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VI

SEVERUS' ENDE · CARACALLAS TYRANNEI · MACRINUS' THRONRAUB · ELAGABALS TORHEITEN · ALEXANDER SEVERUS' HERRSCHERTUGENDEN · DIE DREISTIGKEIT DER ARMEE · ZUSTAND DER FINANZEN · STEUERN UND TRIBUTE

 

SEVERUS' LETZTE JAHRE JULIA FEINDSCHAFT SEINER SÖHNE

Wie steil und gefahrenvoll der Aufstieg zu Ruhm und Größe auch sein mag: für einen unternehmenden Geist kann er erkenntnisreich sein, da ihm so das Bewusstsein und die Bewährung seiner eigenen Stärke ermöglicht wird; der Besitz eines sicheren Herrscherthrones hingegen hat einem ehrgeizigen Gemüt noch niemals längerdauerndes Vergnügen gewährt. Auch Severus bekam diese triste Wahrheit zu kosten, und er musste sie anerkennen. Zufall und Verdienst hatten ihn aus einfachen Anfängen auf den ersten Platz der Menschheit geführt. Er war ›alles gewesen, und alles hatte‹ nach seinen eigenen Worten ›nur geringen Wert‹ Historia Augusta, Severus, 18. ›Omnis fui et nihil expedit.‹ [Alles bin ich gewesen und nichts ist mit gut ausgeschlagen]. Beschäftigt mit dem Problem, ein großes Reich nicht zu gewinnen, sondern zu erhalten, durch Alter und Gebrechen niedergedrückt, gegen Ruhm gleichgültig und der Macht überdrüssig, konnte er dem Leben keine Perspektiven mehr abgewinnen. Das einzige bleibende Ziel seiner Ambition und väterlichen Fürsorge war es, der Macht seines Hauses Dauer und Glanz zu verleihen.

 

SEVERUS' GATTIN IULIA

Wie die meisten Afrikaner, so oblag auch Severus den müßigen Studien der Magie und des Wahrsagens, war wohlbewandert in der Auslegung von Träumen und Zeichen und genauestens vertraut mit der Astrologie; welche Kunst zu allen Zeiten – außer den gegenwärtigen – den Verstand der Menschen eingetrübt hatte. Während er das Lyonesische Gallien verwaltete, Cassius Dio, 76, p. 1284 war seine erste Frau gestorben. Etwa im Jahre 186. Herr de Tillemont hat eine Stelle aus Dio bedauerlicherweise missverstanden, in welcher die Kaiserin Faustina (175 gestorben) vorgestellt wird, die an der Hochzeit des Severus und der Julia ihren Anteil hatte (74, p. 1243). Dieser gelehrte Sammler hat übersehen, dass Cassius Dio kein Ereignis, sondern einen Traum des Severus erzählt; und Träume werden durch keinerlei Bedenken zeitlicher oder räumlicher Natur eingegrenzt. Histoire de Impereurs, Band 3, p. 389, Anm. 6. Bei der Wahl der zweiten suchte er nur den Bund mit einem günstigen Geschick; und sobald er herausgefunden hatte, dass in Emesa in Syrien eine junge Frau von königlichem Geblüt sei, warb er um ihre Hand und gewann sie Historia Augusta, Severus 3. Julia Domna (denn so hieß sie) verdiente alles, was die Sterne ihr nur versprechen konnten. Selbst im fortgeschrittenen Alter war sie eine anziehende Schönheit und vereinte eine lebhafte Phantasie mit einer Gemütsfestigkeit und einer Urteilskraft, wie man sie bei ihresgleichen nur selten findet. Ihre liebenswerten Wesenszüge machten auf das finstere und scheelsüchtige Gemüt ihres Gatten jedoch niemals einen tieferen Eindruck. Während der Herrschaft ihres Sohnes leitete sie die wichtigsten Staatsgeschäfte mit einer Klugheit, die seinem Ansehen zugute kam, und mit einer Besonnenheit, die – gelegentlich wenigstens – sogar seine wildesten Aufwallungen zu dämpfen geeignet waren. Historia Augusta, Caracalla 10. Julia befasste sich mit einigem Erfolg und bestem Renommee mit Wissenschaft und Philosophie. Sie förderte die Künste und war jedwedem Manne von Geist freundschaftlich zugetan. Cassius Dio, 77, p.1304 und 78, p. 1314. Die Schmeicheleien der danksprudelnden Gelehrten haben ihren Tugenden gehuldigt; wenn wir allerdings den Klatschhistorikern des Altertums trauen dürfen, dann war die Tugend der Keuschheit weit davon entfernt, dass man sie zu den auffälligsten Wesenszügen der Kaiserin Julia gerechnet hätte. Vgl. die Abhandlung ›De foeminis philosophis'‹ von G. Ménage im Anhang seiner Diogenes Laertios Ausgabe.

 

IHRE SÖHNE CARACALLA UND GETA

Zwei Söhne, Caracalla Bassianus war sein erster Name, vom Großvater mütterlicherseits. Während seiner Regierung nahm er die Benennung Antoninus an. Nach seinem Tode legte ihm der öffentliche Hohn die Spottnamen Tarantus und Caracalla bei. Der erste war von einem berühmten Gladiator entlehnt, der zweite von einem langen gallischen Mantel, welche er einst unter das Volk von Rom hatte verteilen lassen. und Geta, waren die Frucht dieser Ehe und die vorbestimmten Erben des Reiches. Die zärtlichen Hoffnungen des Vaters und der römischen Welt wurden von diesen selbstgefälligen Jünglingen schon bald enttäuscht, da sie nur die träge Sorglosigkeit von Erbprinzen an den Tag legten und die Gewissheit, dass bei ihnen an die Stelle von Verdienst und Anstrengung das Glück treten werde. Mit Tugenden oder Begabungen gleich wenig ausgestattet, widmete sie einander, fast noch in der Wiege, eine tiefgegründete, bittere Abneigung.

Diese Abneigung, die sich in den Jahren verschärfte und durch die Ränke ihrer jeweiligen Favoriten unterhalten wurde, manifestierte sich zunächst in kindischen und allmählich auch ernsthafteren Hahnenkämpfen; schließlich spaltete ihr Hass den Hof, den Circus und das Theater in zwei Parteien, was durch die Furcht oder die Hoffnungen der jeweiligen Anführer zusätzlich belebt wurden. Der einsichtige Herrscher machte mit allem Nachdruck seinen Rat und Einfluss geltend, um der wachsenden Animosität zu steuern. Der unglückselige Konflikt seiner Söhne gefährdete alle seine Entwürfe, gefährdete den Thron, den er mit so viel Mühsal an sich gebracht und mit soviel Blut verteidigt hatte und den er nun mit jeder Art von Gewalt und Geld bewahren wollte. Mit unparteiischer Hand stellte er zwischen ihnen ein Gleichgewicht der Gunst her, verlieh beiden den Rang eines Augustus, zusammen mit dem Beinamen des verewigten Antoninus; und so hatte Rom zum ersten Male drei Herrscher zur gleichen Zeit. Die Thronbesteigung des Caracalla legt Herr de Tillemont mit Genauigkeit in das Jahr 198, die des Geta ins Jahr 208. Aber selbst diese gleichberechtigte Führung der Amtsgeschäfte trug dazu bei, den Konflikt zu verschärfen, wobei der ungestüme Caracalla auf das Recht der Erstgeburt pochte, während sich der sanfte Geta um die Zuneigung des Volkes und der Soldaten bewarb. Dem Kummer eines enttäuschten Vaters ausgesetzt, sah Severus mit Schärfe, dass der schwächere seiner beiden Söhne ein Opfer des stärkeren sein werde; welcher seinerseits an seinen eigenen Verbrechen zugrunde gehen müsse. Aurelius Victor, Caesares 20,23.

 

DER CALEDONISCHE KRIEG A.D. 208

Unter diesen Umständen wurde die Nachricht von einem Kriege in Britannien und einer Invasion nördlicher Barbaren in die Provinzen von Severus mit pädagogischer Erleichterung aufgenommen. Wohl hätte ein Eingreifen seiner Unterführer völlig ausgereicht, diesen entlegenen Feind zurückzuschlagen; dennoch griff er entschlossen nach diesem schicklichen Vorwand, um seine Söhne aus Roms Luxusleben zu entfernen, das nur ihr Gemüt erschlaffte und ihre Leidenschaften aufreizte, und um ihre Jugend durch die Fährnisse des Krieges und Regierens zu stählen. Trotz seines fortgeschrittenen Alters (er stand bereits in den Sechzigern) und der Gicht, die ihn zwang, eine Sänfte zu benutzen, gelangte er persönlich auf diese entfernte Insel, begleitet von seinen zwei Söhnen, seinem vollständigen Hofstaat und einer gewaltigen Armee. Er zog am Hadrians- und Antoninuswall vorbei und betrat Feindesland in der Absicht, die überfällige Eroberung Britanniens zu vollenden. Er drang ohne eine einzige Feindberührung bis zum äußersten Norden der Insel. Und dennoch heißt es, dass die versteckten Hinterhalte der Caledonier, welche den Flanken und der Nachhut zusetzten, die bittere Kälte und die Härten eines Winterfeldzuges durch die Hügel und den Morast Schottlands die Römer über fünfzigtausend Mann gekostet hätten. Schließlich ergaben sich die Caledonier doch den machtvollen und ununterbrochenen Angriffen, baten um Frieden und lieferten einen Teil ihrer Armee und ihres Territoriums aus. Indessen dauerte ihre Unterwerfung genau so lange wie die gegenwärtige römische Pression. Sobald sich die Legionen zurückgezogen hatten, nahmen sie ihre feindlichen Erhebungen wieder auf. Ihr unruhiger Geist veranlasste Severus, eine neue Armee nach Caledonien zu entsenden, diesmal mit dem Blutbefehl, die Eingeborenen nicht zu dämpfen, sondern auszumerzen. Nur der Tod ihres auffahrenden Feindes bewahrte sie davor. Herodian 3,33; die Caracalla- und Geta-Biographien in der Historia Augusta; Cassius Dio, 76, p. 1280.

 

FINGAL UND SEINE HELDEN

Dieser caledonische Krieg, der weder durch besondere Vorkommnisse noch irgendwelche wichtigen Folgen hervorragte, würde nun schwerlich unser Interesse verdienen; es besteht jedoch die Vermutung, und dies nicht ohne ein beträchtliches Maß an Wahrscheinlichkeit, dass die Invasion des Severus mit einer der wundersamsten Episoden der britischen Geschichte im Zusammenhang steht. Fingal, dessen Ruhm gemeinsam mit dem seiner Heldenschar und Barden in unserem Sprachraum durch eine jüngst herausgegangene Publikation neuerlich belebt worden ist, soll die Caledonier in jener unvergesslichen Zeit befehligt, Severus' Macht getrotzt und einen beachtlichen Sieg am Ufer des Carun errungen haben, bei welcher Gelegenheit der Sohn des Königs der Welt, Caracul, auf dem Felde seines Stolzes vor seinen Waffen floh. Ossians Poems Bd. 1, S.175. Etwas von mystischem Nebel hängt jedoch immer noch über dieser Hochland-Tradition und kann auch durch die scharfsinnigsten Untersuchungen der modernen Kritik nicht gelichtet werden; Dass der Caracul des Ossian der Caracalla der römischen Geschichte ist, ist möglicherweise der einzige Punkt britischer Altertumsforschung, in welchem die Herren MacPerson und Whitacker der gleichen Meinung sind; und doch liegt selbst dieser Fall nicht so einfach. Während des Caledonischen Krieges war der Sohn des Severus nur unter dem Namen Antoninus geläufig; und es ist doch einigermaßen befremdlich, dass ein Hochlandbarde (nämlich Ossian) ihn mit einem Spitznamen belegen sollte, der erst vier Jahre später erfunden wurde und von den Römern schwerlich benutzt wurde, solange der Kaiser noch lebte und der auch bei den meisten antiken Historikern kaum in Gebrauch war. Siehe Cassius Dio 77, p. 1317; Historia Augusta, Caracalla 9; Aurelius Victor, Epitome 21; Euseb, Chronika ad annum 214. aber vergönnen wir uns doch einmal die Vorstellung, dass Fingal mit Gewissheit gelebt und Ossian gesungen habe: der auffällige Gegensatz an Sitten und Gebräuchen der beiden kämpfenden Nationen ist geeignet, ein philosophisches Gemüt zu unterhalten. Aus diesem Vergleich würde die zivilisiertere Nation nicht mit Vorteil hervorgehen, wenn wir etwa des Severus unnachgiebige Rachegelüste der großherzigen Milde des Fingal gegenüberstellten; oder die feige und grausame Brutalität des Caracalla der Tapferkeit, der Güte, dem feinen Talent des Ossian; die beutegierigen Offiziere, die aus Angst oder Neugierde ihrem Kaiser dienten, den freigeborenen Kriegern, die zu den Waffen eilten, wenn der König von Morven rief; wenn, mit einem Wort, wir nachdächten über die unverdorbenen Caledonier, die noch von natürlichen Tugenden glühten, und die heruntergekommenen Römer, die von den niederen Lastern des Reichtums und der Sklaverei umgetrieben wurden.

 

TOD DES SEVERUS A.D. 211

Die nachlassende Gesundheit und letzte Krankheit des Severus riefen in Caracallas Seele wilden Ehrgeiz und finstere Leidenschaften auf. Verzug oder Teilung des Reiches litt er nicht und versuchte mehr als einmal, die wenigen seinem Vater noch zugemessenen Tage zu verkürzen; auch bemühte er sich, wiewohl vergeblich, eine Meuterei unter den Truppen anzuzetteln. Cassius Dio, 76, p.1282; Historia Augusta, Severus 20; Aurelius Victor. Wie oft hatte doch der alte Kaiser die übel geleitete Milde des Marcus Aurelius gerügt, der mit einem einzigen Rechtsakt Rom die Tyrannei seines unfähigen und unwürdigen Sohnes Commodus hätte ersparen können! Nun er sich in vergleichbarer Lage befand, konnte er erleben, wie leicht doch richterliche Strenge zu väterliche Milde umgeformt wird. Er riet, er drohte; strafen mochte er nicht. Und dieser letzte und einzige Gnadenakt brachte dem Reich mehr Verderben als eine lange Serie von Grausamkeiten. Cassius Dio, 76, p. 1283; Historia Augusta, Caracalla 11,3. Die Unruhe seines Herzens verschlimmerten seine körperlichen Leiden; ungeduldig wünschte er zu sterben, und diese Ungeduld verbitterte sein Sterben. In seinem fünfundsechzigstem Lebensjahr starb er in York, im achtzehnten Jahre einer ruhm- und erfolgreichen Regierung. In seinen letzten Stunden anempfahl er seinen Söhnen Eintracht, und seine Söhne selbst der Armee. Der heilsame Rat hatte niemals das Herz und vermutlich noch nicht einmal das Verständnis der beiden streitbaren Jünglinge erreicht; aber die Truppen, gehorsamer denn doch und ihres Treueeides sowie der Autorität ihres hingegangenen Meisters eingedenk, widerstanden Caracallas Betteln und riefen beide Brüder zu Kaisern von Rom aus. Die neuen Herrscher ließen die Caledonier in Ruhe, kehrten zur Hauptstadt zurück, begingen ihres Vaters Leichenfeier zugleich mit seiner Vergöttlichung und wurden von Senat, Volk und Provinzen bereitwillig als die rechtmäßigen Herrscher anerkannt. Dem älteren Bruder scheinen einige Vorrechte der Rangordnung zugestanden zu haben, aber beide verwalteten das Reich gleichberechtigt und unabhängig voneinander. Cassius Dio, 76, p. 1284; Herodian 3,15.

 

EIFERSUCHT UND HASS DER BEIDEN HERRSCHER

Eine solche Teilung der Regierungsgewalt hätte auch zwei Brüdern, die einander von Herzen zugetan waren, eine Quelle der Zwietracht werden müssen. Unmöglich konnte sie auf Dauer zwischen diesen zwei unversöhnlichen Feinden bestehen bleiben, da sie eine Aussöhnung weder wünschten noch auf sie vertrauen konnten. Es lag am Tage, dass nur einer regieren konnte und der andere untergehen musste; und da beide von ihren eigenen Entwürfen auf die ihres Gegners schlossen, schützten sie sich vor wiederholten Angriffen mit Gift, Schwert und der argwöhnischsten Wachsamkeit. Ihr Eilmarsch durch Gallien und Italien, bei welchem sie niemals von derselben Tafel speisten oder in demselben Hause schliefen, bot den Provinzen ein abstoßendes Bild brüderlicher Feindschaft. Nach ihrer Ankunft zu Rom halbierten sie unverzüglich das riesige Grundstück des Kaiserpalastes Herr Hume ist zu Recht verwundert über einen Abschnitt bei Herodian (4,1), welcher den Umfang der Palastanlagen gleichsetzt mit der zweiten Hälfte Roms. Das gesamte Gebiet des Palatin, auf dem er errichtet war, hatte einen Umfang von elf- bis zwölftausend Fuß. Wir sollten uns indessen daran erinnern, dass wohlhabende Senatoren mit ihren großangelegten Gärten und Vorstadtpalästen die Stadt nahezu eingekreist hatten und dass im Laufe der Zeit der größte Teil dieser Anlagen von den Kaisern konfisziert worden war. Wenn also Geta in den Parks auf dem Janiculum residierte, die auch seinen Namen tragen und Caracalla in den Gärten des Mäcenas auf dem Esquilin, so waren die feindlichen Brüder durch eine Distanz von einigen Meilen getrennt; und auch in dem dazwischen liegenden Sektor befanden sich die kaiserlichen Gärten des Sallust, Lucullus, Agrippa, Domitian, Caius u.a., die alle die Stadt umgaben und alle miteinander und mit dem Palast durch Tiberbrücken und Straßen in Verbindung standen. Aber diese Erläuterung zu Herodian würde eine besondere, mit einem Plan des antiken Rom illustrierte Abhandlung erforderlich machen, die sich kaum lohnen dürfte. (David Hume, Essay on Populousness of ancient nations.). Zwischen den beiden Hälften war jedweder Austausch untersagt; Türe und Wege wurden sorgsam versperrt, und Wachen zogen auf und wurden abgelöst mit einer Präzision, wie sie sonst nur bei Belagerungen üblich ist. Die Kaiser trafen sich ausschließlich in der Öffentlichkeit in Gegenwart ihrer kummervollen Mutter, beide von starkbewaffneten Anhängern umgeben. Selbst bei solchen Gelegenheiten offizieller Zeremonie konnte die Heuchelei des Hofes die herzliche Abneigung der beiden nur sehr bedingt verbergen. Herodian, 4,1.

 

VERGEBLICHE UNTERHANDLUNG ÜBER DIE TEILUNG DES REICHES

Dieser latente Bürgerkrieg paralysierte mittlerweile die gesamte Regierungsarbeit, bis dann ein Plan ausgearbeitet wurde, der dem jeweiligen Interesse der feindlichen Brüder entgegenkam. Da es nun einmal unmöglich sei, ihrer beider Gemüter zu einen, sollten sie ihrer beider Interesse trennen und, so wurde vorgeschlagen, das Reich zwischen sich aufteilen. Die Vertragsbedingungen waren bereits im Detail niedergelegt. Man kam überein, dass Caracalla als der Ältere Europa und das westliche Afrika behalten und die Herrschaft über Asien und Ägypten Geta überlassen solle, der seine Residenz in Alexandria oder Antiochia beziehen möge, Städten, die Rom an Größe und Wohlstand nur wenig nachstanden; dass starke Heere beiderseits des thrakischen Bosporus dauerhaft Stellung beziehen sollten, da hier die gemeinsame Grenze der rivalisierenden Monarchien verlief; und dass schließlich die Senatoren europäischer Abstammung den Herrscher Roms anerkennen sollten, während die in Asien geborenen dem Herrscher des Ostens folgen sollten. Die Tränen der Kaiserin Julia unterbrachen diese Verhandlungen, hatte doch das erste Gerücht davon jedes römische Herz mit Überraschung und Empörung erfüllt. Die zur Disposition stehende gewaltige Ländermasse war durch Politik und Zeitläufte so innig miteinander verwachsen, dass es äußerster Gewaltanstrengungen bedurft hätte, sie auseinander zu reißen. Die Römer mochten zu Recht fürchten, dass die beiden Hälften bald wieder infolge eines Bürgerkrieges unter die Herrschaft eines einzigen gezwungen würden; oder, sollte die Trennung dauerhaft bleiben, dies zur Auflösung eines Reiches führen müsse, dessen Einheit bis dato für unantastbar galt. Herodian, 4,4.

 

GETAS ERMORDUNG A.D. 212

Wäre der Vertrag umgesetzt worden, so wäre der Herrscher Europas bald wohl auch zum Eroberer Asiens geworden; indessen schwebte Caracalla ein leichterer, wenn auch schuldbeladenerer Sieg vor. Er hörte sich seiner Mutter dringliches Flehen mit berechneter Verstellung an und willigte darein, sich mit dem Bruder in ihrem Palast zu treffen, um des Friedens und der Versöhnung willen. Mitten in der Unterredung fielen einige Centurionen, die es vorzogen unerkannt zu bleiben, mit gezücktem Schwert über den unglückseligen Geta her. Seine entsetzte Mutter wollte ihn in ihren Armen schützen; aber bei dem unvermeidlichen Getümmel wurde sie selber an der Hand verletzt und zugleich mit den Blut ihres jüngsten Sohnes befleckt, während sie mit ansehen musste, wie der ältere den Eifer der Meuchelmörder noch anstachelte und unterstützte. Caracalla weihte im Tempel des Serapis das Schwert, mit dem seinen Bruder erschlagen zu haben er sich brüstete. Cassius Dio, 77,1307. Sobald die Tat geschehen war, eilte Caracalla zu der Prätorianerkaserne, in fliehender Hast und mit Entsetzen im Gesicht und warf sich dort, als sei es seine einzige Zuflucht, vor den Statuen der Titulargottheiten Herodian, 4,4. In jedem römischen Lager gab es eine kleine Kapelle in der Nähe des Hauptquartiers, in welcher die Statuen der Titulargottheiten aufgestellt und angebetet wurden. Zu den ersten dieser Gottheiten, so sollten wir noch anmerken, gehörten die Legionsadler und andere militärische Symbole; eine vorzügliche Erfindung, da sie Disziplin mit den Drohwerkzeugen der Religion sicherstellte. S. Lipsius, De militia Romana 4, c. 5 und Buch 5, c.2. in den Staub. Die Soldaten halfen ihm auf die Beine und suchten ihn zu beruhigen. Stammelnd und in ungeordneten Sätzen gab er ihnen Zeitung von seiner unmittelbaren Lebensgefahr und wunderbaren Errettung; während er ihnen einblies, dass er den Nachstellungen seines Feindes nur zuvorgekommen sei, bekundete er zugleich seine Entschlossenheit, mit seinen treuen Truppen zu leben oder unterzugehen. Geta war der eigentliche Liebling der Truppe gewesen; Trauer indessen wäre nutzlos, Rache gefährlich gewesen, und außerdem verehrten sie in ihm immer noch den Sohn des Severus. Ihr Missvergnügen versickerte in müßigem Murren; auch überzeugte Caracalla sie schon bald von der Gerechtigkeit seiner Sache, indem er ihnen die angehäuften Schätze aus seines Vaters Regierungszeit großzügig zum Geschenk machte. Herodian 4,4; Cassius Dio, 77, 1289.

Die eigentlichen Gefühle der Soldaten waren für seine Macht oder seine Sicherheit wichtig. Sie anerkannten ihn, und dies zog auch das pflichtgemäße Bekenntnis des Senats nach sich. Diese Versammlung der Gefügigen war stets bereit, die jeweiligen Beschlüsse des Schicksals gegenzuzeichnen; und da Caracalla daran gelegen war, die ersten Ausbrüche öffentlicher Empörung zu dämpfen, wurde der Name Geta durchaus mit Ehrerbietung genannt: er erhielt die Begräbnisfeierlichkeiten eines römischen Kaisers. Geta wurde unter die Götter versetzt. Sit divus, dum non sit vivus, so sein Bruder. [Soll er göttlich sein, solange er nur nicht lebt. Historia Augusta, Geta 2,8]. Einige Spuren von Getas Vergöttlichung sind noch heute auf Medaillen zu finden. Die Nachwelt hat aus Mitleid für den Unglücklichen den Mantel des Schweigens über seine Untugenden gelegt. Wir erkennen in dem jungen Herrscher nur das unschuldige Opfer seines ehrgeizigen Bruders und vergessen dabei, dass es ihm nicht am Willen, sondern nur an der Macht fehlte, um die gleichen Rache- und Mordanschläge ausführen zu können.

 

ERMORDUNG VON GETAS FREUNDEN

Das Verbrechen indessen blieb nicht ungesühnt. Weder Arbeit noch Ablenkung oder Schmeichelei konnten Caracalla von den Nachstellungen eines schuldigen Gewissens schützen; und unter den Qualen seines gefolterten Gemütes gestand er, dass in seiner wirren Phantasie sein erboster Vater und Bruder zum Leben wiedererstanden seien, um ihm zu drohen und Vorwürfe zu machen. Cassius Dio 77, p, 1307. Im Bewusstsein seines Verbrechens hätte er versuchen können, die Menschheit mit einer untadeligen Amtsführung davon zu überzeugen, dass die Bluttat einer Schicksalsnotwendigkeit entspreche. Aber Caracallas Reue bewirkte lediglich, alles auszutilgen, was ihn auf Erden an seine Schuld erinnern oder die Erinnerung an seinen Bruder wach halten konnte. Auf dem Rückweg vom Senat zu seinem Palast betraf er seine Mutter in Begleitung einiger Matronen von Adel, die das allzufrühe Schicksal ihres jüngeren Sohnes beweinten. Der Kaiser sah es mit Neid und drohte ihnen unverzüglich den Tod an, und das Urteil wurde auch an Fadilla vollzogen, der letzten noch lebenden Tochter des Kaisers Marcus Aurelius; und selbst der betroffenen Julia wurde auferlegt, ihren Tränen zu gebieten, ihre Seufzer zu unterdrücken und den Mörder mit den Anzeichen der Freude und Zustimmung zu begrüßen. Man hat geschätzt, dass unter dem nebulösen Tatbestand ›Freund des Geta‹ etwa zwanzigtausend Personen beiderlei Geschlechtes den Tod erleiden mussten. Seine Wachen und Freigelassenen, die Helfer seiner ernsthaften Arbeit und die Begleiter seiner vergnügten Stunden, ferner alle, die durch seine Veranlassung zu einem Militär- oder Provinzkommando gekommen waren, die lange Kette der wiederum mit diesen Verbundenen wurden auf die Proskriptionsliste gesetzt; was das Bemühen einschloss, selbst derer habhaft zu werden, die die allergeringste Beziehung mit Geta gehabt hatten, die seinen Tod beklagten oder sogar nur seinen Namen Cassius Dio 77, p. 1290; Herodian 4,6. Cassius Dio (p. 2298) berichtet, dass die Komödiendichter nicht einmal in ihren Stücken Getas Namen zu erwähnen wagten, und dass das Vermögen derer, die ihn in ihrem Testament erwähnten, eingezogen wurde. erwähnten. Helvius Pertinax, Sohn des gleichnamigen Kaisers, bezahlte ein Witzwort zur Unzeit Caracalla hatte den Namen einiger eroberter Länder angenommen; Pertinax bemerkte dazu, dass der Name Geticus (er hatte ein paar Erfolge über die Goten oder Geten erzielt) mit Parthicus, Alemannicus u.a. trefflich harmonieren würde. Historia Augusta, Caracalla 8,5. mit seinem Leben. Thrasea Priscus Cassius Dio 77, p. 1291. Vermutlich stammte er von Helvidius Priscus und Thrasea Paetus ab, jenen Patrioten, deren fester, aber zur falschen Zeit bewiesener und nutzloser Mut Tacitus unsterblich gemacht hat. beging ein todeswürdiges Verbrechen, indem er aus einer Familie stammte, in welcher Freiheitsliebe zur Erbmasse zu gehören schien. Die speziellen Fälle von Verunglimpfung hatten sich allmählich erschöpft, ebenso die allgemeinen Verdächtigungen; wenn nun ein Senator beschuldigt wurde, insgeheim der Regierung feind zu sein, genügte dem Kaiser als allgemeiner Beweis, dass er wohlhabend und aufrichtig sei. Auf der Grundlage diesen ewigen Rechtsprinzipien zog er dann die blutigsten Konsequenzen.

 

ERMORDUNG DES PAPINIAN

Die Ermordung so vieler unschuldiger Bürger beklagten ihre Freunde und Familien mit heimlichen Tränen. Der Tod des Prätorianerpräfekten Papinian aber wurde als öffentlicher Unglücksfall betrauert. Während der letzten sieben Regierungsjahre des Severus hatte er die wichtigsten Staatsämter innegehabt, und den Kaiser durch seinen wohltätigen Einfluss auf die Bahnen des Rechts und der Mäßigung zurückgeführt. Auf seinem Sterbebett hatte Severus ihn in vollem Bewusstsein seiner Fähigkeiten und seines Charakters beschworen, über das Wohlergehen und die Einheit der kaiserlichen Familie Papinian selbst soll weitläufig mit der Kaiserin Julia verwandt gewesen sein. zu wachen. Papinians ehrbares Bemühen fachte nur den Hass an, den Caracalla seit jeher für den Minister seines Vaters empfunden hatte. Nach dem Mord an Geta erhielt der Präfekt die Anweisung, alle seine Verstandeskräfte und Beredsamkeit in den Dienst der Verteidigung des grauenvollen Verbrechens zu stellen. Der Philosoph Seneca hatte sich einst soweit vergessen und ein vergleichbares Schreiben an den Senat im Namen des Sohnes und Mörders der Agrippina Tacitus, Annalen 14,2 verfasst. Die grandiose Antwort Papinians Historia Augusta, Caracalla 8,5, der bei der Wahl zwischen Leben und Ehre nicht schwankte, war, ›dass es leichter sei, einen Bruder zu ermorden als solch ein Verbrechen zu rechtfertigen.‹ Diese furchtlose Tugend, die sich zwischen den Hofkabalen, den Geschäftsgepflogenheiten und allen Kunstgriffen des Gewerbes rein und unbefleckt erhalten hatte, wirft auf Papinians Andenken ein helleres Licht als alle seine großen Projekte, seine zahlreichen Schriften und sein hohes Ansehen als Anwalt, welches doch in allen Epochen der römischen Rechtsgeschichte sich bewährte. Über Papinian siehe Heiniccius, Historia iuris civilis Romani, 1, 330ff.

 

CARACALLAS UMFASSENDE DESPOTIE

Es hatte bis dahin für die Römer ein besonderer Glücksumstand oder doch wenigstens, in den schlimmsten Zeiten, ein Trost darin gelegen, dass die Herrschertugenden ihrer Kaiser dominierten und ihre Laster tatenlos waren. Augustus, Trajan, Hadrian und Marcus besuchten ihr ausgedehntes Reich in Person und ihre Rundreisen waren durch eine Spur der Weisheit und Wohltätigkeit markiert. Die Tyrannei eines Tiberius, Nero oder Domitian, die sich fast nur in Rom oder den umliegenden Ortschaften aufhielten, Tiberius und Domitian entfernten sich niemals aus dem Umkreis von Rom; Nero machte eine kurze Reise nach Griechenland. ›Et laudatorum principum usus ex aequo quamvis procul agentibus. Saevi proximis ingruunt‹. [Der Nutzen gerühmter Fürsten ergibt sich für so wie für uns, auch wenn ihr fernab lebt. Nur die Üblen fallen über die nächste Umgebung her]. Tacitus, Historia Augusta 4,74 war durch Senat und Ritterschaft kontrolliert. Aber Caracalla war ein Feind der gesamten Menschheit. Er verließ die Hauptstadt (und sollte nie wieder in sie zurückkehren) etwa ein Jahr nach Getas Ermordung. Seine restliche Herrschaft verbrachte er in den verschiedenen Provinzen des Reiches, namentlich denen des Ostens, und alle Landstriche wurden nacheinander zum Schauplatz seiner Raubzüge und Grausamkeiten. Die Senatoren, die seinen Launen aus Furcht gehorsam waren, zwang er, täglich kostspielige Schauspiele zu veranstalten, die er dann verächtlich an seine Garden zum beliebigen Gebrauch überließ; oder in jeder Stadt großartige Paläste oder Theater zu bauen, die zu besuchen er sich entweder zu schade war oder die er sofort wieder einreißen ließ. Die wohlhabendsten Familien trieb er in den Ruin durch irgendwelche Geldstrafen und Konfiskationen, während die große Masse seiner Untertanen durch neu ausgeheckte, schwere Steuern belastet wurde Cassius Dio 77, p. 1294. Mitten im Frieden, bei allernichtigstem Anlass, befahl er in Alexandria ein allgemeines Massaker. Von einem geschützten Platz im Serapistempel beobachtete und befehligte er die Abschlachtung von vielen tausend Bürgern oder Ausländern, ohne Rücksicht auf das Ausmaß ihrer Schuld, da ja, wie er den Senat kaltsinnig wissen ließ, alle Alexandriner, die erschlagenen wie die entflohenen, in gleicher Weise schuldig seien. Dio schildert es uns als ein besonders grausames Massaker, Herodian zusätzlich als ein besonders heimtückisches. Es könnte sein, dass die Alexandrianer den Tyrannen durch ihre Spötteleien und möglicherweise durch Tumult aufgebracht hatten.

 

NACHLASSEN DER DISZIPLIN

Severus' kluge Anordnungen hatten auf das Gemüt seines Sohnes niemals einen bleibenden Eindruck gemacht, da ihm, obwohl ihm Phantasie und Beredsamkeit durchaus nicht abgingen, ein Gefühl für Menschlichkeit oder Gerechtigkeit gleichermaßen abging. Cassius Dio, 77,9. Eine heikle Lebensregel, die eigentlich nur einem Tyrannen zukam, wurde von Caracalla wieder aufgegriffen und pervertiert, nämlich ›die Zuneigung der Armee sicherstellen und den Rest der Untertanen für nichts achten.‹ Cassius Dio 76, p. 1284. Herr Wotton (History of Rome, p. 330) argwöhnt, dass diese Maxime von Caracalla selbst ersonnen wurde und seinem Vater nur angedichtet worden war. Aber die Freisinnigkeit des Vaters war mit Klugheit gepaart und seine Nachsicht gegenüber der Truppe durch Bestimmtheit und Autorität gesteuert. Die unbekümmerte, hirnlose Verschwendung seines Sohnes war Politik und zugleich der unausbleibliche Ruin für beide, die Armee und das Reich. Die Körperkraft der Soldaten ließ man im Luxusleben der Städte dahinschmelzen, anstelle dass man sie durch strengen Drill gefestigt hätte. Die unmäßigen Solderhöhungen und die Schenkungen Cassius Dio 78, p.1343 lässt uns wissen, dass die jährlichen außerordentlichen Schenkungen Caracallas an die Armee sich auf 70.000.000 Drachmen beliefen (etwa 2.350.000 Pfund). Ein anderer Absatz bei Dio befasst sich ebenfalls mit der Besoldung des Militärs, der, wenn er nicht lückenhaft und verderbt, dann im höchsten Maße sonderbar wäre. Vermutlich will er besagen, dass die Prätorianer 1.250 Drachmen pro Jahr (40 Pfund) erhielten. Unter Augustus erhielten sie zwei Drachmen oder Denar am Tag oder 720 pro Jahr. Domitian, der den Sold um ein Viertel erhöhte, muss demnach den der Prätorianer auf 960 Drachmen erhöht haben. Diese beständigen Erhöhungen ruinierten das Reich, weil neben der Besoldung auch die Zahl der Soldaten erhöht wurde. Wir haben gesehen, dass allein die Mannschaftsstärke der Prätorianer von 10.000 auf 50.000 Mann erhöht wurde. belasteten die Staatskasse und bereicherten den Soldatenstand, dessen Bescheidenheit in Friedenszeiten und dessen Leistungen im Krieg sonst durch eine karge Anständigkeit sichergestellt wird. Caracallas Auftreten war hochfahrend und arrogant; wenn er aber bei der Truppe war, vergaß er sogar die seiner Stellung angemessene Würde, ermutigte sie zu distanzloser Kumpanei und entblödete sich nicht, unter Vernachlässigung der elementarsten Pflichten eines Befehlshabers Bekleidung und Gebaren des einfachen Soldaten zu imitieren.

 

ERMORDUNG CARACALLAS 217 A.D.

Es war natürlich ausgeschlossen, dass Caracallas Charakter und seine Aufführungen ihm Zuneigung oder Hochachtung erwarben; solange aber seine Untugenden der Armee vorteilhaft waren, hatte er keine Rebellion zu befürchten. Tödlich wurde ihm jedoch eine geheime Verschwörung, die der Tyrann durch seine eigene Dummheit veranlasst hatte.

Die Präfektur über die Prätorianer war unter zwei Minister aufgeteilt. Die militärischen Angelegenheiten lagen in der Hand des Adventus, eines mehr erfahrenen als befähigten Militärs. Zivile Geschäfte wurden von Opilius Macrinus durchgeführt, welcher wegen seiner glücklichen Hand in Verwaltungssachen sich im Verein mit seinem ehrenhaften Charakter zu diesem hohen Amt emporgearbeitet hatte. Aber seine Stellung war unsicher wie des Kaisers Launen, und sein Leben mochte von dem leisesten Verdacht oder den zufälligsten Umständen abhängen.

Bösartigkeit oder Fanatismus hatten einem Afrikaner, tiefvertraut mit der Kunde der Zukunftsschau, eine höchst gefährlich Einsicht offenbart, dass nämlich Macrinus und sein Sohn dazu bestimmt seien, das Reich zu regieren. Diese Prophezeiung hatte in der Provinz rasch die Runde gemacht; und als der Mann nun in Ketten nach Rom verbracht wurde, bestand er nach wie vor und auch in Gegenwart des Stadtpräfekten auf der Wahrheit seiner Erkenntnis. Dieser Beamte nun, der die dringendsten Aufforderungen erhalten hatte, sich über diesen Nachfolger des Caracalla kundig zu machen, schickte das Ergebnis seiner Befragung dieses Afrikaners unverzüglich an den kaiserlichen Hof, welcher damals gerade in Syrien residierte. Ein Freund des Macrinus fand nun trotz der Zuverlässigkeit der staatlichen Boten Mittel, ihn von der drohenden Gefahr in Kenntnis zu setzen. Der Kaiser erhielt die Briefe aus Rom; da er aber gerade mit der Durchführung eines Wagenrennens beschäftigt war, leitete er sie ungeöffnet an den Prätorianerpräfekten weiter mit der Weisung, Routinegeschäfte selbst zu bearbeiten und ihm die gegebenenfalles in ihnen enthaltenen wichtigen Angelegenheiten zu melden. So las nun Macrinus von seinem eigenen Verhängnis und beschloss, dem vorzubeugen. Er fachte die Unzufriedenheit einiger subalterner Offiziere an und gewann die Mitarbeit des Martialis, eines Soldaten auf verlorenem Posten, welcher bei der Beförderung zum Centurio übergangen worden war. Religiöse Gefühle hatten Caracalla vermocht, eine Art Wallfahrt von Edessa nach Karrhä zum berühmten Tempel der Mondgöttin zu unternehmen. Cassius Dio 78, p. 1312; Herodian 4,13. Eine Schwadron Kavallerie begleitete ihn; als der Kaiser nun aus Gründen der Notdurft am Wege angehalten hatte und seine Wachen aus Schicklichkeitsgründen in angemessener Entfernung verblieben waren, nahte sich Martialis ihm unter einem dienstlichen Vorwand und durchbohrte ihn. Der kühne Mörder wurde umgehend von einem skythischen Bogenschützen der Wache erschossen.

 

CHARAKTERISIERUNG CARACALLAS

Dies war das Ende eines Monsters, dessen Leben eine Beleidigung für die menschliche Natur gewesen war und dessen Regierung denn doch sehr offenkundig gemacht hatte, zu welcher Geduld die Römer fähig waren. Die Soldaten in ihrer Anhänglichkeit sahen über seine Verbrechen hinweg, dachten nur an seine Großzügigkeit und drängten den Senat, die eigene Würde und die der Religion zu prostituieren und ihm einen Platz unter den Göttern zu sichern. Während er noch auf Erden wandelte, war für ihn Alexander der Große der einzige Heros gewesen, den dieser Gott seiner Bewunderung für wert hielt. Er nahm die Insignien und den Namen Alexanders an, stellte eine makedonische Phalanx als Wache auf, eiferte den Jüngern des Aristoteles nach und ließ mit diesem läppischen Enthusiasmus ein einziges Mal ein Gefühl durchschimmern, welches so etwas wie einen Bezug zu Tugend und Ruhm erkennen ließ. Wir können uns leicht vorstellen, dass Karl XII nach der Schlacht an der Narva und der Eroberung Polens sich damit gerühmt haben mag, mit jenem an Stärke und Mut rivalisieren zu können (wenngleich ihm der Charme von Philipps Sohn abging); aber in seinem ganzen Leben brachte Caracalla keine einzige Tat zustande, die auch nur von Ferne irgendwie an den makedonischen Held erinnerte, mit der Ausnahme, dass er, wie Alexander, zahlreiche eigene Freunde und seines Vaters ermordete. Die Vorliebe Caracallas für Alexanders Namen und Insignien hat sich bis heute auf Medaillen dieses Kaisers erhalten. Siehe Spanheim, De usu numismatum Diss 12. Herodian (4,8) hat ein besonders idiotisches Bild gesehen, auf dem eine Figur eine Gesichtshälfte wie Alexander und eine wie Caracalla hatte.

 

WAHL DES MACRINUS A.D. 217 UNZUFRIEDENHEIT MIT SEINER REGIERUNG

Nach dem Untergang des severischen Hauses war dar Römische Reich drei Tage ohne Herren. Die Entscheidung der Armee (der Autorität eines weit entfernten und schwächlichen Senates ward nur wenig Beachtung zuteil) ließ quälend auf sich warten; denn kein Kandidat bot sich ihnen an, dessen ausgezeichnete Geburt oder Taten ihn empfohlen und ihre Stimme vereint hätten. Das entscheidende Übergewicht der Prätorianergarde belebte die Hoffnungen ihrer Präfekten, und so begannen diese einflussreichen Befehlshaber ihren gesetzlichen Anspruch auf den vakanten Thron des Reiches anzumelden. Adventus jedoch, der ältere der beiden, gedachte seines Alters und seiner Hinfälligkeit, seiner geringen Reputation und seiner noch geringeren Eignung und überließ dem drängenden Ehrgeiz seines Kollegen Macrinus diese gefährliche Ehre, welcher mit gutgespieltem Kummer jeden Verdacht ausräumte, er könne an seines Meisters Tod beteiligt gewesen sein. Herodian 4,14; Historia Augusta, Macrinus 4. Die Truppe selbst liebte oder respektierte ihn nicht. Sie hielten nach anderen Bewerbern Umschau, und nur mit Widerwillen gaben sie schließlich seinen Versprechungen von unbegrenzter Großzügigkeit und Milde nach. Kurz nach seiner Thronbesteigung übertrug er seinem erst zehnjährigen Sohn Diadumenianus den Imperatortitel und den populären Namen Antoninus. Der schöne Anblick des Knaben, verbunden mit einem zusätzlichem Geldgeschenk, für das die Krönungsfeierlichkeiten den Vorwand lieferten, mochten, so hoffte man, die Gunst der Armee gewinnen und den schwankenden Thron des Macrinus sichern helfen.

 

UNZUFRIEDENHEIT DES SENATES

Der Senat und die Provinzen hatten sich artig verneigt und die Thronbesteigung des neuen Herrschers damit besiegelt. Es wäre ihnen pedantisch vorgekommen, jetzt, wo sie über den unverhofften Tod des verhassten Tyrannen frohlocken durften, die Tugenden von Caracallas Nachfolger in Zweifel zu ziehen. Sobald sich aber die ersten Wogen der Überraschung und Begeisterung geglättet hatten, begannen sie mit kritischer Strenge die Verdienste des Macrinus abzuwägen und die rasche Wahl der Armee zu missbilligen. Es war bis dato ein eherner Verfassungsgrundsatz gewesen, dass der Kaiser stets im Senat gewählt werde und dass die Herrschergewalt, wenn sie denn schon nicht mehr von der gesamten Körperschaft ausgeübt werden könne, wenigstens einem aus ihrer Mitte zufallen müsse. Indessen, Macrinus war kein Senator. Cassius Dio 88, p. 1350. Elagabal warf seinem Vorgänger vor, dass er gewagt habe, den Thron überhaupt zu besteigen: dabei hatte er doch als Prätorianerpräfekt überhaupt keinen Zutritt zum Senat, nachdem die Stimme des Ausrufers zur Räumung des Hauses gerufen hatte. Plautianus und Seianus hatten diese feststehende Regel durchbrochen. Sie stammten in der Tat aus dem Ritterstand, aber sie übten die Präfektur im Range eines Senators und sogar eines Konsuls aus. Die schleunige Erhebung der beiden Prätorianerpräfekten verriet ihre niedrige Herkunft. Und die Ritterschaft hatte immer noch dieses bedeutende Amt inne, welches mit beliebiger Willkür über Leben und Vermögen der Senatorenschaft verfügte. Ein indigniertes Murren war zu hören, dass ein Mann, der seine niedrige Er stammte aus Caesarea in Numidien und begann seine Laufbahn im Hause des Plautianus, dessen Untergang er nur knapp entkam. Seine Feinde schworen, dass er ein Sklavenkind sei und dass er neben anderen niederen Gewerben auch den Beruf eines Gladiators ausgeübt habe. Die Praxis, über Herkunft und Lebensumstände eines Feindes gering zu reden, scheint sich von der Zeit der griechischen Redner bis zu den gelehrten Grammatikern der Spätzeit gehalten zu haben. Herkunft niemals durch eine Tat von Bedeutung erhöht habe, es nun wagen dürfe, sich mit dem kaiserlichen Purpur zu kleiden, anstelle ihn einem edelachtbaren Senator zu übertragen, dem Geburt und Verdienst mehr Anrecht auf den Glanz der kaiserlichen Stellung zuspreche. Sobald nun der Charakter des Macrinus vor den scharfsichtigen Augen der Missgunst ausgebreitet ward, wurden leichtlich mancherlei Laster und viele Mängel aufgefunden. Die Ernennung seiner Minister wurde – zuweilen sogar zu Recht – gerügt, und das missvergnügte Volk tadelte in gewohnter Deutlichkeit zugleich seine kraftlose Lahmheit und seine übertriebene Strenge. Cassius Dio und Herodian sprechen beide mit Offenheit und Unparteilichkeit von den Tugenden und Lastern des Macrinus; aber der Verfasser seiner Biographie in der Historia Augusta scheint ausschließlich bei einigen Miet-Schreibern abkopiert zu haben, welche im Auftrage des Elagabalus das Andenken an seinen Vorgänger einschwärzen sollten.

Sein unbesonnener Ehrgeiz hatte eine Höhe erklommen, auf der man nur unter Schwierigkeiten sicher stehen und von der man unmöglich fallen konnte, ohne dabei zugrunde zu gehen. Wenn er auch in den Schlichen des Hofes und in bürgerlichen Geschäften geübt war, bebte er doch, sobald er dem groben und disziplinlosen Haufen gegenüberstand, über den er das Kommando übernommen hatte: seine militärische Eignung wurde nicht ernst genommen und seine persönliche Tapferkeit beargwöhnt: ein Gerücht, das im Lager umging, enthüllte das grässliche Geheimnis einer Verschwörung gegen den toten Vorgänger, fügte dem Mordvorwurf noch den der charakterlosen Heuchelei hinzu und verminderte so sein ohnehin geringes Ansehen. Um sich den Soldaten völlig zu entfremden und seinen unvermeidlichen Untergang herauszufordern, hätte er nur noch den Ruf eines Reformers haben müssen; hierin bestand ja die besondere Härte von Macrinus' Situation, dass er genau dieses undankbare Geschäft übernehmen musste. Die Verschwendungssucht von Caracalla hatte eine tiefe Spur von Verwüstung und Chaos hinterlassen; und wäre dieser nichtswürdige Tyrann imstande gewesen, die sicheren Folgen seines Vergeudens abzuschätzen, so hätte er an den düsteren Aussichten, der Verzweiflung und den Probleme, die er seinem Nachfolger aufgebürdet hatte, womöglich noch seine Freude gehabt.

 

ARMEEREFORM TOD DER JULIA ELAGABALUS

Bei der Durchführung dieser notwendigen Reformen verfuhr Macrinus mit einer Umsicht und Klugheit, dass der Armee ihr alter Zustand und ihre Schlagkraft auf leichte, fast unmerkliche Art zurückgegeben worden wäre. Den Soldaten, die bereits länger im Dienst waren, musste er gezwungenermaßen ihre üppige Besoldung und gefährlichen Vorrechte belassen, welche Caracalla an sie verschenkt hatte; aber die neuen Rekruten wurden zu den moderaten, obschon auch recht großzügigen Konditionen des Severus in die Armee aufgenommen und auf diese Weise allgemach an Bescheidenheit und Gehorsam gewöhnt. Cassius Dio, 78, p. 1336. Die Gesinnung des Verfassers und die Intention des Kaisers sind eindeutig, aber Mr. Wanton hat beide missverstanden, weil er die unterschiedliche Besoldung nicht auf alte und neurekrutierte Soldaten, sondern auf alte und neue Legionen bezogen hat. Ein fataler Irrtum jedoch zerstörte die heilsame Wirkung dieses klugbedachten Planes. Anstelle dass Macrinus die mächtige Armee des Ostens, die der tote Herrscher dort zusammengezogen hatte, sofort auf die einzelnen Provinzen verteilt hätte, war sie genötigt, den Winter nach seiner Wahl in Syrien zu auszuharren. Im trägen Luxus ihrer Quartiere wurden sich die Truppen ihrer Größe und Stärke bewusst, tauschten sich aus über ihre Beschwernisse und bedachten in ihren Gemütern die Vorteile einer weiteren Staatsumwälzung.

Die Veteranen waren durch die vorteilhafte Unterscheidung zu ihren Gunsten in ihrem Ehrgeiz keineswegs geschmeichelt, sondern gerieten durch die ersten Maßnahmen des Kaisers in Alarmstimmung, da sie in ihnen nur Vorankündigungen seiner ferneren Absichten sahen. Mit mürrischem Widerwillen taten die Neugeworbenen ihren Dienst an, dessen Mühsal dieser unsoldatische und knickerige Kaiser vervielfacht, dessen Vergütung er jedoch gekürzt hatte. Das Murren der Armee steigerte sich ungestraft zu aufsässigem Gelärm; und diese vereinzelten Meutereien offenbarten einen Geist der Unzufriedenheit und Entfremdung, dass schon die kleinste Gelegenheit ausgereicht hätte, eine allgemeine Rebellion auszulösen. Bei solcher Stimmungslage ergab sich schon bald von ganz allein eine Gelegenheit dazu.

Die Kaiserin Julia hatte alle Höhen und Tiefen des Schicksals durchlebt. Aus kleinen Anfängen hatte sie sich zu Macht und Größe erhoben, nur um die besondere Bitterkeit einer hohen Stellung auszukosten. Ihr Fluch war es, den Tod ihres einen und das Leben ihres anderen Sohnes beweinen zu müssen. Caracallas grausames Schicksal, das zu erwarten sie ihr heller Verstand schon lange gelehrt haben musste, rief in ihr die Gefühle der Mutter und der Kaiserin wach. Obschon der neue Herrscher Severus' Witwe wohlerzogen und mit Respekt begegnete, kehrte sie nach schmerzlichen Kämpfen in den Stand eines einfachen Untertanen zurück und befreite sich bald darauf durch einen freiwilligen Tod aus dieser angstvollen und demütigenden Abhängigkeit. Ihre Schwester Julia Mäas ward angewiesen, den Hof und Antiochia Cassius Dio, 78, p. 1330. Die Kurzfassung des Xiphilin ist, wenn auch weniger ins Detail gehend, an dieser Stelle deutlicher als das Original. zu verlassen. Sie zog sich mit einem ungeheurem Vermögen, der Ernte von zwanzig Jahren der Gunst, nach Emesa zurück, begleitet von ihren Töchtern Soämias und Mamäa, beide verwitwet und beide Mutter eines Sohnes. Bassianus – dies war der Name von Soämias Sohn – war dem ehrbaren Amt des Hohepriesters der Sonne geweiht; und diese heilige Berufung beförderte den syrischen Jüngling im Verein mit Klugheit oder Aberglauben auf den Thron des Römischen Reiches.

In Emesa standen starke Truppenkontingente; da nun die strenge Disziplin des Macrinus sie genötigt hatte, den Winter im Lager zuzubringen, gingen sie mit Racheplänen schwanger ob solcher ungewohnten Bitternis. Die Soldaten, die sich oft und in Massen am Sonnentempel versammelten, betrachteten mit Verehrung und Entzücken die geschmackvolle Ausstaffierung und das Erscheinungsbild des jungen Pontifex: in ihm erkannten sie, oder glaubten es zumindest, die Züge des Caracalla, dessen Andenken sie jetzt vergötterten. Die ränkekluge Mäsa bemerkte diese wachsende Popularität und mehrte sie, indem sie bedenkenlos das Ansehen ihrer Tochter der Karriere ihres Enkels opferte und das Gerücht streute, dass Bassianus der natürliche Sohn des ermordeten Herrschers sei. Die Gelder, die ihre Emissäre mit freigebiger Hand austeilten, brachten jeden Einwand zum Schweigen, und so bewies diese Großzügigkeit die Verwandtschaft oder doch wenigstens die Ähnlichkeit des Bassianus mit dem großen Original. So wurde der junge Antoninus (denn er hatte sich diesen angesehenen Namen zugelegt und besudelt) von den Truppen in Emesa zum Kaiser ausgerufen, reklamierte einen angeborenen Rechtsanspruch und rief die Legionen auf, den Fahnen eines jungen, freigebigen Herrschers zu folgen, der die Waffen aufgehoben habe, seines Vaters Tod und die Umwälzung des Militärwesens zu rächen. Gemäß den Angaben des Lampridius lebte Alexander Severus (Elagabals Nachfolger) neunundzwanzig Jahre, drei Monate und sieben Tage. Da er am 19. März 235 getötet wurde, war sein Geburtsdatum der 12. Dezember 205, er zu dieser Zeit folgerichtig dreizehn Jahre alt und sein älterer Cousin etwa siebzehn. Diese Berechnung stimmt erheblich besser zu der Geschichte dieser jungen Herrscher als die des Herodian, welcher beide drei Jahre jünger macht und durch einen umgekehrten chronologischen Fehler die Regierungszeit des Elagabalus um zwei Jahre über ihre tatsächliche Dauer verlängert.

 

TOD DES MACRINUS

Während nun diese Verschwörung der Weiber und Eunuchen mit aller Umsicht entworfen und mit rascher Entschlossenheit ausgeführt wurde, schwankte Macrinus, der mit einer einzigen entschlossenen Anordnung seinen jugendlichen Feind hätte zermalmen können, zwischen Terror- und Sicherheitsmaßnahmen hin und her, welche ihn beide in Antiochia festhielten. Der Geist der Rebellion durchwehte alle Lager und Garnisonen Syriens, einzelne Kommandos ermordeten ihre Offiziere Infolge einer äußerst unbedachten Anordnung des Thronprätendenten Antoninus hatte jeder Soldat, der den Kopf eines Offiziers brachte, Anspruch auf dessen Privateigentum und seinen militärischen Rang. und ergriffen die Partei der Rebellen; der Sold wurde von Macrinus wieder auf die ursprüngliche Höhe angehoben und die die Privilegien wieder hergestellt: dies wurde ihm als Bestätigung seiner notorischen Führungsschwäche ausgelegt. Endlich rückte er aus Antiochia ab, um der wachsenden und kampflüsternen Armee des jugendlichen Thronanwärters zu begegnen. Seine eigenen Truppen betraten das Schlachtfeld nur mit Bedenken und Widerstreben; aber inmitten des Kampfes Cassius Dio,78, p. 1345. Herodian, 5,4. Der Kampf fand in der Nähe des Dorfes Immä statt, etwa zweiundzwanzig Meilen vor Antiochia. bewährten die Prätorianer, beinahe gegen ihre Absicht, ihre überlegene Kampfkraft und Disziplin. Die Reihen der Rebellen begannen sich bereits aufzulösen, als die Mutter und die Großmutter des syrischen Prinzen, die sich morgenländischem Brauch gemäß bei der Armee aufhielten, von ihren gedeckten Wagen herunter sprangen, den Ungestüm der Soldaten anfachten und so ihren sinkenden Mut erneuerten.

Antoninus selbst, der für den Rest seines Lebens niemals wieder eine männliche Tat zustande brachte, zeigte sich wenigstens in dieser Stunde der Entscheidung als Kämpfer, stieg zu Pferde und stürzte sich an der Spitze seiner zusammengewürfelten Truppen, das gezückte Schwert in der Hand, in das dichteste Feindesgewühl; auch der Eunuch Gannys, dessen Tage bis dahin mit Weiberkram und Asiens süßem Luxus gefüllt waren, entwickelte die Talente eines befähigten und erfahrenen Feldherrn. Die Schlacht tobte lange Zeit mit unentschiedener Heftigkeit, und Macrinus wäre wohl der Sieger geblieben, hätte er nicht seine eigene Sache durch eine schmachvolle und vorzeitige Flucht preisgegeben. Seine Feigheit verlängerte ihm das Leben nur um ein paar Tage, und sein Untergang ward mit verdienter Schande bedeckt. Überflüssig zu erwähnen, dass seinen Sohn Diadumenianus das gleiche Schicksal ereilte. Die widersetzlichen Prätorianer ergaben sich dem Sieger, sobald sie sich davon überzeugt hatten, dass sie für einen Herrscher kämpften, der sie ehrlos im Stich gelassen hatte. Die eben noch feindlichen Teile der römischen Armee benetzten sich nun einander mit Tränen der Freude und Versöhnung, vereinten sich unter dem Banner von Caracallas angeblichem Sohn, und der Osten anerkannte freudevoll den ersten römischen Kaiser asiatischer Herkunft.

 

ELAGABALS BRIEFE AN DEN SENAT

Macrinus hatte sich in einigen Briefen an den Senat herbeigelassen, von geringfügigen Störungen zu berichten, die ein Betrüger aus Syrien verursacht habe, und schon war ein Senatsdekret erlassen, das den Rebellen und seine Familie zu Staatsfeinden erklärte, jedoch denjenigen seiner irregeleiteten Anhänger Pardon zusicherte, die ihn sich durch unverzügliche Rückkehr zu ihren Pflichten verdienen würden. Während der zwanzig Tage zwischen dieser Erklärung und dem Sieg des Antoninus (denn in so kurzer Zeit entschied sich das Schicksal Roms) wurden Hauptstadt und Provinzen, insonders die des Ostens, zwischen Furcht und Hoffnung hin- und hergerissen, von Tumulten aufgewühlt, mit nutzlos vergossenem Bürgerblut befleckt, da, wer immer von beiden Parteien obsiegen mochte, er auch das Reich beherrschen werde. Die artigen Briefe, mit denen der junge Herrscher dem gefügigen Senat seinen Sieg anzeigte, waren gestopft mit Bekenntnissen zu Tugend und Selbstbescheidung; die glänzenden Vorbilder des Marcus und Augustus würden auch ihm immer als die Leitsterne seiner Verwaltung vorangehen; und mit erkünsteltem Stolz verweilte er bei der Ähnlichkeit zwischen seinem Alter und Schicksal und dem des Augustus, der ja auch in frühester Jugend durch einen erfolgreichen Krieg die Ermordung seines Vaters gerächt habe. Indem er sich dazu den Namen des Marcus Aurelius Antoninus beilegte, Sohn des Antoninus und Enkel des Severus, bekräftigte er stillschweigend seinen ererbten Anspruch auf das Reich; aber dadurch, dass er die tribunizische und prokonsularische Gewalt an sich zog, bevor ein Senatsdekret sie ihm übertragen hätte, kränkte er denn doch die empfindsame römische Voreingenommenheit. Diese neue und widerrechtliche Verletzung der Verfassung hatte ihm entweder die Ignoranz seiner syrischen Höflinge oder die blasierte Gleichgültigkeit seines militärischen Gefolges eingeflüstert. Cassius Dio, 79, 1353.

 

CHARAKTERISTIK DES ELAGABALUS

Da nun aber die Aufmerksamkeit des neuen Herrschers zunächst den leersten Vergnügungen zugewandt war, vergeudete er viele Monate auf seiner üppig gestalteten Reise von Syrien nach Italien, verbrachte den ersten Winter nach seinem Siege in Nicomedia und verschob seinen triumphalen Einzug nach Rom bis in den folgenden Sommer. Ein naturgetreues Gemälde jedoch, das seinem Einmarsch vorausgetragen wurde und auf sein dringendes Geheiß im Rathaus über dem Altar der Victoria aufgehängt wurde, vermittelte den Römern einen treffenden, wenn auch unwürdigen Eindruck von der Person und ihrem Verhalten. Er war porträtiert in seinem priesterlichen Gewand aus Seide und Gold, das nach der Art der Meder und Phönizier einen lose fließenden Zuschnitt hatte; sein Haupt trug eine hochragende Tiara, seine zahlreichen Hals- und Armreife waren mit Edelsteinen von unschätzbarem Wert gespickt. Seine Augenbrauen hatten einen Hauch von Schwarz, seine Wangen waren mit künstlichem Rot und Weiß geschminkt. Cassius Dio, 78, p. 1363. Der würdevolle Senat bekannte mit einem Seufzen, dass Rom, welches solange die Tyrannei seiner eigenen Landsleute hatte ertragen müssen, sich nunmehr also dem weibischen Luxus des orientalischen Despotismus beuge.

Zu Emesa ward die Sonne unter dem Namen Elagabal Dieser Name wird von Gelehrten abgeleitet aus zwei Worten, Ela, einer Gottheit und Gabal, formen, mithin der formende, gestaltgebende Gott; ein hübsches, ja sogar glückliches Epitheton für die Sonne. und in einem konischen Stein verehrt, welcher, wie allgemein geglaubt wurde, vom Himmel auf diesen gesegneten Platz gefallen war. Nicht ganz ohne Grund schrieb Antoninus dieser Gottheit seine Erhebung auf den Thron zu.

So war denn auch die Zurschaustellung seiner abergläubischen Dankbarkeit die einzige mit Ernst betriebene Tätigkeit seiner Regierung. Der Sieg des Gottes aus Emesa über alle anderen Religionen der Welt war der einzige Gegenstand seines leeren Eifers; und die Anrede Elagabal (denn als Pontifex und Gottes-Liebling hatte er diesen Namen angenommen) war ihm teurer als alle Titulaturen imperialer Größe. Bei feierlichen Umzügen durch die Straßen Roms wurde sein Weg mit Goldstaub bestreut; der schwarze Stein, mit wertvollen Edelgestein gepflastert, wurde auf einem Wagen aufgestellt, der von sechs milchweißen, schabrackenbedeckten Schimmeln gezogen wurde. Der fromme Kaiser führte selbst die Zügel und bewegte sich, assistiert von seinen Bediensteten, langsam rückwärts, auf dass er beständig das Glücksgefühl der Gottesgegenwart genießen könne. In einem großartigen Tempel, der auf dem Palatin aufgeführt wurde, brachte man dem Gotte Elagabal kostspielige Opfer mit feierlicher Umständlichkeit. Die teuersten Weine, die ausgefallensten Opfertiere und das seltenste Räucherwerk wurden auf seinem Altar nachgerade verschwendet. Syrische Jungfrauen führten um diesen Altar zum Klange barbarischer Musik ihre sinnenfrohen Tänze auf, während die Ehrwürdigen des Staates und der Armee, angetan mit langen phönizischen Tuniken, die albernsten Ämter versahen, mit erheucheltem Eifer und empörtem Herzen. Herodian, 5,5.

Da nun dieser Tempel das allgemeine Zentrum religiöser Andacht geworden war, ließ der kaiserliche Fanatismus die Ancilia, das Palladium Er brach in das Heiligtum der Vesta und ließ eine Statue stehlen, die er für das Palladium hielt; die Vestalinnen rühmten sich jedoch, mit Hilfe eines frommen Betruges dem ruchlosen Eindringling eine Kopie untergeschoben zu haben. Historia Augusta, Elagabal 6. und alle geheiligten Unterpfänder von Numas Religion in ihn schaffen. Ein Haufen nachgeordneter Gottheiten unterschiedlicher Rangordnung machte der Majestät des Gottes aus Emesa seine Aufwartung. Aber dessen Hofhaltung musste unvollkommen bleiben, solange nicht eine weibliche Gottheit von Bedeutung sein Lager bestiegen hatte; zunächst hatte man Pallas Athene für diese Beiwohnung ausersehen; als man jedoch dagegen erinnerte, die kriegerischen Aufführungen der Jungfrau möchten der heiklen syrischen Gottheit ein Schrecknis sein, wurde die Mondgöttin, von Afrikas Völkern unter dem Namen Astarte angebetet, für eine passendere Sonnengefährtin ästhimiert. So wurde ihr Bildnis, mitsamt der reichen Tempelschätze als Brautgabe, in festlichem Aufputz von Karthago nach Rom verbracht, und das Datum dieser mystischen Hochzeit wurde in der Hauptstadt und reichsweit zu einem Tag der allgemeinen Freudenbezeigungen. Cassius Dio, 79, p. 1360; Herodian, 5,6. Die Untertanen wurden verpflichtet, den Neuvermählten großzügige Geschenke zu machen; und was immer sie zu Lebzeiten Elagabals versprochen hatten, unter der Aufsicht von Mamäa wurde es pünktlich eingetrieben.

 

UNMÄSSIGER UND WEIBISCHER LUXUS

Ein wollüstiger Mensch von Verstand beugt sich, stets gleichbleibend gehorsam, dem mäßigenden Gebot der Natur und erhöht sich die Sinnenfreuden durch passenden gesellschaftlichen Umgang, zärtliche Verbindungen und eine sanfte Stilgebung aus Geschmack und Phantasie. Elagabal aber (ich meine jetzt den Herrscher gleichen Namens), durch seine Jugend, sein Land und seinen Erfolg gleichermaßen aus der Bahn geworfen, gab sich den üppigsten Vergnügungen mit unkontrollierter Leidenschaft hin und empfand inmitten seiner Zerstreuungen doch nur Ekel und Überdruss. Die aufreizenden Kräfte der Kunst wurde aufgeboten, ihm zu helfen; die wilde Mischung aus Weib, Wein und Speisen und die wohlberechnete Abwechslung von allerlei Raffinessen riefen seine ermatteten Gelüste ins Leben zurück. Neue Fachausdrücke und Erfindungen in diesen Wissenschaften, den einzigen übrigens, die dieser Monarch Die Erfindung einer neuen Sauce wurde großzügig belohnt; fand sie jedoch keinen Beifall, so durfte ihr Erfinder nichts anderes essen, bis er etwas entdeckt hatte, das dem kaiserlichen Gaumen besser konvenierte. Historia Augusta, Elagabal 29. förderte, zeichneten seine Regierung aus und überlieferten seine Erbärmlichkeit den nachfolgenden Zeiten. Eine kapriziöse Verschwendungssucht musste für den Mangel an Geschmack und Eleganz aufkommen; und während Elagabal die Schätze seines Volkes mit den wildesten Extravaganzen verschleuderte, applaudierten er und seine Schmeichler dem neuen Geiste der Pracht, den seine trübseligen Vorgänger niemals gekannt hätten. Zu seinen bevorzugten Unterhaltungen gehörte es, den Ablauf der Jahreszeiten und des Wetters zu verwirren Er wollte Seefische nur in großer Entfernung vom Meer essen; große Mengen der seltensten Arten, die zu immensen Kosten herantransportiert worden waren, verteilte er unter die Bauern des Binnenlandes. Historia Augusta, Elagabal 23, sich mit den Leidenschaften und Voreingenommenheiten seiner Untertanen einen Spaß zu machen und jedes Gesetz der Natur oder des Anstandes zu pervertieren. Eine lange Serie von Beischläferinnen, eine schnelle Folge von Ehefrauen, unter denen sogar eine gewaltsam aus ihrem heiligen Asyl entführte Vestalin war: Cassius Dio, 79, p, 1358. alles dieses genügte nicht, seine Leidenschaft zufrieden zu stellen. Der Herr der Römischen Welt ahmte in Kleidung und Gebaren das weibliche Geschlecht nach, zog den Spinnrocken dem Szepter vor, und entehrte die höchsten Ämter des Reiches, indem er sie an seine ungezählten Liebhaber verteilte; von denen einer in aller Öffentlichkeit mit dem Titel und den Befugnissen eines Gemahls des Kaisers, oder, wie er sich selbst treffender kennzeichnete, der Kaiserin versehen wurde. Hierocles kam zu dieser Ehre (Cassius Dio, 79, p. 1363), aber es hätte ihn ein gewisser Zoticus verdrängt, hätte er nicht mit Hilfe eines Trankes bewerkstelligt, die Kräfte seines Rivalen zu schwächen, welcher im entscheidenden Moment versagte und mit Schimpf aus dem Palast entfernt wurde. Ein Tänzer wurde Stadtpräfekt, ein Wagenlenker Präfekt der Wache, ein Barbier Finanzminister. Alle diese Helfer und viele untergeordnete Beamte empfahlen sich enormitate membrorum [Besondere Größe ihres Gliedes]. (Hist. Aug. Elagabal 12,2.

Es könnte nun der Eindruck entstehen, dass Elagabals Laster und Torheiten durch spätere Schönredner abgeschwächt oder durch Parteienhass noch übertrieben wurden. Selbst den sonst so arglosen und unkritischen Verfasser seiner Biographie in der Historia Augusta beschleicht der Verdacht, dass man seine Laster überzeichnet habe. Beschränken wir uns also nur auf die öffentlichen Szenen, die sich vor dem römischen Publikum abspielten und die von zuverlässigen zeitgenössischen Historikern bestätigt wurden: auch dann übersteigt ihre unbeschreibliche Schändlichkeit alles, was aus anderen Zeiten oder Ländern überliefert ist. Die Freiheiten, die sich ein orientalischer Monarch herausnehmen darf, ist hinter den unüberwindlichen Mauern des Serails vor der öffentlichen Neugier sicher. In Europas Höfe der Gegenwart hat das Gefühl für Ehre und Anstand eine Verfeinerung der Vergnügungskultur eingeführt wie auch Rücksicht auf Umgangsformen und Achtung vor der öffentlichen Meinung; aber der tiefverderbte und verschwenderische Adel Roms begrüßte jedes neue Laster, welches sich aus diesem mächtigen Zusammenstrom der Nationen und Sitten herausfischen ließ. Sicher vor Strafe und gleichgültig gegenüber Tadel lebten sie inmitten der geduldigen, erniedrigten Gesellschaft ihrer Sklaven und Parasiten. Der Kaiser seinerseits, der, ohne Rücksicht auf Standesunterschiede, auf alle seine Untertanen mit derselben verächtlichen Gleichgültigkeit herabschaute, reklamierte für sich ohne jeden Abstrich seine angestammten Herrscherrechte auf Lust und Luxus.

 

ALEXANDER SEVERUS WIRD CÄSAR

Noch der Verworfenste unter der Sonne trägt keine Bedenken, bei anderen die Laster zu verurteilen, die er sich selbst herausnimmt; und leicht findet er einige niedliche Unterschiede des Alters, des Charakters oder des Ranges, um die besonderen Unterschiede zu rechtfertigen. Die disziplinlose Soldatenmeute, die Caracallas entartetem Sohne auf den Thron geholfen hatte, erröteten über ihre nichtswürdigen Wahl und wandten sich mit Ekel von dem Scheusal ab, um mit Genugtuung die aufblühenden Tugenden seines Cousins Alexander, Sohnes der Mäsa, zu gewahren. Da Mäsa intelligent genug war zu erkennen, dass ihr Enkel Elagabal zuverlässig an seinem eigenen Irrsinn zugrunde gehen müsse, hatte sie eine andere und zuverlässigere Stütze für ihre Familie vorgesehen Sie hatte die Gunst eines glückhaften Augenblickes genutzt und den jungen Kaiser davon überzeugt, Alexander zu adoptieren und zum Cäsar zu ernennen, auf dass seine eigentliche göttliche Bestimmung nicht weiterhin durch die Aufsicht über die Erde abgelenkt werde. Obwohl dieser liebenswerte Prinz nur in der zweiten Reihe stand, erwarb er sich rasch öffentliche Zuneigung und erregte damit die Abgunst des Tyrannen, der sich vornahm, diese gefährliche Konkurrenz zu beenden, indem er entweder seines Rivalen Ansehen korrumpierte oder ihm das Leben nahm. Seine Ränke blieben jedoch erfolglos; er verriet seine fruchtlosen Anschläge beständig durch seine eigene törichte Geschwätzigkeit, und treue und zuverlässige Diener, die Mäsa in der Nähe ihres Sohnes zu platzieren vorausschauend genug gewesen war, vereitelten sie. In einer heftigen, ungestümen Aufwallung beschloss Elagabal, mit Gewalt auszuführen, was durch Beschleichung zu vollenden er unfähig gewesen war, und entkleidete mittels einer willkürlichen Anordnung seinen Cousin seines Cäsarenranges und seiner Ehrenstellungen. Die Botschaft wurde im Senat mit Schweigen und in den Militärlagern mit Wut aufgenommen. Die Prätorianer schworen sich, Alexanders Leben zu schützen und die beleidigte Majestät des Thrones zu rächen. Die Tränen und Versprechungen des bebenden Elagabal – er bat sie nur um Schonung seines Lebens und darum, ihn bei seinem geliebten Hierocles zu belassen – halbierte ihre berechtigte Empörung; schließlich gaben sie sich damit zufrieden, ihrem Präfekten aufzutragen, über Alexanders Leben und des Kaisers Aufführungen ein wachsames Auge zu haben. Cassius Dio, 79, p. 1365; Herodian, 5, 8; Historia Augusta, Elagabal 13. Der letzte dieser drei Historiker scheint bei der Darstellung der Revolution den zuverlässigsten Autoren gefolgt zu sein.

 

ELAGABALS TOD A.D. 222

Es war ausgeschlossen, dass eine solche Versöhnung von Dauer sein würde oder dass selbst Elagabals verkommene Seele unter solchen erniedrigenden und knechtenden Bedingungen ein Reich werde lenken könne. Mit Hilfe eines riskanten Manövers gedachte er zunächst die Stimmung der Soldaten zu erproben. Die Nachricht von Alexanders Tode und der naturgemäße Verdacht eines Mordes steigerten ihren Zorn zu Raserei, und der Sturm im Lager konnte erst durch die persönliche Gegenwart des populären jungen Mannes gestillt werden. Aufgebracht durch dieses neuerliche Beispiel ihrer Zuneigung zu seinem Vetter, ging der Kaiser das Wagnis ein, einige der Rädelsführer abzustrafen. Diese Strenge zur falschen Zeit erwies sich für seine Günstlinge, seine Mutter und ihn selbst augenblicklich als fatal: Elagabal wurde von den wütenden Prätorianern totgeschlagen, Der Zeitpunkt des Todes Elagabals und der Thronbesteigung Alexanders hat die Gelehrsamkeit und Findigkeit von Pagi, Tillemont, Valsecchi, Vignoli und Torre, Bischofs der Adria beansprucht. Die Probleme sind allerdings hochkomplex.; ich schließe mich hier der Autorität des Cassius Dio an; die Stimmigkeit seiner Berechnungen ist schlechterdings nicht zu leugnen, und die Zuverlässigkeit der fraglichen Textstellen wird durch die Übereinstimmung mit Xiphilin, Zonaras und Cedrenus erhärtet. Elagabal regierte drei Jahre, neun Monate und vier Tage nach seinem Sieg über Macrinus; er wurde am 10. März 222 getötet. Was sollen wir aber zu den Medaillen sagen, die – zweifelsohne echt – ein fünftes Jahr seiner tribunizischen Gewalt vermuten lassen? Wir können mit dem gelehrten Valsecchi erwidern, dass die Usurpation das Macrinus zerschlagen wurde und dass der Sohn des Caracalla seine Regierungszeit vom Tode seines Vaters an datierte. Ist diese Schwierigkeit erst einmal gelöst, so können auch die kleineren Knoten gelöst oder durchtrennt werden. sein verstümmelter Körper durch die Strassen gezerrt und in den Tiber geworfen. Der Senat verdammte sein Andenken zu immerwährender Schande, und die Nachwelt hat die Rechtmäßigkeit dieses Urteils bestätigt.

 

ALEXANDER SEVERUS WIRD KAISER EINFLUSS SEINER MUTTER MAMÄA

In Elagabals Palast wurde nun Alexander Severus, sein Cousin, von der Prätorianergarde zum Kaiser ernannt. Er war mit der Familie der Severer, deren Name er annahm, in gleichem Grade verwandt wie sein Vorgänger; seine Tapferkeit und die überstandene Lebensgefahr hatte ihn den Römern bereits teuer gemacht, und die beflissene Großzügigkeit des Senates überhäufte ihn an einem einzigen Tage mit den verschiedensten Titeln und Insignien kaiserlicher Macht. Historia Augusta, Elagabal 1. Mit dieser unüblichen Schnelligkeit gedachte der Senat die Hoffnungen etwaiger Anwärter zu dämpfen und Parteiungen innerhalb der Armee zuvorzukommen.. Da aber Alexander ein bescheidener und pflichtbewusster Jüngling von nur siebzehn Jahren war, lagen die Zügel der Regierung in den Händen zweier Frauen, seiner Mutter Mamäa und seiner Großmutter Mäsa. Als die letztere kurze Zeit nach Alexanders Erhebung gestorben war, blieb Mamäa die einzige Regentin ihres Sohnes und damit des Reiches.

 

HERRSCHAFT SEINER MUTTER MAMÄA

Zu jeder Zeit und in jedem Land hat das verständigere, oder wenigstens das stärkere der beiden Geschlechter die Macht im Staate an sich gezogen und den anderen in Freud und Leid des häuslichen Lebens eingebunden. In Erbmonarchien jedoch, und besonders denen des modernen Europa, hat der Geist der galanten Ritterlichkeit und das Erbfolgerecht uns an eine einzige Ausnahme gewöhnt; eine Frau wird oftmals die absolute Alleinherrscherin eines großen Reiches, in welchem man sie auch nicht der unscheinbarsten Aufgabe, sei sie ziviler oder militärischer Natur, für fähig halten würde. Da aber die Römischen Kaiser nach wie vor für Generäle und Magistrate der Republik galten, hatten ihre Frauen und Mütter, ob sie gleich durch den Titel Augusta ausgezeichnet waren, keinerlei Anteil an deren persönlichen Verdiensten. Und die Regierung einer Frau wäre ein unsühnbares Verbrechen gewesen in den Augen jener knorrigen Römer, welche heirateten ohne zu lieben oder die liebten ohne Feinfühligkeit und Achtung. Metellus Numidicus, der Censor, erläuterte den Römern in einer öffentlichen Rede, dass wir, hätte eine gnädige Natur uns ohne die Hilfe des Weibes fortzuexistieren erlaubt, einer äußerst schwierigen Gefährtin überhoben seien. Die Ehe konnte er nur empfehlen als eine Art Opfer von privaten Freuden an die Staatsbürgerpflicht. (Aulus Gellius 1,6). Die hochfahrende Agrippina war bestrebt, an den Privilegien der Regierung teilzuhaben, die sie ihrem Sohn Nero verschafft hatte; aber ihr krankhafter Ehrgeiz, den jeder Bürger verabscheuen musste, dem noch irgend an Roms Würde gelegen war, scheiterte an Senecas und Burrhus' erfindungsreichen Gegenmaßnahmen. Tacitus, Annalen 13, 5.

Der praktische Menschenverstand oder auch nur die Gleichgültigkeit nachfolgender Herrscher bewahrte sie davor, die Vorurteile ihrer Untertanen zu kränken. Und so blieb es denn dem verkommenen Elagabal vorbehalten, die Senatsverhandlungen mit dem Namen seiner Mutter Soämias zu verunehren, die neben den Konsuln einen Sitz innehatte und als ordentliches Mitglied die Beschlüsse dieser Legislative mitunterzeichnete. Ihre verständigere Schwester Mamäa ließ dieses anrüchige und nutzlose Vorrecht fahren und ein strenges Gesetz ward verabschiedet, welches Frauen für alle Zeit aus dem Senat verbannte und die Elende, die diese Anordnung jemals verletzen sollte, den Mächten der Finsternis überlieferte. Historia Augusta, Elagabal 4 und 18. Mamäas Ehrgeiz war auf den Kern der Macht gerichtet und nicht auf ihre prunkvolle Inszenierung. Sie hatte auf ihren Sohn unbegrenzten und dauerhaften Einfluss, und einen Rivalen um seine Zuneigung die Mutter durchaus nicht gemeint zu dulden. Mit ihrer Einwilligung heiratete Alexander eine Patriziertochter, aber sein Respekt dem Schwiegervater gegenüber und seine Liebe zu der Kaiserin waren mit den mütterlichen Gefühlen oder Interessen nicht vereinbar: der Patrizier – eine Anklage wegen Verrat war rasch gefunden – wurde wegen Verrats hingerichtet, und Alexanders Frau in Schanden aus dem Palast gejagt und nach Afrika verbannt. Cassius Dio, 80, p. 1380; Herodian, 6,1; Historia Augusta, Severus 49. Herodian stellt uns den Patrizier als unschuldig dar. Die Historia Augusta – hier ist Dexippus der Gewährsmann – nennt ihn schuldig der Verschwörung gegen das Leben Alexanders. Eine Entscheidung zwischen beiden Zeugnissen ist unmöglich. Aber Dio ist ein unwiderlegbarer Zeuge für Mamäas Eifersucht und ihrer Grausamkeit der jungen Kaiserin gegenüber, deren schweres Los Alexander zwar beklagte, ohne dass er Gegenmaßnahmen gewagt hätte..

 

ALLGEMEINE WOHLFAHRT DES REICHES A.D. 222 - 235

Ungeachtet dieses Aktes eifersüchtiger Grausamkeit und mehrerer Vorkommnisse von Habgier, in die Mamäa verwickelt war, war der allgemeine Tenor ihrer Verwaltung für ihren Sohn und das Imperium gleichermaßen segensreich. Mit Zustimmung des Senates ernannte sie sechzehn der weisesten und ehrbarsten Senatoren zu einem ständigen Staatsrat, vor dem jede öffentliche Angelegenheit von Bedeutung erörtert und entschieden wurde. An der Spitze stand der berühmte Ulpian, der sich in gleicher Weise durch seine fundierten Kenntnisse des Römischen Rechts und durch seine Achtung vor eben diesem Recht auszeichnete; und allmählich stellte die kluge und bestimmende Art dieses Aristokraten die Ordnung und das Ansehen der Regierung wieder her. Sobald sie die Stadt von ausländischem Aberglauben und Luxus gereinigt hatten, den Überresten von Elagabals überspannter Alleinherrschaft, gingen sie daran, seine unwürdigen Kreaturen aus allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu entfernen und ihre Posten mit geeigneten und verdienten Männern zu besetzen. Nur durch Kenntnisse und Liebe zum Gesetz konnte man sich für zivile Ämter empfehlen, nur durch Furchtlosigkeit und Liebe zur Disziplin für militärische Ränge qualifizieren. Herodian 6,1; die Historia Augusta, Alexander 15, deutet an, dass, wann immer ein Gesetz verabschiedet werden musste, der Staatsrat durch mehrere befähigte Anwälte und Senatoren Unterstützung erhielt, deren Meinungen gesondert eingeholt und schriftlich festgehalten wurden.

Die wichtigste Aufgabe Mamäas und ihres Rats der Weisen war die Charakterformung des jungen Herrschers, von dessen individuellen Fähigkeiten Roms Glück oder Wehe letztlich abhängen würde. Der Boden war fruchtbar und begünstigte seine Kultivierung, kam ihr im Grunde sogar zuvor. Seine hervorragende Auffassungsgabe überzeugte Alexander rasch von den Vorteilen der Herrschertugenden, von den Genüssen der Bildung und von der Notwendigkeit der Arbeit. Eine naturgegebene Gesinnungsmilde und Selbstbeherrschung schützte ihn von den Stürmen der Leidenschaft und der Anziehungskraft der Laster. Seine unwandelbare Anhänglichkeit an seine Mutter und seine Wertschätzung des weisen Ulpian bewahrten seine naive Jugend vor dem Gift der Schmeichelei.

Die schlichte Beschreibung eines Tagesablaufs liefert das Bild eines kultivierten Herrschers Siehe seine Lebensbeschreibung in der Historia Augusta; Der kritiklose Kompilator hat diese interessanten Anekdoten unter einem Berg von trivialen und unwichtigen Nebenumständen verschüttet. und könnte, bei einiger Nachsicht mit den andersartigen Sitten für moderne Herrscher ohne weiteres ein Vorbild abgeben:

Alexander stand früh auf; die ersten Minuten des Tages war seiner privaten Andacht gewidmet, und seine Hauskapelle war angefüllt mit Abbildern jener Heroen, welche das Leben der Menschen verbessert oder geändert und so Anspruch auf die Dankbarkeit der Nachwelt hatten. Aber da er den Dienst am Menschen für den besten Dienst an den Göttern hielt, war er in den Vormittagsstunden zumeist im Rat zu finden, wo er öffentliche Angelegenheiten diskutierte und Privatklagen entschied, und zwar mit einer Nachsicht und Diskretion, die über seinen Jahren lag. Die Eintönigkeit solcher Routine milderte er sich durch den Genuss von Literatur; einen Teil seiner Zeit sparte er sich immer für seine Lieblingsstudien, die Poesie, Geschichte und Philosophie auf. Die Dichtungen eines Vergil und Horaz, Platos und Ciceros Staatsschriften formten seinen Geschmack, erweiterten seinen Horizont und vermittelten ihm die höchsten Ideen vom Menschen und vom Herrscheramt. Auf solche Stärkung des Geistes folgte die des Körpers; Alexander, der groß, kräftig und unternehmend war, übertraf in den sportlichen Disziplinen die meisten seines Alters. Erfrischt durch ein Bad und eine leichte Mahlzeit, nahm er mit erneuerten Kräften die Tagesgeschäfte wieder auf und empfing bis zur Stunde des Abendessens, der römischen Hauptmahlzeit, den Besuch seiner Sekretäre, mit denen er die Unmasse von Briefen, Memoranden und Petitionen durchlas und beantwortete, da sie nun einmal an die Adresse des Herrschers des größten Teils der Welt gerichtet werden mussten. Sein Essen war von frugaler Schlichtheit; und wann immer es ihm vergönnt war, seinen eigenen Neigungen zu folgen, bestand seine Gesellschaft aus einigen handverlesenen Freunden, Männern der Wissenschaft, unter denen auch regelmäßig Ulpian zu finden war. Ihre Konversation war offen und ergiebig; und in den Gesprächspausen gab es Unterhaltung durch den gelegentlichen Vortrag schöner Gedichte, welche anstelle von Tänzern, Possenreißern oder sogar Gladiatoren auftraten, die man so oft an die Tafeln reicher Römer zu bestellen pflegte. Siehe die 13. Satire von Juvenal. Die Kleidung von Alexander war einfach und bescheiden, sein Auftreten höflich und umgänglich: zu festgesetzten Stunden stand sein Palast allen Untertanen offen, aber es war die Stimme eines Ausrufers zu hören, der dieselbe Mahnung wie in den Eleusischen Mysterien ausrief: ›Niemand betrete diese heiligen Hallen, er habe denn ein reines und unschuldiges Gewissen.‹ Historia Augusta, Alexander 18.

Ein so gleichförmiger Lebens- und Arbeitsstil, in welchem kein Raum für Laster oder Torheiten bleibt, ist ein besserer Beleg für die Weisheit und Gerechtigkeit von Alexanders Regierung als die Anhäufung der banalen Quisquilien, die Lampridius veranstaltet hat. Seit der Thronbesteigung des Commodus hatte die Römische Welt vierzig Jahre lang eine schrille Abfolge der Verbrechen von vier Tyrannen auszuhalten. Nach dem Tode des Elagabal erfreute sie sich dreizehn Jahren lang einer glückhaften Ruhe. Die Provinzen, die endlich von dem Druck der Steuern befreit waren, die Caracalla und sein wüster Sohn sich für sie ausgedacht hatten, erblühten in Frieden und Wohlstand unter einer Verwaltung, welche sich aus eigener Erfahrung davon überzeugen konnte, dass die beste und einzige Methode, sich die Gunst ihres Herrschers zu gewinnen, darin bestand, die Zuneigung der Untertanen zu erwerben. Während dem unschuldigen Luxus des römischen Volkes einige milde Einschränkungen auferlegt wurden, senkte die väterliche Fürsorge Alexanders die Preise für Lebensmittel und das Interesse an Geld, da seine wohlerwogene Freigebigkeit die Bedürfnisse und den Amüsiertrieb des Volkes zufrieden stellte, ohne dabei die Fleißigen zu entmutigen. Würde, Freiheit und Ansehen des Senates wurden wiederhergestellt; und jeder Senator von Tugend mochte sich nun der Person des Herrschers nähern, ohne dabei zu erbeben oder zu erröten.

 

ALEXANDER LEHNT DEN BEINAMEN ANTONINUS AB

Der Name Antoninus, den die Verdienste des Pius und Marcus geadelt hatten, war infolge seiner Adoption dem zügellosen Verus und infolge direkter Verwandtschaft auch dem fürchterlichen Commodus zugefallen. Er wurde die Ehrenbezeichnung der Söhne des Severus, wurde dem Diadumenianus beigegeben und schließlich in den Kot gezogen durch die Infamie des Hohepriesters aus Emesa. Obwohl nun auch dem Alexander die eingeübten, möglicherweise sogar ehrlichen Nachsuchungen des Senates zusetzten, widerstand er dem geliehenen Glanz des Namens, während er durch seine ganze Amtsführung bemüht war, Wohlstand und Glück des Zeitalters der echten Antonine wieder herzustellen. Siehe hierzu Historia Augusta, (Alexander 6-11), wo die gesamte Auseinandersetzung zwischen Alexander und Senat aus den Journalen jener Versammlung exzerpiert wird. Es geschah am 6. März, vermutlich des Jahres 223, als die Römer fast ein Jahr lang der Segnungen seiner Herrschaft genossen hatten; der Beiname eines Antoninus wurde ihm als Ehrentitel angedient, und der Senat wartete ab, ob Alexander ihn nicht sogar als Familiennamen annehmen würde.

 

VERSUCH EINER MILITÄRREFORM

In der Zivilverwaltung Alexanders hatte die Weisheit einen Rückhalt an der Staatsmacht, und die Bevölkerung, die des Sinnes für das öffentliche Wohlergehen durchaus nicht entbehrte, vergalt es ihrem Herrscher mit Zuneigung und Dankbarkeit. Es blieb noch eine größere, eine notwendigere, aber auch schwierigere Aufgabe zu tun: die Reform des Militärs, dessen Gemütsverfassung infolge langer Straflosigkeit empfindlich geworden war gegen die Einschränkungen, welche Disziplin nun einmal einfordert und die gegenüber den Segnungen öffentlicher Ruhe gleichgültig geworden war. In der Umsetzung seiner Pläne bemühte der Herrscher sich darum, den Truppen seine Zuneigung zu demonstrieren und seine Sorgen zu verbergen. Eiserne Sparsamkeit in allen anderen Verwaltungsbereichen schuf einen ansehnlichen Gold- und Silberfundus für den normalen Sold der Truppe sowie für Sonderprämien. Auf ihren Märschen mussten sie nicht weiterhin die schwere Last eines Siebzehn-Tage-Proviantes schleppen. An den Heerstraßen wurden umfangreiche Magazinhäuser eingerichtet, und sobald sie Feindesland betraten, stand ein starker Tross von Mauleseln und Kamelen bereit, ihrer dünkelhaften Bequemlichkeit zu dienen. Da nun Alexander die Hoffnung fahren ließ, das Wohlleben der Soldaten abzustellen, versuchte er wenigstens, ihr Interesse auf martialisches Schmuckwerk, schöne Pferde, ziselierte Waffen und gold- und silberbestückte Schilde hinzulenken. Strapazen, die ihnen aufzuerlegen er nun einmal nicht umhinkonnte, teilte er mit ihnen, besuchte persönlich Kranke und Verwundete, führte genau Buch über ihre Leistungen und seine Anerkennung und sprach bei jeder Gelegenheit seine wärmste Hochachtung aus für diesen Verbund von Männern, dessen Wohlergehen, wie er gerne betonte, so untrennbar mit dem Wohlergehen des Staates verwoben sei. Eine Lieblingswendung des Herrschers war, se milites magis servare, quam seipsum; quod salus publica in his esset [Er kümmere sich mehr um das Wohlergehen der Soldaten als um sein eigenes; weil das öffentliche Wohl davon abhänge]. (Historia Augusta, Alexander 47). Mit den delikatesten Tricks bemühte er sich, der wilden Meute ein Gespür für ihre Pflicht einzuhauchen und ein wenn auch noch so schwaches Abbild jener früheren Disziplin wiederherzustellen, der die Römer ihre Herrschaft über so viele Nationen zu danken hatten, Nationen, die ebenso kriegerisch und womöglich noch stärker als sie selbst gewesen waren. Aber seine Klugheit war vergebens, sein guter Mut verhängnisvoll und seine Reformversuche bewirkten lediglich, dass die Übelstände sich erneuerten, die eigentlich kuriert werden sollten.

 

DIE ERMORDUNG DES PRÄFEKTEN ULPIAN

Die Prätorianergarde war Alexanders Jugend zugetan. Sie liebten ihr zartes Pflegekind, das sie vor den Nachstellungen eines Tyrannen gerettet und auf den Kaiserthron gehoben hatten. Der liebenswerte Prinz fühlte sich ihnen durchaus verpflichtet; da aber seine Dankbarkeit sich nur innerhalb der von Vernunft und Gerechtigkeit gezogenen Grenzen bewegen durfte, nahmen sie über ein Kleines an den Tugenden Alexanders stärker Anstoß, als sie es jemals bei Elagabals Idiotien getan hatten. Ihr Präfekt, der weise Ulpian, war menschenfreundlich und gesetzestreu; folglich sahen die Soldaten ihn als ihren Feind an und schoben alle Reformversuche seinen verderblichen Einflüsterungen zu. Irgendein geringfügiges Vorkommnis fachte ihre Unzufriedenheit zu offener Meuterei; ein dreitägiger Bürgerkrieg tobte in Rom, und dankbare Bürger verteidigten in dieser Zeit das Leben des herausragenden Ministers. Da sie aber vor dem Anblick brennender Häuser und vor einem drohenden allgemeinen Feuer zurückbebten, gaben sie ihre Sache auf und überließen den aufrechten, aber glücklosen Ulpian seinem Schicksal. Er wurde bis in den kaiserlichen Palast verfolgt und zu Füßen seines Herrn erschlagen, welcher umsonst sich bemühte, ihn mit dem Purpurmantel zu decken und von der erbarmungslosen Soldateska Pardon für ihn zu erwirken. Soweit war es mit der beklagenswerten Schwäche der Regierung also gekommen, dass der Kaiser nicht einmal mehr seinen ermordeten Freund und seine beleidigte Würde rächen konnte, ohne dabei auf die Künste der Geduld und Verstellung zurückgreifen zu müssen. Epagathus, der Haupträdelsführer, wurde aus Rom entfernt mit der ehrenvollen Aufgabe, die Präfektur Ägyptens zu übernehmen; von diesem hohen Posten wurde er geräuschlos zum Statthalter von Kreta degradiert; und erst, als die Zeit und seine lange Abwesenheit sein Ansehen unter den Garden verdunkelt hatten, durfte Alexander es wagen, verspätet, aber immer noch zu Recht die Verbrechen des Mannes zu bestrafen. Obschon der Verfasser der Alexander-Biographie in der Historia Augusta (Lampridius) die Erhebung der Soldaten gegen Ulpian erwähnt, verhehlt er doch die eigentliche Katastrophe, da hierdurch die Schwächen der Regierung seines Helden offenkundig werden könnte. Von dieser vorsätzlichen Tatsachenunterdrückung können wir auf das Bedeutung und die Zuverlässigkeit dieses Autors schließen. So konnte unter der Herrschaft eines gerechten und achtbaren Kaisers die Armee einen aufrechten Minister mit dem sofortigen Tode bedrohen, der unter dem Verdacht stand, die unhaltbaren Zustände der Truppe verbessern zu wollen.

Der Historiker Cassius Dio hatte in Pannonien seine Legionen im Geiste der alten Disziplin geführt; ihre Brüder zu Rom verlangten, allgemeinem militärischen Brauch zufolge, den Kopf des Reformers. Anstelle nun ihrem aufrührerischen Lärmen nachzugeben, zeigte Alexander ein den Verdiensten und Leistungen des Cassius Dio gleichwertiges Gerechtigkeitsgefühl, machte ihn zum Mitkonsul und übernahm aus seinem Vermögen die Unkosten für diese müßige Würde; da aber abzusehen war, dass die Soldaten, würden sie ihn mit den Insignien seines Amtes erblicken, ihre Schmach mit seinem Blute rächen würden, zog sich der nominell erste Beamte des Staates auf Anraten des Kaisers aus der Stadt zurück und verbrachte den größten Teil seines Konsulates in seinen Landgütern in Campanien. Eine Zusammenschau von Ulpians Schicksal und seiner eigenen Gefahr findet sich in dem fragmentarischen Schlusskapitel des Geschichtswerkes von Cassius Dio. (80, p. 1371).

 

STANDHAFTIGKEIT DES KAISERS

Die Sanftmut des Herrschers bekräftigte die Truppen nur noch in ihrer Dreistigkeit; die Legionen nahmen sich die Garde zum Vorbild und verteidigten ihr Vorrecht auf Zügellosigkeit mit verbissener Renitenz. Alexanders Regierung war ein nutzloser Kampf gegen die Verderbtheit seiner Zeit. In Illyrien, Mauretanien, Mesopotamien, Germanien brachen beständig neue Meutereien aus; seine Offiziere wurden ermordet, seine Autorität beleidigt und sein Leben schließlich der brutalen Unzufriedenheit der Armee geopfert. Reimar's Anmerkungen zu Cassius Dio (80, p. 1369). Ein Ereignis verdient besonders hervorgehoben zu werden, da es das Verhalten der Truppe trefflich charakterisiert und wenigstens ein Beispiel dafür gibt, dass die Truppen ansatzweise zu Pflicht und Gehorsam zurückgefunden hatten. Während der Kaiser vor Antiochia lag – es war der Feldzug gegen die Perser, dessen Einzelheiten uns später kümmern sollen – verursachte die Bestrafung einiger Soldaten, die sich in den Frauenbädern hatten erwischen lassen, einige Aufregung in der Legion, zu der sie gehörten. Alexander bestieg das Tribunal, und unaufdringlich, aber bestimmt legte er der versammelten Menge die absolute Notwendigkeit und seine unbeugsame Entschlossenheit dar, die Untugenden abzustellen, die sein sauberer Vorgänger habe einreißen lassen sowie die Disziplin aufrecht zu erhalten, von der man, ohne den Namen Roms und seines Imperiums zu ruinieren, nicht ablassen könne. Die Soldaten unterbrachen seine Ausführungen mit Krawall. ›Spart euch das Spektakel‹, sagte der Kaiser, unerschüttert, ›bis ihr das Feld gegen die Perser, die Germanen und Samarten behauptet habt. Schweigt stille, solange euer Herrscher und Wohltäter bei euch ist, der euch das Getreide, die Kleidung und das Gold der Provinzen verteilt. Schweigt stille, oder ihr seid nicht länger meine Soldaten, sondern meine Bürger, Julius Cäsar hatte einst eine Meuterei aufgelöst mit demselben Wort: Quiriten: welches im Gegensatz zu ›Soldaten‹ verächtlich gemeint war und die Empörer so zu ordinären Kleinbürgern erklärte. Tacitus, Annalen 1,43. wenn denn die, welche Roms Gesetze missachten, überhaupt noch unter die Menschen gerechnet werden können.‹ Seine Androhung reizte den Zorn der Legionen noch mehr auf, sie schwangen ihre Waffen und bedrohten unmittelbar sein Leben. ›Euer Mut‹, so der furchtlose Alexander, ›würde sich auf dem Schlachtfeld besser ausnehmen; mich könnt ihr umbringen, einschüchtern könnt ihr mich nicht; und die strenge Justiz des Reiches wird euer Verbrechen bestrafen und meinen Tod sühnen.‹ Die Legionen verblieben weiterhin in lärmendem Aufruhr, als der Kaiser mit gewaltiger Stimme den entscheidenden Satz sprach: ›Bürger! Legt eure Waffen nieder und gehet in Frieden, ein jeder zu seiner Unterkunft.‹ Der Sturm legte sich augenblicklich; die Soldaten, von Trübsal und Scham erfüllt, anerkannten stillschweigend ihr Unrecht und die Geltung der Disziplin, ließen ihre Waffen und Feldzeichen liegen und zogen sich verwirrt zwar nicht in ihr Lager, sondern in die Kneipen der Stadt zurück. Alexander genoss dreißig Tage lang das erbauliche Schauspiel ihrer Reue; auch setzte er sie nicht wieder in ihre ursprünglichen Ränge ein, bevor er nicht die Centurionen, deren sträfliche Nachsicht Ursache der Meuterei gewesen war, mit dem Tode bestraft hatte. Die Legion selbst diente ihrem Kaiser zu seinen Lebzeiten in Dankbarkeit und rächte ihn, als er tot war. Historia Augusta, Alexander 45.

 

DIE STAATSFINANZEN STEUERN

Die Entscheidungen der Masse hängen üblicherweise von einem einzigen Augenblick ab; die Unberechenbarkeit von flüchtigen Aufwallungen kann mit gleicher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass eine aufsässige Legion ihre Waffen dem Kaiser zu Füßen legt oder sie ihm durch die Brust jagt. Vielleicht werden wir finden, wenn ein solcher Vorfall von einem Philosophen gründlich durchdacht worden ist, welche geheimnisvollen Ursachen in jener Affäre den Mut des Herrschers beflügelten oder die Truppen zum Gehorsam zwang; und vielleicht sehen wir, wenn das Ereignis – würdig eines Cäsar – von einem kundigen Historiker analysiert worden ist, dass es genauso gut mit der allgemeinen Charakterlage des Alexander Severus zusammen stimmt. Die Fähigkeiten dieses liebenswerten Herrschers schienen der Situation nicht angemessen, und die Festigkeit seines Auftretens war von geringerer Qualität als die Lauterkeit seiner Absichten. Seine Tugenden enthalten ebenso wie die Laster des Elagabal einen Schimmer von Schwäche und Weichlichkeit, welcher herrührt von dem milden Klima Syriens, dessen Abkömmlinge sie waren, wenngleich er auch über seine Herkunft errötete und mit leerer Selbstgefälligkeit den Artigkeiten der Genealogen lauschte, die seine Familie von altrömischem Adel Genauer: von den Metellern (Historia Augusta, Alexander Severus, 44). Diese Wahl war klugbedacht: Innerhalb von nur zwölf Jahren brachten die Meteller es auf sieben Konsulate und fünf Triumphe. (Velleius Paterculus 2,11) und die Fasti. herleiteten. Der Hochmut und die Habgier seiner Mutter wirft auf seine illustre Regierung einen Schatten; und dadurch, dass sie von seinen Reifejahren denselben pflichtschuldigen Gehorsam verlangte wie – völlig zu Recht – von seiner unerfahrenen Jugend, gab Mamäa sich und ihren Sohn dem allgemeinen Gespött preis. Die Lebensbeschreibung des Alexander in der Historia Augusta ist das bloße Idealbild eines vollendeten Herrschers, eine läppische Kopie der Cyropaedeia des Xenophon. Die Darstellung seiner Regierung, wie sie etwa Herodian gibt, zeugt von Vernunft und Maß, und befindet sich damit in Übereinstimmung mit der historischen Situation jener Zeit; da, wo sie besonders boshaft wird, wird sie entschieden durch die Fragmente von Cassius Dio gestützt. Aber infolge eines äußerst schäbigen Vorurteils missbraucht die Mehrheit der gegenwärtigen Historiker den Herodian und schreibt aus der Historia Augusta ab, etwa die Herren Tillemont und Wotton. Aufgrund eines entgegengesetzten Vorurteils verweilt der Kaiser Julian (Caesares, S 135) mit sichtlicher Genugtuung bei der weichlichen Schwäche des Syrers und dem albernen Geiz seiner Mutter. Die Strapazen des Perserfeldzuges reizten die Unzufriedenheit des Heerbannes auf; der erfolglose Ausgang schadete der Reputation des Kaisers als Feldherrn und sogar als Soldaten. Die Umwälzung, die Rom schließlich in eine lange Reihe von inneren Zwistigkeiten verwickelte, wurde durch jeden Vorfall dieser Art vorbereitet und durch jeden Umstand beschleunigt.

 

EXKURS: DIE FINANZEN ROMS

Die zügellose Tyrannei des Commodus, der Bürgerkrieg im Anschluss an seinen Tod und die neu konzipierten Regierungsmaßregeln der Severer hatten alle dazu beigetragen, den gefährlichen Einfluss der Armee zu mehren und das siechende Rechts- und Freiheitsbewusstsein der Römer endgültig zu ersticken. Wir waren bestrebt, die Gründe für diesen inneren Wandel, der schließlich die Fundamente des Imperiums unterhöhlte, mit der gehörigen Genauigkeit und Klarheit aufzuzeigen. Die individuellen Eigenschaften der Kaiser, ihre Siege, ihre Gesetze, Torheiten und Erfolge können uns nur insoweit interessieren, als sie im Zusammenhang mit der allgemeinen Geschichte des Nieder- und schließlichen Unterganges der Monarchie stehen. Unsere beständig auf diesen großen Gegenstand gerichtete Aufmerksamkeit wird uns jedoch nicht dazu verführen, das bedeutendste Edikt des Antoninus Caracalla unbeachtet zu lassen, in welchem allen freien Einwohnern des Reiches der Name und die Vorrechte eines Römischen Bürgers verliehen wurden. Die Quelle dieser grenzenlosen Weitherzigkeit war jedoch nicht eine generöse Gesinnung, sondern seine widerwärtige Habgier, welche sich mit Hilfe einiger Anmerkungen zur Finanzlage des Staates von der Zeit der siegreichen Republik bis zu Herrschaft des Alexander Severus am eindrucksvollsten belegen lässt.

 

DAS URSPRÜNGLICHE SYSTEM DER BESTEUERUNG

Die Belagerung von Veii in der Toscana, das erste Unternehmen Roms von Bedeutung, zog sich zehn Jahre hin, nicht so sehr wegen der Uneinnehmbarkeit der Stadt als vielmehr wegen der Hilflosigkeit der Belagerer. Die ungewohnten Härten so vieler Winterfeldzüge mehr als zwanzig Meilen von zu Hause Nach den Angaben des gewissenhafteren Dionysius war die Stadt selbst nur einhundert Stadien oder zwölf und eine halbe Meile von Rom entfernt, auch wenn einige Vorstädte sich weiter nach Etrurien erstreckt haben mochten. In einer eigenen Studie ist Nardini gegen die übliche Vorstellung und die Autorität zweier Päpste angegangen und hat Veii aus der Gegend von Cività Castellana in die Nähe eines Fleckens mit Namen Isola verlegt, etwa auf halber Strecke zwischen Rom und dem Bracchiano-See. entfernt verlangten mehr als die übliche Unterstützung; klüglich baute der Senat dem Murren des Volkes durch Einführung eines regelmäßigen Soldes vor, welchen er aus einer allgemeinen Steuer zog, die er nach den Eigentumsverhältnissen der Bürger bemaß. Vgl. Livius, 4, 59. Im römischen Census waren Eigentum und Besteuerung gegeneinander austauschbare Begriffe. Die Siege der Republik in den zweihundert Jahren nach der Eroberung Veiis mehrten zwar ihre Macht, aber nicht ihren Wohlstand. Die Staaten Italiens zahlten ihren Tribut nur in Form von Kriegsdienst, und die gigantischen Land- und Seestreitkräfte, die während der Punischen Kriege aufgestellt wurden, gingen zu Lasten der Römer selbst. Dieses trotzig-kühne Volk legte sich gern, aber eben nur freiwillig die schwersten Bürden auf in der richtigen Annahme, dass man alsbald eine reiche Ernte für alle Mühen einfahren würde. Ihre Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Innerhalb nur weniger Jahre wurden die Reichtümer von Syracus, Karthago, Makedonien und Asien im Triumph nach Rom gebracht. Die Schätze des Perseus allein beliefen sich auf fast zwei Millionen Pfund Sterling, und das Volk Roms, Herrscherin so vieler Nationen, wurde seinerr Steuerpflicht ledig. Plinius, Hist. Naturalis 33,3; Cicero, de officiis, 2,22; Plutarch, Aemilius Paulus 38. Die wachsenden Staatseinnahmen aus den Provinzen wurden für ausreichend befunden, die üblichen Kriegs- und Regierungskosten zu tragen, die gewaltigen Gold- und Silbermassen wurden im Tempel des Saturn hinterlegt und blieben für unvorhergesehene Staatsnotfälle aufgespart. Eine schöne Beschreibung dieses in Jahrhunderten angehäuften Reichtums findet sich bei Lucan, Pharsalia 3, 155 ff.

 

BESTEUERUNG DER PROVINZEN

Die Geschichtsschreibung hat vermutlich niemals einen größeren und unersetzlicheren Schaden genommen als im Verlust jenes akribischen Registers, eines Erbstückes von Augustus an den Senat, in welchem dieser Herrscher Einnahmen und Ausgaben des Römischen Imperiums mit Genauigkeit aufgelistet hatte. Dieses Verzeichnis scheint noch in der Zeit des Appian existiert zu haben. (Tacitus, Annalen, 1,11). Da wir nun nicht mehr über diese klare und übersichtliche Schätzung verfügen, sind wir darauf angewiesen, einige fragmentarische Andeutungen von solchen antiken Schriftstellern zusammenzuklauben, die sich – mehr oder minder zufällig – weniger mit den glanzvollen als vielmehr den nützlichen Seiten der Geschichte befasst haben. So erfahren wir, dass infolge von Pompejus' Eroberungen der Tribut Asiens von fünfzig auf einhundertfünfunddreißig Millionen Drachmen oder viereinhalb Millionen Sterling anstieg. Plutarch, Pompeius 45. ÄGYPTEN: Unter den letzten und trägsten Ptolemäern betrugen die Staatseinkünfte Ägyptens angeblich zwölftausendfünfhundert Talente, einer Summe, die mehr als zweieinhalb Millionen unseres Geldes entspricht und die bald darauf durch die erfolgreichere Ökonomie der Römer sowie durch den Äthiopien- und Indienhandel beträchtlich erhöht wurde. Strabo, 17, S. 798. GALLIEN lebte vom Raub, so wie Ägypten vom Handel, und die Steuern dieser beiden großen Provinzen hatten etwa den gleichen Wert. AFRICA: Die zehntausend Euböischen Das Euböische, das Phönizische und das Alexandrinische Talent waren doppelt so schwer wie das Attische, Hooper, antike Maße und Gewichte,4, c.5. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dasselbe Talent von Tyrus nach Karthago gebracht wurde. oder Phönizischen Talente, – etwa vier Millionen Sterling Polybios, 15,2 – die Karthago nach seiner Niederlage innerhalb von fünfzig Jahren zu zahlen hatte, waren eher eine symbolische Anerkennung der römischen Oberhoheit und machen nur einen äußerst geringen Teil der Steuern aus, die dem Lande und seinen Bewohnern auferlegt wurden, als die fruchtbare Küste Afrikas zu einer Provinz geworden war. Appian, Punica (ed. Tollius), p. 84.

SPANIEN war infolge einer ganz sonderbaren Parallele das Peru und Mexiko der Alten Welt. Die Entdeckung des reichen Landes im Westen durch die Phönizier und die Unterjochung seiner arglosen Einwohner, die gezwungen wurden, in ihren eigenen Minen zum Wohle ihrer Eroberer zu fronen, dies bildet ein getreues Abbild der jüngeren Geschichte von Spanisch-Amerika. Diodoros Siculus, 5,37. Cadiz wurde von den Phöniziern etwas mehr als tausend Jahre v. Chr. gegründet. (Velleius Paterculus 1,2). Die Phönizier waren nur mit der Meeresküste Spaniens vertraut. Habgier und Machtstreben brachten römische und punische Waffen in das Innere des Landes, und beinahe jeder Fußbreit Boden war mit Kupfer, Silber oder Gold geschwängert. Es wird eine Mine in der Nähe von Carthagena erwähnt, welche täglich fünfundzwanzigtausend Silberdrachmen erwirtschaftete, Strabo 3, p.148. entsprechend dreihunderttausend Pfund im Jahr. Zwanzigtausend Pfund Gold erhielt man jährlich aus den Provinzen Asturia, Gallicia und Lusitania. Plinius, Nat. Hist. 33,3 Plinius erwähnt ebenso eine Silbermine in Dalmatien, die dem Staat täglich fünfzig Pfund einbrachte.

 

DIE FELSENINSEL GYARUS

Es fehlen uns Muße und Quellenmaterial, um diese wichtige Untersuchung für alle großen Staaten fortzusetzen, die dem Römischen Imperium einverleibt waren. Eine gewisse Vorstellung von den Staatseinnahmen jener Provinzen, die ihren Reichtum der Natur oder dem menschlichem Fleiß zu danken hatten, können wir uns jedoch machen, wenn wir sehen, mit welcher Aufmerksamkeit man selbst die Heimstätten von Einsamkeit und Unfruchtbarkeit bedachte: Augustus erhielt einst eine Bittschrift von den Einwohnern von Gyarus, die einen Nachlass von einem Drittel ihrer unerträglichen Steuerlasten demütig erflehten. Ihr gesamtes Steueraufkommen betrug in der Tat nicht mehr als einhundertundfünfzig Drachmen, oder fünf Pfund; aber Gyarus war eine kleine Insel, genauer: ein Felsen in der Ägäis, ohne Frischwasser und das Lebensnotwendigste und nur von einer Handvoll ärmlichster Fischer bewohnt. Strabo, 10, p. 485; Tacitus, Annalen 3,69 und 4,30.

 

SUMME ALLER EINKÜNFTE

Infolge des schwachen Scheines dieses so unsicheren und dürftigen Lichtes können wir nur vermuten, dass zum Ersten (mit aller zeit- und umständebedingter Ungenauigkeit) die Staatseinkünfte aus den Provinzen selten weniger als fünfzehn oder zwanzig Millionen unserer Währung betrugen; Lipsius (De Magnitudine Romana, 2,3) berechnet die Staatseinkünfte auf 150 Millionen Goldkronen. Aber sein ganzes Buch, obschon grundgelehrt und unterhaltsam, zeugt dennoch von einer stark erhitzten Einbildungskraft. und dass zum Zweiten eine derart gewaltige Einnahme vollständig ausreichte, um alle Ausgaben der haushälterischen Regierungsform des Augustus zu decken, dessen Hofhaltung dem Budget eines Senators von anständiger Kargheit entsprach, dessen militärische Aufwendungen für die Verteidigung der Grenzen berechnet waren und die keine weiteren Eroberungen oder Zusatzausgaben infolge einer ausländischen Invasion vorsahen.

 

STEUERSYSTEM DES RÖMISCHEN REICHES UNTER AUGUSTUS

Obgleich nun diese beiden Schlussfolgerungen einige Wahrscheinlichkeit für sich beanspruchen dürfen, ist zumindest die zweite durch Augustus' Äußerungen und Maßnahmen widerlegt. Es ist schwierig zu entscheiden, ob er bei dieser Gelegenheit sich als der Vater der Römischen Welt oder als der Unterdrücker der Freiheit gebärdete; ob er die Provinzen zu entlasten wünschte oder den Senat und die Ritterschaft dämpfen wollte. Er hatte jedoch kaum die Zügel der Regierung in die Hand genommen, als er auch schon durchblicken ließ, dass die Steuereinkünfte unzureichend seien und die Notwendigkeit bestehe, einen angemessenen Teil der öffentlichen Ausgaben auch Rom und Italien aufzubürden. Im Verfolg dieser unpopulären Maßnahme ging er jedoch mit umsichtigen und wohlerwogenen Schritten voran. Der Erhebung von Zöllen folgten Verbrauchssteuern, und das System der Besteuerung ward abgerundet durch eine sinnreiche Taxierung der Besitz- und Vermögensverhältnisse der Römischen Bürger, die seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten von allen Steuern befreit gewesen waren.

I. In einem großen Reich wie dem römischen muss sich ein natürlicher Geldfluss allmählich und von selbst eingestellt haben. Es wurde bereits festgestellt, dass so, wie infolge der Eroberungen der Wohlstand der Provinzen in die Hauptstadt gezogen wurde, wiederum – infolge des Einflusses von Handel und Gewerbe – ein beträchtlicher Teil davon in die erwerbstüchtigen Provinzen zurückfloss. Unter der Herrschaft des Augustus lagen auf jeder Art von Waren Abgaben, welche dann durch tausend Kanäle in das große Zentrum des Reichtums und des Luxus sickerten; und wie immer der Wortlaut des Gesetzes gelautet haben mag, es war der römische Käufer, der die Steuern zu zahlen hatte. Tacitus, Annalen, 13,31. Ihre Höhe variierte von einem Achtel bis zu einem Vierzigstel des Warenwertes; und wir haben guten Grund zu der Annahme, dass die jeweilige Höhe von den ewigen Gesetzen der Politik vorgegeben wurde: dass nämlich auf den Luxuswaren eine höhere Abgabe lag als auf denen des täglichen Bedarfs, und dass man die Erzeugnisse, die der Gewerbefleiß der Reichsuntertanen hervorgebracht hatte, mit mehr Nachsicht besteuerte, als dies bei dem schädlichen, oder wenigstens unpopulären Arabien- und Indienhandel geschah. Plinius' Feststellung, (Hist. Nat 6,28 und 12,18) dass die Waren aus Indien in Rom zum Hundertfachen ihres ursprünglichen Preises verhandelt wurden, kann uns einen Eindruck von der Höhe der Zolleinnahmen vermitteln, denn der Einkaufspreis allein betrug mehr als 800.000 Pfund. Uns ist ein langer und dennoch unvollständiger Katalog von den Waren des Ostens überliefert, auf die zur Zeit von Alexander Severus Zölle erhoben wurden: Zimt, Myrrhe, Pfeffer, Ingwer und jedwedes Räucherwerk; die Vielfalt wertvoller Steine, auf denen der Diamant vor allem wegen seines Preises und der Smaragd wegen seiner Schönheit auffiel; Die Alten waren mit der Kunst des Diamantenschleifens nicht vertraut. parthisches und babylonisches Leder, Baumwolle, Seide, beide roh und verarbeitet, Ebenholz, Elfenbein und – Eunuchen. Herr Bouchaud hat in seiner Abhandlung de l'Impot chez les Romains diesen Katalog aus den Digesten übernommen und versucht, ihn mit einem übersprudelnden Kommentar zu veranschaulichen. Wir dürfen hier anmerken, dass der Gebrauch und der Preis dieser weichlichen Sklaven mit dem Niedergang des Reiches immer mehr anstieg.

II. Die Verbrauchssteuer, die Augustus nach den Bürgerkriegen eingeführt hatte, war außerordentlich bescheiden, galt aber eben allgemein. Selten war sie höher als ein Prozent; aber sie betraf alles, was nur auf Märkten oder öffentlich verkauft wurde, vom umfänglichen Landerwerb bis hin zu solchen unscheinbaren Gegenständen, die Bedeutung nur durch ihre unbegrenzte Menge und ihren täglichen Ge- und Verbrauch erhalten. Da eine solche Steuer jeden Menschen direkt betrifft, hat sie schon immer Anlass zur Klage und Unzufriedenheit gegeben. Ein Herrscher, der mit den Bedürfnissen und den Möglichkeiten seines Staates wohlvertraut ist, musste nun durch öffentliche Bekanntmachung erklären, dass die Bezahlung der Armee in großem Umfange von den Einkünften aus der Verbrauchssteuer abhänge. Tacitus, Annalen 1,78. Zwei Jahre später gab die Übernahme des verarmten Königreiches von Kappadokien Tiberius den Anlass, die Verbrauchssteuern auf einen halben Prozentpunkt zu senken; aber diese Ermäßigung war nur von kurzer Dauer.

 

DIE ERBSCHAFTSSTEUER

III. Als sich Augustus zur Einrichtung eines stehenden Heeres zur Abwehr innerer und äußerer Feinde entschloss, führte er eine besondere Kasse ein, aus der die Krieger besoldet, die Veteranen abgefunden und gegebenenfalles die Sonderlasten eines Krieges bestritten werden sollten. Die beträchtlichen Einnahmen aus der Verbrauchssteuer, die ja genau für diese Zwecke bestimmt waren, wurden nun für zu gering befunden. Um das Defizit auszugleichen, schlug der Kaiser einen Steuersatz von fünf Prozent vor. Indessen, der Adel Roms verteidigte seine Besitztümer mit mehr Zähigkeit als seine Freiheit. Ihr indigniertes Murren nahm Augustus mit gewohnter Gemütsruhe auf. Er überließ die ganze Sache dem Senat zur Entscheidung und mahnte ihn nur, auf ebenso zweckdienliche, aber weniger unpopuläre Methoden zugunsten des Militärs zu sinnen. Man war geteilter Meinung und schwieg. Er ließ durchsickern, dass er bei fernerer Widersetzlichkeit sich genötigt sehen werde, eine allgemeine Grundbesitz- und Kopfsteuer vorzuschlagen. Man fügte sich schweigend. Cassius Dio, 55, p. 794 und 56, p. 825. Die neue Steuer, die man auf Erb- und Hinterlassenschaften legte, war jedoch durch verschiedene Einschränkungen gelindert. Sie griff nicht, wenn der Gegenstand unterhalb eines bestimmten Wertes lag, meist fünfzig oder hundert Goldstücke, Die Summe ist nur eine Konjektur. auch konnte sie von den nächsten Verwandten väterlicherseits nicht erhoben werden. Wie das römische Recht für lange Zeit vorsah, waren die Cognati, oder Verwandte mütterlicherseits, von der Erbfolge ausgeschlossen. Dieses massive Unrecht wurde erst allmählich aus Humanitätserwägungen gelockert und schließlich von Justinian völlig aufgehoben. Als nun die Rechte der Natur und der Armut auf solche Weise sichergestellt waren, schien es nur vernünftig, dass ein Fremder oder entfernter Verwandter, dem ein unerwartetes Geschenk in den Schoß gefallen war, seinerseits mit Freuden ein Zwanzigstel davon zum Wohle des Staates abtreten werde. Plinius, Panegyr. 37.

 

DIE KUNST DER AUFWARTUNG UND DER SCHMEICHELEI

Solch eine Erbschaftssteuer, die sich in jedem wohlhabenden Staat als äußerst üppig erweisen muss, passte aufs glücklichste zu den allgemeinen Verhältnissen der Römer, da sie ihren letzten Wille ganz nach Augenblickslaune oder Vernunft festlegen konnten und keinen gesetzlichen Einschränkungen, etwa ein Veräußerungsverbot oder Überschreibung, unterlagen. Aus unterschiedlichen Gründen erwies sich etwa die Voreingenommenheit väterlicher Zuneigung als wehrlos gegen die strengen Patrioten der Republik oder den verkommenen Adel des Kaiserreiches; und wenn nun der Vater seinem Sohn nur ein Viertel seines Eigentums vermachte, gab es keine gesetzliche Handhabe für eine Anfechtung. Heineccius, Antiquitatum Romanorum iurisprudentiam syntagma, Buch 2.

Aber ein reicher und kinderloser Mann war nur ein Haustyrann, und sein Einfluss wuchs mit seinen Jahren und Altersgebrechen. Eine submisse Menge, in der er oftmals auch Prätoren und Konsuln vermuten durfte, sonnte sich in seinem Lächeln, verwöhnte seine Habgier, klatschte seinen Torheiten Beifall, unterstützte seine Leidenschaften und wartete mit Ungeduld auf sein Ableben. Die Kunst der Aufwartung und der Schmeichelei entwickelten sich zu einem äußerst lukrativen Fachwissen; die diesen Beruf ausübten, erhielten eine eigene Bezeichnung; und die ganze Stadt war in zwei Parteien zerfallen, wenn wir denn den lebhaften Schilderungen der Satire glauben dürfen, nämlich die der Jäger und ihres Wildes. Petronius 116ff; Plinius Epist. 2,20. Doch während deren Gerissenheit täglich so viele ungerechte oder ausgefallene letzte Verfügungen diktierte und Dummheit sie unterzeichnete, waren einige wenige das Ergebnis vernünftiger Erwägungen und wohlerwogener Freigebigkeit. Cicero, der so oft Leben und Eigentum seiner Mitbürger verteidigt hatte, wurde mit Legaten von insgesamt einhundertsiebzigtausend Pfund bedacht; Cicero, Philippica 2,16. auch die Freunde von Plinius dem Jüngeren scheinen diesem liebenswerten Redner gegenüber recht generös gewesen zu sein. Vgl. hierzu seine Briefe. Jeder dieser letzten Verfügungen gab ihm eine Gelegenheit, sich vor dem Toten zu verneigen und dem Lebenden sein Recht darzulegen. Er versöhnte beides miteinander und war in seinem Verhalten wie ein Sohn, den seine Mutter enterbt hatte. Was immer nun die Beweggründe des Erblassers gewesen sein mögen, der Fiskus reklamierte unterschiedslos den zwanzigsten Teil des Wertes; und im Verlaufe von zwei oder drei Generationen muss so das gesamte Eigentum der Untertanen einmal durch die Schatullen des Staates hindurchgegangen sein.

 

STADTRÖMISCHES BÜRGERRECHT FÜR PROVINZIALE

In den ersten und goldenen Jahren von Neros Herrschaft ging dieser Kaiser, sei es infolge eines Verlangens nach Popularität, sei es infolge eines unüberlegten Impulses von Güte, mit dem Gedanken um, die Belastungen aus Zoll und Verbrauchssteuern abzuschaffen. Selbst die weisesten Senatoren applaudierten dieser seiner Großherzigkeit: aber sie hielten ihn dennoch von der Ausführung seines Planes ab, welcher den Reichtum und die Ressourcen der Republik unmittelbar betroffen hätte. Tacitus, Annalen 13,50; Montesquieu, der Geist der Gesetze 12,19. Ließe sich so ein überspannter Traum tatsächlich erfüllen, dann hätten solche Herrscher wie Traian oder die Antonine mit Freuden die einmalige Gelegenheit ergriffen und sich die Menschheit durch eine solche Maßregel für immer verpflichtet. Sie gaben sich indessen damit zufrieden, die Steuerbelastungen zu lindern, abschaffen konnten sie sie nicht. Die Milde und die Genauigkeit ihrer Gesetze gab der Durchführung der Besteuerung einige Sicherheit und schützte die Untertanen gleich welcher Stellung gegen willkürliche Auslegung, verjährte Ansprüche und unerträgliche Belastungen durch die Steuerpächter. Plinius, Panegyr. 37, Historia Augusta und Burman de Vectigal, passim. Es hat in der Tat etwas Eigenartiges, dass zu allen Zeiten selbst die weisesten Herrscher Roms diese verderbliche Methode beibehielten, die Haupteinnahmen des Staates, Zölle und Verbrauchssteuern, durch Pacht zu erheben. Nur die eigentlichen Tribute, so die richtige Bezeichnung für Steuern, wurden nicht verpachtet; denn die guten Herrscher erließen sogar oftmals Millionen von Rückständen..

 

DAS EDIKT DES CARACALLA

Die Überlegungen und ganz gewiss die Stellung eines Caracalla waren von denen der Antonine deutlich verschieden. Gegenüber dem Wohlergehen des Volkes war er gleichgültig bis zur Abneigung; indessen war er beständig mit der Notwendigkeit konfrontiert, die Habsucht der Truppe, die er selbst veranlasst hatte, zufrieden zu stellen. Von den verschiedenen Zusatzsteuern, die Augustus eingeführt hatte, wurde das Zwanzigstel auf Erbschaften und Legate als die ergiebigste und umfassendste angesehen. Und da ihr Geltungsbereich nicht auf das eigentliche Rom oder Italien beschränkt war, mussten diese Steuereinnahmen mit dem Wachstum der Stadt zwangsläufig zunehmen. Obwohl die neuen Bürger Roms zu denselben Steuerzahlungen verpflichtet waren Die Situation in den neuen Städten wird minutiös von Plinius beschrieben (Panegyr. 37-39). Trajan erließ ein Gesetz, das für sie sehr vorteilhaft ausfiel. wie zu der Zeit, als sie nur Reichsuntertanen waren, erhielten sie wenigstens eine unverächtliche Gegenleistung durch den Rang, den sie nunmehr innehatten, durch die Privilegien, die ihnen zustanden und durch die Aussicht auf Vermögen und fernere Ehrenstellungen, die ihrem Ehrgeiz offen standen. Aber diese Möglichkeiten, die sich aus dem Erhalt des Bürgerrechtes ergaben, wurden durch Caracallas Verschwendungssucht zunichte gemacht, und widerwillig mussten die Provinzialen den leeren Titel und die realen Verpflichtungen eines Römischen Bürgers übernehmen. Auch war Severus' raffgieriger Sohn nicht zufrieden mit dem Steuersatz, der seinen maßvollen Vorgängern gereicht hatte: anstelle von einem Zwanzigstel legte er ein Zehntel auf alle Erbschaften und Legate; und während seiner Herrschaft (denn nach seinem Tode wurden die ursprünglichen Verhältnisse wieder hergestellt) presste er in gleicher Weise alle Teile des Reiches unter sein eisernes Szepter. Cassius Dio, 77, p. 1295.

 

FOLGEN DES ALLGEMEINEN BÜRGERRECHTES

Da alle Provinzeinwohner den besonderen Steurbelastungen eines Römischen Bürgers unterlagen, hätten sie eigentlich von den Tributen, zu denen vorher sie als Reichsuntertanen verpflichtet waren, ausgenommen werden müssen. Es war indessen dies nicht die Regierungsmaxime des Caracalla und seines angeblichen Sohnes. Die alten wie auch die neuen Steuerlasten lagen nunmehr auf den Provinzialen. Es blieb der Herrschertugend des Alexander Severus vorbehalten, sie im großen Umfang von dieser unerträglichen Doppelbelastung zu befreien, indem er die Tribute auf ein Dreißigstel der Summe verminderte, die zur Zeit seiner Thronbesteigung gegolten hatte. Wer also dreißig Aurei bezahlte, den üblichen Tribut, war nunmehr nur noch zu einem Drittel eines Aureus verpflichtet, und entsprechende Goldstücke wurden auf Alexanders Weisung hin geprägt. Historia Augusta, Alexander 39, nebst Salmasius' Kommentar. Die Motive, die ihn dazu bewogen, einen so unbedeutenden Rest dieses öffentlichen Übels stehen zu lassen, können wir nicht einmal raten; aber das schädliche Unkraut, welches eben nicht vollständig ausgerissen war, erwuchs bald darauf zu üppigster Blüte und verdunkelte die Römischen Welt in den folgenden Jahrhunderten mit ihren tödlichen Schatten. Im Verlaufe der weiteren Geschichte werden wir noch allzu oft genötigt sein, die Grundbesitzsteuer, die Kopfsteuer und alle die schweren Abgaben zu erläutern, welche auf Getreide, Wein, Öl und Fleisch lagen und von den Provinzen aufgebracht werden mussten, den Hof und die Armee zu verköstigen.

Solange noch Rom und Italien als der Mittelpunkt der Regierung angesehen wurden, hielt sich in den alten Städten so etwas wie ein Nationalgeist, welcher auch von den hinzugewonnenen Städten allgemach übernommen wurde. Die Spitzenpositionen in der Armee hatten Männer inne, welche eine liberale Erziehung genossen hatten, die mit den Vorzügen von Gesetz und Wissenschaft vertraut waren und die eine reguläre Zivil- und Militärkarriere hinter sich gebracht hatten. Siehe hierzu die Biographien von Agricola, Vespasian, Trajan, Severus, seinen drei Kontrahenten und eigentlich von allen bedeutenden Männern jener Zeit. Ihrem Einfluss und Vorbild können wir den bescheidenen Gehorsam der Legionen während der ersten zwei Jahrhunderte des Kaiserreiches zuschreiben.

Als aber Caracalla die letzte Schutzwehr der Römischen Verfassung niedergetrampelt hatte, folgte auf die Auflösung des Besitzes die der Rangunterschiede. Nur noch Bürger mit einiger Bildung aus den inneren Provinzen waren qualifiziert, um als Anwälte oder Beamte zu arbeiten. Das raue Waffenhandwerk blieb den Bauern und Barbaren der Grenzmarken vorbehalten, die kein Land kannten, sondern nur ihr Lager, die von keiner Wissenschaft außer der des Krieges, von keinen bürgerlichen Gesetzen und nur wenig von militärischer Disziplin wussten. Mit blutigen Händen, verrohten Sitten und zu allem entschlossen bewachten sie bisweilen den Thron des Herrschers, viel öfter aber bedrohten sie ihn mit Umsturz.


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