auch von Letzterem besaß sie einen hinreichenden Vorrat. In der Pubertät wurde dem gläubigen Perser zum Zeichen des göttlichen Schutzes ein geheimnisvoller Gürtel angelegt. Und von nun an war jedes Tun, sei es das alltäglichste oder das allernotwendigste, geheiligt durch spezielle Gebete, fromme Seufzer oder Kniebeugen; ihre Unterlassung war eine ernste Sünde, die nicht weniger schwer wog wie eine Verletzung moralischer Pflichten. Diese moralische Verpflichtung zur Gerechtigkeit, Güte, Mildtätigkeit usw. wurden jedoch von den Bekennern Zarathustras erwartet, wenn sie den Nachstellungen Ahrimans entkommen und mit Ormusd einst in paradiesischer Ewigkeit leben wollten, dort, wo die Fülle der Glückseligkeit streng dem Umfang früherer Tugend und Frömmigkeit entsprechen wird. Vgl. dazu den Saddah, deren kleinster Teil sich mit Moralvorschriften aufhält. Die auferlegten Zeremonien sind unendlich viele und unendlich nebensächlich. Fünfzehn Arten des Kniee-Beugens, des Betens &c werden verlangt, wann immer der fromme Perser seine Nägel schneidet, wässert oder sich den heiligen Gürtel anlegt. Sadder, Art. 14,50 und 60.

Allerdings gibt es auch einige bemerkenswerte Beispiele dafür, dass Zarathustra die Rolle des Propheten ablegt, anstelle dessen den Gesetzgeber hervorkehrt und dabei für die private und öffentliche Wohlfahrt ein feines Gespür entwickelt, wie man es unter den teils staubschluckenden, teils visionären Programmen des Aberglaubens nur selten anfindet. Die üblichen Maßnahmen zu Erringung göttlichen Wohlwollens, das Fasten und die Ehelosigkeit, verurteilt er mit Entschiedenheit, da sie nichts anderes seien als eine strafwürdige Zurückweisung der schönsten Geschenke der Vorsehung. In der Religion der Magier ist der Heilige verpflichtet, Kinder zu zeugen, Nutzbäume zu pflanzen, schädliche Tiere zu bekämpfen, die trocknen Lande Persiens zu bewässern und sich sein Heil vermittels harter Landarbeit zu erringen. Wir wollen hier aus der Zend-Awesta eine weise und segensreiche Maxime zitieren, die für zahlreiche Absurditäten entschädigt: ›Welcher den Boden mit Liebe und Sorgfalt pflegt, hat sich mehr an religiösen Verdiensten erworben, denn er es durch zehntausend Gebete getan hätte.‹ Zend-Avesta, Bd. 1, S. 224, und den ›Précis du système de Zoroastre‹ im Bd. 3. In jedem Frühjahr wurde ein Fest gefeiert, in welchem die archaische Gleichheit aller Menschen ihren heutigen Verhältnissen gegenübergestellt wurde. Persiens würdebeladene Könige tauschten ihren hohlen Prunk mit echter Größe und mischten sich ungezwungen unter die niedrigsten, wenn auch nützlichsten ihrer Untertanen. An jenem Tage war unterschiedslos alles Landvolk an der Tafel des Königs oder seiner Satrapen willkommen. Der Monarch nahm ihre Bittschriften entgegen, untersuchte ihre Beschwernisse und verkehrte mit ihnen auf vertrautestem Fuße. ›Aus Eurer Arbeit‹, pflegte er zu sagen (und er sagte es wahrheitsgemäß, ja aufrichtig) ›aus Eurer Arbeit erhalten Wir Hilfeleistung; den Frieden nun, der Euch wird, habt Ihr Unserer Wachsamkeit zu danken; so sind Wir Uns gegenseitig nützlich, und so lasst Uns in Eintracht und Liebe wie Brüder zusammenleben.‹ Hyde, Historia, Kap 19. In einem wohlhabenden Reich mit despotischer Regierung muss ein solches Fest allmählich zu einem Staatstheater verkommen; aber diese Komödie hatte ein königliches Publikum dennoch verdient und dürfte auf das Gemüt manches jungen Prinzen einen heilsamen Einfluss ausgeübt haben.

 

MACHT DER PRIESTERKASTE

Hätte Zarathustra allen seinen Maßregeln solche Bedeutung verliehen, so stände sein Name in einer Reihe mit Numa oder Konfuzius, und sein System hätte sich mit gutem Recht den Beifall verdient, den zu spenden einige unserer Theologen und sogar Philosophen auch heute noch geneigt sind. Aber in dieser buntscheckigen Verfassung, die von Verstand und Leidenschaft, Begeisterung und Selbstsucht eingegeben war, wurden einige fruchtbringende und tiefe Wahrheiten durch den abwegigsten und gefährlichsten Aberglauben korrumpiert. Die Magier, die eigentliche Priesterkaste, war äußerst zahlreich, da sich, wie wir bereits gesehen haben, achtzigtausend von ihnen auf einem allgemeinen Konzil einfinden konnten. Ihre Macht wurde durch religiöse Strenge noch gemehrt. Eine straffe Hierarchie war über alle persischen Provinzen verbreitet; und der Erzmagier, der zu Balsra residierte, wurde als das eigentliche Kirchen-Oberhaupt und Zarathustras rechtmäßiger Nachfolger angesehen. Hyde, de Religione Persarum, c.28. Hyde wie auch Prideux gefällt es, die Magier mit Bezeichnungen zu versehen, welche der christlichen Hierarchie heilig sind. Die Reichtümer der Magier waren beachtlich. Neben einem beträchtlichen Besitz des fruchtbarsten medischen Landes Ammianus Marcellinus berichtet uns (23,6), soweit wir ihm denn glauben dürfen, von zwei bemerkenswerten Einzelheiten: 1, dass die Magier einige ihrer allergeheimsten Glaubenssätze von den indischen Brahmanen entlehnt hätten und dass 2. sie sich nicht nur als Zunft, sondern als eine Art Stamm oder Familie ansahen. – dies war noch der unverdächtigste ihrer Besitztümer – belegten sie zusätzlich noch das Vermögen und den Gewerbefleiß der Perser Diese Gotteserfindung des Zehnten ist ein einzigartiges Beispiel für die Übereinstimmung zwischen den Gesetzen Zarathustras und den Mosaischen Vorschriften. Wer anders sich dies nicht zu erklären vermag, kann ja die Mutmaßung hegen, dass die Magier der Spätzeit eine derart nützliche Zutat in die Texte ihres Propheten eingefügt haben. mit einer allgemeinen Steuer. ›Wenn auch Eure guten Werke‹, so der Prophet nicht ohne Eigeninteresse, ›zahlreicher wären als die Blätter an den Bäumen, die Tropfen des Regens oder der Sand am Meer, so müssen sie doch alle vergebens sein, es hätte sie denn Euer Priester vorher gutgeheißen. Um nun die Gutheißung dieses Eures Führers zum Heile zu erlangen, so müsst Ihr ihm getreulich den Zehnten geben von Eurem Gut, Eurem Land, Eurem Geld und allem, was Euer ist. Ist's der Priester nun zufrieden, so wird Eure Seele den Qualen der Höllen entkommen; Ruhm in dieser Welt und Glückseligkeit in der nächsten sind Euer. Denn die Priester sind die Lehrer; alles wissen sie und erlösen die ganze Menschheit.‹ Sadder, Artikel 8.

Diese wohlersonnenen Vorschriften für Ritus und Glaubenspraxis wurden ohne Zweifel schon den formbaren Seelen der Jugend eingeprägt; denn in Persien waren die eigentlichen Erzieher die Magier, und sogar die Kinder der königlichen Familie wurden ihnen anvertraut. Platon, Alkibiades 37. Die metaphysisch hochbegabten Priester der Perser bewahrten und durchforschten die Philosophie des Orients und standen folglich in dem Rufe, sei es infolge höheren Gelehrsamkeit oder höherer Durchtriebenheit, in den okkulten Wissenschaften wohlbewandert zu sein, die übrigens ihre Bezeichnung von den Magiern Plinius (Naturalis Historia 30,1) stellt fest, dass die Magie die Menschen mit der dreifachen Fessel aus Religion, Physik und Astronomie ankette. erhalten haben. Diese Priester mischten sich in ihrer Betriebsamkeit unter die Welt der Höfe und Städte; und es bleibt festzuhalten, dass die Regierungstätigkeit des Artaxerxes in großem Umfange gesteuert wurde durch den beratenden Beistand des Priesterstandes, dem dieser Herrscher aus Gründen der Politik oder der Verehrung zu seinem früheren hohen Ansehen zurück verhalf. Agathias, 4,24.

So fügte sich denn der erste Ratschlag der Magier an den Monarchen auch trefflich zu ihrer elitären Selbsteinschätzung, Herr Hume bemerkt in seiner ›Naturgeschichte der Religionen‹ voll Weisheit, dass die reinsten und philosophischsten Sekten zuverlässig auch die intolerantesten sind. zu der Regierungspraxis der frühen Könige Cicero, de legibus, 2,10. Xerxes hatte auf Anraten der Magier die griechischen Tempel zerstört. und sogar zum Vorbild ihres Stifters, welcher Opfer eines Religionskrieges wurde, den sein eigener intoleranter Eifer veranlasst hatte: Hyde, Historia, Kap 23 und 24. D'Herbelot in der Bibliothèque Orientale unter ›Zerdusht‹. Die Biographie Zoroasters in Bd. 2 der Zend-Avesta. durch ein Edikt des Artaxerxes wurde jede Religionsausübung mit Ausnahme der des Zarathustra strengstens verboten. Die Tempel der Parther und die Statuen ihrer vergöttlichten Herrscher sanken schmachvoll in den Staub. Vgl. Moses von Choren, Historia Armeniaca, Buch 2, c.74 mit Ammianus Marcellinus 23,6. Im Folgenden greife ich auf diese Stellen zurück. Das Schwert des Aristoteles (denn diese Bezeichnung verliehen die Orientalen dem Polytheismus und der Philosophie der Griechen) wurde mit leichter Hand zerbrochen; Rabbi Abraham im ›Tarich‹, ed. Schickard, p. 108 f. das Feuer der Verfolgung erreichte bald die weniger elastischen Juden und Christen; Der schmachvoll zu Tode gekommene Manes wird von den Magiern wie von den Christen als Ketzer angesehen. auch schreckten sie nicht vor den Häretikern ihrer eigenen Nation und Religion zurück. Ormusd' Majestät, die eifersüchtig war gegen jeden Rivalen, hatte in dem Despotismus des Artaxerxes eine tatkräftige Hilfe, der Rebellen ebenfalls nicht litt; und gar bald waren die Schismatiker innerhalb des Riesenreiches auf vernachlässigbare achtzigtausend Personen zusammen geschrumpft. Hyde, Historia, c. 21. Dieser Geist der Verfolgung wirft Schatten auf die Religion des Zarathustra; da er aber keinen allgemeinen Aufruhr hervorrief, diente er am Ende, die neue Monarchie zu festigen und Persiens Völkervielfalt zu einigen unter dem Banner eines gemeinsamen religiösen Bekenntnisses.

 

VERWALTUNG DES PERSERREICHES GEOGRAPHISCHES

II. Artaxerxes hatte durch Mut und Umsicht das Szepter des Ostens der alten parthischen Dynastie entwunden. Übrig blieb das weitaus schwierigere Unterfangen, das riesige persische Land mit einer einheitlichen und arbeitsfähigen Verwaltung zu versehen. Die parthischen Arsakiden hatten mit mattem Desinteresse ihren Brüdern und Söhnen die wichtigsten Provinzen und höchsten Ämter ihres Reiches wie eine Art Erbbesitz abgetreten. Die vitaxae oder achtzehn mächtigsten Satrapen durften den Königstitel führen, und des Monarchen hohles Selbstbewusstsein war mit der nominellen Oberherrschaft über so viele Königsvasallen zufrieden gestellt. Doch selbst die Barbarenstämme in den Bergen und die griechischen Sie waren äußerst zahlreich; Seleucus Nicator gründete allein neununddreißig, die alle nach ihm oder einigen seiner Verwandten benannt waren. Die seleucidische Ära (unter den Christen des Orients immer noch im Gebrauch) erscheint noch im Jahre 508 (entsprechend 196 der Christlichen Ära) auf den Medaillen der griechischen Städte innerhalb des Partherreiches. Siehe Moyle, Works, Bd. 1, p. 273ff. und M. Fréret in den Mémoires de l'Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, Bd. 19. Städte im oberen Asien anerkannten nur bedingt und gehorchten nur selten irgendeiner Suprematie; und so bot das Partherreich, wenn auch unter anderem Namen, das lebendiges Bild einer Feudalherrschaft, Die modernen Perser bezeichnen diese Periode gern als die Dynastie der ›Könige der Völker‹. Plinius, Nat. Hist. 6.25. wie sie später in Europa üblich war. Der Sieger indessen, voll Tatendrang und an der Spitze einer starken und gut ausgebildeten Armee, besuchte jede persische Provinz in Person. Die Unterwerfung seiner ärgsten Feinde, das Schleifen ihrer Festungsanlagen Eutychus (Contextio, Bd. 1, p. 367, 371,375) berichtet von der Belagerung der Tigris-Insel Mesene, bei der einige Umstände an die Geschichte von Nisus und Scylla erinnern. machte seinen Namen furchtbar und ebnete der friedlichen Anerkennung seiner Oberhoheit den Weg. Für einige Stammeshäuptlinge erwies sich ihr hartnäckiger Widerstand als fatal; aber ihre Nachfolger wurden mit Milde behandelt. Agathias, 2,26. Die Herrscher von Segestan verteidigten ihre Unabhängigkeit über viele Jahre. Da romanhafte Geschichten im Allgemeinen Ereignisse aus der Gegenwart in die Vergangenheit transportieren, ist nicht auszuschließen, dass die Sage von Ruskan, dem Prinzen von Segestan, dieser wahren Begebenheit aufgestülpt worden ist. Eine bereitwillige Unterwerfung wurde mit Ehrenstellungen und Reichtümern belohnt; aber der staatskluge Artaxerxes, der nicht leiden mochte, das neben ihm irgendjemand den Königstitel trug, schaffte jede vermittelnde Stellung zwischen dem Thron und seinem Volke ab. Sein Königreich, dessen Größe etwa dem modernen Persien gleichkam, war von allen Seiten vom Meer oder großen Strömen umgeben: vom Euphrat, Tigris, Araxes, Oxus und Indus; durch das Kaspische Meer und den Persergolf. Die Küste von Gedrosia oder Makran (am Indischen Ozean von Kap Jask, Vorgebirge Capella) bis Kap Goadel kann dem Persischen Reich wohl nicht zugezählt werden. Zur Zeit Alexanders und vermutlich noch lange Zeit danach war es nur durch ein wildes Volk von Ichtyophagen [Fischessern] bewohnt, die durchaus keinen Herren über sich anerkannten und die durch lebensfeindliche Wüsten von aller Welt abgetrennt waren (s. Arrian, Indika 26). Im zwölften Jahrhundert war die Kleinstadt Taiz (Herr d'Anville mutmaßt in ihr die Stadt Tesa des Ptolemäus) bewohnt und durch Arabische Kaufleute wohlhabend (s. Geographia nubensis, S.58 und d'Anville, Geographie ancienne, Bd. 2, p.283). In den letzten Jahrhunderten wurde das ganze Land unter drei Herrschern aufgeteilt, einem Mohammedaner und zwei Götzenverehrern, welche jeweils ihre Unabhängigkeit bewahrten. (Tavernier, Six Voyages, Teil 1, Buch 5, p. 635). Im letzten Jahrhundert, so wurde berechnet, gab es in dem Land fünfhundertvierundfünfzig Städte, sechstausend Dörfer und etwa vierzig Millionen Einwohner. Chardin, Voyages en Perse, Bd. 3, Kap. 1-3. Vergleichen wir die Verwaltung des Sassan mit der des Sedi, den politischen Einfluss der Religion der Magier mit der Mohammeds, so werden wir folgern können, dass das Königreich des Artaxerxes sehr viele Städte, Dörfer und Einwohner gehabt haben muss. Ebenso muss aber zugegeben werden, dass der Mangel an Hafenplätzen und der Mangel an Frischwasser im Binnenland sich zu allen Zeiten nachteilig auf Handel und Landwirtschaft Persiens ausgewirkt haben; während sie bei der Berechnung ihrer Einwohnerzahl sich des niedersten, wenn auch beliebtesten Kunstgriffs im Dienste nationaler Eitelkeit und Propaganda bedient haben.

 

SELEUKIA UND KTESIPHON RÖMERKRIEGE

Sobald Artaxerxes' ambitionierter Sinn über den Widerstand seiner Vasallen obsiegt hatte, begann er den Nachbarstaaten furchtbar zu werden, die ihrerseits während des langen Schlummers seiner Vorgänger Persien ungestraft geärgert hatten. Über die wilden Skythen und die verweichlichten Inder gelangen ihm einige leichte Siege; die Römer indessen verlangten infolge ihrer früheren Schmach und ihrer gegenwärtigen Machtposition seinen Waffen die äußerste Anstrengung ab. Auf die Siege Trajans folgte eine vierzigjährige Friedenszeit, die das Ergebnis von Mut und Maß war. In der Zeit zwischen Mark Aurels Thronbesteigung und der Herrschaft von Alexander Severus waren Römer und Parther zweimal in Kriege verwickelt gewesen; und obgleich die versammelte Macht der Arsaciden es immer nur mit einem geringen Teil der Römischen Macht zu tun hatte, gingen letztere fast immer mit Vorteil aus den Auseinandersetzungen hervor. Macrinus jedoch, veranlasst durch seine heikle Stellung und sein bängliches Gemüt, erfeilschte einen Frieden zum Preise von zwei Millionen unserer Währung. Cassius Dio, 28,p. 1335. Die Generäle des Mark Aurel, der Kaiser Severus und sein Sohn errichteten in Armenien, Mesopotamien und Assyrien mancherlei Siegeszeichen. Die Schilderung ihrer Taten, die ohnehin unvollständig bleiben muss und die die wichtigeren Berichte von den heimischen Aufständen in unpassender Weise stören würde, soll beschränkt bleiben auf die wiederholten Katastrophen der beiden Großstädte Seleukia und Ktesiphon.

Seleukia, am Westufer des Tigris etwa fünfundvierzig Meilen nördlich des alten Babylon gelegen, war die Hauptstadt der makedonischen Eroberungen in Oberasien. Zur exakten Lage der – oft miteinander verwechselten – Städte Babylon, Seleukia, Ktesiphon, Modein Bagdad siehe die vorzügliche geographische Abhandlung von Herrn d'Anville in den Mémoires de l'Académie des Inscriptions, Bd. 30. Noch viele Jahre nach dem Untergang dieses Reiches hatte Seleukia die naturgegebenen Charakterzüge einer griechischen Kolonie beibehalten – Künste, militärische Stärke und Freiheitsliebe. Die Regierung dieser unabhängigen Republik bestand aus einem Senat von dreihundert Adligen; das Volk bemaß sich auf sechshunderttausend Einwohner; die Stadtmauern waren wohlbefestigt, und solange Eintracht in den verschiedenen Ständen obwaltete, konnte man mit Verachtung auf die Stärke der Parther herabblicken; aber zuweilen fühlte sich die Blindwütigkeit von Faktionen bestimmt, die bedenkliche Hilfe des gemeinsamen Feindes zu erbitten, der dann fast vor den Toren der Stadt festsetzte. Tacitus, Annalen 6,42 und Plinius, Naturalis Historia 6,26. Die Könige der Parther gefielen sich – vergleichbar hierin den Moguln von Hindustan – in dem Nomadenleben ihrer skythischen Vorfahren; und so wurde das königliche Lager immer mal wieder auf der Ebene von Ktesiphon am Ostufer des Tigris aufgeschlagen, nicht mehr als drei Meilen von Seleukia entfernt. Dies kann man aus Strabo, 16,p.743 schließen. In ungemessener Zahl fanden sich die ein, die immer im Gefolge des Luxus und der unbeschränkten Macht sich einfinden, und das kleine Dorf Ktesiphon ward zu einer großen Stadt. Jener wissbegierige Reisende Bernier (s. Histoire générale des voyages, Bd. 10), welcher dem Feldlager des Aurungzebe von Delhi nach Kaschmir folgte, beschreibt mit Genauigkeit diese gigantische wandernde Stadt. Die Wache zu Pferde bestand aus 35.000 Mann, die Infanterie aus 10.000. Man hat geschätzt, dass im Lager 150.000 Pferde, Maultiere und Elefanten waren, ferner 50.000 Kamele, 50.000 Ochsen und 3 – 400.000 Menschen. Fast das ganze Delhi folgte dem Hof, dessen Prachtentfaltung ihrem Gewerbefleiß günstig war. Unter der Herrschaft des Mark Aurel drangen die römischen Generäle bis nach Ktesiphon und Seleukia vor. Von den griechischen Kolonisten wurden sie als Freunde empfangen; als Feinde griffen sie den Sitz der Partherkönige an. Indessen widerfuhr beiden Städten gleiche Behandlung. Die Plünderung und Verbrennung von Seleukia verdunkelte, zusammen mit dem Massenmord an dreihunderttausend Einwohnern, den römischen Sieg. Quadratus versucht die Römer zu rehabilitieren durch die Behauptung, dass Seleukias Bürger zuerst die Feindseligkeiten eröffnet hätten. Seleukia, das durch die Nähe einer zu mächtigen Nebenbuhlerin bereits entkräftet war, hat sich niemals wieder erholt; aber Ktesiphon war nach dreiunddreißig Jahren wieder soweit zu Kräften gekommen, dass es eine ausführliche Belagerung durch Kaiser Severus aushalten konnte. Die Stadt wurde zwar im Sturm genommen; der König, der an der Verteidigung in Person teilgenommen hatte, floh Hals über Kopf; einhunderttausend Gefangene und üppige Beute wurden den römischen Soldaten für ihre Mühen zur Belohnung Cassius Dio 75, p. 1178; Herodian 3,9; Historia Augusta, Severus 16. Aber trotz dieser Katastrophen blieb Ktesiphon nach Babylon und Seleukia eine der großen Hauptstädte des Orients. Im Sommer genoss der König der Perser zu Ekbatana die erfrischenden Lüfte von Mediens Bergen, und im Winter bestimmte ihn das milde Klima, in Ktesiphon seine Residenz zu nehmen.

 

EROBERUNG VON OSRHOENE DURCH DIE RÖMER

Aus diesen militärisch erfolgreichen Expeditionen zogen die Römer keinen wirklichen oder dauerhaften Gewinn; sie versuchten eigentlich auch gar nicht, diese entlegenen Eroberungen abzusichern, die von den anderen Provinzen des Reiches durch einen breiten Wüstengürtel geschieden waren. Die Unterwerfung des Königreiches Osrhoene war noch unbedeutender, brachte aber einen handfesten strategischen Vorteil mit sich. Dieser Kleinstaat zwischen Euphrat und Tigris besaß den nördlichsten und fruchtbarsten Teil von Mesopotamien. Seine Hauptstadt Edessa lag etwa zwanzig Meilen jenseits des erstgenannten Flusses, und seine Einwohner waren seit der Ära Alexanders des Großen eine Mischrasse aus Griechen, Arabern, Syrern und Armeniern. Die Einwohner Antiochias, die sich kultiviert nannten, bezeichneten die von Edessa als Halbbarbaren. Es zeichnete sie jedoch aus, dass von den drei syrischen Dialekten der reinste (das Aramäische) in Edessa gesprochen wurde. Diese Anmerkung hat Herr Bayer (Historia Osrhoena et Edessana, p. 5) von Georgios v. Malatia, einem syrischen Autoren übernommen. Die ohnmächtigen Herrscher von Osrhoene, die sich beständig durch die unmittelbare Nachbarschaft zu zwei Weltmächten bedroht fühlen musten, waren der Sache der Parther aus Herzensneigung zugetan; aber Roms drückende Übermacht zwang ihnen eine widerwillige Huldigung ab, was noch heute an ihren Medaillen abzulesen ist. Nach Abschluss des Partherkrieges unter Marc Aurel hielt man weislich dafür, sich ihrer schwankenden Treue durch handgreifliche Maßnahmen zu versichern. An verschiedenen Stellen des Landes wurden Festen erbaut, und in die starke Stadt Nisibis legte man eine römische Garnison. In den Zeiten der Unruhen, die dem Tode des Commodus folgten, versuchten die Herrscher von Osrhoene durchaus, das römische Joch abzuwerfen; aber Severus' Politik des Durchgreifens brachte sie in neuerliche Abhängigkeit, und die Tücke des Caracalla vollendete diese leichte Eroberung. Cassius Dio 75, p. 1248f. Bayer hat es unterlassen, diese sehr wichtige Stelle auszuschöpfen. Der letzte Herrscher von Edessa, Abgarus, wurde in Ketten nach Rom gebracht und sein Land zu einer Provinz ernannt; seine Hauptstadt erhielt den Status einer Kolonie; und so erwarben sich die Römer zehn Jahre vor dem Untergang des Partherreiches einen festen und dauernden Vorposten jenseits des Euphrat. Dieses Königreich hatte eine Lebensdauer seit seiner Begründung durch Osrhoes, der ihm auch seinen Namen verlieh, bis zu seinem letzten Herrscher Abgarus von insgesamt 353 Jahre. Siehe das kundige Werk von Bayer, Historia Osrhoena.

 

PERSISCH-RÖMISCHER KRIEG

Mit Staatsklugheit und allenfalls Ruhmsucht hätte man den anschließenden Krieg des Artaxerxes rechtfertigen können, hätte er sich denn mit der Verteidigung oder Glättung einer Grenzlinie begnügt. Indessen verkündete der Perserkönig in aller Öffentlichkeit weitaus ehrgeizigere und ausgreifendere Eroberungsabsichten; auch meinte er, dass seinen hochfliegenden Plänen die Waffen der Vernunft ebenso zur Seite ständen wie die Waffen seiner Armee. Kyros, so seine Argumentation, habe als erster Asien in seiner Gesamtheit von der Propontis bis zur Ägeis unterworfen, und dessen Thronnachfolger hätten diesen Besitz für lange Zeit innegehabt; Karien und Ionien seien unter ihrer Herrschaft von persischen Satrapen verwaltet worden, und ebenso hätte sich Ägypten bis zur äthiopischen Grenze ihrer Herrschaft gebeugt. Xenophon entwirft in der Einleitung zu seiner Kyropädia ein klares und großangelegtes Bild vom Umfang des Kyros-Reiches. Herodot verliert sich in eine detailfreudige Beschreibung der zwanzig großen Satrapien, in die Darios Hystaspis das Perserreich unterteilt hatte. Infolge eines lange zurückliegenden Raubkrieges seien ihre Rechte ausgesetzt, aber keineswegs aufgehoben worden; und da er nun das Diadem Persiens trage – seine Geburt und sein siegreicher Mut hätten ihm dazu verholfen – bestände die erste große Pflicht, zu der ihn diese Stellung berufe, darin, die alten Grenzen und den alten Glanz der Monarchie wiederherzustellen. Der Großkönig wies deshalb alle Römer an (dies war tatsächlich der hochfahrende Ton seiner Botschaft an Kaiser Alexander Severus), ohne Verzug alle Provinzen seiner Vorfahren zu räumen und, nachdem sie den Persern Asien zurückgegeben hätten, sich selbst mit dem behaglichen Besitze Europas zufriedenzugeben, welche Habschaft ihnen auch niemand streitig machen wolle. Vierhundert der kräftigsten und schönsten Perser überbrachten diese übermütige Botschaft; auf ihren prächtigen Pferden, mit ihren glänzenden Waffen und ihrem reichhaltigen Schmuck vermittelten sie einen Eindruck vom Selbstvertrauen und von der Macht ihres Herren. Herodian, 6,2 und 4. Allerdings war diese Botschaft, derart vorgebracht, nicht so sehr ein Verhandlungsangebot als vielmehr eine Kriegserklärung. Beide, Ardaschir und Alexander Severus, sammelten die Armeen ihrer Reiche und entschlossen sich, in diesem hochwichtigen Kriege ihre Truppenmacht persönlich anzuführen.

Wenn wir dem glauben dürfen, was uns von allen Aufzeichnungen noch die glaubwürdigste zu sein scheint, (es ist dies eine erhaltene Rede, die der Kaiser persönlich an den Senat abgefasst hat), so müssen die Siege des Alexander Severus nicht weniger bedeutend gewesen sein wie irgendeiner von denen, die der Sohn Philipps weiland über die Perser errungen hatte. In der Armee des Großkönigs befanden sich demnach einhundertundzwanzigtausend Pferde mit vollständiger Eisenpanzerung; siebenhundert Elefanten, auf deren Rücken Türme mit Bogenschützen waren; schließlich achtzehnhundert Sichelwagen. Diese fürchterliche Macht, die in der Geschichte des Ostens nicht ihresgleichen findet und kaum in den Dichtungen des Orients ausgemalt wurde, Im Heer des Darius befanden sich in der Schlacht bei Arbela 200 Sichelwagen. In der riesigen Armee des Tigranes, welche von Lucullus besiegt wurde, gab es insgesamt nur 17.000 gepanzerte Pferde; Antiochus brachte 54 Kriegselefanten gegen die Römer ins Feld; infolge seiner zahlreichen Kriege und Friedensverhandlungen mit dem Herrschern Indiens hatte er einmal sogar auf 150 von diesen großen Tieren gebracht. Aber es bleibt dennoch fraglich, ob der König von Hindustan tatsächlich in einer Schlachtlinie 700 Elefanten aufgestellt hat. Anstelle der 3- oder 4.000 Kriegselefanten, die der Großmogul besessen haben soll, standen ihm nur, wie Tavernier durch eine genaue Untersuchung festgestellt hat (Six voyages, Teil 2, Buch 1, p.198), lediglich 500 zu Transport- und nur etwa 80 bis 90 zu Kriegszwecken zur Verfügung. Die Griechen haben die Anzahl, die Porus gegen sie ins Feld führte, nach bewährtem Brauch übertrieben; aber Quintus Curtius Rufus, der zumindest in diesem Punkte zuverlässig und maßvoll bleibt, gibt sich mit 84 Elefanten zufrieden, welche sich alle durch Stärke und Größe auszeichneten. In Siam, wo diese Geschöpfe besonders häufig und besonders geschätzt sind, hält man 18 Elefanten für jede der neun Brigaden für ausreichend, welche dann eine reguläre Armee bilden. Die Gesamtzahl von 162 Kriegselefanten kann zuweilen sogar noch verdoppelt werden. Histoire générale des voyages, Bd. 9, p. 260. besiegte der römische Alexander in einer großen Schlacht, in welcher er sich als furchtloser Soldat und brillanter Feldherr erwies. Der Großkönig enteilte vor seiner Stärke; eine ungemessene Beute und die Eroberung von Mesopotamien waren die unmittelbaren Früchte dieses großen Sieges. – Das sind also die näheren Umstände einer prunkreichen und unglaubwürdigen Erzählung, welche, wie sich leicht erweisen lässt, die Eitelkeit eines römischen Kaisers vorgegeben hat, welche die schamlose Schmeichelei seiner Schranzen ausgeschmückt hat und welche ein serviler Senat im fernen Rom widerspruchslos akzeptiert hat. Historia Augusta, Alexander 55. Weit davon entfernt zu glauben, dass die Waffen Alexanders irgendeinen nennenswerten Erfolg über die Perser errungen hätten, argwöhnen wir vielmehr, dass dieses ganze Ruhmesgeglitzer nur erfunden wurde, um einige sehr reale Schlappen zu überblenden.

Unser Verdacht wird durch die Autorität eines zeitgenössischen Historikers genährt, welcher Alexanders Tugenden mit Respekt und seine Fehler ohne Beschönigung schildert. Er beschreibt einen umsichtigen Feldzugsplan, welcher vor den eigentlichen Krieghandlungen entworfen worden war. Drei römische Armeen sollten in Persien zu gleicher Zeit, aber auf getrennten Wegen einfallen. Aber die einzelnen Vorgaben dieses Feldzuges, obschon klug ersonnen, wurden weder mit dem erforderlichen Geschick noch überhaupt mit Erfolg ausgeführt. Sobald nämlich die erste dieser drei Armeen in die Marschenlande des Euphrat eingefallen und in Richtung des Zusammenflusses von Euphrat und Tigris abmarschiert war, Schon Herr de Tillemont hat die recht konfusen geographischen Vorstellungen Herodians bemerkt. wurde sie von der überlegenen Zahl des Feindes eingekreist und durch seine Bogenschützen vernichtet. Das zweite römische Armeekorps fand den Weg nach Medien geöffnet dank der Hilfe von Chosroes, des Königs von Armenien, Moses von Chorene (Historia Armeniaca Buch 2, c. 71) schildert diese Invasion nach Medien, und versichert, dass Chosroes, König der Armenier, Artaxerxes besiegt und ihm bis an die Grenzen Indiens nachgestellt habe. Die Kriegstaten Chosroes sind übertrieben dargestellt, aber schließlich handelte er als abhängiger Bundesgenosse der Römer. sowie der langen Gebirgszüge des Landes, in denen die persische Kavallerie wenig ausrichten konnte. Diese wackeren römischen Truppen plünderten zunächst einmal die anliegenden Provinzen und festigten durch einige erfolgreiche Aktionen gegen Artaxerxes des Kaisers Selbstüberschätzung. Aber der Rückzug dieser siegreichen Armee war ohne Bedacht angelegt und verlief unglücklich. Auf dem Rückmarsch durch die Berge kosteten die schlechten Zustände der Pässe und der strenge Winter vielen Soldaten das Leben.

Der weitere Plan hatte vorgesehen, dass, während diese beiden starken Abteilungen von verschiedenen Seiten in Persien einfielen, die eigentliche Hauptmacht unter dem Kommando von Alexander selbst durch einen Angriff auf das Zentrum des Reiches die Offensive der beiden anderen Korps unterstützen sollte. Aber seine unerfahrene Jugend, die zusätzlich noch von der Mutter bevormundet wurde und möglicherweise auch seine persönlichen Ängste ließen die unverzagtesten Truppen mutlos werden und die schönsten Siegesaussichten zuschanden gehen; und nachdem er einen ergebnislosen Sommer in Mesopotamien verschenkt hatte, kehrte er nach Antiochia mit einer Armee zurück, welche durch Krankheiten gelichtet und durch Enttäuschungen verstimmt war.

Artaxerxes hatte sich währenddessen erheblich anders aufgeführt. In Eilmärschen von den Bergen Mediens in die Flussmarschen des Euphrat gestürmt, hatte er sich dem Vordringen des Feindes überall persönlich in den Weg gestellt; und in ihm hatte das Schicksal eine starke Führernatur mit beherztem Unternehmungsgeist vereinigt. Allerdings hatte der persische König in mehreren harten Gefechten gegen die römischen Veteranen die Blüte seiner Truppen eingebüßt. So hatten ihn selbst seine Siege am Ende geschwächt. Die günstigen Gelegenheiten, die sich ihm während der Abwesenheit Alexanders boten sowie die Unruhen nach des Kaisers Tod ließ sein Ehrgeiz ungenutzt. Anstelle die Römer aus Asien zu vertreiben, was ja seine erklärte Absicht gewesen war, sah er sich schließlich sogar außerstande, ihnen auch nur die kleine Provinz Mesopotamien zu entreißen. Zu Einzelheiten dieses Krieges vgl. Herodian 6,5. Die alten Abbreviatoren und die modernen Kompilatoren haben sich hier blindgläubig der Historia Augusta angeschlossen.

 

CHARAKTER UND REGIERUNGSGRUNDSÄTZE DES ARTAXERXES

Artaxerxes' Herrschaft, die, gerechnet von dem endgültigen Sieg über die Parther, lediglich vierzehn Jahre gedauert hatte, stellt für die Geschichte des Orients und sogar Roms eine bedeutende Epoche dar. Sein Charakter scheint jene kühnen und zupackenden Attribute besessen zu haben, die den Herrscher, welcher sein Reich erobert, in der Regel von dem Herrscher unterscheidet, welcher es lediglich erbt. Der von ihm erlassene Rechtscodex war bis in die letzten Jahre der persischen Monarchie die Grundlage aller bürgerlichen und Religionspolitik. Eutychius, Contextio, Bd. 2, p. 180. Der große Chosroes I. Noushirwan ließ den Codex des Ardaschir allen seinen Satrapen zukommen; er war die unverrückbare Grundlage ihrer Amtsführung. Einige seiner Äußerungen sind auf uns gekommen, und eine von ihnen offenbart eine tiefe Einsicht in die Verfasstheit von Monarchien. ›Die Autorität eines Herrschers‹, so Artaxerxes, ›muss durch das Militär verteidigt werden; jene Gewalt kann wiederum nur durch Steuern aufrechterhalten werden; alle Steuern fallen am Ende auf die Landwirtschaft; und Landwirtschaft kann nur unter dem Schutz des Rechts und der Milde gedeihen.‹ D'Herbelot in der Bibliothéque Orientale unter ›Ardshir‹. Wir wollen hier anmerken, dass nach der antiken Periode des Märchenerzählens und nach langen Jahrhunderten des Stillschweigens die modernen persischen Geschichtsdarstellungen sich der Dynastie der Sassaniden mit dem Anspruch auf Wahrheit anzunehmen beginnen. Artaxerxes übergab sein Reich und seine ehrgeizigen Pläne, Rom betreffend, seinem Sohn Sapor, welcher sich seines großen Vaters würdig erzeigte. Indessen waren jene Pläne für die Macht Persiens zu weitgreifend und dienten am Ende nur dazu, dass beide Völker in langandauernden Zermürbungskriegen sich gegenseitig Übles zufügten.

 

DIE PERSISCHE INFANTERIE UND KAVALLERIE

Die Perser, die schon lange zivilisiert und mithin korrumpiert waren, hatten sich weit von der kriegerischen Ungebundenheit und kühnen Härte entfernt, welche die Barbaren des Nordens zu den Herren der Welt gemacht hatten. Die eigentlichen Kriegskünste stellen die Basis der eher vernunftgegründeten griechischen und römischen Macht dar, so wie dies auch in Europas Monarchien der Fall ist: Im Orient haben sie nie nennenswerte Fortschritte gemacht. Jene präzisen Stellungswechsel waren den Persern völlig fremd, die eine verworrene Masse neu ordnet und sie Mut fassen lässt. Ebenso wenig verstanden sie sich auf die Kunst, Festungen zu erbauen, zu verteidigen oder zu belagern. Sie vertrauten viel eher auf ihre Masse als auf ihren Mannesmut; mehr auf ihren Mut als auf ihre Disziplin. Ihr Fußvolk war ein nur halbbewaffneter Haufen gleichgültiger Bauern, die lediglich die Aussicht auf Plünderung einte und die sich nach einem Sieg ebenso leicht wieder zerstreuten wie nach einer Niederlage. Der Großkönig und seine Edlen nahmen ihre üppigen Serails mit ins Lager. Die militärischen Operationen gestalteten sich durch einen nutzlosen Tross von Weibern, Eunuchen, Pferden und Kamelen unübersichtlich, und mitten in einem erfolgreichen Feldzug wurden die persischen Heeresmassen immer mal wieder durch eine plötzliche Hungersnot dezimiert. Herodian, 6,5; Ammianus Marcellinus 23,6. Es mögen zwischen den beiden Historikern Abweichungen festzustellen sein: eine naturgegebene Folge der Veränderungen im Laufe von anderthalb Jahrhunderten.

Dennoch bewahrten sich Persiens Edle, wenn sie auch in Luxus und Despotismus versunken waren, einen ausgeprägten Sinn für persönliche Tapferkeit und die Ehre ihrer Nation. Mit dem Beginn des siebenten Lebensjahres lernten sie die Wahrheit zu sagen, mit dem Bogen zu schießen und zu reiten; und es bestand durchaus Konsens, dass sie – zumindest in den beiden zuletzt genannten Künsten – Die Perser gelten auch heute noch als die gewandtesten Reiter und ihre Pferde als die besten des Orients. überdurchschnittliche Fertigkeiten besaßen. Die Jugend, wenn sie sich denn irgend auszeichnete, wurde unter den Augen des Großkönigs erzogen, übte im Palasthof und wurden auf langen und beschwerlichen Jagdexpeditionen in Mäßigung und Gehorsam eingeübt. In allen Provinzen hielt der Satrap auf gleiche Weise Schule des Militärs. Der persische Adel (so naturgegeben ist die Idee von Lehensbesitzungen) erhielt aus der Hand seines Königs Land und Haus für seine Dienste im Felde. Auf das erste Signal hin standen sie bereit, ihr Pferd zu besteigen und mit einem kriegstüchtigen und wohlausgerüsteten Anhang sich den zahllosen Gardetruppen anzuschließen, welche aus den kräftigsten Sklaven und verwegensten Draufgängern Asiens rekrutiert worden waren. Diese Armee aus leichter und schwerer Kavallerie, durch ihre unwiderstehlichen Attacken und ihre blitzschnellen Manöver gleich furchtbar, bedrohten wie eine heraufziehende Gewitterwolke die östlichen Provinzen des untergehenden Römischen Reiches. Von Herodot, Xenophon, Herodian, Ammianus habe ich solche ›wahrscheinlichen‹ Nachrichten über den persischen Adel übernommen, welche entweder auf alle Geschichtsepochen passen oder speziell zu der der Sassaniden.


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