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ÖFFENTLICHE VERSTEIGERUNG DES REICHS AN DIDIUS JULIANUS DURCH DIE PRÄTORIANERGARDEN · CLODIUS ALBINUS IN BRITANNIEN, PESCENNIUS NIGER IN SYRIEN UND SEPTIMIUS SEVERUS IN PANNONIEN ERKLÄREN SICH GEGEN DIE MÖRDER DES PERTINAX · BÜRGERKRIEGE UND SIEG DES SEPTIMIUS SEVERUS ÜBER SEINE DREI RIVALEN · NACHLASSEN DER DISZIPLIN · NEUE REGIERUNGSMAXIMEN

 

DIE PRÄTORIANERGARDE

In einer großen Monarchie wird die Macht des Schwertes schmerzlicher empfunden als in einer kleinen Kommune. Kompetente Politiker haben geschätzt, dass kein Staatswesen es ohne die Gefahr eines baldigen Zusammenbruchs verkraften kann, wenn mehr als ein Hundertstel seiner Einwohner unter Waffen steht oder müßig geht. Aber selbst wenn dieser Prozentsatz mehr oder minder gleichbleibend ist, so wird seine Auswirkung auf den Rest der Gesellschaft doch stark von ihrer inneren Stärke abhängen. Der Nutzen des Militärs und seiner Disziplin bleiben wirkungslos, wenn die angemessene Anzahl Soldaten nicht in einer Armee und unter einem Geist vereinigt ist. Nur mit einer Handvoll Kriegern würde eine solche Verbindung wirkungslos bleiben; eine ungefüge Masse hingegen wäre nicht mehr zu lenken; und ebenso würde ihre Dynamik an ihrer Kleinheit respektive an ihrem schieren Eigengewicht zuschanden gehen. Um dies zu illustrieren, müssen wir uns nur vergegenwärtigen, dass kein einzelner Mann mit seinen naturgegebenen Kräften allein, mit Waffen oder erlernten Kunstgriffen imstande ist, hundert seiner Mitgefährten dauerhaft zu unterdrücken; der Tyrann einer Stadt oder eines kleineren Gebietes würde alsbald entdecken, dass eine Gefolgschaft von einhundert Bewaffneten gegen zehntausend Bauern oder Bürger vergleichsweise wehrlos ist. Aber einhunderttausend straff disziplinierte Söldner können ohne weiteres mit despotischem Nachdruck über zehn Millionen Untertanen gebieten; und ein Verband von zehn- oder fünfzehntausend Wachmannschaften kann Terror ausüben über die größte Masse, die jemals die Straßen einer Hauptstadt bevölkert hat.

Die Prätorianer, deren unkontrollierbare Ausbrüche das erste Anzeichen und die erste Ursache für Roms Untergang waren, erreichten kaum die zuletzt genannte Zahl. Es waren ihrer ursprünglich 9.000–10.000 Mann (Tacitus und Cassius Dio stimmen in diesem Punkt nicht überein) und wurden in die entsprechende Anzahl von Kohorten zu je 1.000 Mann unterteilt. Vitellius stockte sie auf 16.000 auf, und soweit wir es den Inschriften entnehmen können, sind sie danach niemals wieder unter diese Zahl gesunken. Vgl. Lipsius, de magnitutine Romana 1, c.4. Aufgestellt wurde diese Einheit von Augustus. Es war sich dieser raffinierte Tyrann durchaus bewusst, dass Gesetze seine usurpierte Alleinherrschaft zwar schmücken, aber nur Waffen sie schützen könnten, und so hatte er Schritt für Schritt diese schlagkräftige Truppe zusammengestellt, die ständig bereit sein musste, seine Person zu beschirmen, den Senat einzuschüchtern und jedweder Unruhe vorzubeugen oder jedes erste Anzeichen davon zu zertreten. Er zeichnete diese Elitesoldaten durch doppelten Sold und ansehnliche Vorrechte aus; da aber ihr beängstigendes Erscheinungsbild die römischen Bürger alarmiert oder zumindest beunruhigt haben würde, waren in der Stadt immer nur drei Kohorten zugleich stationiert; die übrigen waren auf die umgebenden Städte verteilt. Sueton, Augustus 4.

 

LAGER DER PRÄTORIANER IN ROM

Erst nach fünfzig Jahren friedlicher Sklaverei ließ Tiberius sich die entscheidende Maßnahme einfallen, welche seinem Land für alle Zeiten die Fesseln anlegte: unter dem unschuldigen Vorwand, Italien von den schweren Belastungen durch das Militär zu befreien und dadurch gleichzeitig die Garde einer strengeren Disziplin zu unterwerfen, wurden sie in Rom in einer festen Kaserne stationiert, Tacitus, Annalen 4,2; Sueton, Tiberius 37; Cassius Dio, 57, p.867. deren Verteidigungsanlagen sorgfältig Im Bürgerkrieg zwischen Vitellius und Vespasian wurde die Prätorianerkaserne mit allen Belagerungsmaschinen angegriffen und verteidigt, welche auch bei der Belagerung von wohlbefestigten Städten eingesetzt werden (Tacitus, Historien 3,84). ausgeführt und deren Lage strategisch vorteilhaft Dicht vor den Stadtmauern, auf dem breiten Bergrücken von Quirinal und Viminal. Siehe Nardini, Roma antica, p. 174; Donati, Roma vetus ac recens, p. 46. war.

 

IHRE STÄRKE UND SELBSTBEWUSSTSEIN

Solche furchtbaren Knechte sind dem Thron des Despoten immer unentbehrlich, oftmals aber auch verhängnisvoll. Indem nun die Kaiser den Prätorianern gleichsam den Zugang zum Palast und zum Senat gewährten, lernten diese, sich allmählich ihrer eigenen Stärke und der Schwäche der Zivilregierung bewusst zu werden; wie auch über die Untugenden ihrer Herren mit kumpelhafter Missachtung hinwegzusehen und jene ehrfürchtige Scheu der abstrakten Macht gegenüber abzulegen, die nur bei großer räumlicher und mystifizierender Distanz entstehen kann. In der luxusschwangeren Trägheit einer wohlhabenden Stadt kultivierten sie ihre Arroganz noch zusätzlich durch das Bewusstsein ihrer eigenen Stärke. Und so konnte es ihnen auf lange Sicht nicht verborgen bleiben, dass die Person des Herrschers, das Ansehen des Senates, der Staatsschatz, mithin der Mittelpunkt des ganzen Imperiums, eigentlich in ihrer Hand lagen. Um die Prätorianerbande von solch ungesunden Gedanken abzubringen, mussten auch charakterfeste und angesehene Herrscher dienstliche Befehle mit Schönrede und Strafen mit Belohnungen schmackhaft machen, ihrer Hoffahrt schmeicheln, bei ihren Disziplinlosigkeiten nicht hinsehen und bei ihren kleinen Übertretungen ein Auge zudrücken, um auf diese Weise und durch großzügige Donative ihre bedingungslose Anhänglichkeit zu erkaufen; welch letztgenanntes Geschenk seit der Thronbesteigung des Claudius in der Art eines Gewohnheitsrecht von jedem neuen Herrscher eingefordert wurde. Claudius, den Soldaten zum Herrscher ernannt hatten, sollte als erster solche Geldgeschenke oder Donative leisten. Er zahlte quina dena, &pound;120 Pfund (Sueton, Claudius 10); als Marcus Antoninus zusammen mit Lucius Verus in aller Stille den Thron bestieg, gab er vicena oder &pound; 160 Pfund an jeden Gardesoldaten (Historia Augusta, Marcus Antoninus 7; Cassius Dio 73,p. 1231); eine Vorstellung von der Größe dieser Summe erhalten wir, wenn wir Hadrians Klage hören, ihn habe die Ernennung zum Cäsar ter millies, zwei und eine halbe Millionen Pfund Sterling gekostet..

 

IHRE ANMASSUNG

Die Befürworter der Garden brachten es über sich, ihre auf Waffen beruhende Machtfülle mit Argumenten zu verteidigen; dabei versteiften sie sich darauf, dass – in Übereinstimmung mit den lautersten Verfassungsgrundsätzen – ihre Zustimmung bei der Ernennung neuer Herrscher notwendig sei. Die Wahl von Konsuln, Generälen, Beamten – selbst wenn sich jüngst der Senat dieses Recht angeeignet habe – sei ja nun das althergebrachte und unbestrittene Anrecht des Römischen Volkes. Cicero, de legibus 3,3. Das erste Buch von Livius und das zweite des Dionysios von Halikarnassos zeigen die Macht des Volkes selbst noch bei Königswahlen. Aber wo sei denn dieses Römische Volk zu finden? Ganz gewiss nicht unter jener buntgewürfelten Masse von Sklaven und Fremden, welche die Straßen von Rom bevölkerten; ein Haufen von Sklavenseelen, ebenso geist- wie mittellos. Die Verteidiger des Staates indessen, auserlesen aus der Blüte der italischen Jugend, Ursprünglich wurden sie in Latium, Etrurien und den alten Kolonien rekrutiert. Kaiser Otho schmeichelt ihrer Eitelkeit mit den leeren Titeln Italiae alumni, Romana vere iuventus. [Kinder Italiens, Roms wahre Jugend]. in der hohen Schule der Tugend und des Waffenhandwerks aufgebracht: dies seien die eigentlichen Vertreter des Volkes und berufen, den militärischen Leiter der Republik zu erkiesen. So schwach diese Behauptungen auch begründet sein mochten, es war ihnen spätestens in dem Moment nicht mehr beizukommen, als die Prätorianer ihnen Nachdruck verliehen, indem sie, wie einst der barbarische Eroberer Roms, ihr Schwert in die Waagschale warfen. Während der Belagerung Roms durch die Gallier, siehe Livius 5,48 und Plutarch, Camillus 29.

Die Prätorianer hatten die Heiligkeit des Throns durch die brutale Ermordung des Pertinax geschändet; sie entehrten zusätzlich seine Würde durch ihr anschließendes Verhalten. Die Kaserne war ohne Kommandanten, weil selbst der Präfekt Laetius, der ja den Sturm entfacht hatte, der öffentlichen Empörung aus dem Wege zu gehen klug genug war. Inmitten des wilden Aufruhrs bemühte sich des Kaisers Schwiegervater und Stadtpräfekt Sulpicius darum, den Zorn der Menge zu beruhigen – er war bei den ersten Anzeichen der Meuterei in die Kasernen geschickt worden – als er durch die geräuschvolle Rückkehr der Mörder zum Schweigen gebracht wurde, welche auf einer Lanzenspitze den Kopf des Pertinax trugen. Obwohl uns die Geschichte an die Tatsache gewöhnt hat, dass sich jedes Prinzip und jeder Idealismus dem Diktat des Ehrgeizes unterordnet, mag man es dennoch kaum glauben, dass in diesen Augenblicken des Entsetzens Sulpicius das Gelüste angewandelt haben soll, den Thron zu erklimmen, welcher mit dem Blute eines nahen Verwandten und so ausgezeichneten Herrschers besudelt war. Er hatte indessen schon angefangen, das einzige wirksame Argument zu gebrauchen und um die Kaiserwürde zu markten; als aber die wachsameren der Prätorianer gewahr wurden, dass sie bei diesem Geschäfte nicht den angemessenen Preis für die gebotene Ware erhalten würden, stürmten sie den Wall und ließen sich lauthals vernehmen, dass die römische Welt in einer öffentlichen Auktion dem Meistbietenden angeboten werde solle. Cassius Dio 73,1234; Herodian 2,6; Historia Augusta, Didius Iulianus 2. Obwohl diese drei Historiker darin übereinstimmen, dass es in der Tat eine Auktion war, besteht allein Herodian darauf, dass sie von den Soldaten als eine solche proklamiert worden sei.

 

VERSTEIGERUNG DES REICHES AN DIDIUS JULIANUS 28. MÄRZ A.D. 193

Dieses ungeheuerliche Angebot, dieser unverschämteste Auswuchs militärischer Zügellosigkeit rief in der Stadt allgemeine Bestürzung, Scham und Empörung hervor. Diese Klagen nun erreichten auch das Ohr des Didius Julianus, eines wohlhabenden Senators, welcher, der öffentlichen Kalamitäten ungeachtet, sich gerade opulenten Tafelgenüssen widmete. Spartianus mildert in seiner Darstellung die übelsten Einzelheiten von Julians Erhebung und Charakter. Sein Weib und seine Tochter, seine Freigelassenen und die Schmarotzer überzeugten ihn leichthin, dass der Thron nur ihm zustehe und beschworen ihn, schon etwas nachdrücklicher, eine solche Glücksgelegenheit beim Schopfe zu packen. Der törichte alte Mann eilte in die Prätorianerkaserne, wo Sulpicius noch mit den Prätorianern feilschte, und begann am Fuße der Wallanlagen mit seinen Gegengeboten. Diese würdelose Unterhandlung wurde mit Hilfe von Emissären ihres Vertrauens geführt, welche zwischen den beiden Kandidaten für und wider eilten, den anderen von dem jeweils letzten Gebot seines Mitbieters zu unterrichten. Sulpicius war bereits bei einem Donativ von fünftausend Drachmen (etwa einhundertundsechzig Pfund) pro Soldat angekommen, als Julian, dem es sehr nach der Krone gelüstete, mit einem Schlag auf sechstausendzweihundertfünfundzwanzig Drachmen – etwas mehr als zweihundert Pfund Sterling – für jeden Soldaten erhöhte. Alsgleich wurden die Kasernentore dem Erwerber aufgetan; er ward zum Imperator ernannt, empfing den Treueeid von den Soldaten, welche sogar noch soviel Rest-Anstand besaßen, um ihm aufzuerlegen, des Sulpicius' Mitbewerbung zu vergeben und zu vergessen.

 

SENAT ERKENNT IULIANUS AN

Nunmehr oblag es den Prätorianern, ihren Part bei dem Handel zu erfüllen. Sie stellten den neuen Imperator, dem sie gehorchten und den sie verachteten, in ihrer Mitte auf, umgaben ihn von allen Seiten mit ihren Schilden und führten ihn in geschlossener Schlachtformation durch die leerstehenden Straßen der Stadt. Der Senat wurde zusammenbefohlen, und diejenigen, welche die ausgewiesenen Freunde des Pertinax oder die persönlichen Feinde des Julianus waren, hielten es für geboten, ihrer mehr als nur konventionellen Befriedigung über diesen glückhaften Umschwung Ausdruck zu verleihen. Cassius Dio, zu dieser Zeit Prätor, war ein persönlicher Feind des Julianus (73, p.1235). Nachdem nun Julianus das Senatsgebäude mit Bewaffneten gefüllt hatte, erging er sich über die Freiwilligkeit seiner Wahl, seine persönlichen Vorzüge und seine unbedingte Ergebenheit dem Senat gegenüber. Die Versammlung beglückwünschte sich fügsam zu ihren und des Staates Glücksumständen, erneuerten ihre Treueversprechen und übertürmten ihn mit all den verschiedenen Aufgabenbereichen kaiserlicher Machtvollkommenheit. Historia Augusta, Didius Iulianus 3,10. Wir erfahren bei dieser Gelegenheit das schnurrige Detail, dass der neue Imperator, von welcher Herkunft auch immer er sein mochte, unverzüglich unter die patrizischen Familien gerechnet wurde. Vom Senat ging's dann mit derselben militärischen Eskorte zum Palast, auf dass auch von ihm Besitz ergriffen werde. Das erste, was er dort sehen musste, war der zurückgelassene Rumpf des Pertinax und dessen frugale Vorbereitungen für das Abendessen. Das Erstere gewahrte er mit Fassung, das Zweite mit Verachtung. Ein prächtiges Fest ward auf sein Geheiß vorbereitet; er amüsierte sich bei Würfelspiel und den Aufführungen des Pylades, eines gefeierten Tänzers, bis es ziemlich spät wurde. Nachdem die Schar der Schranzen sich verlaufen und ihn der Dunkelheit, dem Alleinsein und grässlichen Nachtgedanken überlassen hatte, verbrachte er, wie allgemein vermerkt wurde, eine schlaflose Nacht. Vermutlich gingen ihm seine eigene unbedachte Torheit und das Schicksal seines besseren Vorgängers im Kopf herum, und wohl auch der Gedanke an den zweifelhaften und sogar gefährlichen Besitz an einem Imperium, das er nicht durch Verdienst erworben, sondern durch Geld erschachert hatte. Cassius Dio 73, p.1235; Historia Augusta, Didius Iulianus 3,10. Ich war bemüht, zwischen den offenkundigen Widersprüchen beider Autoren zu vermitteln..

 

EMPÖRUNG DES VOLKES UND DER TRUPPEN

Anlässe zum Zittern hatte er genug. Er fand sich auf dem Thron der Welt ohne Freund und sogar ohne Anhänger. Der Garde selbst war dieser Herrscher peinlich, den zu wählen nur ihre Habgier sie verlockt hatte; in der Stadt gab es keinen Bürger, der nicht mit Schaudern auf diese so genannte Wahl geblickt hätte, dem vorerst letzten Anschlag auf den Namen Roms. Der Adel, dem seine heikle Stellung und weitläufigen Besitztümer die sorgfältigste Voraussicht abverlangten, verhehlte seine wahren Gefühle, begegnete der verkrampften Höflichkeit des Herrschers mit selbstzufriedenem Grinsen und bekannte sich zu seiner Pflicht. Das Volk indessen ließ seinen Gefühlen freieren Lauf, da es sich in der Anonymität der Masse aufgehoben wusste. Märkte und Straßen hallten von Geschrei und Verwünschungen wider. Die aufgebrachte Menge richtete ihre Wut gegen die Person des Julian, achtete seiner Großzügigkeit nicht und rief, da sie sich der Ohnmacht ihres Hasses durchaus bewusst war, nach den Grenzlegionen, für die beleidigte Majestät des Reiches einzutreten.

 

TRUPPEN IN BRITANNIEN, SYRIEN UND PANNONIEN GEGEN IULIANUS

In der Tat breitete sich die Unzufriedenheit des Publikums rasch vom Mittelpunkt zur Peripherie des Reiches aus. Die britannischen, syrischen und illyrischen Armeen beklagten den Tod des Pertinax, mit und unter dem sie oft und erfolgreich gefochten hatten. Mit Überraschung, Empörung und wohl auch mit Neid hatten sie die unfassbare Neuigkeit erfahren müssen, dass die Prätorianer das Reich in einer öffentlichen Auktion losgeschlagen hätten; entschieden weigerten sie sich, diesen würdelosen Schacher anzuerkennen. Ihre sofortige und einmütige Erhebung war für Julian fatal, fataler aber noch für den öffentlichen Frieden; denn die Generäle der jeweiligen Armeen, Clodius Albinus, Pescennius Niger und Septimius Severus waren mehr an der Nachfolge als an der Rache des ermordeten Pertinax interessiert. Ihre Truppenstärken waren genau ausgeglichen. Jeder stand an der Spitze von drei Legionen Cassius Dio, 73,1235. sowie mehreren Hilfskontingenten. Und so unterschiedlich sich auch ihre Charaktere darstellten, sie waren alle drei Soldaten mit Erfahrung und Wissen.

 

CLODIUS ALBINUS

Clodius Albinus, Statthalter von Britannien, hatte seinen Mitbewerbern immerhin seine adlige Herkunft voraus, die er auf einigen der achtbarsten Namen der alten Republik zurückführte. Den Postumianischen und Ceiotanischen; wovon erstere das Konsulat schon im fünften Jahre nach seiner Einführung innegehabt hatten. Der Seitenzweig, von dem abzustammen er beanspruchte, war in beschämende Umstände gesunken und in eine abgelegene Provinz entfernt worden. Von seinem wahren Charakter lässt sich schwer ein Bild zeichnen. Man warf ihm vor, unter dem Gewande philosophischer Strenge nahezu alle Laster zu verbergen, welche die Natur des Menschen korrumpieren. Spartianus hat in seiner kritiklosen Sammlung alle Tugenden und Laster der menschlichen Natur zusammengerührt und damit dann ein und dieselbe Person überschüttet. Von diesem Format sind die meisten Charakterbilder der Historia Augustea. Aber seine Ankläger sind Lohnschreiber, welche das Glück eines Severus beweihräuchern und der Leiche seines unglückseligen Rivalen Fußtritte versetzen. Mit Tugend, oder doch wenigstens dem Anschein davon hatte sich Albinus dem Vertrauen und dem Wohlwollen des Marc Aurel empfohlen; und dass ihn mit dem Sohn dieselben Interessen verbanden wie mit dem Vater, beweist zumindest, dass er das Talent zu äußerster Geschmeidigkeit besaß. Die Gunst eines Tyrannen ist nicht immer gleichbedeutend mit einem Mangel an Verdienst ihres Objektes. Er kann einen Mann von Charakter und Fähigkeiten belohnen oder für seine Dienste nützlich befinden. Aber nichts spricht dafür, dass Albinus dem Sohne des Marcus als Komplize bei seinen Verbrechen oder als Kumpane seiner Vergnügungen zur Seite gestanden hätte. Er hatte ein ehrenvolles, entferntes Kommando inne, als er einen vertraulichen Brief des Kaisers erhielt, in welchem ihm die verräterischen Umtriebe einiger unzufriedener Generäle eröffnet wurden und die ihm Vollmacht gaben, sich selbst durch Annahme des Titels und der Insignien eines Cäsars zum Retter und Thronnachfolger zu machen. Historia Augusta, Clodius 2 und 6. Klüglich schlug der Gouverneur Britanniens diese gefährliche Ehre aus, die ihn entweder den Nachstellungen des Commodus ausgeliefert oder in dessen absehbaren Untergang verwickelt haben würde. Die Kunstgriffe, mit denen er der Macht nachstrebte, waren vornehmer oder zumindest eleganter. Auf die vorzeitige Nachricht von des Kaisers Tod hieß er die Truppen sich versammeln; in beredter Ausführlichkeit beweinte er die naturnotwendigen Missbräuche des Despotismus, malte ihnen die Glücks- und Ruhmesumstände ihrer Vorfahren aus, derer sie unter konsularischer Herrschaft genossen hätten, und erklärte seine feste Bereitschaft, Senat und Volk wieder in ihre hergebrachten Rechte einzusetzen. Dieser populären Suada stimmten die britannischen Legionen mit viel Geräusch und die Stadtrömer mit heimlichem Beifalls-Murmeln zu. Sicher im Besitz seiner kleinen Welt und mit dem Kommando über eine Armee, die sich allerdings mehr durch Disziplinlosigkeit als durch Größe oder Heldentaten ausgezeichnet hatte, Pertinax, der Britannien ein paar Jahre vorher verwaltet hatte, wurde in einer Meuterei von den Soldaten für tot liegengelassen. Aber sie mochten ihn und bereuten ihr Tun; admirantibus eam virtutem cui irascebantur. [...bewunderten sie die Tugend, die sie verabscheuten]. bot Albinus den Anwandlungen des Commodus die Stirn, beobachtete Pertinax gegenüber höfliche, wenn auch unbestimmte Zurückhaltung und erklärte sich alsgleich gegen Julians Thronerwerbung. Die Umwälzungen in der Hauptstadt belebten neuerlich seine früheren patriotischen Empfindungen, oder besser Bekenntnisse. Herzensanstand bestimmte ihn, die hochmögende Titulatur eines Augustus oder Imperators abzulehnen, und vermutlich eiferte er hierin dem Galba nach, welcher bei einer vergleichbaren Gelegenheit sich selbst nur Leutnant von Senat und Volk genannt hatte. Sueton, Galba 10.

 

PESCENNIUS NIGER SEPTIMIUS SEVERUS

Pescennius Niger hatte sich aus einfacher Herkunft allein durch persönliches Verdienst zum Gouverneur von Syrien emporgearbeitet; ein einträgliches und wichtiges Kommando, welches ihn in Zeiten bürgerlicher Unruhen in die Nähe des Thrones rückte. Seine Fähigkeiten indessen hätten besser zu einer Neben- als zu einer Hauptrolle gepasst; er war kein ebenbürtiger Rivale, auch wenn er sich später dem Severus als ausgezeichneter Befehlshaber hätte empfehlen können; dieser nämlich war weitdenkend genug und übernahm von seinem unterlegenen Gegner verschiedene Einrichtungen. Historia Augusta, Pescennius Niger p. 76. Während seiner Verwaltung gewann Niger die Wertschätzung seiner Soldaten und die Zuneigung der Provinzialen. Seine strenge Disziplin erhöhte die Kampfkraft und den Gehorsam der ersteren, während die sinnenfrohen Syrier nicht so sehr an der zuverlässigen Korrektheit seiner Verwaltung ihre Freude hatten als vielmehr an seiner Volkstümlichkeit und dem sichtlichen Vergnügen, mit welchem er ihren zahlreichen und üppigen Festen Herodian, 2,7. Die Chronik des Johannes Malala von Antiochia schildert die Hingabe seiner Landsleute an derlei Lustbarkeiten, welche ihrem Aberglauben und ihrer Lust am Vergnügen gleichermaßen entgegenkamen. beiwohnte. Sobald die Nachricht von der heimtückischen Ermordung des Pertinax Antiochia erreicht hatte, forderte Asien den Pescennius Niger auf, den Purpur anzulegen und seinen Tod zu rächen. Die Legionen der Ostgrenzen nahmen sich des Falles an; die reichen, wenn auch unbewaffneten Provinzen von den Grenzen Äthiopiens Ein König von Theben in Ägypten wird in der Historia Augusta als Alliierter und Freund des Niger genannt. Falls Spartianus nicht irrt, wie ich stark argwöhne, ist er der Entdecker einer Dynastie von tributpflichtigen Fürsten, was der Geschichte sonst völlig unbekannt ist. bis zur Adria schlossen sich freudig erregt seiner Macht an; die Könige jenseits von Euphrat und Tigris beglückwünschten ihn zu seiner Wahl und boten ihm beides, Anerkennung und Unterstützung. Nigers Gemüt jedoch war außerstande, diese plötzliche Fülle des Glücks angemessen auszubeuten; er redete sich ein, seine Erhebung könne durch Neider oder Blutvergießen nicht wesentlich gestört werden; und während er sich an der leeren Prachtentfaltung seines Triumphes erfreute, vernachlässigte er darüber die Sicherung seines Erfolges. Anstelle mit den Armeen des Westens in zweckdienliche Verhandlungen einzutreten, deren Ergebnisse diesen großen Streit wo nicht entscheiden, so doch im Gleichgewicht hätten halten können; anstelle ohne Verzug nach Rom und Italien aufzubrechen, wo seine Anwesenheit schmerzlich vermisst Cassius Dio, 73, p. 1238 und Herodian, 2,7. Ein geflügeltes Wort aus jener Zeit scheint die allgemeine Einschätzung der drei Rivalen auszudrücken: Optimus est Niger, bonus Afer, pessimus Albus. [Der beste ist der Schwarze, gut der Afrikaner, am schlechtesten der Weiße]. wurde, vertändelte Niger im Wohlleben Antiochias die unwiederbringlichen Momente, welche durch die entschlossenen Maßnahmen des Severus planmäßig ausgenutzt wurden. Herodian 2,8.

 

PANNONIEN UND DALMATIEN

Pannonien und Dalmatien, gelegen im Gebiet zwischen Donau und Adria, war eine der letzten und schwierigsten Eroberungen Roms. Im Laufe der Verteidigung ihrer nationalen Freiheit hatten einst zweihunderttausend dieser Barbaren im Feld gestanden, die sich neigenden Jahre des Augustus in Unruhe versetzt und die aufmerksame Umsicht des Tiberius an der Spitze der vereinigten Kriegsmacht des Reiches herausgefordert. Vgl. dazu den Bericht über diesen denkwürdigen Krieg von Velleius Paterculus (2,119f.), der selbst im Heer des Tiberius dient. Die Pannonier fügten sich allmählich den römischen Waffen und Einrichtungen; ihre jüngste Unterwerfung jedoch, ihre Nachbarschaft und möglicherweise sogar der vereinigte Einfluss von noch unabhängigen Stämmen und dem Klima, welches, wie man angemerkt hat, geeignet ist, Leibesstärke und Geistesträgheit Dies die Anmerkung von Herodian (2,9). Ob die Österreicher der Gegenwart wohl auch diesen Einflüssen unterliegen? zu erzeugen: dieses alles trug dazu bei, dass Restbestände urtümlicher Wildheit sich erhielten und unter dem Gewande römischer Wohlanständigkeit die archaisch-derben Wesenszüge der Landeskinder nach wie vor erkennbar waren. Ihre kriegsfrohe Jugend stellte unerschöpflichen Nachschub an Rekruten für die Donaulegionen und zählte infolge der ewigen Kriegszüge gegen die Germanen und Sarmatianer zu den besten Truppen unter den Waffen.

 

SEPTIMIUS SEVERUS

Zu jener Zeit stand die pannonische Armee unter dem Oberbefehl des Septimius Severus, eines gebürtigen Afrikaners, hinter dessen persönlich-privater Ehrenhaftigkeit sich hochfliegende Ambitionen verborgen hielten, die weder durch die Verlockungen des Vergnügens, noch durch Angst vor Gefahren oder Anwandlungen von Menschlichkeit In dem bereits erwähnten Brief an Albinus bezeichnet Commodus den Serverus als einen jener ehrgeizigen Generäle, die seine Amtsführung verurteilten, weil sie seinen Platz einnehmen wollten (Historia Augusta, Clodius 2). von ihrem Ziel abgelenkt wurden. Auf die erste Nachricht von der Ermordung des Pertinax versammelte er seine Truppen, malte in den grellsten Farben das Verbrechen aus sowie die Dreistigkeit und die gleichzeitige Unfähigkeit der Prätorianergarden und rief die Legionen zu Waffentaten und Rache auf. Er schloss (und der Schluss der Rede soll ja immer besonders überzeugend sein) mit dem Versprechen von vierhundert Pfund für jeden Soldaten, ein respektables Geldgeschenk, doppelt so hoch wie das schäbige Bestechungsgeld, mit der Julian das Reich erkauft hatte. Pannonien war zu arm, um eine solche Summe aufzubringen. Sie wurde vermutlich im Militärlager versprochen und in Rom bezahlt; nach dem Sieg. Bezüglich der Summe habe ich mich den Schätzungen in Casaubons Kommentar angeschlossen. Siehe auch Historia Augusta, Verus 5. Das Beifallsgelärme der Armee belegte Severus sofort mit den Namen Augustus, Pertinax und Kaiser; und so erreichte er die hochragende Stellung, zu der ihn planmäßiges Handeln ebenso qualifiziert hatte wie eine lange Serie von Träumen und Glückszeichen, den fruchtbaren Kindern seines Aberglaubens oder seiner Politik [A.D. 193]. Herodian 2,11. Septimius Severus wurde am Donauufer zu Kaiser ausgerufen, entweder in Carnutum, wie Spartianus berichtet (Historia Augusta, Verus 5), oder in Sabaria, laut Aurelius Victor (Caesares 20,1). Mr. Hume hat mit den Annahmen, dass Severus wegen seiner niedrigen Geburt für die Krone viel zu unbedeutend gewesen und nach Italien nur als einfacher General marschiert sei, diese Vorgänge nicht mit seiner sonstigen Genauigkeit erfasst (Essay on the original contract).

 

PANNONISCHE LEGIONEN RUFEN IHN ZUM KAISER AUS

Der neue Thronkandidat erfasste und nutzte den Vorteil seiner Situation. Seine Provinz reichte bis zu den Julischen Alpen, welche einen bequemen Zugang nach Italien eröffneten; und er erinnerte sich an ein Zitat von Augustus, ›dass eine pannonische Armee binnen zehn Tagen in Sichtweite von Rom erscheinen könne.‹ Velleius Paterculus, 2,111. Wir sollten den Marsch vom nächstliegenden pannonischen Grenzpunkt bis zum Weichbild Roms auf etwa zweihundert Meilen veranschlagen. Nach einem Gewaltmarsch, der zu der Bedeutung des Ereignisses im rechten Verhältnis stand, mochte er vernünftigerweise hoffen, Pertinax zu rächen, Julian zu bestrafen und von Senat und Volk die gebührenden Ehrungen als der rechtmäßiger Herrscher zu empfangen, bevor seine Konkurrenten, von Italien durch gewaltige Land- und Wassermassen getrennt, von seinem Erfolg oder auch nur seiner Ernennung überhaupt erfahren hätten. Während des ganzen Unternehmens gönnte er sich kaum einen Augenblick Schlaf oder eine Essenspause. Zu Fuß, in voller Rüstung und immer an der Spitze der Marschkolonnen schlich er sich unbemerkt in das Vertrauen und die Zuneigung seiner Soldaten, spornte ihren Eifer, belebte ihren Geist, beseelte ihre Hoffnungen und war sich nicht zu schade, die Strapazen des Geringsten unter ihnen zu teilen, während ihm selbst sein unermesslich hohes Ziel vor Augen schwebte.

 

JULIANS PANIK SEIN TOD A.D. 193 SEVERUS KAISER

Julian in seiner Erbärmlichkeit hatte erwartet und glaubte sich auch vorbereitet, mit dem Gouverneur Syriens eine Auseinandersetzung um den Thron bestehen zu können; aber in dem unwiderstehlich raschen Anmarsch der pannonischen Legionen erkannte er seinen unabwendbaren Untergang. Seine begründeten Besorgnisse wurden durch das beständige Eintreffen von Eilnachrichten nur noch vergrößert. So erfuhr er nacheinander, dass Severus die Alpen überquert habe; dass die italienischen Städte, denen Neigung und Handhabe fehlten, seinen Vormarsch aufzuhalten, ihn mit den wärmsten Freuden- und Ergebenheitsbezeigungen empfangen hätten; dass die wichtige Stadt Ravenna ohne Widerstand sich ihm ergeben habe und dass sich die Adriaflotte in der Hand des Eroberers befinde. Der Feind stand nur noch einhundertundfünfzig Meilen vor Rom; und mit jeder Stunde verringerte sich die kleine Spanne, die Julian zum Leben und Herrschen noch gegönnt war.

Gleichwohl versuchte er seinen Untergang zu vereiteln oder doch wenigstens hinauszuzögern. Er bettelte um die käufliche Treue der Prätorianer, verstopfte die Stadt mit sinnlosen Kriegszurüstungen, stellte um die Vorstädte Wachposten auf und ließ sogar die Befestigungsanlagen um den Palast verstärken; als ob derlei letzte Verschanzungen, ohne irgendeine Hoffnung auf Entsatz, gegen einen siegreichen Eindringling hätten verteidigt werden können. Einzig aus Angst und Scham blieben die Prätorianer noch auf ihren Posten; aber sie erbebten vor dem Namen der pannonischen Legionen, die einem bewährten General unterstanden und gewohnt waren, Barbaren auf der gefrorenen Donau Dies ist keineswegs eine kindische rhetorische Figur, sondern eine Anspielung auf eine von Cassius Dio mitgeteilte Tatsache (71, p. 1181). Es ist dies wohl mehr als nur einmal vorgekommen. zu Paaren zu treiben. Mit Seufzen verabschiedeten sie sich von den Freuden der Bäder und des Theaters, um die Waffen anzulegen, deren Gebrauch sie fast verlernt hatten und unter deren Gewicht sie schier erdrückt wurden. Die Elefanten, deren ungeschlachtes Äußere in den Armeen aus dem Norden, wie man hoffte, Schrecken verbreiten sollte, waren völlig aus der Übung und warfen ihre ungeschickten Reiter ab; und die peinlichen Manöver der Flotte, die man aus Misenum herangezogen hatte, gaben dem Volke allenfalls Gelegenheit zu mancherlei Gelächter; währenddessen der Senat sich mit klammheimlicher Freude an der Verzweiflung und Ohnmacht des Usurpators weidete. Cassius Dio, 73,16 und Herodian, 2,11. Es gibt kein zuverlässigeres Indiz für den guten Zustand des römischen Militärs als dieses Unterfangen, zunächst den unbegründeten Schrecken vor den Kriegselefanten zu überwinden, um anschließend ihren heiklen Einsatz zu verschmähen.

Jede Maßnahme Julians verriet nur seine bebende Unruhe. Er bestand darauf, dass der Senat Severus zum Staatsfeind erkläre. Er flehte darum, dass der General aus Pannonien Mitregent werde solle. Er schickte Unterhändler von konsularischem Rang zu seinem Gegner; er schickte auf eigene Kosten bezahlte Mörder, ihm das Leben zu nehmen. Er verfiel auf den Gedanken, dass die Vestalischen Jungfrauen und alle Priesterkollegien in ihren religiösen Trachten, die geheiligten Insignien des römischen Glaubens vor sich hertragend, in feierlichem Aufzuge den pannonischen Legionen entgegen gehen sollten; während er zu gleicher Zeit vergeblich versuchte, das Schicksal durch magische Vorkehrungen und verbotene Opfer zu beschwören oder wenigstens zu beschwichtigen. Historia Augusta, Didius Iulianus 5 und 6.

 

PRÄTORIANER VERLASSEN IULIANUS

Severus, der weder dessen Waffen noch Beschwörungen fürchtete, schützte sich vor der einzig denkbaren Gefahr einer Verschwörung durch die ergebene Wachsamkeit von sechshundert handverlesenen Männern, die ihn und ihre Waffen während des ganzen Marsches Tag und Nacht nicht verließen. In unaufhaltsamen Eilmärschen überquerte er problemlos die Pässe des Apennin, nahm in seinem Heereszug alle Truppen und Gesandtschaften auf, die seinen Siegeslauf aufzuhalten gekommen waren und machte erst bei Interamna, etwa siebzig Meilen vor Rom, einen kurzen Aufenthalt. Der Sieg war ihm bereits sicher; die Prätorianer in ihrer Ausweglosigkeit hätten ihn noch mit viel Blutvergießen hinauszögern können, aber Severus hatte den löblichen Ehrgeiz, den Thron ohne einen einzigen Schwertstreich zu besteigen Aurelius Victor, Caesares und Eutropius 8,17 erwähnen ein Gefecht an der Milvischen Brücke, welches den zuverlässigeren und älteren Autoren jedoch unbekannt ist.. Seine Emissäre, die bereits überall in der Stadt waren, sicherten den Gardetruppen zu, dass, gesetzt, sie ließen ihren nichtswürdigen Herrscher fallen und lieferten die Mörder des Pertinax der Gerechtigkeit des Eroberers aus, er seinerseits bereit sei, das schlimme Geschehen nicht länger als eine Tat der ganzen Truppe anzusehen. Die Prätorianer, die längst alle Hoffnung fahren gelassen hatten und deren Widerstand sich nur noch von einer Art mürrischer Verbohrtheit nährte, willigten freudig in diese günstigen Bedingungen ein, ergriffen den größten Teil der Mordbande und ließen den Senat wissen, dass sie für die Sache Julians nicht länger einzustehen gedächten. Diese Versammlung, – der Konsul hatte sie einberufen – erkannten Severus vorbehaltlos als den rechtmäßigen Herrscher an, beschloss für Pertinax göttliche Ehrungen und erklärte seinen glücklosen Nachfolger für abgesetzt und abgetan. Julian wurde in ein Privatgemach des Palastbades geführt und wie ein gewöhnlicher Krimineller enthauptet [2. Juni 193 A.D.], nachdem er mit einem unermesslichen Geldaufwand eine Herrschaft gekauft hatte, die nur sechsundsechzig Cassius Dio, 73, 1240; Herodian,2,12; Historia Augusta, Didius Iulianus 9. Tage gedauert hatte und die angsterfüllt und jederzeit widerruflich gewesen war. Der kaum glaubliche Zug des Severus, der in so kurzer Zeit seine zahlenstarke Armee von den Donau- zu den Tiberufern geführt hatte, demonstrierte zur gleichen Zeit die umfänglichen Versorgungsmöglichkeiten aus Landwirtschaft und Handel, den guten Zustand der Straßen, die Disziplin der Legionen und die nur in Maßen kontrollierbare Launenhaftigkeit der Provinzen. Von diesen 66 Tagen müssen wir 16 abziehen, da Pertinax am 28. März ermordet und Severus höchstwahrscheinlich am 13. April von seinen Truppen ernannt wurde. (Siehe Historia Augusta, Didius Iulianus, sowie Tillemont, Histoire des empereurs, Bd. 3, S. 393, Anm. 7). Um seine mächtige Armee in Gang zu setzen, dürfen wir nicht weniger als zehn Tage nach seiner Wahl veranschlagen. Vierzig Tage bleiben für seinen Eilmarsch, und wenn wir eine Entfernung von etwa achthundert Meilen zwischen Rom und Wien voraussetzen, dann haben die Truppen von Severus zwanzig Meilen am Tage ohne Zwischenhalt zurückgelegt.

 

REGIERUNG DES SEVERUS DIE JAHRE A.D. 193 – 197

Die ersten Maßnahmen des Severus galten zwei Anliegen, deren eine durch politisches Kalkül, die andere durch Anstand veranlasst wurden: die Rache für Pertinax und die seinem Andenken geschuldeten Ehrungen. Bevor der neue Herrscher Rom betrat, hatte er die Kommandogewalt über die Prätorianergarde übernommen und ihnen befohlen, seine Ankunft auf einer großen Ebene in der Nähe Roms zu erwarten, angetan mit dem festlichen Habit, in welchem sie für gewöhnlich ihren Herren erwarteten. Die arrogante Truppe, deren augenblickliche Zerknirschung eine Folge ihrer Untaten war, gehorchte unverzüglich. Eine ausgesuchte Abteilung der illyrischen Armee eskortierte sie mit gesenkten Lanzen. Zu Flucht oder Widerstand außerstande, erwarteten sie ihr Schicksal in schweigender Betroffenheit. Severus bestieg das Tribunal, zieh sie mit Strenge der Treulosigkeit und Feigheit, entließ sie in Unehren aus der Stellung des Vertrauens, das sie enttäuscht hätten, aberkannte ihnen ihre glanzvollen Auszeichnungen und verurteilte sie bei Androhung der Todesstrafe dazu, der Hauptstadt wenigstens auf hundert Meilen fern zu bleiben. Während dieser Gerichtsverhandlung wurde eine weitere Abteilung losgeschickt, um sich ihrer Waffen zu bemächtigen, ihre Kaserne zu besetzen und eventuellen unüberlegten Verzweiflungstaten vorzubeugen. Cassius Dio, 74, p. 1240; Herodian, 2,13.

 

BEISETZUNG UND VERGÖTTLICHUNG DES PERTINAX SIEGE ÜBER NIGER UND ALBINUS

Als nächstes wurden das Begräbnis und die Vergöttlichung des Pertinax mit allen Elementen betrübter Größe vollzogen. Cassius Dio (74,1244), der der Zeremonie als Senator beiwohnte, gibt hiervon eine äußerst blumenreiche Darstellung. Melancholisch-gefällig erwies der Senat dem geschätzten und noch immer betrauerten Herrscher diesen letzten Dienst. Die Empfindungen seines Nachfolgers waren vermutlich weniger aufrichtig. Er schätzte die Tugenden des Pertinax durchaus, aber jene Tugenden würden seinen Ehrgeiz für alle Zeiten in den Privatbereich verbannt haben. Severus hielt seine Leichenrede mit routinierter Eloquenz, innerlicher Genugtuung und glaubwürdig gespieltem Kummer; und mit dieser frommen Verbeugung vor seinem Andenken überzeugte er die arglose Menge, dass er allein es wert sei, an dessen Stelle zu treten. In der Einsicht jedoch, dass Waffengewalt und nicht Rituale seinen Anspruch auf das Reich bestärken müssten, verließ er Rom nach Ablauf von dreißig Tagen und bereitete, ohne sich seinen leichten Sieg allzu sehr zu Kopfe steigen zu lassen, das Treffen mit seinen eigentlichen Gegnern vor.

Die ungewöhnlichen Fähigkeiten und die Glücksumstände des Severus haben einen feingebildeten Historiker vermocht, zwischen ihm und dem ersten und bedeutendsten der Cäsaren eine Parallele zu entdecken. Herodian, 3,7. Der Vergleich ist, gelinde gesagt, schief. Wo können wir bei Severus die alles beherrschende seelische Überlegenheit finden, die vergebende Milde und den vielseitigen Geist, der die Vorliebe für Vergnügung, den Durst nach Bildung und das Feuer des Ehrgeizes in sich vereinen und harmonisieren konnte? Obwohl es mit Sicherheit nicht die Absicht des Lucan war, Cäsars Charakterbild allzu günstig zu zeichnen, ist dennoch das Bild, das er von ihm im zehnten Buch der Pharsalia zeichnet, ein ausgearbeiteter Panegyrikus; indem er beschreibt, wie Cäsar zu gleicher Zeit Kleopatra liebt, einer Belagerung durch die ägyptische Armee standhält und sich mit den Weisen des Landes unterredet. In einem Punkte indessen lassen sich beide durchaus vergleichen, nämlich der Raschheit ihrer Entschlüsse und ihren Triumphen im Bürgerkrieg. In weniger als vier Jahren Gerechnet vom Tage seiner Wahl (13. April 193) bis zum Tode des Albinus (19. Februar 197). Siehe die Chronologie bei Tillemont. unterwarf Severus die Blumen des Ostens und den Heldenmut des Westens. Er unterwarf zwei Gegner von Rang und Namen und besiegte zahlreiche Armeen, die nach Bewaffnung und Bewährung den seinen durchaus gleichkamen. Zu jener Zeit waren die römischen Generäle in der Kunst des Festungsbaus und den Grundlagen der Taktik durchaus beschlagen: die eigentliche Überlegenheit des Severus war die eines Künstlers, der die gleichen Hilfsmittel wie seine Rivalen benutzt, aber mit mehr Geschick und Energie als diese. Ich möchte mich nun nicht in eine übergenaue Schilderung der einzelnen militärischen Operationen verlieren; aber da die beiden Bürgerkriege gegen Niger und Albinus in Ablauf, Ergebnis und Folgen nachgerade identisch waren, möchte ich die auffälligsten Umstände in einem Punkte zusammenfassen, um die Persönlichkeit des Eroberers und den Zustand des Reiches darzulegen.

 

BÜRGERKRIEG SEVERUS' SCHLICHE

Unehrlichkeit und Unaufrichtigkeit, die sich nun einmal schlecht mit der Würde staatlichen Handelns vertragen, kränken uns wegen ihrer offenbarten Niedertracht weniger, als wenn wir sie im Privatbereich antreffen würden. Hier nämlich enthüllen sie Mangel an Mut, bei ersterem lediglich Mangel an Macht. Und da es nun einmal auch für den größten Staatsmann unmöglich ist, nur durch persönliche Energie Millionen von Anhängern und Feinden an der Kandare zu halten, hat die Welt unter dem Etikett der Politik ihnen die großzügigste Nachsicht bei ihren Kunstgriffen und Trickereien zugestanden. Aber die Schliche des Severus können auch durch die freiherzigste Auslegung des Begriffs der Staatsraison nicht mehr gerechtfertigt werden. Versprechen gab er nur, um sie zu brechen, freundlich war er nur, um zugrunde zu richten, und wie sehr er sich auch bei jeweils passender Gelegenheit durch Eid und Vertrag binden mochte: sein Gewissen, die Dienerin seiner Interessen, sprach ihn allemal von diesen lästigen Verpflichtungen frei. Herodian, 2,13.

Hätten seine beiden Kontrahenten, geeint durch dieselbe Gefahr, Severus ohne Verzug angegriffen, wäre er ihren vereinten Anstrengungen möglicherweise unterlegen. Selbst wenn sie ihn mit getrennten Armeen zur gleichen Zeit angegriffen hätten, hätte der Kampf lang und von ungewissem Ausgang sein können. Aber sie gingen unter, einzeln und nacheinander, eine leichte Beute der Ränke und der Waffen ihres gerissenen Gegners, in Sicherheit gelullt durch seine mäßigenden Proklamationen und überwältigt durch sein blitzschnelles Zuschlagen. Zuerst griff er Niger an, dessen Fähigkeiten und Stärke er am meisten fürchtete: aber er unterließ jede feindselige Äußerung, vermied sogar den Namen seines Gegners und ließ Senat und Volk lediglich wissen, dass er die östlichen Provinzen zu ordnen gedenke. In privatem Kreise sprach er von Niger, seinem alten Freund und wahrscheinlichem Nachfolger Als Severus einmal schwer erkrankt war, wurde mit Eifer das Gerücht gestreut, dass er Niger und Albinus zu seinen Nachfolgern zu ernennen gedächte. Da er in diesem Punkte beiden zugleich gegenüber nicht aufrichtig sein konnte, war er es wohl keinem. Indessen trieb Severus seine Heuchelei soweit, dass er diese Absicht sogar in seinen Lebenserinnerungen bekannte. mit zärtlichster Rücksichtnahme und spendete dessen Plan, den Mord an Pertinax zu rächen, den wärmsten Zuspruch: Den Thronerschleicher zu bestrafen war die Pflicht jedes römischen Generals; unter Waffen zu bleiben und einem rechtmäßigen, vom Senat anerkannten Kaiser Widerstand zu leisten, das hätte ihn zum Verbrecher gemacht. Historia Augusta, Severus 8,7. Nigers Söhne waren ihm in die Hände gefallen, als sie in Rom mit anderen Kindern von Provinzstatthaltern als Geiseln für die Loyalität ihrer Eltern garantieren mussten. Diese von Commodus ersonnene Übung erwies sich für Severus als äußerst nutzbringend. Er traf in Rom Kinder von vielen Anhängern seiner Gegner vor; und er benutzte sie mehr als einmal, um die Eltern einzuschüchtern oder auf seine Seite zu ziehen. Solange der Einfluss von Niger Angst oder sogar Respekt hervorrief, wurden sie gemeinsam mit den Kindern des Severus äußerst sorgfältig erzogen; bald aber waren sie in den Untergang ihres Vaters verwickelt und wurden, zunächst durch das Exil und danach durch Hinrichtung, der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen. Herodian, 3, p. 95; Historia Augusta, Severus 8 und 9.

 

AUSGANG DER BÜRGERKRIEGE

Während Severus auf den östlichen Kriegsschauplätzen beschäftigt war, hatte er Grund zu gewärtigen, der Gouverneur von Britannien könne die See und die Alpen überqueren, den vakanten Thron des Reiches besetzen und, ausgestattet mit der Autorität des Senates und den Truppen des Westens, seiner Rückkunft sich in den Weg stellen. Die unbestimmten Aufführungen des Albinus, der den Thron nicht annahm, ließ Raum für Verhandlungen. Rasch vergaß dieser seine patriotischen Anwandlungen und die die Eifersucht, die jeder herrschenden Gewalt innewohnt und gab sich mit dem leeren Caesaren-Titel zufrieden, als Belohnung für seine verhängnisvolle Neutralität. Bis der erste Waffengang entschieden war, begegnete Severus dem Manne, den er dem Untergang bestimmt hatte, mit allen Anzeichen der Hochschätzung und Zuvorkommenheit. Sogar noch in dem Brief, in welchem er seinen Sieg über Niger mitteilt, heißt er Albinus Bruder seiner Seele und seiner Herrschaft, überbringt ihm die gezierten Grüße seiner Frau Julia und seiner jungen Familie und beschwört ihn gleichsam, die Truppen und die Republik ihren gemeinsamen Interessen geneigt zu halten. Die mit diesem Brief losgeschickten Boten wurden ermahnt, dem Cäsar mit Respekt zu begegnen, um eine geheime Audienz zu ersuchen und ihre Dolche in sein Herz zu versenken. Historia Augusta, Clodius 7. Spartianus hat diesen merkwürdigen Brief in voller Länge in sein Werk eingefügt. Die Verschwörung wurde jedoch entdeckt, der arglose Albinus setzte endlich auf den Kontinent über und bereitete sich auf einen ungleichen Kampf mit einem Gegner vor, der ihm an der Spitze einer siegreichen Veteranenarmee entgegeneilte.

Die militärischen Anstrengungen des Severus scheinen der Bedeutung seiner Erfolge nicht ganz angemessen. Zwei Gefechte, eines in der Nähe des Hellespontes, das zweite in den Engpässen Kilikiens entschieden das Schicksal seines syrischen Mitbewerbers; und die Truppen Europens bewährten auch diesmal wieder ihre gewohnte Überlegenheit über Asiens verweichlichte Landeskinder Vgl. das 3. Buch bei Herodian und das 74. bei Cassius Dio.. Die Schlacht von Lyon, an der einhundertundfünfzigtausend Römer teilnahmen, Cassius Dio, 75, p. 1260. war für Albinus in gleicher Weise verhängnisvoll. Die Kampfkraft der britischen Armee hielt in der Tat in einem lange Zeit offenen Gefechte der straffen Disziplin der illyrischen Legionen stand; für einige Augenblicke schien Severus Sache unwiederbringlich verloren, aber der soldatische Herrscher sammelte seine erschöpften Truppen und führte sie zu dem entscheidenden Sieg Cassius Dio, 75,p. 1261; Herodian, 3,7; Historia Augusta, Severus 11. Das Schlachtfeld liegt in der Ebene von Trevoux, drei oder vier franz. Meilen vor Lyon. Siehe Tillemont, Histoire des Impereurs, Bd. 3, p. 406, Anm. 18. An diesem denkwürdigen Tage war der Krieg beendet. [197 A.D.]

Die Bürgerkriege des modernen Europas sind von denen der Alten nicht nur hinsichtlich der bitteren Feindschaft der beteiligten Parteien, sondern auch durch ihrer verbissene Langlebigkeit unterschieden. Sie wurden üblicherweise mit viel Prinzipiellem gerechtfertigt, oder doch wenigstens mit Vorwänden verbrämt, welche der Sphäre der Religion, der Freiheit oder der Loyalität entstammten. Die Kriegsherren waren hochbegüterte, einflussreiche Adlige. Die Truppen fochten, als seien sie am Ausgang des Kampfes interessiert; und da Kampfstimmung und Parteienhader sich im ganzen Staat ausbreiteten, hatte ein unterlegener Anführer raschen Zulauf von neuen Anhängern, die alle nur begierig waren, ihr Blut für die gleiche Sache hinzugeben. Die Römer hingegen fochten nach dem Untergang der Republik nur noch darum, wer der jeweils neue Herrscher zu sein hatte. Unter der Fahne eines volkstümlichen Thronaspiranten sammelten sich wenige aus Begeisterung, einige aus Furcht, viele aus Neugierde, aber keiner aus Prinzip. Die Legionen, die das Parteigezänk kalt ließ, zogen in den Krieg wegen großzügiger Donative und noch großzügigerer Versprechen. Wenn eine Niederlage einen Heerführer von der weiteren Verfolgung seiner hochgesteckten Ziele abhielt, so löste sich auch der zusammengekaufte Haufen seiner Anhänger auf, denen es überlassen blieb, durch rechtzeitiges Verlassen der verlorenen Sache wenigsten ihr Leben zu retten. Für die Provinzen war es nebensächlich, in wessen Namen sie ausgeplündert oder verwaltet wurden; sie hatten unter dem Druck der jeweiligen Macht zu leiden, und sobald diese Macht einer anderen, stärkeren nachgeben musste, eilten sie, die Milde des neuen Machthabers zu erwirken, welcher, da er zuverlässig hochverschuldet war, die zuvor feindlichen Länder der Raubgier seiner Soldaten auslieferte. In Roms gewaltigem Reich gab es nur wenige befestigte Städte, die sich einer marodierenden Armee hätten widersetzen können; auch gab es keine Person, keine Familie und keine Menschengruppe, deren natürliche Interessen ohne Unterstützung durch die Regierung imstande gewesen wären, eine untergehende Partei wieder herzustellen. Montesquieu, Considérations sur les causes de la grandeur des Romains, c. 13.

 

BELAGERUNG VON BYZANZ A.D. 193

Indessen, in der Auseinandersetzung zwischen Niger und Severus macht eine Stadt eine rühmliche Ausnahme. Da Byzanz an einer der wichtigsten Verbindungswege zwischen Asien und Europa lag, wurde es zu einer starken Garnisonsstadt ausgebaut, und eine Flotte von fünfhundert Schiffen ankerte im Hafen. Die meisten davon, so dürfen wir vermuten, waren nur kleine, offene Boote; einige waren allerdings auch Schiffe mit zwei, wenige mit drei Ruderreihen. Severus' erster ungestümer Angriff ward an dieser verständigen Art der Verteidigung zuschanden; er überließ seinen Generälen die Belagerung von Byzanz, erzwang die weniger stark geschützte Passage über den Hellespont und, begierig auf einen schwächeren Feind, eilte er weiter, seinem Rivalen zu begegnen. Byzanz, welches von einem zahlenstarken und beständig anwachsenden Feinde belagert wurde – später kamen noch die vereinigten Seestreitkräfte des Reiches hinzu – hielt drei Jahre stand und blieb der Sache Nigers treu. Bürger und Soldaten waren, wir wissen nicht warum, vom gleichen Zorn beseelt; einige der Oberbefehlshaber des Niger, die auf Gnade nicht hoffen konnten oder sie verschmähten, hatten diesen letzten Ausweg gewählt. Die Befestigungsanlagen galten für uneinnehmbar, auch zog ein berühmter Ingenieur bei der Verteidigung der Stadt sämtliche Register der Kriegskunst, die den Alten zu Gebote standen. Der Name des Ingenieurs war Priscus; sein Können rettete ihm das Leben: er kam in die Dienste des Eroberers. Zu den Einzelheiten der Belagerung s. Cassius Dio, (74,p. 1251; und Herodian 3,6; zusätzlich sollte der phantasiereiche Chevalier de Folard konsultiert werden. Siehe dessen Commentaire sur Polybe, Bd.1, p.76. Schließlich musste Byzanz sich dem Hunger ergeben. Die Soldaten und den Senat überantwortete man dem Schwert des Henkers, die Mauern wurden geschleift, die Vorrechte der Stadt aufgehoben, und die künftige Hauptstadt des Ostreichs lebte als ein offenes Dorf dahin, der Willkür des Perinthus ausgeliefert. Der Historiker Dion, der Byzanz' Blüte ebenso warm besungen wie ihren Untergang beweint hatte, machte die Rachsucht des Severus dafür verantwortlich, dass das römische Reich seines stärksten Bollwerks gegen die Barbaren aus dem Pontos und Asien beraubt sei. Der Bekundungen des Spartianus und einiger moderner Griechen ungeachtet können wir mit Cassius Dio und Herodian versichert sein, dass Byzanz noch viele Jahre nach dem Tode des Severus in Ruinen lag. Die Wahrheit dieser Feststellung wurde nur zu trefflich nachgewiesen, als in späteren Zeiten die Flotten der Goten den Pontos Euxenos beherrschten und durch den ungeschützten Bosporus ins Mittelmeer vordrangen.

Niger und Albinus wurden auf ihrer Flucht vom Schlachtfeld gefasst und zum Tode verurteilt. Ihr Schicksal löste weder Überraschung noch Mitleid aus. Sie hatten bei diesem Spiel um die Herrschaft ihr Leben aufs Spiel gesetzt und das erlitten, was sie gegebenenfalles selber verhängt haben würden; auch Severus verstieg sich nicht zu der überlegenen Geringschätzung, seine Rivalen in einer privaten Stellung zu belassen. Sein nachtragendes Gemüt, durch Habgier zusätzlich angereizt, lebte dem Geist der Rache, der Ausgleich nicht kannte. Die angesehensten Provinzialen, welche ohne irgendein Gefühl der Feindschaft gegenüber dem siegreichen Bewerber dem jeweiligen Provinzverwalter gehorcht hatten, unter dessen Autorität sie sich zufällig befanden, wurden nun mit Tod, Verbannung und natürlich ganz besonders mit Vermögensentzug bestraft. Vielen Städten des Ostens wurden ihre althergebrachten Rechte entzogen, und darüber hinaus mussten sie in den Schatz des Severus das Vierfache dessen zahlen, was sie dem Niger beigesteuert hatten. Cassius Dio, 74, p. 1250.

 

SEVERUS UND DER SENAT

Bis zur endgültigen Entscheidung des Krieges hielt sich die Grausamkeit des Severus noch leidlich bedeckt, wegen der Unsicherheit des Ausganges und wegen seines vermeintlichen Respektes vor dem Senat. Das Haupt des Albinus, den noch ein Drohbrief begleitete, bedeutete den Römern, dass er entschlossen sei, keinem der Anhänger seines glücklosen Gegners Schonung zu gewähren. Er argwöhnte, ganz mit Recht übrigens, dass er niemals die Ergebenheit des Senats besessen habe, und trotz der jüngsten Entdeckung einer verräterischen Korrespondenz verhehlte er nach wie vor seine alte Abneigung. Fünfunddreißig Senatoren jedoch, die der Parteinahme für Albinus angeklagt waren, schenkte er großmütig Pardon; auch war er nach Kräften bemüht, durch sein späteres Verhalten sie davon zu überzeugen, dass er vergeben und vergessen habe. Gleichzeitig jedoch verurteilte er einundvierzig Senatoren, deren Namen die Geschichte aufgezeichnet hat; Cassius Dio (75, p. 1264) erwähnt nur 29 Senatoren, aber 41 werden in der Historia Augusta (Severus 13) genannt, unter denen sich sechs mit dem Namen Pescennius fanden. Herodian spricht von den Grausamkeiten des Severus nur im Allgemeinen (3,8). ihre Frauen, Kinder, ihre Klientel folgten ihnen in den Tod, und die edelsten Provinzialen Spaniens und Galliens erlitten ein ähnliches Schicksal. Solch strenge Gerechtigkeit – dies sein Ausdruck dafür – war nach der Auffassung des Severus der einzig gangbare Weg, dem Volk Frieden zu schenken oder dem Herrscher Sicherheit. Und er entblödete sich nicht, die Notwendigkeit zu beseufzen, dass er, um milde sein zu können, erst einmal grausam gewesen sein müsse Aurelius Victor, Caesares 20,13.

 

SEINE KLUGE REGIERUNGSPOLITIK

Die eigentlichen Interessen eines absoluten Herrschers sind oft mit denen der Bevölkerung identisch. Ihre Zahl, ihr Wohlergehen, ihre Ordnung und ihre Sicherheit: dies sind die besten und einzigen Grundlagen seiner wahren Größe; und wenn er auch jeder Tugend ermangelte, so könnte Klugheit immer noch ihre Stelle einnehmen und dieselben Maßregeln anordnen. Severus betrachtete das Römische Reich als sein Eigentum und kaum, dass er dieses Besitzes sicher war, sann er auch schon auf Mehrung und Verbesserung dieser kostbaren Erwerbung. Heilsame Gesetze, die mit unnachsichtiger Strenge exekutiert wurden, hatten schon bald den schlimmsten Missbräuchen abgeholfen, deren sich seit dem Tode des Marcus eigentlich jeder innerhalb der Regierung schuldig gemacht hatte. In der Justizverwaltung bescheinigte man den Urteilssprüchen des Kaisers Sorgfalt, kritisches Urteilsvermögen und Unvoreingenommenheit; und wenn sie denn einmal vom geraden Weg der Gerechtigkeit abwichen, so geschah dies fast immer zu Gunsten der Armen und Erniedrigten; allerdings geschah dies nicht so sehr infolge humanitärer Empfindungen, sondern vielmehr aus dem jedem Despoten eingeborenen Hang, den Stolz der Großen zu dämpfen und alle Untertanen auf dieselbe gemeinsame Stufe des absoluten Ausgeliefertseins herabzusetzen. Seine kostspielige Neigung zur Bautätigkeit, zu großartigen Veranstaltungen und, mehr als alles andere, eine regelmäßige Korn- und Lebensmittelzuteilung sicherten ihm die Ergebenheit der stadtrömischen Bevölkerung. Cassius Dio, 76, p. 1272; Historia Augusta, Severus 8. Severus ließ die Säkularspiele mit ausgesuchtem Pomp begehen, und in den staatlichen Kornkammern deponierte er einen Kornvorrat für sieben Jahre, was etwa 75000 Modii oder 2500 Quart pro Tag entspricht. Ich bin überzeugt, dass die Vorratskammern des Severus für lange Zeit gereicht hätten, aber ich bin mir nicht weniger sicher, dass Politik einerseits und Bewunderung andererseits diesen Schatz beträchtlich über sein wahres Maß hinaus vergrößert haben. Die Unglücksfälle des Bürgerkrieges waren vergessen. In den Provinzen verspürte man erneut Frieden und Ruhe, und viele Städte, die Severus' Großzügigkeit wiederhergestellt hatte, erhielten den Titel seiner Kolonien und drückten auf öffentlichen Monumenten ihre Dankbarkeit und Freude aus. Siehe Spanheims Abhandlung über antike Medaillen und Inschriften. Spon, Wheeler, Shaw und Pococke, unsere gelehrten Reisenden, haben in Afrika, Griechenland und Asien mehr Monumente von Severus als von jedem anderen Römischen Herrscher gefunden. Der Ruhm der Römischen Waffen ward durch den kriegerischen und erfolgreichen Herrscher neuerlich belebt, Er führte seine Truppen bis nach Seleucia und Ctesiphon, der Hauptstadt des Partherreiches. Ich werde von diesem Krieg an seinem gehörigen Platze berichten. und er mochte sich in gerechtem Stolz rühmen, dass er ein Reich übernommen habe, welches in auswärtige und Bürgerkriege verwickelt war und welches er nun im Zustande eines gesicherten, allgemeinen und ehrenhaften Frieden zurücklasse Pacatam rem publicam etiam in Britannis relinquo, so sein eigener, berechtigter und entschiedener Ausdruck. Hist. Aug., Severus 12.

 

SINKENDE DISZIPLIN DER PRÄTORIANER

Wenngleich die Wunden des Bürgerkrieges vollständig ausgeheilt schienen, so wirkte sein tödliches Gift im Lebensnerv des Staates fort. Severus verfügte zwar über beachtliche Energie und Geistesgaben; aber die Kühnheit eines Julius Cäsar oder die politischen Entwürfe eines Augustus waren wenig geeignet, die siegreichen Legionen in ihrer Dreistigkeit unter Kontrolle zu halten. Dankbarkeit, fehlgesteuerte Politik oder scheinbare Notwendigkeit: dies alles veranlasste Severus, in Fragen der Disziplin zu einzulenken. Herodian 3,8; Hist. Aug., Severus 12. Mit der Ehre, Goldringe zu tragen, schmeichelte er der Eitelkeit seiner Soldaten; für ihre Behaglichkeit sorgte er, indem er sie mit ihren Frauen im Komfort ihrer Standquartiere wohnen ließ. Ihren Sold erhöhte er weit über das früher Übliche, und er gewöhnte sie daran, anlässlich öffentlicher Gefahren oder Lustbarkeiten Extrazahlungen zu erwarten und irgendwann auch einzufordern. Durch Erfolg übermütig gemacht, im Luxus verweichlicht und infolge ihrer bedenklichen Privilegien Über die Privilegien und die Dreistigkeit der Soldaten der Prätorianergarde kann man die 16. Satire konsultieren, welche fälschlich dem Juvenal zugeschrieben wird. Ihr Stil und andere Umstände bestimmen mich zu der Vermutung, dass sie unter der Herrschaft des Severus oder seines Sohnes abgefasst wurde. über die Stufe eines Untertanen emporgehoben, mochten sie bald die militärische Routine nicht mehr ertragen, wurden dem Lande beschwerlich und waren zu normaler Subordination fast außerstande. Ihre Offiziere glaubten sich und ihrem gehobenem Rang überreichlichen und erlesenen Luxus schuldig zu sein. Es ist ein Brief des Severus auf uns gekommen, in dem er den verwahrlosten Zustand der Armee beklagt und einen seiner Generäle ermahnt, die überfällige Reformen bei den Militärtribunen selbst beginnen zu lassen; doch, wie er mit einem Seufzen hinzufügt, ein Offizier, der die Wertschätzung seiner Soldaten verspielt hat, wird niemals ihrem Gehorsam gebieten. Historia Augusta, Pescennius Niger 3. Hätte der Kaiser diesen Gedanken zu Ende gedacht, so hätte es sich ihm entdeckt, dass die eigentliche Ursache für die allgemeine Verderbtheit nun nicht gerade dem Vorbild, gewiss aber der gefährlichen Nachsicht des Oberkommandierenden selbst zuzuschreiben sei.

 

NEUORDNUNG DER PRÄTORIANERGARDEN

Die Prätorianer, die ihren Kaiser ermordet und das Reich versteigert hatten, waren für ihren Verrat angemessen bestraft worden; aber die notwendige, wenn auch heikle Einrichtung einer Garde wurde von Severus in neuer Gestalt wieder eingeführt, wobei sie das Vierfache der herkömmlichen Mannschaftsstärke erhielt. Herodian, 3,13. Vormals rekrutierten sich diese Truppen aus Italien; da nun aber die benachbarten Provinzen allgemach Roms mildere Lebensweise in sich aufnahmen, wurden die Aushebungen bis nach Macedonien, Noricum und Spanien ausgedehnt. In Kreisen dieser aufgeputzten Truppe, die sich mehr zur Auszierung des Hofes als für den eigentlichen Kriegsgebrauch eignete, war es durch Severus üblich geworden, dass aus allen Grenzlegionen diejenigen Soldaten, die sich durch Körperkräfte, Energie und Zuverlässigkeit vor anderen auszeichneten, immer mal wieder zum Zeichen ehrender Anerkennung in den begehrten Dienst bei der Garde abkommandiert wurden. Cassius Dio, 1243. Hierdurch wurde die italische Jugend vom Waffendienst ausgegrenzt, und die Hauptstadt entsetzte sich über das fremdartige Aussehen und Gebaren ungezählter Barbaren. Aber Severus redete sich ein, dass die Legionen diese ausgewählten Prätorianer als die Vertreter des Militärstandes ansehen würden; und dass fünfzigtausend Mann, alleine durch Bewaffnung und Zusammenhalt jedweder militärischen Macht überlegen, die gegebenenfalles gegen sie ins Feld rücken würde, durch ihre bloße Anwesenheit jede Hoffnung auf eine erfolgreiche Rebellion nehmen und ihm und seiner Nachkommenschaft auf diese Weise das Reich sichern würden.

 

DER PRÄTORIANERPRÄFEKT

Das Kommando über diese fürchterliche Elitetruppe wurde über ein kurzes zum wichtigsten Amt des Imperiums. Als die Regierung zu einer Militärdiktatur verludert war, wurde der Prätorianerpräfekt, ursprünglich ein schlichter Hauptmann der Wache, nicht nur an die Spitze der Armee gestellt, sondern auch der Finanzverwaltung und sogar der Justiz. In allen Regierungsangelegenheiten vertrat er die Person des Kaisers und übte dessen Autorität. Der erste Gardepräfekt, der sich dieser immensen Macht erfreuen konnte und sie denn auch sofort missbrauchte, war Plautianus, des Severus bevorzugter Minister. Seine Macht übte er zehn Jahre aus, bis seine Tochter den Sohn des Kaisers heiratete, was seine Stellung zu festigen schien, aber bald Veranlassung zu seinem Untergang gab. Eines seiner ungeheuerlichsten und böswilligsten Verbrechen war die Kastration von hundert freien Römern, darunter auch einigen Ehemännern und Familienvätern, auf dass seine Tochter bei ihrer Hochzeit mit dem jungen Prinzen von einer Entourage von Eunuchen umgeben sei, würdig einer morgenländischen Herrscherin (Cassius Dio, 76, p. 12711). Hofkabalen, an denen sich der Ehrgeiz des Plautianus ärgerte und die seine Besorgnisse erweckten, drohten eine Revolte loszutreten und zwangen den Kaiser, ihn unter Ausdrücken des Bedauerns zum Tode zu verurteilen, obwohl er ihn immer noch schätzte. Cassius Dio 76, p. 1274; Herodian, 3,12. Der alexandrinische Grammatiker scheint – wie üblich – mit diesem mysteriösen Vorkommnis viel vertrauter und von Plautianus' Schuld fester überzeugt zu sein, als die Römischen Senatoren es sich trauten. Nach dem Sturz des Plautianus wurde der berühmte Anwalt Papinian ausersehen, das vielgestaltige Amt des Prätorianerpräfekten auszuüben.

 

SEVERUS' HERRSCHAFT DER ANFANG VOM ENDE ROMS

Bis zu dem Regierungsantritt des Severus ließen sich die Tugenden und selbst der gesunde Menschenverstand der Herrscher daran ermessen, mit wie viel aufrichtigem oder auch nur erheucheltem Respekt sie dem Senat begegneten und inwieweit sie schonende Rücksicht auf die von Augustus gesetzten subtilen Rahmenbedingungen für die Zivilverwaltung nahmen. Aber Severus Jugend war im soldatischen Geist unbedingten Gehorsams aufgebracht worden, und seine Reifejahre verbrachte er im Absolutismus militärischer Kommandostellen. Sein hochfahrender und spröder Geist hätte niemals einen Vorteil darin gesehen geschweige denn ihn akzeptiert, eine vermittelnde Macht zwischen Herrscher und Armee, und sei sie noch so fiktiv, zuzulassen. Es war ihm unmöglich, den Dienst eines Gremiums zu beanspruchen, welches ihn verabscheute und zugleich vor seinem Zorn bebte; er gab Weisungen, wo Empfehlungen sich als gleich wirksam erwiesen hätten; er gebärdete sich als wie ein Alleinherrscher und Eroberer und hatte doch die vollständige exekutive wie legislative Macht inne.

Sein Sieg über den Senat war billig und ruhmlos. Jeder Blick und jede Anteilnahme war auf die höchste Regierungsgewalt gerichtet, welche über die Waffen und das Vermögen des Staates verfügte, während das sinkenden Ansehen eines Senates, der vom Volk nicht gewählt, vom Militär nicht geschützt und von der öffentlichen Wertschätzung nicht belebt wurde, nur auf dem schwächelnden und bröckelnden Fundament seiner vergangenen Größe beruhte. Die schöne Illusion von einer Republik verflüchtigte sich unmerklich und gab monarchischen Gefühlen Raum, die gegründeter und deutlich handfester waren.

Da nun Roms Freiheiten und Ehren auch erfolgreich auf solche Provinzen übergegangen waren, welche die alte Regierungsform entweder nicht gekannt hatten oder sich ihrer nur mit Grauen erinnerten, war die Tradition republikanischer Ideen abgerissen. Die griechischen Historiker aus der Zeit der Antonine merkten mit hämischer Genugtuung an, Appian, Proömium 6. dass der Herrscher Roms, obwohl er doch nach altem Herkommen den Titel eines Königs von sich wies, gleichwohl königliche Macht in ihrer ganzen Fülle innehatte. Unter der Herrschaft des Severus füllte sich der Senat mit glattgeleckten und eloquenten Sklavenseelen aus den Ostprovinzen, welche den Personenkult mit eigens ersonnenen Lobliedern auf die Knechtschaft rechtfertigten. Auf diese neuen Verfechter königlicher Prärogative hörte der Hof mit Freuden und das Volk mit Geduld, wenn sie die Pflicht duldenden Gehorsams lehrten und vor den naturnotwendigen Unannehmlichkeiten der Freiheit warnten. Anwälte und Historiker übertrafen sich gegenseitig mit den Nachweisen, dass die kaiserliche Macht sich nicht aus dem Auftrag, sondern der endgültigen Abdankung des Senats herleite; dass der Kaiser Beschränkungen durch das bürgerliche Recht nicht nut nicht unterliege, sondern sogar nach Gutdünken über Leben und Vermögen seiner Untertanen verfügen und das Reich wie sein Privateigentum ansehen dürfe. Cassius Dio hat dies wohl nur zu dem Zweck geschrieben, um diese Auffassungen in ein historisches System einzufügen. Die Pandekten werden noch zeigen, wie beflissen die Juristen ihrerseits im Sinne der kaiserlichen Prärogative forschten. Die bedeutendsten Zivilrechtler, und insbesondere Papinian, Paulus und Ulpian hatten unter der Ägide des Severus ihre Blüte; und Roms Rechtsgelehrsamkeit, die sich so innig mit dem monarchischen System verbunden hatte, soll damals den Gipfel ihrer Reife erreicht haben.

Die Zeitgenossen des Severus verziehen in ihrer Freude über den Frieden und den Ruhm seiner Herrschaft die Grausamkeiten, unter denen sie entstanden waren. Die Nachwelt, die die tödlichen Auswirkungen seiner Prinzipien und seines Vorbildes auskosten durfte, hat in ihm ganz zu Recht den Hauptschuldigen am Untergang Roms gesehen.


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